Der Facebook-Datenskandal im Spiegel der öffentlichen Meinung

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Der Facebook-Datenskandal im Spiegel der öffentlichen Meinung
Précis [p e‘si:]                                                              // AUG 2018

Der Facebook-Datenskandal im Spiegel der
öffentlichen Meinung
Marco Lünich & Frank Marcinkowski
Kontakt: marco.luenich@hhu.de, frank.marcinkowski@hhu.de

ABSTRACT
Anfang 2018 erschienen Medienberichte
über einen weitreichenden Missbrauch von
Facebook-Nutzerdaten durch das Unterneh-
men Cambridge Analytica, die bis zum Vor-
wurf der Wahlmanipulation reichten. Mit
Hilfe eines ‚natürlichen Experiments‘ wird
die Annahme geprüft, ob sich der von den        REFERENZEN ZUM THEMA
Medien als „Skandal“ stilisierte Datenmiss-
                                                Marcinkowski, F., Lünich, M. & Kieslich, K. (2018).
brauch negativ auf die Einstellung der Bevöl-    It’s now or never. Future Discounting in the Ap-
kerung zur Digitalisierung auswirkt.             plication of the Online Privacy Calculus. Paper
                                                 submitted to Communication and Technology
Die Ergebnisse einer Panelbefragung zeigen       Division at the 2019 Annual Conference of the
                                                 International Communication Association (ICA)
überraschender Weise, dass sich keinerlei        Washington, DC., USA, 23-27 May 2019.
Effekt des Ereignisses auf die Haltung der
Deutschen zur Digitalisierung nachweisen        Klinger, K. et al. (2018). Systematisch irrational?
lassen. Der bekannte FDP-Wahlslogan, „Digi-        Zum Umgang mit privaten Daten im digitalen
                                                   Zeitalter. Working Paper No. 1 des Lehrstuhls
talisierung first, Bedenken second“, stellt
                                                   KMW I. Online abrufbar: hier.
eine ziemlich exakte Zustandsbeschreibung
der öffentlichen Meinung zum Thema Digita-      Lünich, M., Rössler, P., & Hautzer, L. (2012). Social
lisierung in Deutschland dar, die sich im Üb-     Navigation on the Internet: A Framework for the
                                                  Analysis of Communication Processes. Journal
rigen als bemerkenswert resistent erweist.
                                                  of Technology in Human Services, 30(3-4), 232–
                                                  249. https://doi.org/10.1080/15228835.2012.7
                                                  44244.
Der Facebook-Datenskandal im Spiegel der öffentlichen Meinung
Der Facebook-Datenskandal im Spiegel der öffentlichen Meinung

