Übungen im Zivilverfahrensrecht, FS 2019

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Übungen im Zivilverfahrensrecht, FS 2019
Dr. Roger Weber, Präsident des Mietgerichts Zürich

Fall 14

Klagen betreffend die betriebene Forderung und Rechtsöffnung

Sachverhalt

Die S. AG hat ihren Sitz in Zürich. Laut Handelsregister verfolgt sie den Zweck, sich an
Immobilienprojekten zu beteiligen, besonders im Rahmen von Renovationen; dazu
schliesst sie auch Mietverträge ab und zwar als Mieterin wie Untervermieterin. Im De-
zember 2016 schliesst sie als Mieterin mit G. zwei Mietverträge über eine Wohnung und
einen dazu gehörenden Einstellplatz ab zu einem Mietzins von Fr. 1‘440.– bzw. Fr.
100.– pro Monat (s. die Auszüge in den Beilagen 1 und 2; beide Dokumente sind im
Original korrekt von beiden Parteien unterzeichnet). Kurz vor Vertragsschluss besichti-
gen die Parteien die Wohnung. Sie stellen fest, dass die Räume seit vielen Jahren nicht
mehr gestrichen, höchstens oberflächlich gereinigt worden und voller Katzenhaare und
Kakerlaken sind. Ein starker Katzengeruch steigt einem in die Nase und auch von der
Pizzeria im Erdgeschoss gehen unangenehme Gerüche aus. Der TV-Anschluss funkti-
oniert nicht. Die Sachbearbeiterin der S. AG schlägt G. vor, dass die S. AG die Woh-
nung auf eigene Kosten reinigen und instand setzen lasse, wenn sie diese im Gegen-
zug schon vor Mietbeginn nutzen dürfe. G. ist einverstanden. Die ersten Monate der
Mietzeit verlaufen problemlos. Zwischen Anfang August 2017 und Ende April 2018 lässt
G. in der ganzen Liegenschaft Umbau- und Renovationsarbeiten durchführen, wobei
sämtliche Heizverteilungskästen in den Badezimmern herausgebrochen und ersetzt
werden. Auch die Wand im Schlafzimmer wird durchbrochen. Die Sachbearbeiterin der
S. AG berichtet, der Wanddurchbruch sei monatelang nicht repariert worden. Der durch
die Bauarbeiten verursachte Staub habe die ganze Wohnung verschmutzt, ebenso das
Treppenhaus. Die Bewohner hätten deshalb täglich staubsaugen müssen. Auch die
neue Wohnungseinrichtung habe unter dem Schmutz gelitten, vier neue, ehedem weis-
se Teppiche seien schwarz geworden. Wegen des Baulärms habe man in der Wohnung
nicht konzentriert arbeiten und sich oft nur schreiend verständigen können. Im März
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2018 hat die S. AG genug und kündigt das Mietverhältnis per Ende Mai 2018. Die Miet-
zinse zahlt sie nur bis und mit Februar 2018.

G. findet die Darstellung der Sachbearbeiterin übertrieben und möchte sich die verwei-
gerte Mietzinszahlung nicht gefallen lassen. Er denkt an eine Betreibung.

Frage

1.       Wo muss G. die Betreibung einleiten? Spielt es eine Rolle, dass die beiden Miet-
         verträge als Gerichtsstand Biel bezeichnen?

      Betreibung am Sitz der S. AG in Zürich, SchKG 46 II.
      Nein. Das Zivilprozess- und Vollstreckungsrecht als öffentliches Recht ist grundsätzlich
         zwingender Natur. Anders als die ZPO (Art. 17) eröffnet das SchKG den Parteien nicht
         die Möglichkeit, sich auf einen «Betreibungsstand» zu einigen.

Sachverhaltsergänzung

Das Betreibungsamt Zürich 8 stellt auf das entsprechende Begehren G.s hin am 17.
Mai 2018 den Zahlungsbefehl aus. Die S. AG erhebt umgehend Rechtsvorschlag. Da-
nach geschieht monatelang einfach nichts mehr. Anfang Januar 2019 kommt die Ver-
waltungsratspräsidentin der Gesellschaft zu Ihnen und fragt, was man da machen kön-
ne. Sie stört sich vor allem daran, dass die Geschäftspartner der S. AG in deren Betrei-
bungsregisterauszug die betriebene Forderung von G. finden, obwohl diese ihrer Mei-
nung nach ungerechtfertigt ist.

