BUNDESTAGSWAHL Am 22. SEPTEMBER 2 13

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BUNDESTAGSWAHL Am 22. SEPTEMBER 2 13
BUNDESTAGSWAHL am                                                                1

22. SEPTEMBER 2 13

»Das Heil der Demokratien, von welchem Typus und Rang sie immer seien,
hängt von einer geringfügigen technischen Einzelheit ab: vom Wahlrecht.«
                                                          Jose Ortega y Gasset
BUNDESTAGSWAHL Am 22. SEPTEMBER 2 13
Im Herbst 2013 endet die Legislaturperiode des 17. Deutschen Bundestages. Das Volk, von dem gemäß
1                                                                                                                                         2
    Artikel 20 des Grundgesetzes alle Staatsgewalt ausgeht, ist aufgerufen, den neuen, 18. Deutschen
    Bundestag zu wählen. Die Zusammensetzung des Parlaments entscheidet über die Frage, welche
    Parteien die neue Bundesregierung bilden und welche Person an deren Spitze das Amt des Bundes-
    kanzlers ausfüllt.

    Aufgrund verschiedener Urteile des Bundesverfassungsgerichts wurde 2013 das Verfahren der Sitz-
    zuteilung geändert. Diese Änderungen stehen daher im Mittelpunkt des vorliegenden Informationsheftes.

    Ausführlichere Informationen zum neuen Wahlrecht finden Sie unter www.politische-bildung-bayern.de.

    Impressum

    Text:              Volker Best, M. A.
    Redaktion: 	Monika Franz, Jan-Alexander Liedtke
    Satz:              druckbar - kreative Ideen GmbH, Chemnitz
                                                                                                            Blick in den Plenarsaal des
    Druckkoordination: Ludwig & Höhne, Marketing, Kommunikation und Design GmbH, Schweinfurt                 Deutschen Bundestages,
                                                                                                              1.7.2005, © Presse- und
    Druck:             Gmähle-Scheel Printmedien GmbH, Waiblingen                                                   Informationsamt der
                                                                                                                      Bundesregierung /
    Titelbild:         © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung / Guido Bergmann                                Andrea Bienert
3   Wahlrechtsgrundsätze                                                                                         Die Gleichheit der Wahl: Alle Stimmen zählen gleich viel und sollen auch die gleiche Einflusschance auf das
                                                                                                                 Wahlergebnis haben. Die Parteien und Personen, die zur Wahl antreten, genießen Chancengleichheit.
                                                                                                                                                                                                                               4

                                                                                                                 Eine gerechtfertigte Abweichung von diesem Prinzip stellt die Fünf-Prozent-Hürde dar (siehe S. 7).
    Artikel 38 des Grundgesetzes bestimmt, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages „in allge-
    meiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl“ gewählt werden. Diese fünf Anforderungen an die
                                                                                                                 Das Wahlgeheimnis: Die Wahl muss so durchgeführt werden, dass andere Personen nicht feststellen
    Gestaltung der Wahl werden als Wahlrechtsgrundsätze bezeichnet. Was bedeuten diese im Einzelnen?
                                                                                                                 können, wie der oder die Einzelne gewählt hat. Um dies zu gewährleisten, werden die Stimmzettel in der
                                                                                                                 Wahlkabine angekreuzt, gefaltet und in Wahlurnen geworfen.
    Die Allgemeinheit der Wahl: Wahlberechtigt sind alle deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die
    das 18. Lebensjahr vollendet haben. Eingeschränkt ist die Allgemeinheit der Wahl – außer mit Blick auf
                                                                                                                 Seite 5
    die Staatsangehörigkeit und das Alter – allerdings durch einzelne Ausschlussgründe (Anordnung einer
                                                                                                                 Bildmarke: Die Wahlgrundsätze schmidt-zahlenbilder Kennzahl 086030
    Betreuung für alle Angelegenheiten, Aberkennung des Wahlrechts aufgrund schwerer Straftaten). Durch
    die Möglichkeit der Briefwahl soll das Prinzip der Allgemeinheit besser zur Geltung gebracht werden, indem
    auch Menschen die Teilnahme ermöglicht wird, denen die Stimmabgabe im Wahllokal nicht möglich ist.

    Die Unmittelbarkeit der Wahl: Die Wählerinnen und Wähler wählen die Abgeordneten direkt oder über
    Parteilisten. Im Unterschied dazu sind etwa bei der Wahl des US-Präsidenten Wahlmänner und -frauen
    zwischengeschaltet.