Einleitung                                             Es stellt sich die Frage, ob und inwieweit der Skan-
                                                       dal einen Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung
Der im Frühjahr 2018 publik gemachte ‚Skandal‘         der Digitalisierung hatte, was an substantiellen Mei-
um den Missbrauch von Nutzerdaten des sozialen         nungsunterschieden zwischen diesen beiden Grup-
Online-Netzwerks Facebook durch das Datenanaly-        pen ablesbar sein müsste.
se-Unternehmen Cambridge Analytica stellt für den
deutschen Raum einen Präzedenzfall dar. Nicht zum      Facebook und Cambridge Analytica — Was war ge-
ersten Mal wurden im großem Stil persönliche Daten     schehen?1
auch von deutschen Online-Nutzern abgeschöpft
und möglicherweise missbräuchlich verwendet. In        Am 17. März 2018 veröffentlichten der britische
dem Fall aber zog die mediale Debatte um Daten-        Guardian und die US-amerikanische New York Times
sicherheit und Privatsphäre ausgesprochen weite        ein Dossier, in dem darüber berichtet wurde, dass
Kreise und führte dazu, dass sich der Facebook-Un-     ein Unternehmen namens Cambridge Analytica über
ternehmenschef Mark Zuckerberg nicht nur vor dem       eine Schnittstelle große Mengen persönlicher Nut-
US-Kongress, sondern auch vor dem EU-Parlament         zerdaten des sozialen Online-Netzwerks Facebook
erklären und rechtfertigen musste.                     abgreifen konnte. Laut Medienberichten handelt es
                                                       sich um Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Nut-
Ein solches Ereignis und die hierdurch angestoße-      zern, darunter Angaben zu deren Wohnort, Freund-
ne öffentliche Diskussion um Privatsphäre und Da-      schaftsverbindungen und vergebenen Likes².
tenschutz im Zuge der Digitalisierung , so würde
man meinen, wird einen nachhaltigen Einfluss auf       Facebook soll bereits 2015 von der Weitergabe der
die Wahrnehmung der Digitalisierung in der Be-         persönlichen Daten durch diese App erfahren und
völkerung gehabt haben. Die Veröffentlichung der       die Anweisung erteilt haben, diese Daten zu vernich-
Geschehnisse um Facebook und Cambridge Ana-            ten. Gleichzeitig soll Cambridge Analytica mit dem
lytica wären dann gleichsam das Tschernobyl oder       damaligen Präsidentschaftskandidaten und jetzigem
Fukushima der Digitalen Gesellschaft: So wie die       US-Präsidenten Donald Trump zusammengearbei-
Nuklearkatastrophen Politik und Gesellschaft zum       tet haben, um dessen Wahlkampf zu unterstützen.
Umdenken bewegten, könnte der ‚Facebook-Skan-          Ob, inwieweit und mit welchem Erfolg das geschah,
dal‘ von 2018 Millionen Online-Nutzer zum Nach-        ist allerdings zwischen den Beteiligten umstritten.
denken über ihre Privatsphäre, Datensicherheit und
generell ihr Verhältnis zur Digitalisierung und zum    Ein natürliches Experiment zu den Perzepti-
Internet gebracht und diesbezügliche Meinungen         onen der Digitalisierung
beeinflusst haben.

In der Kommunikationswissenschaft bezeichnet man       Zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens des ‚Face-
solche Vorkommnisse, die die Sichtweise von Eliten     book-Skandals‘ befand sich gerade die zweite Welle
und Bürgern folgenreich verändern, als „Schlüsse-      einer Panelbefragung im Feld, die unter Leitung von
lereignisse“. Der vorliegende Beitrag geht der Fra-    Prof. Dr. Volker Gehrau und Prof. Dr. Marcinkows-
ge nach, ob das Facebook-Datenleck das Potential       ki am Institut für Kommunikationswissenschaft an
dazu hat.                                              der Westfälischen Wilhelms-Universität in Müns-
                                                       ter durchgeführt wurde. In dieser für deutsche In-
Nachfolgend wird ein natürliches Experiment vorge-     ternetnutzer repräsentativen Befragung wurden
stellt, das sich im Rahmen der Durchführung einer      Perzeptionen zur Digitalisierung erfragt, um Ent-
Panel-Befragungsstudie im März 2018—also zum           wicklung und Veränderungen von Einstellungen der
Zeitpunkt des Bekanntwerdens des angesproche-          Deutschen zur Digitalisierung besser zu verstehen.
nen ‚Facebook-Skandals‘ rund um Cambridge Ana-         Aufgrund der Feldzeit von 14 Tagen, wurde zufällig
lytica—gleichsam zufällig ergeben hat. Da sich die     ein Teil der Befragten vor dem Bekanntwerden des
Umfrage gerade zum Zeitpunkt der Veröffentlichung      ‚Facebook-Skandals‘ befragt und ein anderer Teil
im Feld befand, ermöglicht sie einen Vergleich der     der Befragten nach Bekanntwerden des Skandals.
Gruppe der Befragten, die noch keine Kenntnis vom      Diese Ausgangslage eröffnet die einmalige Möglich-
Skandal haben konnte, mit denen, die diese Infor-      keit, den Einfluss des potentiellen „Schlüsselereig-
mation bereits erreicht haben sollte.                  nisses“ auf die Meinungsbildung zur Digitalisierung
                                                       in Deutschland direkt zu testen. Man kann begründet

