Forderungen an die EU-Klimapolitik. Für eine lebenswerte Zukunft - Klimagerechtes Europa

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Forderungen an die EU-Klimapolitik. Für eine lebenswerte Zukunft - Klimagerechtes Europa
Klimagerechtes Europa

 Forderungen an die
 EU-Klimapolitik. Für
 eine lebenswerte
 Zukunft.
 Mai 2021
Forderungen an die EU-Klimapolitik. Für eine lebenswerte Zukunft - Klimagerechtes Europa
Forderungen an die EU-Klimapolitik. Für eine lebenswerte Zukunft - Klimagerechtes Europa
Executive Summary
Um die letzte Chance auf Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze zu ergreifen und damit die schlimms-
ten Klimawandelfolgen zu verhindern, ist eine entschlossene Politik der gesamten Europä-
ischen Union (EU) notwendig. Nur dann können wir globale Klimagerechtigkeit erreichen. Wir
fordern eine Politik, die durch ambitionierte Klimaziele und angemessene Klimafinanzierung
eine lebenswerte Zukunft schafft - für uns als junge Generation, für zukünftige Generationen
und für alle Menschen weltweit. Unsere Kernforderungen sind:

   • Die EU muss ihre Klimaziele ambitioniert anheben, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhal-
     ten. Eine verbindliche Formulierung in Form eines verbleibenden Budgets für CO2 -
     Emissionen ist dafür notwendig. Nur so können die abgeleiteten Maßnahmen genau
     überprüft und das Temperaturlimit eingehalten werden. Das maximale 1,5-Grad-kompatible
     CO2 -Budget für die EU-27 beträgt derzeit noch 15,7 Gt. Daraus leitet sich für 2030 eine
     Mindestreduktion von 80 % ggü. 1990 ab.
   • In die Berechnung der Emissionen dürfen keine negative Emissionen aus natürlichen
     Senken einbezogen werden. Stattdessen ist eine gesonderte Betrachtung aufgrund der
     immensen Unsicherheiten notwendig. Darüber hinaus darf die EU kein Geoengineering
     betreiben und muss sich international für ein Moratorium einsetzen.
   • In der EU muss ein für alle Personen unabhängig von der persönlichen Betroffenheit ein-
     klagbares Recht auf Klimaschutz eingeführt werden, das ermöglicht, die beschlossenen
     Klimaziele einzuklagen.
   • Die EU muss wesentlich höhere Klimafinanzierung bereitstellen und im Verhältnis mehr
     Geld für Anpassung an Klimafolgen ausgeben. Außerdem dürfen nur direkte Zuschüsse
     und das Schenkungsäquivalent bei Krediten zur Klimafinanzierung angerechnet werden.
Forderungen an die EU-Klimapolitik. Für eine lebenswerte Zukunft - Klimagerechtes Europa
Inhaltsverzeichnis
Executive Summary                                                                                                          3

Einführung                                                                                                                 5

Forderungen                                                                                                                 6
   1   CO2 -Budget . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    6
   2   Emissionsreduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    6
   3   Recht auf Klimaschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    8
   4   Klimafinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    8
   5   Senken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    9
   6   Geoengineering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   10
   7   Keine Atomkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   10
   8   Klimaneutralität in allen EU-Mitgliedsstaaten . . . . . . . .       .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   11
   9   ETS-Reform und CO2 -Grenzausgleich . . . . . . . . . . . .          .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   11
   10 EU-Mercosur-Abkommen darf nicht verabschiedet werden .               .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   11
   11 Subventionen für fossile Energieträger beenden . . . . . .           .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   12
   12 Austritt aus dem Vertrag über die Energiecharta (ECT) . . .          .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   12
   13 Reduktion des Energieverbrauchs . . . . . . . . . . . . . .          .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   13

