Forderungen an die EU-Klimapolitik. Für eine lebenswerte Zukunft - Klimagerechtes Europa
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Executive Summary Um die letzte Chance auf Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze zu ergreifen und damit die schlimms- ten Klimawandelfolgen zu verhindern, ist eine entschlossene Politik der gesamten Europä- ischen Union (EU) notwendig. Nur dann können wir globale Klimagerechtigkeit erreichen. Wir fordern eine Politik, die durch ambitionierte Klimaziele und angemessene Klimafinanzierung eine lebenswerte Zukunft schafft - für uns als junge Generation, für zukünftige Generationen und für alle Menschen weltweit. Unsere Kernforderungen sind: • Die EU muss ihre Klimaziele ambitioniert anheben, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhal- ten. Eine verbindliche Formulierung in Form eines verbleibenden Budgets für CO2 - Emissionen ist dafür notwendig. Nur so können die abgeleiteten Maßnahmen genau überprüft und das Temperaturlimit eingehalten werden. Das maximale 1,5-Grad-kompatible CO2 -Budget für die EU-27 beträgt derzeit noch 15,7 Gt. Daraus leitet sich für 2030 eine Mindestreduktion von 80 % ggü. 1990 ab. • In die Berechnung der Emissionen dürfen keine negative Emissionen aus natürlichen Senken einbezogen werden. Stattdessen ist eine gesonderte Betrachtung aufgrund der immensen Unsicherheiten notwendig. Darüber hinaus darf die EU kein Geoengineering betreiben und muss sich international für ein Moratorium einsetzen. • In der EU muss ein für alle Personen unabhängig von der persönlichen Betroffenheit ein- klagbares Recht auf Klimaschutz eingeführt werden, das ermöglicht, die beschlossenen Klimaziele einzuklagen. • Die EU muss wesentlich höhere Klimafinanzierung bereitstellen und im Verhältnis mehr Geld für Anpassung an Klimafolgen ausgeben. Außerdem dürfen nur direkte Zuschüsse und das Schenkungsäquivalent bei Krediten zur Klimafinanzierung angerechnet werden.
Inhaltsverzeichnis Executive Summary 3 Einführung 5 Forderungen 6 1 CO2 -Budget . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2 Emissionsreduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3 Recht auf Klimaschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 4 Klimafinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 5 Senken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 6 Geoengineering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 7 Keine Atomkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 8 Klimaneutralität in allen EU-Mitgliedsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 9 ETS-Reform und CO2 -Grenzausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 10 EU-Mercosur-Abkommen darf nicht verabschiedet werden . . . . . . . . . . . . . 11 11 Subventionen für fossile Energieträger beenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 12 Austritt aus dem Vertrag über die Energiecharta (ECT) . . . . . . . . . . . . . . . 12 13 Reduktion des Energieverbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Impressum Klimadelegation e. V. Sauerbruchstraße 45 45470 Mülheim an der Ruhr policy@klimadelegation.de www.klimadelegation.de www.twitter.com/ klimadelegation www.instagram.com/ klimadelegation www.facebook.com/ klimadelegation Mai 2021
Einführung Die Folgen der Klimakrise sind bereits heute Realität und die negativen Folgen treffen Menschen im Globalen Süden besonders stark. Auch in Europa wird die Klimakrise durch vermehrte Hitzesommer, lange Trockenperioden und in der Häufigkeit zunehmende Wetterextreme spür- bar. Wenn wir es nicht schaffen, die Erderhitzung auf unter 1,5 Grad zu begrenzen, hat dies katastrophale Auswirkungen für unser aller Lebensgrundlagen1 . Die Klimakrise wird primär vom Globalen Norden verursacht. Daraus resultiert eine besondere historische Verantwortung der Industriestaaten, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die Europäische Union (EU) möchte bis 2050 klimaneutral werden und damit global eine Vorreiter*innenrolle einnehmen. Im Rahmen des European Green Deal möchte die EU ihre Klimaziele verschärfen, Regelungen und Maßnahmen für alle Sektoren erarbeiten und bis 2030 die Emissionen gegenüber 1990 um mindestens 55 % reduzieren. Diese Maßnahmen reichen bei Weitem nicht aus, um die im Pariser Klimaabkommen2 festgehal- tene 1,5-Grad-Grenze