Koalitionsbildung mit mehreren Unbekannten - Konflikte und Gemeinsamkeiten in möglichen Regierungsbündnissen nach den Landtagswahlen in Bayern und ...
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Koalitionsbildung mit mehreren Unbekannten – Konflikte und Gemeinsamkeiten in möglichen Regierungsbündnissen nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung http://www.mzes.uni-mannheim.de 1. Oktober 2018 Dr. Christian Stecker Dr. Thomas Däubler Christian.Stecker@mzes.uni-mannheim.de Thomas.Daeubler@mzes.uni-mannheim.de
Über viele Jahre hinweg peilte die CSU in Bayern als Wahlziel „50% plus x“ an. Sofern man sich x als positive Zahl denkt, gehören diese Zeiten der Vergangenheit an. Doch das x ist nicht die einzige Unbekannte in den politischen Gleichungen, über die man sich vor und nach den kommenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen den Kopf zerbrechen wird. In beiden Ländern erscheint es unwahrscheinlich, dass die bestehenden Landesregierungen ihre Arbeit fortsetzen können. In Bayern liegt die absolute Mehrheit für die CSU in weiter Ferne. In Hessen wird die regierende schwarz- grüne Koalition nach den jüngsten Umfragen nur etwa 45% der Wählerstimmen auf sich vereinigen können. In beiden Bundesländern werden sich die Parteien entsprechend nach anderen Koalitionsoptionen umsehen müssen. In der neuen Unübersichtlichkeit des Parteiensystems wird dies keine einfache Angelegenheit. Hätte in Bayern Schwarz- Grün eine Gestaltungsperspektive oder könnten CSU, Freie Wähler und FDP eine handlungsfähige Regierung bilden? Wie einig wäre sich eine Große Koalition in Hessen? Welchen inhaltlichen Stolpersteinen sähen Dreierbündnisse wie eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP oder eine rot-rot-grüne Koalition entgegen? Unsere Koal-O-Mat-Analyse gibt einige Antworten auf diese Fragen. Für unsere Untersuchung nutzen wir die Positionen der Parteien zu den einzelnen Thesen des Wahl-O-Mat. Der von den Landes- und Bundeszentralen für politische Bildung verantwortete Wahl-O-Mat wird im Vorfeld von Wahlen von vielen Bürgerinnen und Bürgern als Orientierungshilfe für ihre Wahlentscheidung genutzt. Dabei kann man die eigene Position zu insgesamt 38 Thesen mit den jeweiligen Positionen der Parteien vergleichen und erfährt so, welche Partei den eigenen Interessen am nächsten steht. Wir haben aus dem Wahl-O-Mat einen Koal-O-Mat gemacht und untersucht, wie groß die inhaltlichen Gemeinsamkeiten innerhalb verschiedener möglicher Koalitionen sind. Natürlich geht es bei der Regierungsbildung nicht nur um die einfache Addition von inhaltlichen Gemeinsamkeiten und Konflikten. Die Parteien berücksichtigen auch langfristige Folgen möglicher Regierungsbeteiligungen. Beispielsweise erscheint es unwahrscheinlich, dass sich eine weiter geschwächte SPD in Bayern in eine (gar nicht mehr so) große Koalition mit der CSU begeben würde. Daneben dürfte in der überschaubaren Landespolitik auch das Verhältnis der Spitzenpolitiker untereinander eine größere Rolle spielen, wenn es um die Machbarkeit verschiedener Koalitionsalternativen geht. Trotz dieser Einschränkungen sind wir überzeugt, dass die breite Themenvielfalt des Wahl- O-Mat einen guten Ausblick auf die inhaltlichen Herausforderungen der künftigen Regierungsbildungsprozesse bieten kann. Unsere Analyse möchte auch darauf aufmerksam machen, dass die typisch deutsche Mehrheitskoalition keineswegs das einzige – und in einem zersplitterten Parteiensystem auch nicht unbedingt das beste – Regierungsformat bietet. In Mehrheitskoalitionen deutscher Bauart verpflichten sich die Regierungspartner zu Einigkeit in allen wesentlichen