Impressum

Klimadelegation e. V.
Sauerbruchstraße 45
45470 Mülheim an der Ruhr
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Mai 2021
Einführung
Die Folgen der Klimakrise sind bereits heute Realität und die negativen Folgen treffen Menschen
im Globalen Süden besonders stark. Auch in Europa wird die Klimakrise durch vermehrte
Hitzesommer, lange Trockenperioden und in der Häufigkeit zunehmende Wetterextreme spür-
bar. Wenn wir es nicht schaffen, die Erderhitzung auf unter 1,5 Grad zu begrenzen, hat dies
katastrophale Auswirkungen für unser aller Lebensgrundlagen1 . Die Klimakrise wird primär vom
Globalen Norden verursacht. Daraus resultiert eine besondere historische Verantwortung der
Industriestaaten, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die Europäische Union (EU)
möchte bis 2050 klimaneutral werden und damit global eine Vorreiter*innenrolle einnehmen. Im
Rahmen des European Green Deal möchte die EU ihre Klimaziele verschärfen, Regelungen
und Maßnahmen für alle Sektoren erarbeiten und bis 2030 die Emissionen gegenüber 1990 um
mindestens 55 % reduzieren.
Diese Maßnahmen reichen bei Weitem nicht aus, um die im Pariser Klimaabkommen2 festgehal-
tene 1,5-Grad-Grenze einzuhalten. Darüber hinaus sind die bislang veröffentlichten nationalen
Klimaschutzbeiträge zu ungenau und lassen den Nationalstaaten bei der Umsetzung einen zu
großen Spielraum, sodass fraglich ist, ob die bislang angestrebten Emissionsreduktionsziele
überhaupt erreicht werden können. Daher fordern wir die EU dazu auf, ihrer historischen Verant-
wortung gerecht zu werden und ihre Klimapolitik darauf auszurichten, einen gerechten Anteil
zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels beizutragen. Fundamentale globale und intergenerationale
Klimagerechtigkeit bilden die Grundlage unserer Forderungen an die EU.

 1
     IPCC (2018): SR Global Warming of 1.5°C, https:// www.ipcc.ch/ sr15/
 2
     Das Pariser Abkommen ist eine internationale Vereinbarung, in der sich die Vertragsparteien dazu verpflichtet,
      Maßnahmen zu ergreifen, um die Erderhitzung auf unter 1,5 Grad zu begrenzen: https:// ec.europa.eu/ clima/
      policies/ international/ negotiations/ paris_de
Forderungen
1 CO2 -Budget

Wir fordern, dass alle Minderungsziele der EU in CO2 -Budgets festgelegt werden, transpa-
rente Ableitung von notwendigen Minderungsmaßnahmen ermöglichen. Dabei sollte sich das
CO2 -Budget nach wissenschaftlichen Messgrößen richten, regelmäßig kontrolliert und ange-
passt werden. Wir fordern, dass für alle Sektoren und Nationalstaaten CO2 -Budgets festgelegt
werden, aus denen dann prozentuale jährliche Reduktionsziele abgeleitet werden können.
Diese Aufteilung ermöglicht es, konkrete Maßnahmen auf ihre Effektivität zur Einhaltung der
1,5-Grad-Grenze zu bewerten, unter Berücksichtigung der intergenerationellen und globalen
Klimagerechtigkeit.
Die Berechnungen des Weltklimarats (IPCC)3 von 2018 dienen als Grundlage für ein verblei-
bendes CO2 -Budget [IPCC 2018, Kapitel 2]. Demnach bleibt der Menschheit insgesamt noch
ein Budget von 420 GT ab 2018, um die Erderhitzung mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 %
auf unter 1,5 Grad zu begrenzen, bzw. 580 GT ab 2018 bei einer Wahrscheinlichkeit von 50 %4 .
Einige Treibhausgase können über ein CO2 -Budget nicht angemessen bewertet werden. Dazu
zählt auch Methan, das insbesondere von der Landwirtschaft emittiert wird. Diese Treibhausgase
müssen separat reglementiert werden, da sie sich nicht dauerhaft in der Atmosphäre anrei-
chern, gleichwohl aber mittelfristig um fast zwei Größenordnungen stärker5 zur Erderhitzung
beitragen.
Aus Gründen der globalen und intergenerationellen Klimagerechtigkeit fordern wir, dass als
Grundlage jedweder Klimapolitiken das Budget des 67 %-Szenarios aus IPCC, 2018, SR Global
Warming of 1.5°C genutzt wird. Angesichts der katastrophalen Auswirkungen einer Erhitzung
über 1,5 Grad halten wir es für inakzeptabel, sich mit einer Wahrscheinlichkeit von unter 67 % zu
begnügen. Würde das globale CO2 -Budget anhand der aktuellen Bevölkerungszahl gleichmäßig
aufgeteilt werden, stünde der EU ab 2021 noch ein Budget von etwa 15,7 GT zur Verfügung6 .
Aufgrund der historischen Verantwortung der Industriestaaten fordern wir die EU dazu auf, dies
als absolute Obergrenze zu verstehen.

