Lichtblick - Caritasverband Mannheim e.V.
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Caritas in Mannheim I Lichtblick 1 19 Regina Hertlein Vorstandsvorsitzende Caritasverband Mannheim Caritas Regional Für Menschen in mannheim Liebe Leserinnen und Leser, heute, an diesem denkwürdigen 15. Januar 2019, an dem das britische Parlament über den Brexitantrag abstimmt, sitze ich also da, um ein Vorwort zum Thema Europa zu schreiben. Kaum zu glauben bei all dem Gegenwind, den Europa erhält, dass der Name unseres Kontinents aus dem Griechischen übersetzt so etwas wie „die mit der weiten Sicht“ bedeu- tet. Ja, es war weitsichtig, Europa zu stärken und den Maastrichtvertrag zu vereinbaren. Noch meine Elterngeneration ist mit dem Feindbild Frank- reich aufgewachsen, und was ist seitdem in all den Jumelagen an freund- schaftlichen Bindungen entstanden! Wer im Ernst glaubt, dass es in der EU nur um Wirtschaft und Handel geht, verkennt, dass sie letztlich ein einzigartiges Friedensprojekt ist. Eu- ropa ist jenseits der geografischen Einheit und jenseits des gemeinsamen Wirtschaftens auch historisch, kulturell, politisch, rechtlich und ideell zu würdigen. Sorge macht mir derzeit das Auseinanderfallen und Infrage- stellen von Europa und seinen Werten. Papst Franziskus spricht gar von einem Europa, das alt, kraftlos und müde wirkt. Der Kontinent müsse darüber nachdenken, ob sein gewaltiges Erbe ein bloßes museales Ver- mächtnis der Vergangenheit sei oder ob er noch im Stande sei, die Kultur zu inspirieren und seine Schätze der gesamten Menschheit zu erschließen. IMpressum Ich glaube, Europa braucht noch viel Kraft und Unterstützung und vor Herausgeber: allem Geduld. Staaten und Menschen müssen lernen, dass mit der EU nicht Caritasverband Mannheim e.V. nur Zuschüsse, sondern auch Verpflichtungen verbunden sind, dass es B 5, 19a 68159 Mannheim nicht nur um Regelungen des Krümmungsgrades der Banane geht, son- Telefon (06 21) 1 26 02-0 dern um ein wertegebundenes Miteinander, dass es ein Geben und Nehmen Telefax (06 21) 1 26 02-88 ist, bei dem unterm Strich alle profitieren. So wünsche ich mir ein Bündnis E-Mail: info@caritas-mannheim.de für Europa, das nicht eine Abschottung gegen den Rest der Welt ist, son- Internet: www.caritas-mannheim.de dern für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung unserer Erde eintritt. Redaktion: Gabriela Crisand (gabriela. crisand@caritas-mannheim.de) Gestaltung: Julia Koch
Caritas in Mannheim II europa-wa hl Eintreten für die EU: Drei Veranstaltungen in Mannheim Die Wahl des Europäischen Parlaments tasrats-Mitglied, berichtete aus der Zeit findet am 26. Mai 2019 statt. Vor dem vor der EU und stellte damit besonders Hintergrund der aktuellen Anti-EU- den Friedensaspekt in den Vordergrund. Strömungen setzt sich der Caritasver- Caritas-Vorstand Volker Hemmerich band Mannheim mit drei Veranstaltun- und Abteilungsleiterin Stefanie Paul be- gen für den europäischen Gedanken ein richteten von ihren Erfahrungen mit der und ruft dazu auf, zur Wahl zu gehen. Caritas Warschau (siehe Seite 3). Annabell Lieser, die die Veranstaltun- Bei der zweiten Veranstaltung kommen gen gemeinsam mit Abteilungsleiterin Zeitzeugen von Maastricht zu Wort. Stefanie Paul organisiert, erklärt, was Am 15. März, 19 Uhr, B 5, 19a, berichten die Caritas mit Europa zu tun hat: „Mei- mehrere Gäste von ihren Erfahrungen, ner Meinung nach ist die Europäische darunter Roland Hartung, Vorsitzender Union nicht nur politisch wichtig, son- des Fördervereins St. Vincent Hospiz dern darüber hinaus etwas Besonderes e.V. und Experte im Bereich Osteuropa, mit einer integrativen Wirkung. In unse- Matthias Wilkes, Landrat a.D., und Eva ren Seniorenzentren leben ausländische Welskop-Deffaa, Vorstand für Sozial- Bewohner, die sehr froh sind, Pflege- und Fachpolitik im Deutschen Caritas- kräfte zu haben, die ihre Muttersprache verband. sprechen. Das erleichtert den Alltag und Den Abschluss bildet ein Podiumsge- das Miteinander. Das Mitarbeiterfest in spräch am 3. Mai um 19 Uhr in der Ju- Maria Frieden hat gezeigt, dass 22 Nati- Mitorganisatorin Annabell Lieser mit der gendkirche Samuel. Daran werden die onen toll zusammen feiern können. Ein EU-Fahne Beauftragte der Diakonie Deutschland Miteinander funktioniert. Es müssen bei der EU und ein Mitglied des europä- nur alle wollen!