politischen Fragen und schließen die Opposition bei der Kompromissbildung vollständig aus. In den zunehmend heterogenen Koalitionen ist diese Einigkeit schwerer, und oft nur um den Preis von Kompromissen zu erreichen, welche die Parteien in den Augen der Wähler weniger unterscheidbar machen. Dieses Koalitionskorsett könnte etwas gelockert werden, indem sich die Parteien der Bildung wechselnder Mehrheiten öffnen. Wechselnde Mehrheiten bedeuten, dass sich eben nicht eine Regierungskoalition in allen Themen einig sein muss, sondern je nach Thema unterschiedliche Parteien eine Mehrheit bilden können. Eine solche Flexibilität kann einerseits unter Führung einer Minderheitsregierung praktiziert werden. Ebenso könnten Mehrheitsregierungen in 1
„agree-to-disagree“-Klauseln bestimmte Fragen vom Einigungszwang ausnehmen und die Suche nach parlamentarischen Mehrheiten jenseits der Grenzen von Regierung und Opposition erlauben. In Neuseeland und Skandinavien gehören diese alternativen Formen politischer Zusammenarbeit seit langer Zeit zum Alltag. Auch in Deutschland sollte verstärkt darüber nachgedacht werden, wie man die seit Adenauer praktizierten Koalitionsmuster modernisieren und an die Herausforderungen eines zersplitterten Parteiensystems anpassen kann. Abbildung 1: Koal-O-Mat - Einigkeit und Konflikt verschiedener Parteibündnisse in Bayern Immigration & Integration Wertekunde für Zuwanderer kommunales Wahlrecht für Ausländer Kirchenasyl tolerieren Zentrale Unterbringung von Asylbewerbern Sach- statt Geldleistungen für Asylbewerber Wohnen eil an Sozialwohnungen Inneres & Sicherheit wohnungen erschweren n als Ferienwohnungen Ausweitung Videoüberwachung Polizeibefugnisse wieder beschränken Immigration nen Berufsabschlüssen Kreuze in Behörden oscheen mit Minaretten wohnungen bevorzugen Abschaffung der Grenzpolizei cht für Ausländer/innen Tanzverbot beibehalten ungen für Asylbewerber Kennzeichnung von Polizisten ge in Berlin aufnehmen Wirtschaft Sonstiges rtz-IV-Empfänger/innen Begrenzung der Amtszeit des Ministerpräsidenten Wohneigentum senken Wählen ab 16 hmen vom Mindestlohn oses Grundeinkommen Nationalsozialismus im Unterricht betonen llen am Sonntag öffnen keine öffentlichen Zahlungen für Bischofsgehälter Bildung chung an Hochschulen Umwelt ehrern wieder einführen Mindestabstand von Windrädern verringern n Berliner Hochschulen Begrenzung des Flächenverbrauchs tern bei Kita-Betreuung ergabe ab der 3. Klasse vorrangige Förderung der Öko-Landwirtschaft Mittagessen an Schulen Dritter Nationalpark ulen langfristig erhalten Schutz der Alpen Umwelt eie Nutzung des ÖPNV Wirtschaft & Soziales kplätze für Elektroautos Ärzte im ländlichen Raum fördern Sonstiges keine Mietpreisbremse der Nachtruhe für Clubs netenhauswahlen ab 16 Sanktionen bei Hartz IV Verlängerung der A100 Eigenheimförderung für Familien htsextremismus fördern Verlängerung Ladenöffnungszeiten obile Drogenprüfstände lksentscheiden senken gebührenfreie Kinderbetreuung für Obdachlose öffnen staatliche Regulierung des Milchpreises bis für den Eigenbedarf Anerkennung von ausl. Abschlüssen in der Pflege ormen in Schulbüchern einer Vermögenssteuer Dieselfahrverbote ody-Cams für Polizisten Bildung Lebenspartnerschaften Traditionelles Familienbild in Schule vermitteln itt in staatliche Museen n weiterhin ermöglichen Recht auf Bildungsurlaub ng des Flughafen Tegel flächendeckender islamischer Religionsunterricht Wiedereinführung von Diplom- und Magisterstudiengänge Inklusion an Schulen PD ne ne P n Elternunabhängiges BAföG te D rü rü /S /F ei /G G rh U Verkehr U e/ D D D eh nk /C C SP M Dritte Startbahn in München i D /L e SP D nd Tempolimit auf Fernstraßen senken SP el hs ec w P ne PD fD e r ne n le n te D /A rü rü äh rü /F /S ei Einigkeit (Ja zur These) SU /G G /G rh W SU SU P/ Einigkeit (Nein zur These) SU ke eh C e C C D ei in Uneinigkeit M C /F Fr /L e SU P/ D nd SP D C el /F hs SU ec C w Quelle: Eigene Auswertung der Antworten der Parteien im Wahl-O-Mat Landtagswahl Bayern 2018 der Landeszentrale für politische Bildung 2