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Der Facebook-Datenskandal im Spiegel der öffentlichen Meinung
Dialogbasierte
                                                Der Facebook-Datenskandal             Argumentationssysteme
                                                                          im Spiegel der öffentlichen Meinung

davon ausgehen, dass alle relevanten Randbedin-           im Internet preisgebe, missbraucht werden könn-
gungen der Meinungsbildung in den wenigen Tagen           ten.“). Die Zustimmung wurde über eine fünfstufige
konstant geblieben sind, bis auf eine einzige: Das        Likert-Skala abgebildet (1=“trifft gar nicht zu“ bis 5 =
Riskio der Nutzung ‚sozialer‘ Medien für die eigene       „trifft voll und ganz zu“). Die Skala zeigte eine gute
Privatsphäre wurde der Öffentlichkeit durch das Er-       interne Konsistenz (Cronbach’s α =.883).
eignis prägnant vor Augen geführt. In der Sozialfor-
schung bezeichnet man eine solche Konstellation           Schaden- und Nutzenerwartungen für einzelne Le-
als ‚natürliches Experiment‘. Von einem kausalen          bensbereiche
Effekt des Ereignisses ist dann auszugehen, wenn          Die Befragten äußerten sich auch zu ihren Erwar-
man die erste Gruppe mit der zweiten vergleicht           tungen an Nutzen und Schaden durch die Digitali-
und dabei überzufällige Unterschiede findet.              sierung in einzelnen gesellschaftlichen und private
                                                          Handlungsbereichen. Folgende Fragen wurden allen
                                                          Teilnehmern und Teilnehmerinnen gestellt:
Durchführung und Fragebogenaufbau
                                                           „Die zunehmende Digitalisierung bzw. die Verbrei-
                                                           tung von Internet und mobilen Medien bringt sowohl
Die fortlaufende Erhebung der öffentlichen Meinung         Vorteile als auch Nachteile mit sich. Was glauben Sie,
zur Digitalisierung in Deutschland ist Bestandteil ei-     wie groß ist der mögliche (Nutzen/ Schaden) durch
ner Forschungskooperation von Frank Marcinkowski           die Digitalisierung in den verschiedenen gesellschaft-
                                                           lichen Bereichen?“
(Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) und Volker
Gehrau (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
                                                          Zu diesen Bereichen zählten: Arbeitswelt, Gesund-
und wird im Wesentlichen mit Mitteln des Instituts
                                                          heit, Bildung, wirtschaftliche Entwicklung, Demokra-
für Kommunikationswissenschaft (IfK) in Münster
                                                          tie, Mobilität, Sicherheit, sozialer Zusammenhalt,
finanziert. Inhaltlicher Schwerpunkt ist die Wahr-
                                                          eigene Freizeitgestaltung, Selbstbestimmung, Wis-
nehmung der Digitalisierung im Allgemeinen und
                                                          senschaft, eigene Gesundheit, eigener Arbeitsplatz/
die Einschätzung von Nutzen und Risiken digitaler
                                                          Arbeitsmöglichkeit, eigene soziale Einbindung. Die
Technologien in diversen Lebensbereichen.
                                                          Nutzen- bzw. Schadeneinschätzung wurde über eine
                                                          fünfstufige Skala abgebildet (1 = „kein Nutzen/Scha-
Die Studie ist als Online-Befragung, ein sogenanntes
                                                          den“ bis 5 = „großer Nutzen/Schaden“).
Computer-Assisted Self-Interview (CASI), konzipiert.
Hierbei wurde 2017 und 2018 auf das Open-Ac-
                                                          Generelle Einstellung zur Digitalisierung
cess-Panel der mindline GmbH zurückgegriffen, die
                                                          Um eine generelle Einschätzung der Einstellung der
für Fragebogenprogrammierung, Rekrutierung und
                                                          Befragten gegenüber der Digitalisierung zu erhal-
Inzentivierung der Teilnehmer zuständig war. Die
                                                          ten, wurde folgende Frage gestellt: „Wie würden
Erhebung der zweiten Welle fand vom 15. bis 28.
                                                          Sie ganz allgemein Ihre persönliche Einstellung zur
März 2018 statt. Neben ausführlichen Fragebatteri-
                                                          Digitalisierung einstufen?“. Die Einstellung wurde
en zur Soziodemografie (wie Geschlecht, Alter und
                                                          über eine fünftstufige Skala abgebildet (1 = „sehr
Bildungsstand) und Mediennutzung der Befragten,
                                                          negativ“ bis 5 = „sehr positiv“).
beinhaltete der Fragenbogen auch etliche Fragen
zur Einstellung gegenüber der Digitalisierung und
                                                          Digitalisierungsbereitschaft
Privatheitsbedenken, sowie eine Variable, die ab-
                                                          Schließlich wurden individuelle Verhaltensdispositi-
bildet wie sehr die Befragten bereit sind ihr Leben
                                                          onen im Umgang mit digitaler Technologie vermes-
zu digitalisieren und digitale Technologien in ihren
                                                          sen. Dazu wurden die Befragten gebeten anzugeben,
Alltag zu integrieren.
                                                          inwieweit sie bereit sind, digitale Technologien in
                                                          ihren Alltag zu integrieren. Die drei Fragen zur Di-
Im Folgenden soll hier kurz auf die Messung der
                                                          gitalisierungsbereitschaft lauteten:
vier untersuchten Konstrukte und die verwendeten            •   „Ich wickle möglichst viele Bereiche meines Le-
Fragen eingegangen werden.                                      bens digital ab.“
                                                            •   „Ich nehme gern Risiken in Kauf, um auf dem neu-
Privatheitsbedenken                                             esten Stand der digitalen Entwicklung zu bleiben.“
Alle Nutzer wurden zu ihren Privatheitsbedenken             •   „Ich versuche immer, die Vorteile der digitalen
befragt. Insgesamt sechs Fragen dienten als Indi-               Entwicklung zu nutzen.“
katoren für die Privatheitsbedenken im Internet           Die Zustimmung zu jeder Frage wurde über eine
(bspw. „Ich befürchte, dass Informationen, die ich        fünfstufige Likert-Skala abgebildet (1=“trifft gar nicht