“ Dekan Karl Jung sprach über die Rede ischen Parlaments teilnehmen. Außer- Eröffnet wurde die Veranstaltungsrei- des Papst Franziskus zur Europäischen dem lädt youngcaritas Schulklassen ein, he mit einem Erzählabend im Januar. Union. Helmut Graf, ehemaliges Cari- sich an dem Gespräch zu beteiligen. eu-beitritt Keine Angst mehr vor der Abschiebung „In der EU kann ich mich frei bewegen, durfte weder arbeiten noch Mannheim und hier bin ich geboren.“ Daran muss- verlassen. Ihr Anwalt war in Ludwigsha- te sich Anuma Durakovic immer wieder fen und kostete Geld. Jeder Besuch dort selbst erinnern, als man sie abschieben war ein Wagnis, und sie verdiente kein wollte. Geld, um die Anwaltskosten begleichen Ihr Großvater kam als Gastarbeiter aus zu können. Jugoslawien nach Deutschland. Ihre Erst mit der Unterzeichnung eines Aus- Eltern kamen nach, 1992 wurde sie hier bildungsvertrags konnte eine Duldung geboren. In den Neunzigern wurde der des Aufenthalts erreicht werden. Es Vater abgeschoben, trotz anwaltlicher hieß durchatmen. Dann wurde Kroa- Betreuung. Anuma Durakovic hatte wie tien 2013 Mitglied der EU. Ein halbes er die serbische Staatsangehörigkeit. Jahr nach Beginn ihrer Ausbildung und Später, nach dem Krieg, fiel dieser Teil 11.000 Euro Anwaltskosten später. Letz- Serbiens geografisch Kroatien zu. tere zahlt sie bis heute in Raten ab. Als Sie beendete die Schule. Sie machte ein Altenpflegerin ist es irgendwie möglich. Freiwilliges Soziales Jahr und erlangte Außerdem machte sie Fort- und Weiter- Fotos: Koch, Crisand die mittlere Reife. Sie war Schulspreche- bildungen und ist heute Wohnbereichs- rin und engagierte sich. leiterin im Maria Frieden Pflegezent- Neun Monate kämpfte sie mit dem An- rum. walt gegen die drohende Abschiebung. Zu Europa fallen ihr drei Stichworte ein: Anuma Durakovic Eine Duldung wurde erwirkt, aber sie Freiheit, Arbeit und Selbstbestimmung.
Caritas in Mannheim III ko o p e r at i o n Von Vertrauen geprägt: Austausch mit Caritas Warschau 2011 fand, initiiert durch den Förderver- Kolleginnen und Kollegen aus Warschau 1) Wir alle haben Grenzen in unseren ein unseres Hospizes, der erste Kontakt haben uns im Gegenzug in Mannheim Köpfen, egal, für wie weltoffen wir uns mit dem Caritasverband der Erzdiözese besucht. selbst halten. Es lohnt sich jedoch, diese Warschau statt. Daraus entstand eine bis Während die Kooperation zunächst eher Grenzen zu überschreiten, mit Vorur- heute andauernde Kooperation, die sich formell gestaltet war, hat sich im Laufe teilen aufzuräumen und uns selbst eines über die Jahre zu einer tiefen Freund- der Zeit ein von Vertrauen und Wert- Besseren zu belehren. schaft entwickelt hat. schätzung geprägter Austausch entwi- 2) Nur weil etwas anders ist, ist es nicht Seit dem ersten Besuch, bei dem das ckelt, in dessen Rahmen auch kritische unbedingt schlechter. Projekt zum fachlichen Austausch, ge- Fragen gestellt und schwierige Themen 3) Nur wenn wir uns kennen, haben wir fördert über EU-Mittel von Erasmus+, besprochen werden können. Fast alle Verständnis füreinander. Offene Gren- konzipiert wurde, sind insgesamt 40 Teilnehmenden des Austauschs haben zen sind ein guter Anfang, aber nicht Kolleginnen und Kollegen aus den Be- diesen als sowohl fachlich wie auch per- ausreichend. Nur wenn wir wissen, wie reichen Altenpflege und Soziale Arbeit sönlich sehr bereichernd erlebt. unsere Nachbarn ticken, können wir den nach Warschau gereist, um die Arbeit Doch was konkret haben wir aus sieben aufsteigenden faschistoiden Gruppen vor Ort kennenzulernen und Impulse für Jahren polnisch-deutschem Caritasaus- mit guten Argumenten entgegentreten. die eigene Tätigkeit zu bekommen. 