Frage

2.       Welche Möglichkeiten stehen der S. AG offen?

      Geht es primär um den Betreibungsregisterauszug, so steht das neue Verfahren nach
         SchKG 8a III lit. d im Vordergrund, mit dem die S. AG den G. zwingen kann, zumindest
         Farbe zu bekennen. Die gesetzlichen Voraussetzungen eines Gesuchs um Nichtbe-
         kanntgabe der Betreibung sind offensichtlich erfüllt, denn im Januar 2019 sind weit mehr
         als drei Monate seit der Zustellung des Zahlungsbefehls vergangen. Fragen muss man
         sich, ob das Verfahren schon auf Betreibungen anwendbar ist, die wie hier schon vor In-
         krafttreten der Neuregelung am 1.1.2019 eingeleitet wurden. RODRIGUEZ/GUBLER (Die
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Abwehr von Betreibungsregistereinträgen ab dem 1. Januar 2019, ZBJV 2019, 12 ff., 23)
bejahen dies und nehmen dazu Bezug auf SchlT ZGB 2, weil das SchKG bezüglich Re-
vision vom 16. Januar 2016 keine eigenen Übergangsbestimmungen enthält. Schon die
Anwendung von ZGB SchlT 1 würde zum selben Resultat führen, denn schliesslich be-
schlägt das Gesuch Betreibungsregisterauszüge, die nach dem 1. Januar 2019 ausge-
stellt werden, also zur Hauptsache eine Tatsache, die nach dem Inkrafttreten der Revi-
sion eintritt. Die Anwendung von ZGB SchlT 2 würde bedeuten, dass man die Neurege-
lung gleich schon als Bestandteil des schweizerischen Ordre public betrachten könnte.
Dies scheint zumindest zweifelhaft, nachdem wir in der Schweiz 130 Jahre ohne solche
Regelung ausgekommen sind – auch wenn es hier letztlich um nicht weniger als den
Schutz der wirtschaftlichen Persönlichkeit geht. Dieser Schutz gehört sachlich kaum zum
unverzichtbaren Kern der schweizerischen Rechtsordnung, welchen der Ordre public
letztlich ausmacht. Dennoch ist das neue Recht hier anwendbar. Als Begründung zieht
man indessen besser die einschlägige allgemeine Schlussbestimmung in SchKG 351 III
heran, die ähnlich wie ZGB SchlT 3 – und entsprechend einer allgemeinen prozessualen
Regel – besagt, dass Verfahrensvorschriften des neuen Rechts als zwingende und vom
Willen der Parteien unabhängige Normen auch auf hängige Verfahren anwendbar sind,
soweit das Gesetz nichts anderes sagt (loi d’application immédiate; vgl. die ähnliche Fi-
gur in IPRG 18).

Das Gesuch um Nichtbekanntgabe gemäss SchKG 8a Abs. 3 lit. d ist einfach einzu-
reichen – es existiert ein Formular des Bundesamts für Justiz (www.bj.admin.ch/bj/
de/home/wirtschaft/schkg/musterformulare.html, dort unter «B. Fakultative Formulare»
die Nr. 2 fak. [18.2.19] auswählen. Das Gesuch stellt die mit Abstand kostengünstigste
Variante dar, die der S. AG offen steht (vom Schuldner zu tragende Gebühr von Fr. 40.–
gemäss Art. 12b GebV SchKG). Es kann frühestens drei Monate seit Zustellung des
Zahlungsbefehls gestellt werden. Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Zahlungsbefehls
(SchKG 88 II) ist die Anwendbarkeit der Norm umstritten (dafür RODRIGUEZ/GUBLER,
a.a.O., 23 f.; dagegen BRÖNNIMANN, Verstärkter Schutz vor ungerechtfertigten Betrei-
bungen und ihren Auswirkungen, in FS Kren Kostkiewicz, Bern 2018, 391 f.). Richtig
kann wohl nur der «e maiore minus [erst-recht]»-Schluss sein: Das Interesse des
Schuldners an der Nichtbekanntgabe ist noch grösser, wenn eine Fortsetzung der Be-
treibung gar nicht mehr möglich ist. Entgegen BRÖNNIMANN steht dem Gläubiger durch-
aus eine Reaktionsmöglichkeit offen – in Gestalt einer neuen Betreibung.