    Die Freiheit der Wahl: Die Stimmabgabe muss frei von staatlichem Zwang oder sonstigem unzulässigem
    Druck sein. Niemand darf wegen seiner Wahlentscheidung benachteiligt werden.
5   Grundlegendes zum Wahlsystem                                                                                                6

    Der Bundestag ist das Parlament, d. h. die Volksvertretung der Bundesrepublik Deutschland, und damit
    das wichtigste politische Entscheidungsorgan. Er besteht aus mindestens 598 Abgeordneten. Über die
    Verteilung der Mandate, das heißt des Auftrags, einen Sitz im Bundestag einzunehmen, entscheiden die
    Wählerinnen und Wähler. Jede Wählerin und jeder Wähler hat dabei zwei Stimmen:

        Mit der Erststimme wählen die Bürgerinnen und Bürger in jedem der 299 Wahlkreise (siehe S. 16)
        von mehreren Kandidaten einen aus, der sie im Bundestag vertritt (sog. Direktmandate). Gewählt ist
        derjenige, der die meisten Stimmen auf sich vereinigt. Dies nennt man relative Mehrheitswahl.

        Mit der Zweitstimme entscheiden sich die Bürgerinnen und Bürger in den 16 Ländern für eine Partei.       Personenwahl
        Die zur Wahl antretenden Parteien stellen dazu sog. Landeslisten auf, auf denen sie die Vertreter, die
        sie in den Bundestag entsenden möchten, nominieren. Je weiter oben die Kandidaten auf dieser Liste
        stehen, desto besser ist ihre Chance, ins Parlament einzuziehen. Wie viele der Parteivertreter auf
        der jeweiligen Landesliste aber tatsächlich ein Mandat erhalten, hängt davon ab, wie viele Stimmen die
        jeweilige Partei im Verhältnis zu den anderen Parteien bekommt (sog. Verhältniswahl).
7   Obwohl das bundesdeutsche Wahlsystem also sowohl Elemente der Mehrheitswahl (Erststimme) als                                                                                                                                     8
    auch der Verhältniswahl (Zweitstimme) enthält, ist die weit verbreitete Annahme, es handele sich um
    ein Trennsystem, ähnlich der sog. Parallelwahl z. B. in Japan, falsch: Denn es ist alleine die Zweit-
    stimme, die darüber entscheidet, welchen Anteil der Sitze im Bundestag die verschiedenen Parteien
    bekommen. Obwohl nämlich 299 dieser Abgeordneten direkt gewählt werden, wird die Zahl der
    direkt gewählten Abgeordneten einer Partei von der Gesamtzahl der dieser Partei laut Zweitstimmen
    zustehenden Mandate abgezogen. Erhält eine Partei also z. B. 30 Direktmandate und hat laut ihrer
    erhaltenen Zweitstimmen Anspruch auf 100 Mandate, so entsendet sie auch nur 100 Abgeordnete,
    und zwar 30 über die gewonnenen Direktmandate und 70 über die Landesliste. Die Erststimme dient
    also der Personalisierung. Deshalb bezeichnet man dieses Wahlsystem als personalisiertes Verhältnis-
    wahlsystem. Die Wähler können so direkten Einfluss auf die personelle Auswahl der Mandatsträger
    nehmen. Anders als die Bezeichnung nahelegen mag, ist die Zweitstimme jedoch bei Weitem die
    wichtigere Stimme!

    Damit nicht zu viele kleine Parteien ins Parlament einziehen, werden bei der Verteilung der Mandate
    nur diejenigen Parteien berücksichtigt, die bundesweit mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen
    erhalten haben (sog. Fünf-Prozent-Hürde). Erringt eine Partei aber mindestens drei Direktmandate,
    so gilt die Fünf-Prozent-Hürde für sie nicht (sog. Grundmandatsklausel). Scheitert eine Partei an der
    Fünf-Prozent-Hürde und erhält weniger als drei Direktmandate, so ist sie im Bundestag ausschließ-
    lich mit den erhaltenen Direktmandaten vertreten.

