Bürger/innen und die Polizei: Wer darf wen in der Öffent lichkeit filmen? - Steiger Legal

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ÜBERWACHUNG

Bürger/innen und die                                                                    Die Bedeutung solcher Videoaufnah-
                                                                                        men zeigte kürzlich der Tod von George

Polizei: Wer darf wen in der
                                                                                        Floyd bei einem Polizeieinsatz in
                                                                                        Minneapolis. Die Aufnahmen von Zeu-
                                                                                        ginnen und Zeugen sowie der Polizei
Öffentlichkeit filmen?                                                                  sorgten weltweit für Aufsehen und bil-
                                                                                        deten eine wichtige Grundlage für das
                                                                                        Strafverfahren.
In der Schweiz sind polizeiliche Bodycams um-                                               In der Schweiz sind polizeiliche
                                                                                        Bodycams politisch umstritten und
stritten und kommen noch nicht standardmässig                                           kommen noch nicht standardmässig
zum Einsatz. Videoaufnahmen der Polizei fallen –                                        zum Einsatz. Videoaufnahmen der Poli-
anders als in den USA – grundsätzlich nicht unter                                       zei fallen – anders als in den USA –
                                                                                        grundsätzlich nicht unter das jeweilige
das Öffentlichkeitsprinzip. Gleichzeitig ist das                                        Öffentlichkeitsprinzip bei Bund und
Filmen von Polizeieinsätzen für Bürger/innen,                                           Kantonen.
zuweilen auch für Journalist(inn)en riskant; sie                                            Gleichzeitig ist das Filmen von Poli-
müssen mit Repressionen rechnen. Eine                                                   zeieinsätzen in der Schweiz riskant. Wer
                                                                                        Polizistinnen im Einsatz filmt, muss als
verstärkte und differenzierte Rechtsprechung                                            Bürger/in, aber auch als Journalist/in,
könnte in Zeiten allgegenwärtiger Kameras für                                           mit Repressionen rechnen. Es kommt
alle Seiten von Vorteil sein.                                                           immer wieder vor, dass Personen,
                                                                                        die Polizeieinsätze filmen, festgehalten
                                                                                        und gezwungen werden, Videoauf-
Kennen Sie «Audit the Audit», den ame-       «Right to Record the Police»               nahmen zu löschen oder gar ihr Smart-
rikanischen YouTube-Kanal, der sich mit      in den USA                                 phone herauszugeben. Am 1. Mai 2021
dem «Right and Wrong of Police Inter-        Die Videoaufnahmen stammen von             wurden Medienschaffende in Zürich
actions» befasst? Auf Grundlage von          Smartphones und Videokameras von           teilweise bei der Berichterstattung be-
Videoaufnahmen wird dort bewertet,           Bürger(inne)n sowie von Bodycams und       hindert.
wie sich die beteiligten Personen – Poli-    Dashcams der Polizist(inn)en. In den
zist(inn)en und sonstige Beamtinnen          USA dürfen Bürger grundsätzlich Ein-       Recht vs. Realität beim
und Beamte einerseits und Bürgerin-          sätze der Polizei filmen, selbst wenn      Filmen in der Öffentlichkeit
nen und Bürger andererseits – bei den        sie direkt betroffen sind, zum Beispiel    Unabhängig von Polizeieinsätzen ge-
verschiedensten Einsätzen verhalten.         bei einer Verkehrskontrolle. Gleich-       winnt das Filmen in der Öffentlichkeit
Die Interaktionen werden mit Verweis         zeitig filmen viele Polizeikorps ihre      an Bedeutung. Einerseits verfügen fast
auf gesetzliche Grundlagen und ein-          Einsätze standardmässig mit eigenen        alle Menschen mit ihrem Smartphone
schlägige Rechtsprechung kommen-             Kameras. Diese Aufnahmen gelten als        über eine leistungsfähige und jederzeit
tiert. Abschliessend werden die betei-       «Public Record» und sind grundsätz-        griffbereite Kamera, andererseits kann
ligten Personen benotet. So kann eine        lich öffentlich zugänglich. Das Gleiche    mit Videoaufnahmen aus der Öffent-
Polizistin, die sich rechtskonform und       gilt für Fotografien und Tonaufnahmen.     lichkeit auf TikTok und anderen Social
vorbildlich verhält, die Höchstnote A+       Den rechtlichen Hintergrund bilden der     Media-Plattformen viel Aufmerksam-
erhalten, während ein Bürger, der sich       Freedom of Information Act (FOIA) auf      keit erzielt werden. Dafür stehen bei-
falsch verhält, mit F als ungenügend         Bundesebene sowie vergleichbare Ge-        spielhaft die inzwischen zahlreichen
bewertet wird.                               setze in den amerikanischen Bundes-        «Szene isch»-Kanäle. Auch Dashcams
                                             staaten. Das Filmen der Polizei ist        in Fahrzeugen werden immer beliebter.
                                             ein «First Amendment Right» und Teil       Im Onlinehandel umfasst diese Kate-
 Autor
                                             der Meinungs- bzw. Redefreiheit in         gorie inzwischen über 100 jederzeit
 Martin Steiger                              den USA («Freedom of Speech»). Mit         lieferbare Produkte.
 Lic. iur. HSG                               «First Amendment Audits» prüfen –              Die Realität, dass in der Öffentlich-
 Anwalt für Recht im
                                             ganz unter schiedlich «sympathisch»        keit gefilmt wird und solche Aufnahmen
 digitalen Raum,
 Zürich                                      auftretende – Aktivistinnen und Aktivis-   veröffentlicht werden, kollidiert mit der
                                             ten, ob ihre Redefreiheit in dieser Hin-   bestehenden schweizerischen Rechts-
                                       zvg