Das Gesuch hat aber auch Nachteile. Der Gläubiger kann dieses bzw. die Wirkungen
einer Gutheissung desselben jederzeit, d.h. auch während oder nach der ihm angesetz-
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    ten 20-tägigen Frist zur Stellungnahme nach SchKG 8a III lit. d, durchkreuzen durch ein
    Rechtsöffnungsbegehren oder eine Leistungsklage.

    Weitere Möglichkeiten:
 Beschwerde gegen den Zahlungsbefehl wegen missbräuchlicher Betreibung, der das
    Betreibungsamt keine Folge hätte geben dürfen, nach SchKG 17: Scheidet aus, da man
    über die Berechtigung der vorliegenden Betreibung mit Fug streiten kann.
 Klage auf Aufhebung bzw. Einstellung der Betreibung nach SchKG 85 (Klage im sum-
    marischen Verfahren; diese taugt entgegen dem Wortlaut nicht nur bei Tilgung oder
    Stundung, sondern auch bei einer anfänglich nicht bestehenden Schuld, BGE 140 III 41
    E. 3.3.1; BGE 110 II 353 E. 2a. Sie kann auch bei erhobenem Rechtsvorschlag einge-
    reicht werden): Scheidet hier aus, da nur ein strikter Urkundenbeweis zulässig ist (BGE
    140 III 41 E. 3.3.2).
 Bezahlen und den Betrag mittels Klage zurückfordern (SchKG 86). Es handelt sich um
    eine gewöhnliche Leistungsklage, hier im vereinfachten Verfahren (ZPO 243 I), mit vor-
    gängigem Schlichtungsverfahren; die Kondiktionssperre nach OR 63 gilt nicht, SchKG
    86 III): Geht hier grundsätzlich ebenfalls nicht, denn die Klage setzt eine Rechtsöffnung
    oder einen unterlassenen Rechtsvorschlag voraus. Allerdings könnte die S. AG den
    Rechtsvorschlag zurückziehen und damit das Klagehindernis beseitigen (SK SchKG-
    VOCK/AEPLI-W IRZ, Art. 86 N 11).
 Negative Feststellungsklagen nach SchKG 85a bzw. ZPO 88. Bis vor wenigen Jahren
    standen beide Klagen dem Schuldner nicht zur Verfügung, denn bis 31.12.2018 setzte
    die Klage nach SchKG 85a einen unterlassenen Rechtsvorschlag voraus (BGE 125 III
    149 E. 2c; zuletzt bestätigt BGE 141 III 68 E. 2.6.1.2). Mit der Revision per 1.1.2019 hat
    der Gesetzgeber aber die Klagemöglichkeit ausgedehnt durch die Einfügung der Worte
    «Ungeachtet eines allfälligen Rechtsvorschlages …».
    Bei der allgemeinen negativen Feststellungsklage nach Art. 88 ZPO galt jahrzehntelang
    die bundesgerichtliche Rechtsprechung, dass ein Feststellungsinteresse nur zu bejahen
    war, wenn der Schuldner durch die Betreibung in seinem wirtschaftlichen Fortkommen
    erheblich beeinträchtigt war. Man ging von einer Subsidiarität gegenüber der Leistungs-
    klage aus und von der Überlegung, dass der Gläubiger nicht zur Prozessführung über
    den Anspruch gezwungen werden sollte, bevor er dazu bereit war. Vor dem Hintergrund
    der anstehenden Gesetzesrevision vom 16. Januar 2016 kehrte das Bundesgericht Re-
    gel und Ausnahme um: Neu genügt schon die blosse Tatsache der Betreibung für ein
    Feststellungsinteresse, es sei denn, der Gläubiger erweise sich ausnahmsweise als
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         schützenswert, etwa weil triftige Gründe ihn an einer sofortige Klage hindern und er die
         Betreibung nur zur Unterbrechung der Verjährung eingeleitet hat, nachdem ihm der
         Schuldner sein Einverständnis zu einem Verjährungsverzicht verweigert hat (BGE 141 III
         68 E. 2.7).
         Beide Klagen sind gewöhnliche Zivilprozesse, hier im vereinfachten Verfahren zu führen
         (ZPO 243 Abs. 1). Der hauptsächliche Unterschied besteht bei der Klageeinleitung: Die
         allgemeine Feststellungsklage nach ZPO 88 erfordert ein Schlichtungsverfahren, dieje-
         nige nach SchKG 85a gemäss ZPO 198 lit. e Ziff. 2 nicht. Unterschiede können je nach
         kantonalem Recht auch bei der sachlichen Zuständigkeit bestehen. Die Klage nach
         SchKG 85a weist zudem trotz der materiellrechtlichen Wirkung des Urteils eine Doppel-
         natur auf, denn sie steht im Kontext einer konkreten Betreibung und dient dazu, deren
         Wirkungen zu beseitigen. Nach der Lehre dürfte sie daher nach wie vor unzulässig sein,
         wenn die Gültigkeitsdauer des Zahlungsbefehls abgelaufen ist oder nachdem die Betrei-
         bung zurückgezogen worden ist (RODRIGUEZ/GUBLER, a.a.O., 30 f.; vgl. BGE 127 III 41
         E. 4). Welche der beiden Klagen man vorzieht, ist eine taktische Frage. Das Schlich-
         tungsverfahren wirkt zwar umständlich. Die paritätische Schlichtungsbehörde in Mietsa-
         chen gemäss Art. 200 ZPO gewährleistet aber eine professionelle erste Einschätzung
         der Rechtslage, die noch dazu kostenlos ist (ZPO 113 II lit. c). Soweit eine Lösung auf
         dem Verhandlungswege nicht völlig unwahrscheinlich ist, dürfte sich die allgemeine ne-
         gative Feststellungsklage daher eher aufdrängen als ein Direktprozess nach SchKG
         85a.