                                                                                                            Die Gegenüberstellung der Wahlsysteme von Japan und Deutschland zeigt: Beides sind Mischwahlsysteme aus Mehrheits- und
                                                                                                            Verhältniswahl, aber das deutsche Wahlsystem ist kein Trennsystem.
9   Das Problem der Überhangmandate                                                                                 10

    Abgesehen von der Fünf-Prozent-Hürde zieht jede Partei grundsätzlich gemäß ihres Anteils an den
    Zweitstimmen in den Bundestag ein. Allerdings haben bisher sog. Überhangmandate das Verhältnis von
    Stimmen und Sitzen verzerrt. Überhangmandate entstehen, wenn für eine Partei in einem Land mehr
    Direktkandidaten erfolgreich waren, als der Partei Mandate gemäß Zweitstimmenanteil in diesem Land
    zustehen. Daher durfte eine Partei, die z. B. zwölf Direktmandate gewonnen, aber nach ihrem Anteil
    an den Zweitstimmen nur Anspruch auf zehn Mandate hatte, trotzdem die zwölf direkt gewählten
    Abgeordneten in den Bundestag entsenden. Die Gesamtzahl der Sitze im Bundestag wurde dann einfach
    um die zwei „überzähligen“ Sitze erhöht. Weil dies die Mehrheitsverhältnisse verzerren konnte, soll bei der
    Bundestagswahl 2013 nun erstmals ein Ausgleich für diese Überhangmandate stattfinden.

    Bis zur Deutschen Einheit fielen die Überhangmandate dabei gar nicht besonders ins Gewicht: Bei elf Bundes-
    tagswahlen gab es insgesamt nur 17 Überhangmandate, der Höchstwert von fünf war 1961 zu verzeichnen.
    Bei den sechs Wahlen seit 1990 hingegen kam es zu insgesamt 80 Überhangmandaten. Der Hauptgrund für
    das Anwachsen der Überhangmandate ist der gesunkene Zweitstimmenanteil der beiden Volksparteien, die
    aber nach wie vor den Löwenanteil der Direktmandate gewinnen. Vor allem die jeweils stärkere Volkspartei
    kann so weiterhin mit einer hohen Anzahl von Direktmandaten rechnen, die aber durch die gleichzeitig erreich-
    ten Zweitstimmen oft nicht mehr gedeckt sind. Verstärkt wurde dieser Effekt noch durch eine weit verbreitete
    Form des Stimmensplittings, die Erststimme einer großen und die Zweitstimme einer kleinen Partei zu geben.
11   Die neue Verteilung der Sitze                                                                              Beispiel für Sitzzuteilung mittels Divisor-                                                                12