                                                                                                                     3
Der Facebook-Datenskandal im Spiegel der öffentlichen Meinung

zu“ bis 5 = „trifft voll und ganz zu“). Die Skala zeig-    ab hier ein namhafter Teil der Bevölkerung von den
te eine akzeptable interne Konsistenz (Cronbach’s          Ereignissen erfahren haben sollte. Von den insge-
α =.657)³.                                                 samt 1.053 Befragten wurden 560 vor Bekanntwer-
                                                           den des Skandals und 493 nach Bekanntwerden des
Festlegung des Cut-Off-Zeitpunkts                          Skandals befragt, was ungefähr gleichen Gruppen-
                                                           größen entspricht.
Kurz nachdem die Befragung Mitte März ins Feld
gegangen war, erreichten die Vorwürfe an Facebook          Alle nachfolgenden Tests wurden mit unterschiedli-
die deutsche Medienöffentlichkeit. Da das Dossier          chen Cut-Off-Zeitpunkten wiederholt, die entweder
zum Skandal an einem Samstag veröffentlicht wur-           zeitlich nach vorne (bevor der Skandal im Fernsehen
de, griffen die deutschen Medien das Ereignis mit          behandelt wurde), aber auch nach hinten (nach
leichter Verzögerung auf und die öffentliche Dis-          dem Höhepunkt der Berichterstattung) verschoben
kussion kam erst mit ein paar Tagen Verzögerung            wurden. Die Verschiebung des Zeitpunkts führte in
in Gang (siehe Abb. 1).                                    keinem Fall zu einer Veränderung der Ergebnisse.