                                             sicht gewährleistet ist.                   ordnung. Nicht nur Polizist(inn)en dürfen

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Bürger/innen und die Polizei: Wer darf wen in der Öffent lichkeit filmen? - Steiger Legal
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darauf zählen, die Rechtsprechung gegen
das Filmen ihrer Einsätze häufig auf
ihrer Seite zu haben. Genauso verhin-
dert die Rechtsprechung bislang, dass
Dashcam-Aufnahmen für die Verfolgung
von Übertretungen und Vergehen – und
damit für den allergrössten Teil der
mutmasslichen Straftaten im Stras-
senverkehr – verwertet werden dürfen.
Allein schon das Filmen ohne anschlies-
sende Veröffentlichung kann den Daten-
schutz und den Persönlichkeitsschutz
insbesondere mit dem «Recht am eige-
nen Bild» verletzen. Seit dem Google-
Street-View-Urteil des Bundesgerichts
von 2012 ist klar, dass selbst Personen,
die «Beiwerk» sind, bei digitalen Auf-
nahmen grundsätzlich einverstanden
sein müssen, gefilmt zu werden.
    Die hohen Hürden für betroffene
Personen, gegen unerwünschte Video-
aufnahmen vorzugehen, führt dazu,
dass der Persönlichkeitsschutz fast
nur durch verteidigte Beschuldigte in
Strafverfahren thematisiert werden
kann. Das dürfte ein Grund sein, wieso
viele Polizist(inn)en versuchen, das
Filmen ihrer Einsätze von Anfang an zu
verhindern. Dazu trägt bei, dass das
«Recht am eigenen Bild» keinen straf-
rechtlichen Schutz geniesst, sondern       «Kennen Sie ‹Audit the Audit›, den amerikanischen YouTube-Kanal, der sich mit dem
auf dem Zivilweg durchgesetzt werden       ‹Right and Wrong of Police Interactions› befasst?»
muss, was – politisch ausdrücklich ge-
wollt – aufwendig ist und nicht ohne
anwaltliche Begleitung funktioniert.       keit» nicht nur weitgehend auf ein sol-     werden dürfen, solange die Persönlich-
                                           ches Vorgehen verzichtet wurde; die         keit der beteiligten Polizist(inn)en nicht
Wachsende Bedeutung von                    Polizeikräfte mussten sich zum Teil re-     widerrechtlich verletzt wird. Recht-
Filmen in der Öffentlichkeit               gelrecht von Demonstrierenden vor-          licher Massstab ist, dass es ein über-
Die wachsende Bedeutung von Video-         führen lassen, andernorts hingegen          wiegendes öffentliches Interesse an
aufnahmen aus der Öffentlichkeit – ins-    kam es teilweise zu Verbrüderungs-          einer wirksamen Kontrolle der Tätig-
besondere von Polizeieinsätzen – wird      szenen. Videoaufnahmen ermöglichen          keit der Polizei gibt. Dabei gibt es kei-
immer stärker wahrnehmbar. So zeigt        die Diskussion über diese Ungleichbe-       nen Grund, Medienschaffende unnötig
sich beispielsweise, dass die Polizei      handlung. Diese Diskussion sollte im        zu privilegieren, denn im digitalen Raum
gegen mutmassliche Rechtsverstösse         demokratischen Rechtsstaat selbst-          kann jede/r Bürger/in jederzeit zur/m
bei Kundgebungen sehr unterschiedlich      verständlich sein, erfolgt aber zu häufig   Medienschaffenden werden, während bei
vorgeht: Bei Kundgebungen aus dem          erst aufgrund von «Beweisen» in Form        traditionellen Medien die Grenzen zwi-
linken politischen Lager kommt es          von veröffentlichten Videoaufnahmen.        schen beruflichen und privaten Rollen
immer wieder zu erheblicher Repres-        Sie hilft unter anderem jenem Teil der      verschwimmen. Das Filmen und Veröf-
sion – auch gegen Medienschaffende –,      Polizei, der mit dem gewählten Vorge-       fentlichen findet dort seine Grenze, wo
während bei einigen Kundgebungen           hen nicht einverstanden ist, sich aber      einzelne Polizisten als Personen ohne
gegen Massnahmen zum Schutz von            nicht kritisch äussern kann oder möchte.    begründeten Anlass zu ihrem Nachteil
Menschen gegen COVID-19 mit Verweis        Bei öffentlichen Polizeieinsätzen er-       in den Fokus gerückt werden, das
auf die angebliche «Verhältnismässig-      scheint mir klar, dass diese gefilmt        heisst, allein aufgrund ihrer Tätigkeit