2 Emissionsreduktion

Ausgehend von dem verbleibenden CO2 -Budget fordern wir, Reduktionsziele zu formulieren.
Bei einer linearen, schrittweisen Reduktion der Treibhausgase, die bislang nicht absehbar ist, ist
ein Emissionsreduktionsziel von 80 % bis 2030 und die Erreichung von Brutto-Null-Emissionen,
also ohne Einbeziehung von natürlichen Senken, im Jahr 2035 notwendig [S4F 2020]. Das
 3
   Für weiter Informationen über den IPCC siehe https:// www.umweltbundesamt.de/ themen/ klima-energie/
    klimawandel/ weltklimarat-ipcc
 4
   Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) (2020): Umweltgutachten 2020 https:// www.umweltrat.de/
    SharedDocs/ Downloads/ DE/ 01_Umweltgutachten/ 2016_2020/ 2020_Umweltgutachten_Entschlossene_
    Umweltpolitik.html
 5
   IPCC (2013): The Physical Science Basis. Working Group I contribution to the IPCC Fifth Assessment Report,
    Kap. 8: Anthropogenic and Natural Radiative Forcing.
 6
   Scientists for Future (S4F) (2020) https:// info-de.scientists4future.org/ stellungnahme-fff-forderungen-eu/
Forderungen                                                                             7

Abbildung 1: Festlegung von CO2 -Budgets als wissenschaftliche Grundlage klimapolitischer
             Maßnahmen.

     Abbildung 2: Sektorale Emissionsziele der Bundesreguerung im zeitlichen Verlauf.
Forderungen                                                                                                         8

         Abbildung 3: 1,5-Grad und 1,75-Grad-konforme CO2 -Budgets. Quelle: [SRU 2020]

aktuelle Ziel einer Emissionsreduktion von 55 % bis 2030 entspricht keinem 1,5-Grad-konformen
CO2 -Budget und muss auf 80 % verschärft werden. Kosten einer Emissionsminderung zur
Einhaltung des Pariser Klimaabkommeswerden immer noch geringer sein, als die Kosten, die
die Klimaschäden mit sich bringen werden.

3 Recht auf Klimaschutz

Im EU-Recht sollte ein einklagbares Recht auf Klimaschutz für EU-Bürger*innen integriert wer-
den, wie es beispielsweise der Entwurf des EU-Parlaments für das EU Climate Law vorsieht. Ein
solches Recht soll EU-Bürger*innen, aber auch Nicht-Regierungsorganisationen die Möglichkeit
geben, vor nationalen und europäischen Gerichten Klage zu erheben. Dabei können sie sich
auf die von den Regierungen beschlossenen Klimaziele und Pläne (Nationale Energie- und
Klimaziele, NECPs) berufen, wenn diese nicht eingehalten werden (Art. 11 a als Einschub
in der Governance Verordnung (2018/1999) wie im Entwurf des Europäischen Parlaments).
Bürger*innen könnten mithilfe eines solchen Rechts NECPs vor Gericht überprüfen lassen,
wenn sie a) nicht zu den NECPs gehört wurden oder wenn sie b) Zweifel an der fachlichen
Richtigkeit der NECPs haben.