                                                           Ergebnisse des Gruppenvergleichs

                                                           Zunächst wurde getestet, ob der ‚Facebook-Skandal‘
                                                           zu einer Zunahme der Privatheitsbedenken (Privacy
                                                           Concerns) geführt hat. Dabei zeigt sich: Personen,
                                                           die vor Bekanntwerden des Skandals befragt wur-
                                                           den (M=3.83, SE=0.04), unterscheiden sich kaum
                                                           von Personen, die danach befragt wurden (M=3.78,
                                                           SE=0.04). Der gemessene Unterschied von 0,05 Ska-
                                                           lenpunkten ist weder substantiell noch statistisch
Abb. 1: Anzahl der Artikel zu Cambrigde Analytica im       signifikant (ΔM=0.06, BCa 95% CI [-0.056, 0.162],
März 2018
                                                           t(1045)=1.00, p = .319). Bei allen Befragten liegen
Eine LexisNexis-Recherche4 in deutschen Zeitun-            die Sorgen um die Privatsphäre knapp 0,8 Punkte
gen ergab, dass ab Montag, dem 19. März 2018               über dem Skalenmittelpunkt. Es ist also nicht so,
über Cambridge Analytica und Facebook berichtet            dass den Menschen ihre Privatheit im Netz nicht
wurde und die Mediendebatte am 22. März ihren              wichtig wäre, diesbezügliche Bedenken gibt es vor
Höhepunkt erreichte. Am 19. März berichtete die            und nach dem ‚Facebook-Skandal‘, sie sind aber
19-Uhr-Ausgabe der heute-Nachrichten erstmals              durch das Ereignis überraschender Weise nicht grö-
über den Skandal. Die Tagesschau berichtete in ihrer       ßer geworden.
20-Uhr-Ausgabe erst am 20. März, also knapp zwei-
einhalb Tage nach Bekanntwerden der Vorwürfe.              Für die generelle Einstellung zur Digitalisierung konn-
                                                           te ebenfalls kein signifikanter Unterschied zwischen
                                                           den beiden Gruppen festgestellt werden (ΔM=-.001,
In Online-Angeboten wurde mit Bekanntwerden der
                                                           BCa 95% CI [-0.113, 0.110], t(1024)=-0.026, p=.979).
Vorwürfe ab dem 17. März 2018 berichtet. Wir ha-
                                                           Im Durchschnitt aller Befragten liegen die Antwor-
ben keine Informationen zu Umfang und Reichweite
                                                           ten einen halben Punkt oberhalb des Skalenmit-
dieser Berichterstattung, allerdings wurde in allen
                                                           telpunkts, was auf eine weit verbreitete positive
nachfolgenden Auswertungen für die Intensität der
                                                           Haltung gegenüber der Digitalisierung hinweist.
Mediennutzung der Befragten (hierzu zählte auch
                                                           Darauf hatte der ‚Facebook-Skandal‘ keinen mess-
die Nutzung von Nachrichtenangeboten im Internet)
                                                           baren Einfluss: wir messen vor und nach dessen
kontrolliert. Das bedeutet, die berichteten Grup-
                                                           Veröffentlichung einen bis auf die zweite Nachkom-
penunterschiede sind statistisch unabhängig von
                                                           mastelle identischen Wert (vorher: M=3.53, SE=.04;
der Intensität der Mediennutzung des einzelnen
                                                           nachher: M=3.53, SE=.04).
Befragten.
                                                           Die Fragen zu wahrgenommenem Nutzen und po-
Als Cut-Off-Zeitpunkt haben wir den Beginn der heu-
                                                           tentiellen Gefahren der Digitalisierung beziehen sich
te-Sendung am 19. März um 19 Uhr festgelegt, da
                                                           auf eine breite Palette digitalisierter Lebensberei-

                                                                                                                     4
Dialogbasierte
                                                Der Facebook-Datenskandal             Argumentationssysteme
                                                                          im Spiegel der öffentlichen Meinung