einzuhalten. Darüber hinaus sind die bislang veröffentlichten nationalen Klimaschutzbeiträge zu ungenau und lassen den Nationalstaaten bei der Umsetzung einen zu großen Spielraum, sodass fraglich ist, ob die bislang angestrebten Emissionsreduktionsziele überhaupt erreicht werden können. Daher fordern wir die EU dazu auf, ihrer historischen Verant- wortung gerecht zu werden und ihre Klimapolitik darauf auszurichten, einen gerechten Anteil zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels beizutragen. Fundamentale globale und intergenerationale Klimagerechtigkeit bilden die Grundlage unserer Forderungen an die EU. 1 IPCC (2018): SR Global Warming of 1.5°C, https:// www.ipcc.ch/ sr15/ 2 Das Pariser Abkommen ist eine internationale Vereinbarung, in der sich die Vertragsparteien dazu verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um die Erderhitzung auf unter 1,5 Grad zu begrenzen: https:// ec.europa.eu/ clima/ policies/ international/ negotiations/ paris_de
Forderungen 1 CO2 -Budget Wir fordern, dass alle Minderungsziele der EU in CO2 -Budgets festgelegt werden, transpa- rente Ableitung von notwendigen Minderungsmaßnahmen ermöglichen. Dabei sollte sich das CO2 -Budget nach wissenschaftlichen Messgrößen richten, regelmäßig kontrolliert und ange- passt werden. Wir fordern, dass für alle Sektoren und Nationalstaaten CO2 -Budgets festgelegt werden, aus denen dann prozentuale jährliche Reduktionsziele abgeleitet werden können. Diese Aufteilung ermöglicht es, konkrete Maßnahmen auf ihre Effektivität zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze zu bewerten, unter Berücksichtigung der intergenerationellen und globalen Klimagerechtigkeit. Die Berechnungen des Weltklimarats (IPCC)3 von 2018 dienen als Grundlage für ein verblei- bendes CO2 -Budget [IPCC 2018, Kapitel 2]. Demnach bleibt der Menschheit insgesamt noch ein Budget von 420 GT ab 2018, um die Erderhitzung mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 % auf unter 1,5 Grad zu begrenzen, bzw. 580 GT ab 2018 bei einer Wahrscheinlichkeit von 50 %4 . Einige Treibhausgase können über ein CO2 -Budget nicht angemessen bewertet werden. Dazu zählt auch Methan, das insbesondere von der Landwirtschaft emittiert wird. Diese Treibhausgase müssen separat reglementiert werden, da sie sich nicht dauerhaft in der Atmosphäre anrei- chern, gleichwohl aber mittelfristig um fast zwei Größenordnungen stärker5 zur Erderhitzung beitragen. Aus Gründen der globalen und intergenerationellen Klimagerechtigkeit fordern wir, dass als Grundlage jedweder Klimapolitiken das Budget des 67 %-Szenarios aus IPCC, 2018, SR Global Warming of 1.5°C genutzt wird. Angesichts der katastrophalen Auswirkungen einer Erhitzung über 1,5 Grad halten wir es für inakzeptabel, sich mit einer Wahrscheinlichkeit von unter 67 % zu begnügen. Würde das globale CO2 -Budget anhand der aktuellen Bevölkerungszahl gleichmäßig aufgeteilt werden, stünde der EU ab 2021 noch ein Budget von etwa 15,7 GT zur Verfügung6 . Aufgrund der historischen Verantwortung der Industriestaaten fordern wir die EU dazu auf, dies als absolute Obergrenze zu verstehen. 2 Emissionsreduktion Ausgehend von dem verbleibenden CO2 -Budget fordern wir, Reduktionsziele zu formulieren. Bei einer linearen, schrittweisen Reduktion der Treibhausgase, die bislang nicht absehbar ist, ist ein Emissionsreduktionsziel von 80 % bis 2030 und die Erreichung von Brutto-Null-Emissionen, also ohne Einbeziehung von natürlichen Senken, im Jahr 2035 notwendig [S4F 2020]. Das 3 Für weiter Informationen über den IPCC siehe https:// www.umweltbundesamt.de/ themen/ klima-energie/ klimawandel/ weltklimarat-ipcc 4 Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) (2020): Umweltgutachten 2020 https:// www.umweltrat.de/ SharedDocs/ Downloads/ DE/ 01_Umweltgutachten/ 2016_2020/ 2020_Umweltgutachten_Entschlossene_ Umweltpolitik.html 5 IPCC (2013): The Physical Science Basis. Working Group I contribution to the IPCC Fifth Assessment Report, Kap. 8: Anthropogenic and Natural Radiative Forcing. 6 Scientists for Future (S4F) (2020) https:// info-de.scientists4future.org/ stellungnahme-fff-forderungen-eu/
Forderungen 7 Abbildung 1: Festlegung von CO2 -Budgets als wissenschaftliche Grundlage klimapolitischer Maßnahmen. Abbildung 2: Sektorale Emissionsziele der Bundesreguerung im zeitlichen Verlauf.