      Ist die S. AG mit einem der zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe erfolgreich, hat dies
         zugleich die Nichtbekanntgabe der Betreibung zur Folge (SchKG 8a III lit. a-c).

Sachverhaltsvariante
Nach dem Rechtsvorschlag der S. AG vom 25. Mai 2018 möchte G. nicht untätig blei-
ben.

Frage

3.       Welche Möglichkeiten stehen G. offen?

      Ordentlicher Zivilprozess über die ausstehenden Mietzinse. Dabei wird das Gericht die
         Einwände der S. AG prüfen, wonach die Sache nicht oder nur einschränkend ge-
         brauchstauglich gewesen sei (Mietzinsminderung, OR 259d). Auch eine allfällige Ver-
         rechnungseinrede kann die S. AG zur Sprache bringen, etwa bezüglich entstandener
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    Schadenersatzansprüche oder bezüglich Verrechnung der eingeklagten Mietzinse mit
    Minderungsansprüchen aus vorausgegangenen Perioden.

    Bei einer Gutheissung der Klage wird das Gericht auf Antrag des G. auch festhalten,
    dass der Rechtsvorschlag in der Betreibung aufgehoben ist (SchKG 79 "Anerkennungs-
    klage"). Man kann die ausdrückliche Beseitigung des Rechtsvorschlags, die SchKG 79
    vorsieht, heute als Anwendungsfall einer direkten Vollstreckungsanordnung im Sachur-
    teil begreifen (s. dazu ZPO 236 III, ZPO 337 I), auch wenn ein Teil der Lehre dies wegen
    der Spezialität des SchKG gegenüber der ZPO ablehnt. Auffällig ist jedenfalls die Paral-
    lelität der Regelung. Und es geht zweifellos um eine "gerichtliche Angelegenheit des
    Schuldbetreibungs- und Konkursrechts" im Sinne von Art. 1 lit. c ZPO.

    Da das SchKG für die Klage nach Art. 79 keinen besonderen Gerichtsstand vorsieht,
    kann und muss im Rahmen von ZPO 33 und 35 grundsätzlich am Ort der gelegenen
    Sache geklagt werden. Dem Gerichtsverfahren muss ein Schlichtungsverfahren vor der
    Paritätischen Schlichtungsbehörde in Mietsachen vorausgehen (ZPO 197, 200 I).