In Bayern kommen nach dem voraussichtlichen Verlust der absoluten CSU- Mehrheit verschiedene Koalitionen in Frage. Mit den wachsenden Verlusten der SPD würde eine große Koalition nun aus CSU und Grünen bestehen. Der Blick auf den Koal-O-Mat bestätigt allerdings den Eindruck aus dem TV-Duell zwischen dem CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder und dem grünen Fraktionsvorsitzenden Ludwig Hartmann: zwischen CSU und Grüne passt mehr als nur ein Blatt Papier. Vier Übereinstimmungen stehen insgesamt 23 explizite Konflikte gegenüber (siehe Grafik). In der politisch aufgeladenen Immigrations- und Innenpolitik gibt es bei jedem einzelnen Thema klare Meinungsverschiedenheiten. Eine Verbindung aus CSU und SPD wiederum hätte bei 8 Gemeinsamkeiten immer noch 20 explizite Streitpunkte. Auch ein Zusammenschluss aus CSU, FDP und den Freien Wählern verliefe nicht viel einträchtiger. Zum Vergleich: Ein grün-rot-rotes Bündnis wäre dagegen – zumindest mit Blick auf die Wahl-O-Mat-Thesen – ein Ort der Harmonie. In 27 Fragen ist man sich einig, wobei 7 explizite Widersprüche zu Buche schlagen. Allerdings dürften solche Überlegungen bereits an den tatsächlichen Mehrheitsverhältnissen nach der Wahl scheitern. Ein Bündnis aus CSU und AfD, was rechnerisch möglich sein dürfte, wäre sich in immerhin 21 Themen einig. Allerdings wurde eine solche Zusammenarbeit von der CSU zuletzt klar ausgeschlossen. In der Spalte „wechselnde Mehrheiten“ ist abgetragen, in welchen Themen sich eine absolute Mehrheit innerhalb des künftigen bayrischen Landtages einig wäre, wenn Mehrheiten auch über die Grenzen von Regierung und Opposition hinweg gebildet würden. Es zeigt sich, dass mit dieser offeneren Form der Mehrheitsbildung die größte Handlungsfähigkeit erreicht werden könnte. Bei 27 Thesen sind sich (unterschiedliche) Parteien einig, die nach den jüngsten Umfragen gemeinsam eine absolute Mehrheit der Sitze im Münchner Maximilianeum erreichen werden. Allerdings ergäben sich dabei themenspezifische Kooperationen, bei denen sich einige der beteiligten Parteien ungern fotografieren lassen. Beispielsweise könnten sich CSU und AfD in fünf Themen zu einer exklusiven Mehrheit verbinden, gemeinsam mit FDP und Freien Wählern in weiteren 7 Themengebieten. Erstaunlicherweise wäre die AfD 24 Mal Bestandteil einer flexiblen Mehrheit (CSU: 26, FDP: 15, Freie Wähler: 17, Grüne: 7, SPD: 11). 3
Abbildung 2: Koal-O-Mat - Einigkeit und Konflikt verschiedener Parteibündnisse in Hessen Immigration & Integration kommunales Wahlrecht für Ausländer Bau von Moscheen unterbinden kostenlose Sprachkurse für Flüchtlinge Wohnen Abschiebung nach Afghanistan rer Anteil an Sozialwohnungen entumswohnungen erschweren Zentrale Einrichtungen für Asylbewerber hnungen als Ferienwohnungen Inneres & Sicherheit Immigration Gewahrsam für Gefährder ausweiten rworbenen Berufsabschlüssen Gesichtserkennung bei Videoüberwachung eren Moscheen mit Minaretten Sozialwohnungen bevorzugen Landesamt für Verfassungsschutz auflösen lwahlrecht für Ausländer/innen Kostenbeteiligung für Polizeieinsätze bei Großveranstaltungen eldleistungen für Asylbewerber Projekte gegen Rechtsextremismus lüchtlinge in Berlin aufnehmen Projekte gegen Linksextremismus fördern Wirtschaft n für