Forderungen 8 Abbildung 3: 1,5-Grad und 1,75-Grad-konforme CO2 -Budgets. Quelle: [SRU 2020] aktuelle Ziel einer Emissionsreduktion von 55 % bis 2030 entspricht keinem 1,5-Grad-konformen CO2 -Budget und muss auf 80 % verschärft werden. Kosten einer Emissionsminderung zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommeswerden immer noch geringer sein, als die Kosten, die die Klimaschäden mit sich bringen werden. 3 Recht auf Klimaschutz Im EU-Recht sollte ein einklagbares Recht auf Klimaschutz für EU-Bürger*innen integriert wer- den, wie es beispielsweise der Entwurf des EU-Parlaments für das EU Climate Law vorsieht. Ein solches Recht soll EU-Bürger*innen, aber auch Nicht-Regierungsorganisationen die Möglichkeit geben, vor nationalen und europäischen Gerichten Klage zu erheben. Dabei können sie sich auf die von den Regierungen beschlossenen Klimaziele und Pläne (Nationale Energie- und Klimaziele, NECPs) berufen, wenn diese nicht eingehalten werden (Art. 11 a als Einschub in der Governance Verordnung (2018/1999) wie im Entwurf des Europäischen Parlaments). Bürger*innen könnten mithilfe eines solchen Rechts NECPs vor Gericht überprüfen lassen, wenn sie a) nicht zu den NECPs gehört wurden oder wenn sie b) Zweifel an der fachlichen Richtigkeit der NECPs haben. 4 Klimafinanzierung Die aktuelle Klimafinanzierung ist mit dem Prinzip der Klimagerechtigkeit nicht vereinbar. Derzeit stellt die EU Klimafinanzierung in Form von Kreditvergaben der europäischen Investmentbank sowie durch direkte Hilfszahlungen zur Verfügung. Die EU-Staaten kommen ihren Verpflichtun- gen gemäß des Pariser Klimaabkommens dabei nicht nach7 und müssen daher ihre zugesagten Mittel deutlich aufstocken. Gleichzeitig darf die Klimafinanzierung das Machtungleichgewicht zwi- schen dem Globalen Norden und Globalen Süden sowie koloniale Kontinuitäten nicht vertiefen. Wir fordern daher: 7 Actalliance EU (2021) https:// actalliance.eu/ wp-content/ uploads/ 2021/ 01/ ACT-Alliance_EU_SettingTheStandard. pdf
Forderungen 9 1. Als Klimafinanzierung dürfen nur reine Zuschüsse sowie bei vergünstigten Krediten (d.h. nicht zu marktüblichen Zinskonditionen) nur das Schenkungsäquivalent ausgewiesen wer- den. Darlehen und Kredite müssen separat von reinen Zuschüssen betrachtet werden, so wie es auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fordert8 . Bisher berechnen die Staaten die Volumina ihrer Klimafinanzierungsbeiträge zu großzügig9 . 2. Die EU, ihre Institutionen und Mitgliedstaaten müssen ihren Beitrag zur Klimafinanzierung mehr als verdoppeln. Die im Jahre 2018 berichtete Klimafinanzierung von 23,2 Mrd. C (11,6 Mrd. C ohne Kredite 2019) ist angesichts der historischen Verantwortung weit von einer gerechten Verteilung entfernt10 . Auch die direkte Finanzierung durch EU-Institutionen zeigt das gleiche Bild (2018 5,6 Mrd. C ausgewiesen ggü. 3,1 Mrd. C ohne Kredite11 ): Die Beiträge müssen dort stark steigen. 