 Verschlossen bleibt der Weg einer Durchsetzung des Anspruchs mittels eines summari-
    schen Verfahrens zum Rechtsschutz in klaren Fällen (ZPO 257), denn es liegen keines-
    wegs sofort beweisbare tatsächliche Verhältnisse vor, weil die Überprüfung insbesonde-
    re von Art und Tragweite der behaupteten Einschränkungen der Gebrauchstauglichkeit
    der Wohnung im Streitfall eines Beweisverfahrens bedürfen. Dies schliesst liquide Ver-
    hältnisse im Sinne von ZPO 257 aus. Es käme zu einem Nichteintretensentscheid (ZPO
    257 III).

 G. kann aber statt einer ordentlichen Klage ein Gesuch um provisorische Rechtsöffnung
    gestützt auf SchKG 82 und ZPO 251 lit. a stellen (summarisches Verfahren). Zuständig
    ist zwingend das Gericht am Betreibungsort (SchKG 84 I i.V.m. SchKG 46 ff.).
    Für die Mietzinsschuld stellen die von der S. AG unterzeichneten Mietverträge grund-
    sätzlich eine Schuldanerkennung dar. Risiken bestehen hier allerdings wegen der Zwei-
    seitigkeit des Mietvertrags punkto Bestreitungsmöglichkeiten der (richtigen) Erbringung
    der Gegenleistung (SchKG 82 II). Angesprochen ist die sog. "Basler Rechtsöffnungspra-
    xis". Sie besagt, dass auch vollkommen zweiseitige Verträge zur provisorischen Rechts-
    öffnung führen, solange der Schuldner der Geldleistung nicht glaubhaft macht, dass die
    Verpflichtung nicht mehr besteht, oder substantiiert behauptet, die Gegenleistung sei
    nicht oder nicht ordnungsgemäss erbracht worden. Geschieht dies, kann der Gläubiger
    sofort durch Urkunden zu belegen versuchen, dass er (ordnungsgemäss) geleistet hat
    oder dass der Schuldner vorleistungspflichtig ist (BSK SchKG-STAEHELIN, Art. 82 N 99).
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 Ein Teilnehmer der Übungen wies auf Ziff. 3.1 der AVB zum Wohnungsmietvertrag hin,
    gemäss welcher die Mieterin „jeden verfallenen Mietzins … als vollstreckbare Schuld
    anerkennt.“ Es ist schon nach Auslegungsgesichtspunkten nicht anzunehmen, dass die
    Klausel dem Vermieter hier mehr verschafft als der Mietvertrag selber bzw. die Basler
    Rechtsöffnungspraxis, denn der Vermieter hat die Klausel formuliert, die ausdrücklich
    nur von einer „verfallenen“ Schuld spricht. Ob eine solche vorliegt, hängt direkt mit der
    Frage nach dem Minderungsanspruch der Mieterin nach Art. 259d OR zusammen (vgl.
    zur Theorie dazu BGE 142 III 557). Selbst wenn die Klausel anders zu verstehen wäre,
    ergäbe sich aus der zwingenden Natur der mietrechtlichen Mängelrechte eine materiell-
    rechtliche Schranke für derartige Klauseln (vgl. Art. 256 Abs. 2 lit. a OR). Generell muss
    man mit AVB vorsichtig sein, besonders auf dem Gebiet des sozialen Privatrechts. Auch
    die vorliegende Ziff. 3.3 verstösst mit ihrem Verrechnungsverbot zulasten der Mieterin
    offensichtlich gegen den Ausschluss eines Vorausverzichts in Art. 265 OR. Das Rechts-
    öffnungsgericht hat die entsprechenden Normen bei seinem Entscheid zu beachten.
 In einer weiteren Übung fragte eine Teilnehmerin, ob G. nicht auch Beschwerde gegen
    den Rechtsvorschlag gestützt auf Art. 17 SchKG führen könne. Sie habe das in einem
    Repetitorium gefunden. In der Tat: Sucht man via Google mit den Stichworten „Be-
    schwerde gegen Rechtsvorschlag“, so stösst man auf die Folien aus dem Jahr 2015
    zum SchKG-Beschwerdeverfahren, wo auf S. 18 f. auch eine SchKG-Beschwerde ge-
    gen einen telefonischen Rechtsvorschlag erwähnt wird. Dabei handelt es sich aber um
    einen Spezialfall, denn Thema war dort, dass das Betreibungsamt einen telefonischen
    Rechtsvorschlag nur entgegen nehmen darf, wenn es den Schuldner zweifelsfrei identi-
    fizieren kann. Eine SchKG-Beschwerde setzt als Anfechtungsobjekt immer eine Verfü-
    gung (oder einen Realakt) des Betreibungsamtes oder eines anderen Vollstreckungsor-
    gans voraus (SchKG 17 I). Der Rechtsvorschlag ist dagegen ein Akt des Schuldners,
    der die Betreibung zum Stillstand bringt und nur mittels gerichtlicher Klage (SchKG 79)
    oder Rechtsöffnung (ebenfalls ein richterlicher Akt, aber innerhalb des Betreibungsver-
    fahrens, SchKG 80 ff.) überwunden werden kann. Im zitierten Spezialfall liegt die fehler-
    hafte Handlung des Betreibungsamtes letztlich darin, dass es einen Rechtsvorschlag
    verurkundet hat, den es nicht sicher dem Schuldner zuordnen konnte (vgl. dazu SchKG
    8 Abs. 1 und SchKG 74, sodann betr. Bescheinigung auf dem Zahlungsbefehl zuhanden
    des Gläubigers SchKG 76). Aus der bundesgerichtlichen Praxis ist der vergleichbare
    Fall bekannt, dass der gegenüber dem Postbeamten bei der Zustellung des Zahlungsbe-
    fehls erklärte Rechtsvorschlag des Schuldners versehentlich nicht protokolliert wurde;
    auch dagegen kann Beschwerde geführt werden (BGE 119 III 8 E. 2b), ebenso gegen
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         die Protokollierung eines verspäteten Rechtsvorschlags. Den (stets vom Schuldner aus-
         gehenden) Rechtsvorschlag als solchen kann man dagegen mangels geeigneten An-
         fechtungsobjekts nicht mit Beschwerde bekämpfen.