                                                                                       SKP INFO 2 | 2021                       25
Bürger/innen und die Polizei: Wer darf wen in der Öffent lichkeit filmen? - Steiger Legal
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«In Bezug auf Polizeieinsätze sollte – gesetzlich oder gerichtlich – klargestellt werden, dass es grundsätzlich ein ‹Right to Record the
Police› nach amerikanischem Vorbild gibt.» (Bild: 1. Mai 2021 in Zürich, YouTube-Video von Harp Lover)

für die Polizei. Einzelne Polizist(inn)en     «Überwachungsdruck» ist in einer freien        seine Aufnahmen zumindest live im
verfügen zwar über eine grosse Macht-         Gesellschaft weitgehend, aber nicht            Internet, um eine Sicherstellung durch
fülle und stehen für das staatliche Ge-       immer unerwünscht – so zum Beispiel            die Polizei zu verhindern, oder filmt
waltmonopol, zählen im Einsatz aber           nicht im Strassenverkehr. Eine Regu-           versteckt. Wenn das Ziel ist, eine Kund-
grundsätzlich zum Kollektiv der Polizei.      lierung von Dashcams könnte unter an-          gebung ungefährdet und umfassend zu
Umgekehrt sollen Polizist(inn)en ihre         derem bedeuten, dass ausschliesslich           dokumentieren, bietet es sich an, spe-
Einsätze – unter klaren Rahmenbedin-          ausgewählte Ereignisse im Bereich von          zialisierte Teams mit genügend Distanz
gungen – mit Bodycams filmen dürfen,          wenigen Minuten gespeichert und durch          einzusetzen – analog zum Vorgehen der
allenfalls sogar filmen müssen. Dort,         Behörden verwertet werden dürfen.              Polizei bei bestimmten Ereignissen.
wo gefilmt werden muss, sollten die           Das anlasslose Speichern von stunden-              In Bezug auf Polizeieinsätze sollte –
Aufnahmen grundsätzlich dem Öffent-           langen Aufnahmen, wie es heute üblich          gesetzlich oder gerichtlich – klarge-
lichkeitsprinzip unterliegen. Die Rechte      ist, wäre hingegen verboten.                   stellt werden, dass es grundsätzlich ein
der gefilmten Personen könnten bei der             Mehr Rechtsprechung würde auch            «Right to Record the Police» nach ame-
Herausgabe geprüft und angemessen             zur Klärung beitragen, wer in der              rikanischem Vorbild gibt. Wer Einsätze
gewährleistet werden.                         Öffentlichkeit unter welchen Voraus-           nicht stört und weder sich noch andere
                                              setzungen wen filmen darf. Recht-              gefährdet, muss filmen dürfen. Für das
Rechtssicherheit für das                      sprechung, die den gesellschaftlichen          Veröffentlichen gelten die gängigen
Filmen in der Öffentlichkeit                  Wandel und angesichts von allgegen-            persönlichkeitsrechtlichen Massstäbe,
Für das Filmen in der Öffentlichkeit          wärtigen Smartphones offensichtlich            das heisst, im Streitfall ist eine Inte-
durch Bürger/innen im Allgemeinen             veränderten gesellschaftlichen Konsens         ressenabwägung vorzunehmen. Betrof-
muss Rechtssicherheit mindestens in           dokumentiert, ist wesentlich wirksamer         fenen Personen sollte erleichtert wer-
ausgewählten Bereichen geschaffen             als ein aussichtsloses Verbot. Wer gar         den, den Rechtsweg zu beschreiten. So
werden. So könnte die Verwendung von          nicht filmen dürfen soll, findet dennoch       würden einerseits die Rechte einzelner
Dashcams im Interesse der Verkehrs-           Mittel und Wege. So lernen Demons-             Personen wirksam geschützt und ande-
sicherheit konstruktiv reguliert wer-         trierende zunehmend, dass es nicht             rerseits die Rechtspraxis durch diffe-
den. Die Kritik an Videoaufnahmen bzw.        klug ist, aus einer Kundgebung heraus          renzierte Rechtsprechung geschärft.
Videoüberwachung ist meist berechtigt,        und mit einem privaten Smartphone              Polizist(inn)en sollten selbstverständ-
weil das Wissen oder nur schon das            Videoaufnahmen zu erstellen. Wer beim          lich auf die Unterstützung ihrer Polizei-
Gefühl, gefilmt zu werden, das mensch-        Filmen in einer Kundgebung auf Num-            korps zählen können, wenn sie sich zur
liche Verhalten beeinflusst. Ein solcher      mer sicher gehen möchte, streamt               Wehr setzen möchten.

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