3. Die EU muss den Einsatz der Mittel anders verteilen. Es muss sichergestellt werden, dass ein Gleichgewicht zwischen Maßnahmen zur Anpassung (Maßnahmen, die es Ländern ermöglichen, sich an die unvermeidlichen Folgen des Klimawandels anzupassen) sowie Minderung (Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen) herrscht, wie es im Pariser Klimaabkommen vereinbart ist. Bislang zeichnet sich jedoch eine starke Tendenz in Richtung Minderungsmaßnahmen ab, obgleich die Finanzierung von Anpas- sungsmaßnahmen in Entwicklungsländern viel dringender ist. 4. Im Paris-Abkommen haben sich die Geberländer dazu verpflichtet, “neue und zusätzliche” Klimafinanzierung bereitzustellen. Allerdings gibt es bislang keinen Konsens darüber, wie diese definiert werden soll. Die EU-Mitgliedsstaaten sollten sich auf eine gemeinsame Defi- nition von „neuer und zusätzlicher“ Klimafinanzierung einigen und auch auf internationaler Ebene darauf hinwirken, dass diese zusätzlich zur sogenannten “Entwicklungsfinanzierung” geleistet wird. Wir fordern daher, dass Klimafinanzierung nur dann als „neu und zusätzlich“ gilt, wenn sie wirklich zusätzlich zur “Entwicklungsfinanzierungs-Quote” bereitgestellt wird. 5. Klimafinanzierung soll dazu beitragen, der historischen Verantwortung Europas gerecht zu werden. Daher darf Klimafinanzierung als Instrument nicht zur Vertiefung von Machtun- gleichgewichten führen, sondern soll zur Reduktion kolonialer Strukturen beitragen. 5 Senken Wir fordern, Negativemissionen aus natürlichen Senken wie Wäldern und Mooren separat von den übrigen CO2 -Emissionen zu betrachten und sie nicht in die Reduktionsziele einzubezie- hen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund bedeutend, dass diese Emissionen aufgrund 8 OECD (2017) https:// www.oecd.org/ officialdocuments/ publicdisplaydocumentpdf/ ?cote=DEV/ DOC/ WKP( 2017) 5&docLanguage=En 9 Z. B. ersichtlich an der Seite zur Klimafinanzierung des BMZ: https:// www.bmz.de/ de/ entwicklungspolitik/ klimawandel-und-entwicklung/ klimafinanzierung oder des BMU: https:// www.bmu.de/ fileadmin/ Daten_BMU/ Download_PDF/ Klimaschutz/ bmu_climate_finance_02_bf.pdf 10 Oxfam, Care, Germanwatch, Heinrich-BöllStiftung, Care: https:// www.deutscheklimafinanzierung.de/ blog/ 2021/ 01/ klimafinanzierung-2021-stagnation-oder-absinken/ 11 Actalliance EU (2020) https:// actalliance.eu/ wp-content/ uploads/ 2020/ 09/ Falling-Short-Seven-ways-in-which- the-EU-could-improve-its-climate-support-to-developing-countries.pdf
Forderungen 10 unvorhersehbarer Ereignisse massiven Schwankungen unterliegen und ihre Größe Berech- nungsmethodik stark variiert.12 . Die z. B. von der EU-Kommission geplante Einbeziehung von Negativemissionen entschärft ambitionierte Reduktionsziele und bewirkt große Inkonsistenz aufgrund der unterschiedlichen Referenzwerte und führt damit zu unterschiedlichen Reduktions- pfaden. So entspräche nach Berechnungen von Greenpeace das aktuelle Nettoemissionziel von 55 % in 2030 nur einer Verringerung der realen Emissionen um 52,8 %13 . Solche Emis- sionssenken dürfen in ihrer Umsetzung keine neokolonialen Verhältnisse reproduzieren, was bedeutet, dass indigene Rechte und indigenes Land zu schützen sind sowie eine Auslagerung der Senken in Länder des Globalen Südens vermieden oder zumindest antikolonial gestaltet werden sollen. 