Ergänzung zur Sachverhaltsvariante
G. entscheidet sich für ein Begehren um provisorische Rechtsöffnung für die betriebene
Summe von Fr. 4‘620.– (Mietzinse für Wohnung und Einstellplatz für die Monate März
bis Mai 2018 = 3 x [Fr. 1‘440.– + Fr. 100.–]). In ihrer Stellungnahme beantragt die S. AG
die Abweisung des Gesuchs unter Hinweis auf die Beeinträchtigungen wegen der Bau-
arbeiten.

Frage

4.       Die S. AG ist der Meinung, sie müsse nicht nur nichts bezahlen; vielmehr stehe
         ihr eine Gegenforderung zu, da sie ja zwischen August 2018 und Februar 2019
         die Mietzinse bezahlt habe, ohne die Sache vertragsgemäss nutzen zu können.
         Deshalb erhebt sie im Rechtsöffnungsverfahren Widerklage über Fr. 12‘320.–. Ist
         das eine gute Idee?

      Nein. Auch im summarischen Verfahren ist eine Widerklage gestützt auf ZPO 224
         grundsätzlich zwar möglich, denn die Bestimmungen des ordentlichen Verfahrens gelten
         auch für die übrigen Verfahrensarten, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht (ZPO
         219). ZPO 224 verlangt dafür aber, dass die Widerklage der gleichen Verfahrensart un-
         terliegt wie die Hauptklage. Der Gegenanspruch unterliegt nach ZPO 243 I aber dem
         vereinfachten Verfahren, so dass eine Widerklage ausscheidet.
         Das BGer ist in einem Sonderfall allerdings vom Erfordernis der gleichen Verfahrensart
         abgerückt, allerdings nicht in einem Rechtsöffnungsverfahren, sondern bezüglich des
         Verhältnisses zwischen ordentlichem und vereinfachtem Verfahren: So hat es erkannt,
         dass eine Leistungsteilklage im vereinfachten Verfahren (Streitwert nicht mehr als Fr.
         30‘000.–) mit einer negativen Feststellungswiderklage gekontert werden darf, auch wenn
         dies zur Folge hat, dass der Hauptkläger dadurch (ebenfalls) ins ordentliche Verfahren
         gezwungen wird (BGE 143 III 506 E. 4). Eine Übertragung dieser Rechtsprechung im
         Verhältnis zum Rechtsöffnungsverfahren scheint ausgeschlossen, denn dies hätte zur
         Folge, dass das besondere Beschleunigungsgebot nach SchKG 84 II ausgehebelt wer-
         den könnte.
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Weitere Ergänzung zur Sachverhaltsvariante
Das Rechtsöffnungsgericht erteilt die provisorische Rechtsöffnung nur für die drei Miet-
zinse für den Einstellplatz und die Monatsmiete Mai 2018. Die S. AG möchte dagegen
vorgehen.