                                                                                                                Verfahrens mit Standardrundung
     Bevor die letztendliche Sitzverteilung erfolgen kann, muss erst einmal festgestellt werden, ob bzw. wie    (Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren):
     viele Überhangmandate überhaupt entstehen und in welchem Maße der Bundestag gegebenenfalls
                                                                                                                 Zu verteilende Sitze:		          100
     vergrößert werden muss, um die hieraus entstehenden Verzerrungen zwischen den Sitzanteilen der
                                                                                                                 Zweitstimmen für die A-Partei:   41.600
     einzelnen Parteien auszugleichen. Diese sog. Erste Stufe der Sitzverteilung erfordert fünf Teilschritte:    Zweitstimmen für die B-Partei:   33.800              A-Partei:   41.600 : 1.000 = 41,6 » gerundet: 42
                                                                                                                 Zweitstimmen für die C-Partei:   24.600              B-Partei:   33.800 : 1.000 = 33,8 » gerundet: 34
                                                                                                                 Zweitstimmen insgesamt           100.000             C-Partei:   24.600 : 1.000 = 24,6 » gerundet: 25
      1. Verteilung der Sitze auf die Länder: Ausgegangen wird zunächst von der gesetzlichen Mitgliederzahl
         des Bundestags. Diese beträgt genau 598. Diese 598 Sitze werden auf die 16 Länder verteilt. Die
         Verteilung erfolgt nach den Bevölkerungsanteilen der Länder.                                           Zur Berechnung der sog. vorläufigen Wahlzahl         Da in unserem Beispiel mit der Wahlzahl 1.000
      2. Berechnung der Sitzansprüche der Parteien in den Ländern: Aus den Sitzkontingenten der Länder          wird in jedem Land die Gesamtzahl der für alle       insgesamt 101 statt 100 Sitze vergeben werden,
         werden die Sitze auf die Landeslisten der Parteien verteilt. Seit der Bundestagswahl 2009 wird         zu berücksichtigenden Listen abgegebenen             muss die Wahlzahl vergrößert werden, bis die
         hierzu das sogenannte Divisorverfahren mit Standardrundung (Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren)           Zweitstimmen durch die Zahl der in dem Land zu       Verteilung insgesamt 100 Sitze ergibt. Das ist mit
         angewandt (siehe Beispielrechnung gegenüber).                                                          vergebenden Mandate geteilt:                         der Wahlzahl 1.003 der Fall:
      3. Feststellung der Überhangmandate: Durch Abgleich der Sitzansprüche der einzelnen Parteien in den
         Ländern mit der Zahl ihrer erfolgreichen Wahlkreisbewerber wird ermittelt, bei welchen Parteien         100.000 : 100 = 1.000                                A-Partei:   41.600 : 1.003 ≈ 41,476 » gerundet: 41
                                                                                                                                                                      B-Partei:   33.800 : 1.003 ≈ 33,699 » gerundet: 34
         Überhangmandate angefallen sind.                                                                                                                             C-Partei:   24.600 : 1.003 ≈ 24,526 » gerundet: 25
      4. Berechnung des Sitzanspruchs auf Bundesebene: Für jede Partei werden ihre Sitzansprüche sowie          Nun werden die Zweitstimmen der einzelnen Par-
         gegebenenfalls ihre Überhangmandate für alle Länder zusammengerechnet, so dass sich die                teien durch die vorläufige Wahlzahl 1.000 geteilt.
         Gesamtzahl der der Partei zustehenden Bundestagssitze ergibt.                                          Das auf- oder abgerundete Ergebnis ergibt die        Der A-Partei stehen somit 41, der B-Partei 34
      5. Erhöhung der Anzahl der Bundestagssitze: Die Zahl der Sitze im Bundestag wird so weit erhöht, bis      Anzahl der Sitze für die Partei.                     und der C-Partei 25 Sitze zu.
         die Sitzansprüche aller Parteien erfüllt werden.
13   Die Erste Stufe der Sitzverteilung dient also dazu, festzustellen, wie groß der Bundestag sein muss, um
     zu garantieren, dass bei der endgültigen Sitzverteilung in keinem Land mehr Überhangmandate anfallen,
                                                                                                                Warum das Wahlsystem geändert                                                                            14