6 Geoengineering Wir fordern, auf Geoengineering-Maßnahmen zur Zielerreichung zu verzichten. Geoengineering bezeichnet vorsätzliche und großräumige Eingriffe mit technischen Mitteln in geo- oder biogeo- chemische Kreisläufe der Erde. Sie sind verlockend, weil sie fälschlicherweise suggerieren, ein “Weiter-so” wäre möglich. Dabei bergen Ansätze des Solar Radiation Management (SRM) und des Carbon Dioxid Removal (CDR)14 erhebliche Risiken für die Umwelt15 . Sie bergen neue Ressourcen- und Zielkonflikte und stehen im Widerspruch zu Prinzipien des Umweltvölkerrechts. So sind sie unvereinbar mit dem Vorsorgeprinzip, z. B. der Minderung des Schadstoffeintrags in die Umwelt, sowie dem Ursprungsprinzip, das besagt, dass Umweltbeeinträchtigungen vorrangig an ihrem Ursprung zu bekämpfen sind. 7 Keine Atomkraft Atomkraft ist keine Alternative zu erneuerbaren Energien. Eine CO2 -Reduktionsstrategie darf nicht zur Ausweitung von Atomkraft führen. Wir fordern, dass auch für Atomkraftwerke Ausstiegs- szenarien entwickelt und in die Wege geleitet werden. Eine Erreichung der Klimaziele durch Ausweitung der Atomkraft lehnen wir ab. Zum einen sind Fragen der Endlagerung bis heute nicht geklärt und stellen einen eklatanten Verstoß gegen die intergenerationelle Gerechtigkeit dar. Zum anderen stellt auch der Uranabbau eine besonders umweltschädliche und zerstörerischen Raubbau an der Natur dar. Auch die Inkaufnahme des Risikos eines atomaren Unfalls stellt für uns ein Verstoß gegen die globale und intergenerationelle Gerechtigkeit dar. 12 Öko-Institut e.V. (2021): LULUCF-Quellen und Senken in den deutschen Treibhausgas-Emissionsinventaren https:// www.dnr.de/ fileadmin/ Positionen/ 21-02-23-Memo_Inventare_LULUCF.pdf 13 Greenpeace (2021) https:// www.greenpeace.de/ presse/ presseerklaerungen/ kommentar-zum-klimaziel-der-eu 14 Der am häufigsten diskutierte Ansatz in der Literatur des SRM ist die Ausbringung von Gasen mit Schwebeteilchen (Aerosolen) in der Stratosphäre, um das Sonnenlicht zu streuen und damit eine geringere Sonneneinstrahlung an der Erdoberfläche zu bewirken. Ansätze des CDR versuchen, die Konzentration des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre zu verringern. Dies soll dadurch erreicht werden, dass das ausgestoßene CO2 „zurückge- holt“ und dem Kohlenstoffkreislauf möglichst dauerhaft (z.B. durch unterirdische Speicherung) entzogen wird. (Umweltbundesamt, https:// www.umweltbundesamt.de/ service/ glossar/ k?tag=Kohlenstoffkreislauf#alphabar) 15 Risikobewertung z. B. in Royal Society (2009): Geoengineering the Climate, https:// royalsociety.org/ topics- policy/ publications/ 2009/ geoengineering-climate/ oder Umweltbundesamt (2016): Geo-Engineering https:// www.umweltbundesamt.de/ publikationen/ geo-engineering.