4 Klimafinanzierung

Die aktuelle Klimafinanzierung ist mit dem Prinzip der Klimagerechtigkeit nicht vereinbar. Derzeit
stellt die EU Klimafinanzierung in Form von Kreditvergaben der europäischen Investmentbank
sowie durch direkte Hilfszahlungen zur Verfügung. Die EU-Staaten kommen ihren Verpflichtun-
gen gemäß des Pariser Klimaabkommens dabei nicht nach7 und müssen daher ihre zugesagten
Mittel deutlich aufstocken. Gleichzeitig darf die Klimafinanzierung das Machtungleichgewicht zwi-
schen dem Globalen Norden und Globalen Süden sowie koloniale Kontinuitäten nicht vertiefen.
Wir fordern daher:

 7
     Actalliance EU (2021) https:// actalliance.eu/ wp-content/ uploads/ 2021/ 01/ ACT-Alliance_EU_SettingTheStandard.
      pdf
Forderungen                                                                                                      9

     1. Als Klimafinanzierung dürfen nur reine Zuschüsse sowie bei vergünstigten Krediten (d.h.
        nicht zu marktüblichen Zinskonditionen) nur das Schenkungsäquivalent ausgewiesen wer-
        den. Darlehen und Kredite müssen separat von reinen Zuschüssen betrachtet werden, so
        wie es auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)
        fordert8 . Bisher berechnen die Staaten die Volumina ihrer Klimafinanzierungsbeiträge zu
        großzügig9 .
     2. Die EU, ihre Institutionen und Mitgliedstaaten müssen ihren Beitrag zur Klimafinanzierung
        mehr als verdoppeln. Die im Jahre 2018 berichtete Klimafinanzierung von 23,2 Mrd. C
        (11,6 Mrd. C ohne Kredite 2019) ist angesichts der historischen Verantwortung weit von
        einer gerechten Verteilung entfernt10 . Auch die direkte Finanzierung durch EU-Institutionen
        zeigt das gleiche Bild (2018 5,6 Mrd. C ausgewiesen ggü. 3,1 Mrd. C ohne Kredite11 ): Die
        Beiträge müssen dort stark steigen.
     3. Die EU muss den Einsatz der Mittel anders verteilen. Es muss sichergestellt werden, dass
        ein Gleichgewicht zwischen Maßnahmen zur Anpassung (Maßnahmen, die es Ländern
        ermöglichen, sich an die unvermeidlichen Folgen des Klimawandels anzupassen) sowie
        Minderung (Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen) herrscht, wie
        es im Pariser Klimaabkommen vereinbart ist. Bislang zeichnet sich jedoch eine starke
        Tendenz in Richtung Minderungsmaßnahmen ab, obgleich die Finanzierung von Anpas-
        sungsmaßnahmen in Entwicklungsländern viel dringender ist.
     4. Im Paris-Abkommen haben sich die Geberländer dazu verpflichtet, “neue und zusätzliche”
        Klimafinanzierung bereitzustellen. Allerdings gibt es bislang keinen Konsens darüber, wie
        diese definiert werden soll. Die EU-Mitgliedsstaaten sollten sich auf eine gemeinsame Defi-
        nition von „neuer und zusätzlicher“ Klimafinanzierung einigen und auch auf internationaler
        Ebene darauf hinwirken, dass diese zusätzlich zur sogenannten “Entwicklungsfinanzierung”
        geleistet wird. Wir fordern daher, dass Klimafinanzierung nur dann als „neu und zusätzlich“
        gilt, wenn sie wirklich zusätzlich zur “Entwicklungsfinanzierungs-Quote” bereitgestellt wird.
     5. Klimafinanzierung soll dazu beitragen, der historischen Verantwortung Europas gerecht zu
        werden. Daher darf Klimafinanzierung als Instrument nicht zur Vertiefung von Machtun-
        gleichgewichten führen, sondern soll zur Reduktion kolonialer Strukturen beitragen.