     die die Mehrheitsverhältnisse verzerren, sondern die Sitzanzahl aller Parteien ihrem Zweitstimmenanteil    werden musste
     entspricht.
                                                                                                                Bereits 2008 hatte das Bundesverfassungsgericht die bestehenden Regelungen beanstandet, dem
     Die sog. Zweite Stufe der Sitzverteilung erfolgt dann in drei weiteren Teilschritten:                      Gesetzgeber aber drei Jahre Zeit zur Änderung eingeräumt. Kern der Kritik waren damals zwar nicht die
                                                                                                                Überhangmandate, sondern das sogenannte negative Stimmgewicht, das aber eng mit den Überhang-
                                                                                                                mandaten zusammenhängt. Das Problem des negativen Stimmgewichts besteht darin, dass sich der
      6. Oberverteilung auf die einzelnen Parteien: Zunächst wird mittels des bereits erläuterten Divisorver-
                                                                                                                Effekt abgegebener Stimmen in sein Gegenteil verkehren kann und eine Partei in Ausnahmefällen durch
         fahrens mit Standardrundung die Verteilung der gegebenenfalls erhöhten Gesamtsitzzahl auf die zu
                                                                                                                mehr Zweitstimmen weniger Sitze im Parlament erhält, als wenn sie weniger Zweitstimmen erhalten hätte.
         berücksichtigenden Parteien festgelegt (sogenannte Oberverteilung).
                                                                                                                Dieser Effekt kommt vor allem dadurch zustande, dass Zweitstimmenverluste einer Landesliste mit Über-
      7. Unterverteilung auf die einzelnen Landeslisten: Dann werden nach demselben Verfahren die Sitze
                                                                                                                hangmandaten sich in diesem Land auf die Mandatszahl der Partei nicht auswirken (weil sich bei einer
         jeder Partei auf ihre einzelnen Landeslisten aufgeteilt (sogenannte Unterverteilung).
                                                                                                                Landesliste mit Überhangmandaten die Sitzzahl aus der feststehenden Zahl der aufgrund der Erststim-
      8. Besetzung der Sitze mit Abgeordneten: Die Sitze einer Partei in einem Land werden zunächst mit ihren
                                                                                                                men gewonnenen Direktmandate ergibt), in der Unterverteilung der Sitze der Partei auf die Landeslisten
         in diesem Land erfolgreichen Direktkandidatinnen und -kandidaten besetzt. Noch freie Sitze werden
                                                                                                                aber dadurch, dass die Landesliste mit den Überhangmandaten weniger Zweitstimmen vorweisen kann,
         dann entsprechend der in der Landesliste festgelegten Reihenfolge vergeben.
                                                                                                                unter Umständen einer anderen Landesliste ein Sitz mehr zusteht. Dies hat dann zur Folge, dass die
                                                                                                                Partei insgesamt durch einen Zweitstimmenverlust in einem Land bundesweit mehr Sitze (oder umgekehrt
                                                                                                                durch einen Zweitstimmengewinn weniger Sitze) erhalten kann.
15   Ein Beispiel illustriert das Problem: Aufgrund des Todes einer Direktkandidatin unmittelbar vor der Bundes-   16
     tagswahl 2005 war damals eine Nachwahl im Wahlkreis Dresden I nötig geworden. Zum Zeitpunkt der
     Nachwahl war das Ergebnis im restlichen Bundesgebiet natürlich schon bekannt. Danach hatte die CDU
     173 der 598 regulären Mandate zu erwarten. Davon entfielen 10 Mandate auf die sächsische Landes-
     liste der CDU. Da die CDU in Sachsen (außer dem Wahlkreis Dresden I) 13 Direktmandate gewonnen
     hatte, wären für sie in diesem Land also drei Überhangmandate angefallen. Hätte die CDU aber bei der
     Nachwahl in Dresden mehr als 42.000 Zweitstimmen bekommen, hätte sich in der Unterverteilung auf
     die einzelnen CDU-Landeslisten eine Verschiebung ergeben. Auf Sachsen wäre dann ein Listenmandat
     mehr entfallen, auf Nordrhein-Westfalen dafür eines weniger. Bei einem Anspruch auf 11 Listenmandate
     in Sachsen wären nur noch 2 der 13 (ohne den Wahlkreis Dresden I) in Sachsen gewonnenen Direktman-
     date Überhangmandate gewesen, und in Nordrhein-Westfalen hätte die CDU deswegen ein Listenmandat
     verloren. Die Wähler der CDU hätten das Gegenteil von dem erreicht, was sie mit ihrer Stimme erreichen
     wollten – daher der Name negatives Stimmgewicht.
17   Da die Ende 2011 beschlossene Reform sich nicht mit dem Problem der Überhangmandate befasst hat           18
     und das Problem des negativen Stimmgewichts nicht zufrieden stellend lösen konnte, kam es im Juli
     2012 zu einem erneuten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Wahlsystem. Im Bundestag wurde
     daraufhin eine Einigung erzielt, alle Überhangmandate auszugleichen.