Forderungen 11 Die EU wird bis Ende diesen Jahres die EU-Taxonomie verhandeln und festlegen, welche Investments als nachhaltig eingestuft werden. Dabei setzen sich Vertreter*innen der Gas- und Atomlobby vehement dafür ein, dass ihre Branchen als nachhaltig mit aufgenommen werden. Diesem Druck darf auf keinen Fall nachgegeben werden. Die Energie aus Atom- und Gaskraftwerken darf nicht im Rahmen der EU-Taxonomie als nachhaltiges Investment eingestuft werden. Auch als Übergangstechnologie entspricht der Ausbau fossiler Energie und Atomenergie nicht einer ökologischen Transformation unserer Energiewirtschaft. 8 Klimaneutralität in allen EU-Mitgliedsstaaten Wir fordern, dass bis 2035 alle EU-Mitgliedsstaaten klimaneutral sind. Nur eine Pflicht für alle Mitgliedsstaaten ermöglicht, dass einzelne Staaten klar Verantwortung übernehmen müssen und entsprechend kontrolliert werden können. Eine Verrechnung mit Negativ-Emissionen anderer Staaten würde das Ambitionslevel senken und viel Raum für Tricksereien lassen. 9 ETS-Reform und CO2 -Grenzausgleich Wir fordern, dass die EU das verbleibende CO2 -Budget von 15,7 GT ab 2021 für 1,5 Grad zur Berechnung der Zertifikate des ETS-Systems zugrunde legt. Zusätzlich müssen jährlich die überschüssigen Zertifikate gelöscht werden, um ein Absinken des CO2 -Preises zu verhindern. Eine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten lehnen wir ab, da sie im Widerspruch zum Verursa- cherprinzip stehen und beabsichtigte Lenkungswirkungen untergraben. Wettbewerbsnachteile und Carbon Leakage Effekte (d.h. der Anstieg der CO2-Emissionen außerhalb der EU) müssen durch ergänzende Maßnahmen wie einen CO2 -Grenzausgleich adressiert werden. Wir unter- stützen daher einen CO2 -Grenzausgleich, der verhindert, dass Maßnahmen zur CO2 -Reduktion innerhalb der EU zu Carbon Leakage, also einem Anstieg der CO2 -Emissionen außerhalb der EU führt und damit die CO2 -Einsparung aus globaler Perspektive zunichte macht.16 . Wir fordern, die Kosten dabei nicht auf die Länder des Globalen Südens abzuwälzen, sondern durch Anreize und finanzielle Unterstützung die ökologische Transformation auch außerhalb der EU zu fördern. Auch innerhalb der EU darf ein CO2 -Grenzausgleich nicht zur Mehrbelastung der Menschen mit niedrigen Einkommen führen, sondern muss sozial verträglich gestaltet werden. 10 EU-Mercosur-Abkommen darf nicht verabschiedet werden Das EU-Mercosur-Abkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur aus Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay darf nicht verabschiedet werden. Es verstärkt menschenrechtliche und ökologische Risiken und untergräbt die gemeinsamen Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens. 16 Jörg Lange (2020) CO2 Abgabe e.V: https:// www.energiezukunft.eu/ meinung/ die-meinung/ wie-ein-CO2- grenzausgleich-gelingen-kann/ und Ulf Sieberg (2020) CO2 Abgabe e.V. : https:// background.tagesspiegel.de/ energie-klima/ wie-der-co2-grenzausgleich-gelingen-kann#:~:text=So%20lange%20es%20weltweit%20noch, CO2%2DEmissionen%20zu%20mindern%E2%80%9C
Forderungen 12 Zum einen führen die Absenkungen der Exportsteuern für Soja und Rindfleisch zu einer Ausweitung der Anbauflächen und damit zu einer Zunahme der Abholzung des Amazonas- Regenwaldes17 . Der Amazonas ist eine schützenswerte Klimasenke, da dort etwa ein Viertel des weltweiten Kohlenstoff-Austausches zwischen Atmosphäre und Biosphäre stattfindet. Dies wäre eine Katastrophe für das Klima und die Artenvielfalt und folglich auch für die Weltbe- völkerung. Wird zu viel Fläche des Amazonas zerstört, wird ein Kipppunkt erreicht, an dem der Wasserkreislauf versiegt und das komplexe Ökosystem des Regenwaldes bis Ende des Jahrhunderts austrocknet18 . Laut zahlreichen Umweltschutzorganisationen und unabhängigen Expertengutachten wird ein EU-Mercosur-Abkommen diese klimaschädliche Entwicklung weiter vorantreiben. Zum anderen wäre das Abkommen eine Gefahr für die indigenen Gemeinden und Umwelt- schützer*innen. So leben im Amazonas indigene Gemeinden, die durch die Auswirkungen des Mercosur-Abkommens in ihrer Lebensgrundlage bedroht werden. Wir fordern von der EU, Handelsabkommen nur dann zu beschließen, wenn sie einen effektiven Klimaschutz und die Wahrung der Menschenrechte gewährleisten. 