Frage

5.       Was hat sie wo und wie vorzukehren?

      Möglich ist eine Aberkennungsklage nach SchKG 83 II innert 20 Tagen seit der Rechts-
         öffnung.

      Ein Schlichtungsverfahren ist anders als vor Inkrafttreten der Bundes-ZPO für eine Ab-
         erkennungsklage nicht mehr nötig (ZPO 198 lit. e Ziff. 1). Wegen der Bedeutung der be-
         sonderen, paritätisch zusammengesetzten Schlichtungsbehörde in Mietsachen (s. ZPO
         200 I) hatte das BGer in der Zeit vor Inkrafttreten der ZPO anders entschieden (BGE
         133 III 645). Trotz Kritik in der Lehre ist am klaren Gesetzeswortlaut nicht vorbeizukom-
         men (BSK SchKG-STAEHELIN, Art. 83 N 41).

      Örtliche Zuständigkeit: Bislang höchstrichterlich nicht restlos geklärt ist die Frage nach
         dem Verhältnis des Gerichtsstands am Betreibungsort nach SchKG 83 II zu den Ge-
         richtsständen der ZPO. ZPO 46 behält in allgemeiner Weise die Gerichtsstände des
         SchKG gegenüber denjenigen der ZPO vor. SchKG 83 II sieht vor, dass die Aberken-
         nungsklage beim Gericht am Betreibungsort erhoben werden "kann". Nach Lehre und
         Rechtsprechung handelt es sich dabei um einen dispositiven, nicht um einen zwingen-
         den Gerichtsstand (BSK SchKG-STAEHELIN, Art. 83 N 35; vgl. zur langjährigen Recht-
         sprechung BGE 104 Ia 278, der allerdings ansonsten verfassungs- und zivilprozess-
         rechtlich überholt ist). In gewöhnlichen Zivilprozessen kann nun allerdings die Mieterin
         von Wohn- oder Geschäftsräumen nach ZPO 33 und 35 I lit. b nicht zum Voraus oder
         durch Einlassung auf den Gerichtsstand am Lageort der Mietsache verzichten (teilzwin-
         gender Gerichtsstand). Das führt zur Frage, ob die Überlegungen, die zur Einführung
         besonderer Gerichtsstände und zu deren teilzwingender Ausgestaltung geführt haben,
         nicht auch für eine Aberkennungsklage gelten müssen. Die Lehre bejaht dies mehrheit-
         lich, zumindest im Sinne eines alternativen Gerichtsstands zugunsten derjenigen Partei,
         die durch einen teilzwingenden Gerichtsstand geschützt wird (BSK SchKG-STAEHELIN,
         Art. 83 N 35; AMONN/W ALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9.
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A., Bern 2013, S. 161 Rz. 101). Das Obergericht des Kantons Zürich hat anders ent-
schieden und einen generellen Vorrang von SchKG 83 II angenommen (Urteil
PD130003 v. 22. April 2013), was im vorliegenden Fall zu einer Zuständigkeit des Miet-
gerichts Zürich führen würde.