     Hätte die Ausgleichsregelung schon für die letzte Bundestagwahl gegolten (und hätten trotzdem alle
     Wählerinnen und Wähler ihre Stimmen unverändert abgegeben), wären zusätzlich zu den 24 Überhang-
     mandaten (21 für die CDU, 3 für die CSU) 49 Ausgleichsmandate entstanden; insgesamt hätten also 671
     Abgeordnete im Deutschen Bundestag gesessen. Auf Basis der Meinungsumfragen rechnen Experten für
     den neu zu wählenden Bundestag eher mit einem Umfang von etwa 650 Abgeordneten. Damit bliebe der
     13. Deutsche Bundestag (1994 bis 1998) der bislang größte: Er umfasste 672 Abgeordnete, die gesetzliche
     Mitgliederzahl lag damals noch bei 656.
19   Aufgaben des Bundestages                                                                                    Die Gesetzgebungsfunktion                                                                                   20
                                                                                                                 In der Bundesrepublik Deutschland liegt der Großteil der Gesetzgebungskompetenzen beim Bund (die
     Der Bundestag hat im Wesentlichen vier Funktionen:                                                          wichtigste Ausnahme stellt aufgrund der Kultushoheit der Länder die Bildungspolitik dar). Im Durchschnitt
                                                                                                                 berät der Bundestag jährlich über mehr als 200 Gesetze und verabschiedet etwa zwei Drittel davon. Etwa
     Die Wahlfunktion                                                                                            ein Drittel der im Bundestag beratenen Gesetzesinitiativen stammen aus den Reihen der Abgeordneten
     Die Bundesrepublik Deutschland hat ein parlamentarisches Regierungssystem. Das heißt nicht, dass das        des Bundestages, die Mehrzahl von der Bundesregierung.
     Parlament die meiste Macht hätte, sondern, dass die Regierung auf das Vertrauen der Parlamentsmehrheit
     angewiesen ist. In der Bundesrepublik Deutschland wird dies dadurch betont, dass der Bundeskanzler vom
     Bundestag mit absoluter Mehrheit ins Amt gewählt werden muss. Der Bundestag kann dem Bundeskanzler               Mehr über das Zusammenwirken der Verfassungsorgane im Gesetzgebungsprozess können
     seine Unterstützung aber auch wieder entziehen und die Regierung stürzen. Dies ist dem Parlament nur             Sie unter www.politische-bildung-bayern.de nachlesen.
     möglich, wenn sich gleichzeitig eine Mehrheit des Bundestages für einen Nachfolger ausspricht. Ein
     solches Konstruktives Misstrauensvotum hat eine stabilisierende Wirkung, weil es verhindert, dass sich
     – wie es z. B. in der Weimarer Republik der Fall war – eine Mehrheit gegen den Kanzler bilden kann,         Die Kontrollfunktion
     ohne dass diese sich auf einen neuen Kanzler einigen könnte.                                                Zur Kontrolle des Regierungshandelns stehen dem Bundestag unter anderem Anfragen an die Regierung,
     Die Wahl des Bundeskanzlers ist zwar die mit Abstand wichtigste, aber nicht die einzige Wahlentscheidung,   Fragestunden und Aktuelle Stunden zur Verfügung. Auch kann ein Viertel der Abgeordneten einen
     die der Bundestag fällt. Er wählt auch die Hälfte der Bundesverfassungsrichter (durch einen speziellen      Untersuchungsausschuss einsetzen oder verlangen, dass das Bundesverfassungsgericht ein bereits
     Wahlausschuss aus zwölf Abgeordneten), den Bundestagspräsidenten, den Wehrbeauftragten sowie                verabschiedetes Gesetz auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz überprüft.
     den Präsidenten des Bundesrechnungshofs. Die Bundestagsabgeordneten stellen zudem die Hälfte der
     Mitglieder der Bundesversammlung, die regulär alle fünf Jahre zusammentritt, um den Bundespräsidenten       Es ist vor allem die Opposition, die sich dieser Kontrollinstrumente bedient. Die Regierungsmehrheit
     zu wählen.                                                                                                  gebraucht sie eher, um die Verdienste der von ihr gestützten Regierung zu betonen.
21   Die Öffentlichkeitsfunktion
                                                                                                               Ebenfalls erhältlich bei der Bayerischen Landeszentrale                                                          22
     Der Bundestag als Repräsentant des ganzen Volkes soll das „Forum der Nation“ sein. Hierzu dienen die
     Plenardebatten. Deren Ziel liegt nicht darin, den politischen Gegner zu überzeugen, sondern die eigenen
                                                                                                               für politische Bildungsarbeit:
     Positionen zu wichtigen politischen Fragen öffentlichkeitswirksam zu kommunizieren. In jährlich etwa
     60 Plenarsitzungen von durchschnittlich siebeneinhalb Stunden Länge kommt der Bundestag dieser