che (siehe oben). Es steht zu erwarten, dass der         in der durchweg positiven Haltung der deutschen
Schock des ‚Facebook-Skandals‘ die Einschätzung          Bevölkerung gegenüber der Digitalisierung nicht
der Gefahren zumindest in einzelnen Bereichen be-        nieder.
einflusst haben könnte. Um dies zu prüfen, wurden
weitere t-Tests gerechnet. Dabei zeigt sich, dass die    Die Bereitschaft zum Digitalisierungsoptimismus
Mittelwerte für Nutzen und Schaden in keinem der         erscheint insoweit unerschütterlich, jedenfalls so-
genannten Bereiche zwischen den beiden Gruppen           lange nichts Schlimmeres passiert. Aber was sollte
signifikant voneinander abweichen. Beispielsweise        das sein? Die Frage muss hier unbeantwortet blei-
sehen die Befragten nach Bekanntwerden des Da-           ben. Das vermeintliche „Schlüsselereignis“ im Früh-
tenlecks bei Facebook weder mehr Risiken für die         jahr 2018, das die Risiken der Digitalisierung für die
Demokratie, noch fürchten sie mehr um ihre Sicher-       Privatsphäre aller Nutzer hat deutlicher werden
heit (wozu auch die Datensicherheit gehört) oder         lassen als selbst der NSA-Skandal und darüber hi-
um das Ausmaß ihrer Selbstbestimmung.                    naus einen höchstpopulären Dienst betrifft, war
                                                         jedenfalls keines.
Auch mit Blick auf die Digitalisierungsbereitschaft
konnten keine Effekte des Skandals festgestellt wer-
                                                         Verweise
den. Nutzer, die vor dem Skandal befragt wurden
(M=2.92, SE=.04) unterschieden sich mit Blick auf
ihre Bereitschaft, digitale Anwendungen zu nutzen        1
                                                          Eine Zusammenfassung zum Ablauf der Ereignisse rund
kaum von den Befragten, die nach dem Bekanntwer-         um Facebook und Cambridge Analytica findet sich unter
den befragt wurden (M=2.99, SE=.04). Auch hier ist       folgenden Links: https://www.dailydot.com/debug/fa-
der Unterschied statistisch nicht signifikant (ΔM=-      cebook-cambridge-analytica-timeline/ und https://www.
.070, BCa 95% CI [-0.181, 0.055], t(1043)=-1.191,        cnbc.com/2018/04/10/facebook-cambridge-analyti-
p=.234). Eine Zurückhaltung, die sich in größerer        ca-a-timeline-of-the-data-hijacking-scandal.html.
Vorsicht bei der Nutzung von digitalen Anwendun-
gen äußert, ist nicht ersichtlich.                       2
                                                           Während zunächst von 50 Millionen betroffenen Nut-
                                                         zern berichtet wurde, erhöhte sich die Zahl später auf
Insgesamt lässt sich insoweit feststellen, dass das      87 Millionen. Zudem wurde bekannt, dass rund 300.000
Bekanntwerden des ‚Facebook-Skandals‘ Mitte März         deutsche Nutzer betroffen waren. Diese Informationen
2018 überraschender Weise keinen nachweisbaren           erreichten allerdings erst Anfang April 2018 und somit
Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung der Di-         nach Ende der Feldzeit am 28. März 2018 die Öffent-
gitalisierung in Deutschland hatte.                      lichkeit. Siehe hierzu: https://www.tagesschau.de/wirt-
                                                         schaft/facebook-daten-cambridge-analytica-103.html

Der ‚Facebook-Skandal‘ 2018 — Was bleibt?                3
                                                          Um mögliche Unterschiede zwischen den einzelnen
                                                         Frageitems des Konstrukts „Digitalisierungsbereitschaft“
Laut einer repräsentativen Umfrage von infratest         auszuschließen, wurden die einzelnen Indikatoren se-
dimap im Auftrag der ARD im April 2018, berichte-        parat analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass es keine
ten 27 Prozent der deutschen Internetnutzer, dass        Unterschiede zwischen den Gruppen mit Blick auf die
sie Facebook im Zuge des Skandals um Cambrid-            einzelnen Frageitems gibt.
ge Analytica „unverändert weiter“ nutzen würden.
Nur 12 Prozent gaben an „weniger“ Facebook zu            4
                                                           Unter Verwendung des Suchworts „Cambridge Ana-
nutzen und nur zwei Prozent haben ihren Account          lytica“.
bei Facebook gar gelöscht. Die restlichen 59 Pro-
zent gaben an, überhaupt kein Facebook zu nutzen.

Das hier berichtet Quasi-Experiment erhärtet den
Eindruck, den solchen Zahlen nahelegen. Das Be-
kanntwerden des ‚Facebook-Skandals‘ um Cambrid-
ge Analytica und den Verlust großer Datenmengen
an persönlichen Nutzerinformationen sowie der
Vorwurf hierdurch Einfluss auf den US-amerikani-
schen Wahlkampf genommen zu haben, schlägt sich
                                                                                                                    5
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