5 Senken

Wir fordern, Negativemissionen aus natürlichen Senken wie Wäldern und Mooren separat von
den übrigen CO2 -Emissionen zu betrachten und sie nicht in die Reduktionsziele einzubezie-
hen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund bedeutend, dass diese Emissionen aufgrund

 8
   OECD (2017) https:// www.oecd.org/ officialdocuments/ publicdisplaydocumentpdf/ ?cote=DEV/ DOC/ WKP( 2017)
    5&docLanguage=En
 9
   Z. B. ersichtlich an der Seite zur Klimafinanzierung des BMZ: https:// www.bmz.de/ de/ entwicklungspolitik/
    klimawandel-und-entwicklung/ klimafinanzierung oder des BMU: https:// www.bmu.de/ fileadmin/ Daten_BMU/
    Download_PDF/ Klimaschutz/ bmu_climate_finance_02_bf.pdf
10
   Oxfam, Care, Germanwatch, Heinrich-BöllStiftung, Care: https:// www.deutscheklimafinanzierung.de/ blog/ 2021/
    01/ klimafinanzierung-2021-stagnation-oder-absinken/
11
   Actalliance EU (2020) https:// actalliance.eu/ wp-content/ uploads/ 2020/ 09/ Falling-Short-Seven-ways-in-which-
    the-EU-could-improve-its-climate-support-to-developing-countries.pdf
Forderungen                                                                                                   10

unvorhersehbarer Ereignisse massiven Schwankungen unterliegen und ihre Größe Berech-
nungsmethodik stark variiert.12 . Die z. B. von der EU-Kommission geplante Einbeziehung von
Negativemissionen entschärft ambitionierte Reduktionsziele und bewirkt große Inkonsistenz
aufgrund der unterschiedlichen Referenzwerte und führt damit zu unterschiedlichen Reduktions-
pfaden. So entspräche nach Berechnungen von Greenpeace das aktuelle Nettoemissionziel
von 55 % in 2030 nur einer Verringerung der realen Emissionen um 52,8 %13 . Solche Emis-
sionssenken dürfen in ihrer Umsetzung keine neokolonialen Verhältnisse reproduzieren, was
bedeutet, dass indigene Rechte und indigenes Land zu schützen sind sowie eine Auslagerung
der Senken in Länder des Globalen Südens vermieden oder zumindest antikolonial gestaltet
werden sollen.

6 Geoengineering

Wir fordern, auf Geoengineering-Maßnahmen zur Zielerreichung zu verzichten. Geoengineering
bezeichnet vorsätzliche und großräumige Eingriffe mit technischen Mitteln in geo- oder biogeo-
chemische Kreisläufe der Erde. Sie sind verlockend, weil sie fälschlicherweise suggerieren, ein
“Weiter-so” wäre möglich. Dabei bergen Ansätze des Solar Radiation Management (SRM) und
des Carbon Dioxid Removal (CDR)14 erhebliche Risiken für die Umwelt15 . Sie bergen neue
Ressourcen- und Zielkonflikte und stehen im Widerspruch zu Prinzipien des Umweltvölkerrechts.
So sind sie unvereinbar mit dem Vorsorgeprinzip, z. B. der Minderung des Schadstoffeintrags in
die Umwelt, sowie dem Ursprungsprinzip, das besagt, dass Umweltbeeinträchtigungen vorrangig
an ihrem Ursprung zu bekämpfen sind.

7 Keine Atomkraft

Atomkraft ist keine Alternative zu erneuerbaren Energien. Eine CO2 -Reduktionsstrategie darf
nicht zur Ausweitung von Atomkraft führen. Wir fordern, dass auch für Atomkraftwerke Ausstiegs-
szenarien entwickelt und in die Wege geleitet werden. Eine Erreichung der Klimaziele durch
Ausweitung der Atomkraft lehnen wir ab. Zum einen sind Fragen der Endlagerung bis heute nicht
geklärt und stellen einen eklatanten Verstoß gegen die intergenerationelle Gerechtigkeit dar.
Zum anderen stellt auch der Uranabbau eine besonders umweltschädliche und zerstörerischen
Raubbau an der Natur dar. Auch die Inkaufnahme des Risikos eines atomaren Unfalls stellt für
uns ein Verstoß gegen die globale und intergenerationelle Gerechtigkeit dar.