Hartz-IV-Empfänger/innen Sonstiges erb von Wohneigentum senken Modellversuch Grundeinkommen Ausnahmen vom Mindestlohn ngungsloses Grundeinkommen Wählen ab 16 aufsstellen am Sonntag öffnen private Straßenbaubeiträge abschaffen Bildung Elternbeitrag für Kinderbetreuung he Forschung an Hochschulen g von Lehrern wieder einführen Haushaltsüberschüsse für Schuldenabbau udies an Berliner Hochschulen private Wohnungen als Ferienwohnungen vermieten g der Eltern bei Kita-Betreuung Umwelt notenvergabe ab der 3. Klasse Windkraftanlagen in Waldgebieten freies Mittagessen an Schulen rderschulen langfristig erhalten Ökologische Landwirtschaft fördern Umwelt Nachtflugverbot ausweiten entgeltfreie Nutzung des ÖPNV Wirtschaft & Soziales eie Parkplätze für Elektroautos Sonstiges Landesmindestlohn en von der Nachtruhe für Clubs Sanktionen bei Hartz IV bgeordnetenhauswahlen ab 16 Mietpreisbremse abschaffen Verlängerung der A100 en Rechtsextremismus fördern Kommunale Grundversorgung in öffentlicher Hand mobile Drogenprüfstände keine Krankenhäuser Privatisierung l bei Volksentscheiden senken Bildung ahnhöfe für Obdachlose öffnen Cannabis für den Eigenbedarf Traditionelles Familienbild in Schule vermitteln amilienformen in Schulbüchern konfessionellen Religionsunterricht abschaffen ührung einer Vermögenssteuer Ausbildungsplatzabgabe Body-Cams für Polizisten Verlängerung der Grundschulzeit xuellen Lebenspartnerschaften ier Eintritt in staatliche Museen Elternunabhängiges BAföG ontrollen weiterhin ermöglichen Heimatkunde im Lehrplan behaltung des Flughafen Tegel Erinnerungskultur gleiches Einstiegsgehalt für Lehrer Förderschulen erhalten PD ne ne P n te D mehr verpflichtender Ganztagesunterricht rü rü /S /F ei /G G rh U U Verkehr e/ D D D eh nk /C C SP M Flughafen Kassel-Calden verkaufen i D /L e SP D nd SP Kostenloser ÖPNV el hs ec w P ne PD ne ne n te D rü rü rü /F /S ei Einigkeit (Ja zur These) /G G G rh U U P/ e/ Einigkeit (Nein zur These) D U D eh nk C D D C Uneinigkeit M /F C i /L e U D nd D SP C el hs ec w Quelle: Eigene Auswertung der Antworten der Parteien im Wahl-O-Mat Landtagswahl Hessen 2018 der Landeszentrale für politische Bildung In Hessen müssten die möglichen Koalitionsalternativen deutlich weniger inhaltliche Stolpersteine aus dem Weg räumen als in Bayern. Die bestehende Koalition aus CDU und Grünen weist im aktuellen Wahl-O-Mat 16 explizite Gemeinsamkeiten und nur 13 Gegensätze auf. Allerdings dürfte diese Koalition bei den Wahlen am 28. Oktober ihre absolute Sitzmehrheit verlieren. Einigkeit in 16 Themen und 18 explizite Konflikte ergäben sich mit Blick auf eine mögliche große Koalition aus CDU und SPD im Wiesbadener Landtag. Ein rot-rot-grünes Bündnis wiederum wäre in Hessen weniger einträchtig als in Bayern. Mit Blick auf die letzte Spalte zeigt sich, dass der hessische Landtag noch stärker als der bayrische von einer flexibleren Mehrheitsbildung profitieren würde. Bei 4
34 Thesen stimmen Parteien überein, die laut aktuellen Umfragen zusammen über eine absolute Mehrheit verfügen werden. CDU und FDP würden den größten inhaltlichen Gewinn aus einer offeneren Kooperation ziehen. 