11 Subventionen für fossile Energieträger beenden Wir fordern, sofort alle Subventionen für fossile Energieträger zu streichen und sämtliche neue Investitionen in fossile Infrastruktur zu stoppen. Dazu zählen insbesondere die von der EU-Kommission geplanten Investitionen in Gasinfrastruktur und ein notwendiges Verbot von Steuervergünstigungen für fossile Brennstoffe. 12 Austritt aus dem Vertrag über die Energiecharta (ECT) Der Vertrag über die ECT blockiert den Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter, da er Energiekonzer- nen erlaubt, Staaten vor Schiedsgerichten auf Entschädigungen in Milliardenhöhe zu verklagen, wenn Länder Klimagesetze erlassen19 . Schon die Androhung von Unternehmen, Klage unter dem ECT einzureichen, reicht für viele Staaten aus, um Klimagesetze zurückzuziehen, da sie sich Gerichtskosten und Schadensersatz nicht leisten können bzw. möchten. Damit verhindert der ECT, dass Regierungen ambitionierte Klima- und Umweltgesetzgebung erlassen. Zudem zwingt er Staaten sogar dazu, weiterhin öffentliche Gelder für umweltschädliche Energieträger bereitzustellen und fossile Energien damit aktiv zu fördern. Somit ist dieser Vertrag nicht nur mit dem Pariser Abkommen inkompatibel, sondern auch mit dem EU Green Deal und dem EU-Klimagesetz. Die Verhandlungen zur Verbesserung des Vertrages sind festgefahren und 17 Germanwatch (2020) https:// germanwatch.org/ sites/ default/ files/ Auswirkungen%20des%20EU-Mercosur% 20Abkommens%20auf%20Agrarhandel%20und%20SDGs_aktualisiert_1.pdf 18 https:// www.pik-potsdam.de/ de/ produkte/ infothek/ kippelemente/ kippelemente, https:// amazonas.de/ wasserkreislauf-im-amazonas/ , https:// www.klimareporter.de/ erdsystem/ showdown-am-amazonas und https:// www.greenpeace.de/ EU-Mercosur 19 Die britische Ölfirma Rockhopper verklagt Italien wegen eines Ölförderverbots vor einem internationalen Schieds- gericht auf eine Entschädigung in Höhe von rund 225 Millionen Euro weil diese 2030 aus der Kohleverbrennung aussteigen: https:// icsid.worldbank.org/ cases/ case-database/ case-detail?CaseNo=ARB/ 17/ 14
Forderungen 13 eine Lösung ist bisher nicht in Sicht20 . Wenn einzelnen Staaten der Austritt möglich ist, laufen die Konditionen des ECT 20 Jahre weiter. Diese Folge ist nur durch ein entschiedener Abschied der europäischen Staatengemeinschaft vermeidbar. Wir fordern die EU-Staaten daher auf, geschlossen aus dem Vertrag auszutreten und keine Klagen mehr auf Basis des ECT zuzulassen. Auch die weltweite Signalwirkung ist dabei wichtig, da der ECT dafür sorgt, dass fossile Technologien langfristig weiter betrieben werden. Wir fordern die EU-Staaten daher auf, geschlossen aus dem Vertrag auszutreten und keine Klagen mehr auf Basis des ECT zuzulassen. Auch die weltweite Signalwirkung ist dabei wichtig, da der ECT dafür sorgt, dass fossile Technologien langfristig weiter betrieben werden. 13 Reduktion des Energieverbrauchs Neben der Umstellung auf regenerative Energien sollten stets Möglichkeiten zur Energieeinspa- rung gesucht und genutzt werden. Dies betrifft insbesondere Bereiche, in denen eine direkte Versorgung mit Erneuerbaren nicht oder nur schwer möglich ist (z. B. Schiffsverkehr). Eine Reduktion des Gesamtenergieverbrauchs in Ländern der EU ist insbesondere in Hinblick auf die historische Verantwortung für die Klimakrise sowie eine global und intergenerationell ge- rechte Aufteilung an Ressourcen ist wichtig. Auch beim Ausbau erneuerbarer Energien müssen neokoloniale Ausbeutungsverhältnisse in Bezug auf Aspekte wie Ressourcengewinnung und Wasserstoffstrategien abgeschafft werden. 20 Investigate Europe (2021) https:// www.investigate-europe.eu/ de/ 2021/ explainer-warum-eine-gruene-reform-des- energiecharta-vertrags-unwahrscheinlich-ist/ ICSID (2021) https:// icsid.worldbank.org/ cases/ case-database/ case-detail?CaseNo=ARB/ 21/ 4, FAZ (2021) Euro, https:// www.faz.net/ aktuell/ wirtschaft/ klima-energie-und- umwelt/ rwe-verklagt-niederlande-wegen-kohleausstieg-17183340.html
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