12
   Öko-Institut e.V. (2021): LULUCF-Quellen und Senken in den deutschen Treibhausgas-Emissionsinventaren
    https:// www.dnr.de/ fileadmin/ Positionen/ 21-02-23-Memo_Inventare_LULUCF.pdf
13
   Greenpeace (2021) https:// www.greenpeace.de/ presse/ presseerklaerungen/ kommentar-zum-klimaziel-der-eu
14
   Der am häufigsten diskutierte Ansatz in der Literatur des SRM ist die Ausbringung von Gasen mit Schwebeteilchen
    (Aerosolen) in der Stratosphäre, um das Sonnenlicht zu streuen und damit eine geringere Sonneneinstrahlung
    an der Erdoberfläche zu bewirken. Ansätze des CDR versuchen, die Konzentration des Treibhausgases CO2
    in der Atmosphäre zu verringern. Dies soll dadurch erreicht werden, dass das ausgestoßene CO2 „zurückge-
    holt“ und dem Kohlenstoffkreislauf möglichst dauerhaft (z.B. durch unterirdische Speicherung) entzogen wird.
    (Umweltbundesamt, https:// www.umweltbundesamt.de/ service/ glossar/ k?tag=Kohlenstoffkreislauf#alphabar)
15
   Risikobewertung z. B. in Royal Society (2009): Geoengineering the Climate, https:// royalsociety.org/ topics-
    policy/ publications/ 2009/ geoengineering-climate/ oder Umweltbundesamt (2016): Geo-Engineering https://
    www.umweltbundesamt.de/ publikationen/ geo-engineering.
Forderungen                                                                                                   11

Die EU wird bis Ende diesen Jahres die EU-Taxonomie verhandeln und festlegen, welche
Investments als nachhaltig eingestuft werden. Dabei setzen sich Vertreter*innen der Gas-
und Atomlobby vehement dafür ein, dass ihre Branchen als nachhaltig mit aufgenommen
werden. Diesem Druck darf auf keinen Fall nachgegeben werden. Die Energie aus Atom- und
Gaskraftwerken darf nicht im Rahmen der EU-Taxonomie als nachhaltiges Investment eingestuft
werden. Auch als Übergangstechnologie entspricht der Ausbau fossiler Energie und Atomenergie
nicht einer ökologischen Transformation unserer Energiewirtschaft.

8 Klimaneutralität in allen EU-Mitgliedsstaaten

Wir fordern, dass bis 2035 alle EU-Mitgliedsstaaten klimaneutral sind. Nur eine Pflicht für alle
Mitgliedsstaaten ermöglicht, dass einzelne Staaten klar Verantwortung übernehmen müssen und
entsprechend kontrolliert werden können. Eine Verrechnung mit Negativ-Emissionen anderer
Staaten würde das Ambitionslevel senken und viel Raum für Tricksereien lassen.

9 ETS-Reform und CO2 -Grenzausgleich

Wir fordern, dass die EU das verbleibende CO2 -Budget von 15,7 GT ab 2021 für 1,5 Grad zur
Berechnung der Zertifikate des ETS-Systems zugrunde legt. Zusätzlich müssen jährlich die
überschüssigen Zertifikate gelöscht werden, um ein Absinken des CO2 -Preises zu verhindern.
Eine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten lehnen wir ab, da sie im Widerspruch zum Verursa-
cherprinzip stehen und beabsichtigte Lenkungswirkungen untergraben. Wettbewerbsnachteile
und Carbon Leakage Effekte (d.h. der Anstieg der CO2-Emissionen außerhalb der EU) müssen
durch ergänzende Maßnahmen wie einen CO2 -Grenzausgleich adressiert werden. Wir unter-
stützen daher einen CO2 -Grenzausgleich, der verhindert, dass Maßnahmen zur CO2 -Reduktion
innerhalb der EU zu Carbon Leakage, also einem Anstieg der CO2 -Emissionen außerhalb der
EU führt und damit die CO2 -Einsparung aus globaler Perspektive zunichte macht.16 . Wir fordern,
die Kosten dabei nicht auf die Länder des Globalen Südens abzuwälzen, sondern durch Anreize
und finanzielle Unterstützung die ökologische Transformation auch außerhalb der EU zu fördern.
Auch innerhalb der EU darf ein CO2 -Grenzausgleich nicht zur Mehrbelastung der Menschen mit
niedrigen Einkommen führen, sondern muss sozial verträglich gestaltet werden.