30 Mal ist die FDP Bestandteil einer flexiblen Mehrheit, die CDU 29 Mal (Grüne: 23, SPD: 23, Linke: 17 und AfD 21 Mal). Weiterführende Analyse – Simulation von Entscheidungen auf links-rechts-Basis Der Koal-O-Mat ermöglicht über die Auszählung hinaus auch weiterführende Analysen. Die bisherigen Auswertungen haben allen Fragen die gleiche Bedeutung zugemessen: Eine Uneinigkeit bei einem Randthema wurde gleich gewertet wie ein Konflikt, der einen zentralen Bestandteil des Parteienwettbewerbs darstellt. Im ersten Fall dürfte den jeweils beteiligten Parteien eine Kompromissfindung jedoch deutlich leichter fallen als im zweiten. Um solche Unterschiede zu berücksichtigen, verwenden wir in einer zusätzlichen Analyse ein etwas komplexeres statistisches Modell. (Es handelt sich dabei um eine bayesianische Implementation des von Bock (1972) entwickelten Nominal Response Model.) Damit können wir aus der Gesamtheit der abgegebenen Antworten sowohl die „Links-Rechts“-Position der Parteien als auch den Beitrag der einzelnen Fragen zu dieser zentralen programmatischen Konfliktlinie ermitteln. Auf Basis dieser Werte lässt sich dann abschätzen, wie groß das Konfliktpotential unter Berücksichtigung des politischen Wettbewerbs für die verschiedenen Bündnisse ist. Ein weiterer Vorteil dieser Vorgehensweise liegt darin, dass auch die Unsicherheit der Schlussfolgerungen angegeben werden kann. Die folgenden Abbildungen zeigen das prognostizierte Konfliktniveau für ausgewählte Parteienbündnisse, die nach derzeitigem Stand von besonderem Interesse sind. Zusätzlich zum Mittelwert (Punkt) repräsentiert jeweils eine Linie das Intervall, in dem 90% der simulierten Werte liegen. Außerdem zeigt das Kreuz zum Vergleich den Wert aus der oben besprochenen einfachen Koal-O-Mat- Auszählung. Abbildung 3: Vorhergesagtes Konfliktniveau bei Entscheidungen auf links-rechts-Basis (Bayern) CSU−FDP CSU−GRÜ CSU−SPD CSU−FDP−GRÜ CSU−FDP−FW GRÜ−SPD−LIN 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Anteil der konfliktären Sachfragen (%) 5
Für Bayern können wir aus der weiterführenden Analyse zunächst lernen, dass das Konfliktniveau auf Grundlage links-rechts-basierter Entscheidungen bei einer großen Koalition etwas höher, bei einer Jamaika-Koalition hingegen etwas geringer als in der Auszählung ausfallen würde. Den größten Unterschied zwischen den Analysen sehen wir jedoch für ein bürgerliches Bündnis aus CSU, FDP und Freien Wählern. Der Simulation zufolge wäre diese Koalition weniger konfliktanfällig als die Auszählung nahelegt. Dies liegt daran, dass viele der zwischen diesen Partnern umstrittenen Punkte nicht besonders ideologisch sind (wie etwa die Regulierung des Milchpreises oder die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten). Abbildung 4: Vorhergesagtes Konfliktniveau bei Entscheidungen auf links-rechts-Basis (Hessen) CDU−FDP CDU−GRÜ CDU−SPD CDU−FDP−GRÜ SPD−GRÜ−LIN 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Anteil der konfliktären Sachfragen (%) Im Fall Hessens ergeben sich keine solch starken Differenzen zwischen den zwei methodischen Ansätzen. Es ist aber erkennbar, dass die einfache Auszählung den Anteil der Konflikte bei einer großen Koalition und bei Rot-Rot-Grün etwas überschätzt. Weiterführende Literatur Däubler, Thomas und Debus, Marc (2009). Government formation and policy formulation in the German states. Regional & Federal Studies 19 (1):73-95. Stecker, Christian und Ganghof, Steffen (im Erscheinen). Die Institutionalisierung wechselnder Mehrheiten: Minderheitsregierungen im internationalen Vergleich. In: A. Blätte & A. Steinfort (eds.), Regieren ohne eigene Mehrheit - Minderheitsregierungen in der Analyse. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Ganghof, Steffen, Stecker, Christian, Eppner, Sebastian und Heeß, Katja (2012). Flexible und inklusive Mehrheiten? Eine Analyse der Gesetzgebung der Minderheitsregierung in NRW. Zeitschrift für Parlamentsfragen 43(4): 887-900. Bock, R. Darrell (1972). Estimating item parameters and latent ability when responses are scored in two or more nominal categories. Psychometrika 37(1):29–51. 6
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