Das Bundesgericht hat sich zur Frage zwar schon einmal geäussert, allerdings nicht in
einem Zivilprozess und noch vor Inkrafttreten der Bundes-ZPO. Damals ging es um das
Verhältnis zwischen der Aberkennungsklage und dem Schiedsverfahren, welche das
Krankenversicherungsgesetz für Ansprüche des Krankenversicherers gegen einen Leis-
tungserbringer in KVG 89 vorsieht. Solche Klagen sind nach KVG 89 II u.a. im Kanton
einzureichen, in welchem der Leistungserbringer seine ständige Einrichtung hat (zwin-
gender Gerichtsstand). Laut BGE 135 V 124 ist entscheidend, dass der krankenversi-
cherungsrechtliche Gerichtsstand zwingend ist, derjenige nach SchKG 83 II hingegen
nicht. Bei der Interpretation von SchKG 83 II müsse dies dazu führen, dass eine "gesetz-
liche Prorogation" zugunsten des krankenversicherungsrechtlichen Gerichtsstands an-
zunehmen sei (E. 4.3.2). Würde man diese Überlegung auf unser Problem übertragen,
so könnte man die teilzwingenden Gerichtsstände der ZPO durch Auslegung von SchKG
83 II in diese Norm einbetten. Der Ausdruck "gesetzliche Prorogation" ist allerdings
schlecht gewählt, denn eine Prorogation beruht auf einer Parteivereinbarung (lat. proro-
gare, aufschieben, verlängern, eigentlich wörtlich pro-rogare, sich für etwas ausspre-
chen). Besser greift man auf das Vokabular des IPR bzw. IZPR zurück, wo die Rückver-
weisung (renvoi) tief verankert ist (vgl. namentlich IPRG 14). SchKG 46 wäre mit der
Annahme eines in SchKG 83 II enthaltenen "renvoi" überbrückt. Wegen der lediglich teil-
zwingenden Ausgestaltung des Gerichtsstands am Ort der Mietsache nach ZPO 33 und
35 Abs. 1 lit. b könnte man allerdings einer Mieterin oder einem Mieter durchaus auch
eine Klage am Betreibungsort gestatten.

Wie schon erwähnt, ist der Gerichtsstand am Betreibungsort nach SchKG 83 II disposi-
tiv. Die Gerichtsstandsklauseln in unseren beiden Mietverträgen sind daher zu beachten,
jedenfalls soweit es um die Anwendbarkeit von SchKG 83 II geht. Der teilzwingende Ge-
richtsstand nach ZPO 33 und 35 Abs. 1 lit. b spielt keine Rolle, denn dieser verweist
ebenfalls auf den Lageort der Mietsache, so dass die Gerichtsstandsklauseln letztlich
nur den zum Schutz des Mieters aufgestellten Gerichtsstand auf weitere Konstellationen
ausdehnen. Sie erfüllen die Anforderungen von ZPO 17 II, zu denen das SchKG keine
abweichenden Anordnungen enthält, so dass die Norm gemäss ZPO 1 lit. c auch auf
den Gerichtsstand nach SchKG 83 II Anwendung findet. Die S. AG muss sich deshalb
daran halten. Dass die Klausel im Wohnungsmietvertrag reichlich verunglückt formatiert
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  ist, tut ihrer Nachweisbarkeit durch Text keinen Abbruch. Sie ist auch nicht ungewöhn-
  lich oder gar unlauter (vgl. zu letzterem UWG 8), denn sie bestätigt gerade die Rege-
  lung, die nach Auffassung des Gesetzgebers dem Schutz der Mieterinnen und Mieter
  am besten dient.

  Gerichtsstandsvereinbarungen haben ohne gegenteilige Abrede zwar ausschliesslichen
  Charakter (ZPO 17 I Satz 2), d.h. der vereinbarte Gerichtsstand verdrängt die dispositi-
  ven gesetzlichen Gerichtsstände. Damit muss sich auch der Mieter an die Klausel hal-
  ten, allerdings nur soweit der Vermieter im Aberkennungsverfahren die Einrede der feh-
  lenden örtlichen Zuständigkeit erhebt.

  Ein sofortiger Nichteintretensentscheid ist nicht zulässig, denn selbst wenn der teilzwin-
  gende Gerichtsstand von ZPO 33/35 Anwendung finden würde, verbietet ZPO 35 dem
  Vermieter eine Einlassung vor einem unzuständigen Gericht nicht (ZPO 18; KUKO ZPO-
  HAAS/SCHLUMPF, Art. 17 N 23). Die Einlassung ist durch ZPO 18 definiert als Äusserung
  der beklagten Seite zur Sache ohne Einrede der fehlenden örtlichen Zuständigkeit –
  man kann sie als eine – besonders aus Laiensicht sehr weit gehende – konkludente Ge-
  richtsstandsvereinbarung auffassen, welche die mietvertragliche Vereinbarung wieder
  verdrängt. Zur «Sache» (d.h. hier zum Bestand oder Nichtbestand der Mietzinsschuld)
  äussert sich die Partei aber erst mit der Klageantwort im vereinfachten Verfahren (dazu
  ZPO 245 f.). Bis dahin muss das Gericht sich gedulden. Es kann aber stattdessen den
  Prozess auf die Frage der Zuständigkeit beschränken (ZPO 125).

RW, 29.4.2019
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