10 EU-Mercosur-Abkommen darf nicht verabschiedet werden

Das EU-Mercosur-Abkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund
Mercosur aus Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay darf nicht verabschiedet werden.
Es verstärkt menschenrechtliche und ökologische Risiken und untergräbt die gemeinsamen
Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens.

16
     Jörg Lange (2020) CO2 Abgabe e.V: https:// www.energiezukunft.eu/ meinung/ die-meinung/ wie-ein-CO2-
      grenzausgleich-gelingen-kann/ und Ulf Sieberg (2020) CO2 Abgabe e.V. : https:// background.tagesspiegel.de/
      energie-klima/ wie-der-co2-grenzausgleich-gelingen-kann#:~:text=So%20lange%20es%20weltweit%20noch,
      CO2%2DEmissionen%20zu%20mindern%E2%80%9C
Forderungen                                                                                                    12

Zum einen führen die Absenkungen der Exportsteuern für Soja und Rindfleisch zu einer
Ausweitung der Anbauflächen und damit zu einer Zunahme der Abholzung des Amazonas-
Regenwaldes17 . Der Amazonas ist eine schützenswerte Klimasenke, da dort etwa ein Viertel
des weltweiten Kohlenstoff-Austausches zwischen Atmosphäre und Biosphäre stattfindet. Dies
wäre eine Katastrophe für das Klima und die Artenvielfalt und folglich auch für die Weltbe-
völkerung. Wird zu viel Fläche des Amazonas zerstört, wird ein Kipppunkt erreicht, an dem
der Wasserkreislauf versiegt und das komplexe Ökosystem des Regenwaldes bis Ende des
Jahrhunderts austrocknet18 . Laut zahlreichen Umweltschutzorganisationen und unabhängigen
Expertengutachten wird ein EU-Mercosur-Abkommen diese klimaschädliche Entwicklung weiter
vorantreiben.
Zum anderen wäre das Abkommen eine Gefahr für die indigenen Gemeinden und Umwelt-
schützer*innen. So leben im Amazonas indigene Gemeinden, die durch die Auswirkungen
des Mercosur-Abkommens in ihrer Lebensgrundlage bedroht werden. Wir fordern von der EU,
Handelsabkommen nur dann zu beschließen, wenn sie einen effektiven Klimaschutz und die
Wahrung der Menschenrechte gewährleisten.

11 Subventionen für fossile Energieträger beenden

Wir fordern, sofort alle Subventionen für fossile Energieträger zu streichen und sämtliche
neue Investitionen in fossile Infrastruktur zu stoppen. Dazu zählen insbesondere die von der
EU-Kommission geplanten Investitionen in Gasinfrastruktur und ein notwendiges Verbot von
Steuervergünstigungen für fossile Brennstoffe.