                                                                                                                                                                                                                      2013
     Aufgabe nach. Angesichts der Vielzahl politischer Talkshows im deutschen Fernsehen ist das Parlament
                                                                                                                                                   &
                                                                                                                                           WAHLHL &
     zwar sicherlich nicht mehr das einzige Forum öffentlicher Debatten, wohl aber das einzige, bei dem die
     Zusammensetzung des Teilnehmerkreises demokratisch legitimiert ist und am Ende der Diskussionen
                                                                                                                                    TA G S                                                                             2013
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                                                                                                                                N   D    GASHWLA
                                                                                                                                      TSAW      E N
     verbindliche Entscheidungen für alle getroffen werden.                                                                   ALANDT
                                                                                                                                 I R K    AGSW H  EN &
                                                                                                                                                 LAHL                                                                    2013
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                                                                                                                                  ZIRKS SWAH
                                                                                                                           B BEBEZIRK        A                                 rüber, w
                                                                                                                                                                                         er unse
                                                                                                                                                                                                  re
     Der Bundestag soll jedoch nicht nur nach außen wirken, sondern bei seiner Arbeit auch die Forderungen
                                                                                                                                      rer
                                                                                                                            Mit unse serte
                                                                                                                                           W  ah l LEN
                                                                                                                                                   en  tscheide
                                                                                                                                                              dehe
                                                                                                                                                           intsc
                                                                                                                                                                    n wir da
                                                                                                                                                                   n nä  ch st
                                                                                                                                                                      iden wirW
                                                                                                                                                                               en
                                                                                                                                                                                 darüb   er,
                                                                                                                                                                                               en
                                                                                                                                                                                  fünf Jahrwer un
                                                                                                                                                                                              ingen
                                                                                                                                                                                   ahlen brf Jahren
                                                                                                                                                                                                     sere
     der Öffentlichkeit berücksichtigen. Diese erreichen die Abgeordneten in Gesprächen im Wahlkreis oder                             en In erre
                                                                                                                                 Mit un          Wassenhl en
                                                                                                                                                                iln ah mnenäanchste  n fün           alle
                                                                                                                                                                                         von demwerenunsere
                                                                                                                            politisch Mit    unserer ere  e
                                                                                                                                                         Wahl
                                                                                                                                                        disseTen  in de
                                                                                                                                                                 entscheiden       wir
                                                                                                                                                                                  sind ,
                                                                                                                                                                                       darüber,
                                                                                                                                                                                                 bring
                                                                                                                                 politismcht.en    ch
                                                                                                                                              DurInt               ir da  s Volk  an Wahlenfünf
     mit Interessenverbänden, über die Presse und in Form von Meinungsumfragen.                                              wahrnimpolitischen
                                                                                                                                  wahrn    usdrt.ucDu
                                                                                                                                         Aimm
                                                                                                                                                         dass diewTei
                                                                                                                                                     k, Interessen
                                                                                                                                                        rch                 dene nächsten
                                                                                                                                                                        in hm
                                                                                                                                                                       lna
                                                                                                                                                                                       sind, von dem
                                                                                                                                                                                                    Jahrenalle
                                                                                                                             wir zumwahrnimmt.         auDurch
                                                                                                                                                           k, dat.ssdie
                                                                                                                                                           sgeh            das Volk an
                                                                                                                                                                       wirTeilnahme        Wahlen bringen
                                                                                                                                              Au   al
                                                                                                                                                  sd truc
     Am unmittelbarsten ist das Parlament den Wünschen der Bürger aber im Hinblick auf die jeweils nächste                    staatlich
                                                                                                                                       zum
                                                                                                                                  wir e G
                                                                                                                                       wir zum
                                                                                                                                              ew
                                                                                                                                                    Ausdruck,
                                                                                                                                                      walt  au  sge   ht.
                                                                                                                                                                    dass    wir  das  Volk   sind,  von  dem   alle
                                                                                                                                   staatliche Ge
                                                                                                                                       staatliche Gewalt ausgeht.
     Bundestagswahl ausgesetzt. Dies ist der Augenblick, in dem der demokratische Souverän, der Bürger,                                                                3
     alleine das Wort hat. Machen Sie deshalb von Ihrem Wahlrecht souverän Gebrauch!                                                      5   . SEE   PT. 20113
                                                                                                                                   M    1               nP   T . 2  0
                                                                                                                                 AAM ir1die5A.bgeSord die Bezirksräte.
                                                                                                                                                          eten des

                                                                                                                                    len w 15.
                                                                                                                                 wähAM                 ordneten de2013
                                                                                                                                                     SEPT.
                                                                                                                                                     gs
                                                                                                                                                   tage &           s
                                                                                                                                        chwi
                                                                                                                                     hlen     diend
                                                                                                                                          enr La  Ab
                                                                                                                                                                   zirksräte.
                                                                                                                                    wäeris
                                                                                                                                   Bay                tags & die
                                                                                                                                                                 Be
                                                                                                                                                                    des
                                                                                                                                                     Abgeordneten
                                                                                                                                                 diend
                                                                                                                                      wählen wir La
                                                                                                                                    Bayerischen
                                                                                                                                      Bayerischen Landtags & die Bezirksräte.
          Weitere Informationen zum politischen System der Bundesrepublik finden Sie in F. Blumöhr,
          E. Hübner, A. Maichel: Die politische Ordnung in Deutschland, hg. v. d. Bayerischen Landes-
          zentrale für politische Bildungsarbeit, 13. Aufl., München 2011.
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