12 Austritt aus dem Vertrag über die Energiecharta (ECT)

Der Vertrag über die ECT blockiert den Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter, da er Energiekonzer-
nen erlaubt, Staaten vor Schiedsgerichten auf Entschädigungen in Milliardenhöhe zu verklagen,
wenn Länder Klimagesetze erlassen19 . Schon die Androhung von Unternehmen, Klage unter
dem ECT einzureichen, reicht für viele Staaten aus, um Klimagesetze zurückzuziehen, da sie
sich Gerichtskosten und Schadensersatz nicht leisten können bzw. möchten. Damit verhindert
der ECT, dass Regierungen ambitionierte Klima- und Umweltgesetzgebung erlassen. Zudem
zwingt er Staaten sogar dazu, weiterhin öffentliche Gelder für umweltschädliche Energieträger
bereitzustellen und fossile Energien damit aktiv zu fördern. Somit ist dieser Vertrag nicht nur
mit dem Pariser Abkommen inkompatibel, sondern auch mit dem EU Green Deal und dem
EU-Klimagesetz. Die Verhandlungen zur Verbesserung des Vertrages sind festgefahren und

17
   Germanwatch (2020) https:// germanwatch.org/ sites/ default/ files/ Auswirkungen%20des%20EU-Mercosur%
    20Abkommens%20auf%20Agrarhandel%20und%20SDGs_aktualisiert_1.pdf
18
   https:// www.pik-potsdam.de/ de/ produkte/ infothek/ kippelemente/ kippelemente,          https:// amazonas.de/
    wasserkreislauf-im-amazonas/ , https:// www.klimareporter.de/ erdsystem/ showdown-am-amazonas und
    https:// www.greenpeace.de/ EU-Mercosur
19
   Die britische Ölfirma Rockhopper verklagt Italien wegen eines Ölförderverbots vor einem internationalen Schieds-
    gericht auf eine Entschädigung in Höhe von rund 225 Millionen Euro weil diese 2030 aus der Kohleverbrennung
    aussteigen: https:// icsid.worldbank.org/ cases/ case-database/ case-detail?CaseNo=ARB/ 17/ 14
Forderungen                                                                                                      13

eine Lösung ist bisher nicht in Sicht20 . Wenn einzelnen Staaten der Austritt möglich ist, laufen
die Konditionen des ECT 20 Jahre weiter. Diese Folge ist nur durch ein entschiedener Abschied
der europäischen Staatengemeinschaft vermeidbar.
Wir fordern die EU-Staaten daher auf, geschlossen aus dem Vertrag auszutreten und keine
Klagen mehr auf Basis des ECT zuzulassen. Auch die weltweite Signalwirkung ist dabei wichtig,
da der ECT dafür sorgt, dass fossile Technologien langfristig weiter betrieben werden.
Wir fordern die EU-Staaten daher auf, geschlossen aus dem Vertrag auszutreten und keine
Klagen mehr auf Basis des ECT zuzulassen. Auch die weltweite Signalwirkung ist dabei wichtig,
da der ECT dafür sorgt, dass fossile Technologien langfristig weiter betrieben werden.

13 Reduktion des Energieverbrauchs

Neben der Umstellung auf regenerative Energien sollten stets Möglichkeiten zur Energieeinspa-
rung gesucht und genutzt werden. Dies betrifft insbesondere Bereiche, in denen eine direkte
Versorgung mit Erneuerbaren nicht oder nur schwer möglich ist (z. B. Schiffsverkehr). Eine
Reduktion des Gesamtenergieverbrauchs in Ländern der EU ist insbesondere in Hinblick auf
die historische Verantwortung für die Klimakrise sowie eine global und intergenerationell ge-
rechte Aufteilung an Ressourcen ist wichtig. Auch beim Ausbau erneuerbarer Energien müssen
neokoloniale Ausbeutungsverhältnisse in Bezug auf Aspekte wie Ressourcengewinnung und
Wasserstoffstrategien abgeschafft werden.

20
     Investigate Europe (2021) https:// www.investigate-europe.eu/ de/ 2021/ explainer-warum-eine-gruene-reform-des-
      energiecharta-vertrags-unwahrscheinlich-ist/ ICSID (2021) https:// icsid.worldbank.org/ cases/ case-database/
      case-detail?CaseNo=ARB/ 21/ 4, FAZ (2021) Euro, https:// www.faz.net/ aktuell/ wirtschaft/ klima-energie-und-
      umwelt/ rwe-verklagt-niederlande-wegen-kohleausstieg-17183340.html
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