20 tausch gelernt? S t e fa n i e Pau l herkunft projekte Mitarbeiter aus 15 europäischen Ländern Die EU macht‘s möglich Es gibt Angebote für benachteiligte Menschen, die ohne die finanzielle Un- terstützung der Sozial- oder Hilfsfonds der Europäischen Union nicht möglich wären: Ankommen in Mannheim (ANIMA), ein Projekt für stark benachteiligte Zuwan- derer aus Südosteuropa, wird mit über 270 000 Euro für drei Jahre finanziert. „Stark im Beruf – Mütter mit Migrati- onshintergrund steigen ein“ wurde mit Herkunftsländer der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rund 200 000 Euro für drei Jahre aus dem Europäischen Sozialfonds unter- stützt. Die Vielfalt der Mitarbeite- als in anderen sozialen Berei- Die Rückkehrberatung ist für drei Jah- rinnen und Mitarbeiter im chen. Mit der Mitgliedschaft re mit über 300 000 Euro aus dem EU- Caritasverband Mannheim in der Europäischen Union Fonds AMIF – Asyl-, Migrations-, und ist groß. Die Teams setzen ist auch die Mitarbeiteran- Integrationsfonds finanziert. sich aus den unterschied- zahl entsprechend gestie- lichsten Herkunftsländern gen. Im Vergleich sehen wir zusammen. Sie stammen aus aber auch, dass nach wie vor über 50 Ländern weltweit. Herkunft der ausländi- viele Deutsche in der Pflege 15 davon sind europäische schen Pflegekräfte arbeiten. Damit kann mit Nachbarländer. Die Vortei- dem Vorurteil aufgeräumt le sind dabei nicht nur die sprachlichen werden, dass Menschen aus dem europä- Kompetenzen, sondern auch ihre Erfah- ischen Ausland den Bürgern in Deutsch- rungen, die sie aus ihren kulturellen Le- land die Arbeitsplätze wegnehmen. Das benswelten mitbringen. ist nicht der Fall, im Gegenteil ist erst In der Pflege arbeiten mehr Menschen durch den Zuzug aus dem Ausland eine mit einem nichtdeutschen Hintergrund ordentliche Pflege garantiert. Herkunft der Beschäftigten in der Pflege
Caritas in Mannheim IV „Ich wollte eine bessere Zukunft“ Das hat die EU ermöglicht – Mitarbeiterinnen des Maria Frieden Pflegezentrums erzählen Petra Rhein, Heimleiterin des Maria Frieden Pflegezentrums: „Die EU ermöglicht es, unsere Pflegehei- me überhaupt am Laufen zu halten. Ohne unsere Mitarbeitenden aus Europa könn- ten wir zumachen. Wir sind sehr dankbar, dass sich mit der wachsenden Zahl der EU-Mitgliedschaften, eben der osteuro- päischen Länder, viele Pflegekräfte bei uns bewerben. Durch die Arbeitnehmer- freizügigkeit hat sich der Verwaltungs- aufwand, Menschen aus dem EU-Ausland einzustellen, deutlich verringert. Dafür sind wir unendlich dankbar.“ Elena-Estera Bodnatiu, Rumänien Sie kam vor zehn Jahren aus Rumänien nach Deutschland. Hier fühlt sie sich zu- hause, obwohl ihre Familie noch im Her- kunftsland lebt. „Ich wollte eine bessere Zukunft für mich“, erzählt sie. Berufliche Gabriele Banski (v.l.), Amalia Jacob, Antonina Ballaccomo, Elena-Estera Bodnatiu und Perspektiven gab es für sie in der Heimat Petra Rhein (vorne). nicht. „Ich habe es mir leichter vorge- stellt“, sagt sie, die gegen viele Vorurteile Nun ist sie elf Jahre dort und die Seele des ren. Besonders vorteilhaft findet sie das kämpfen musste. Mit 19 Jahren hat sie Hauses. „Offene Grenzen, die gemeinsa- Reisen ohne Grenzkontrollen. Zu Europa eine Ausbildung im Maria Frieden Pfle- me Währung und die Mitgliedschaft Po- fallen ihr spontan Bildung, Stabilität und gezentrum begonnen und ist geblieben. lens“, nennt sie als Stichworte, die ihr zur Freiheit ein. Heute leitet sie einen Wohnbereich und EU einfallen. „Die EU ist ein Impulsge- ist sehr glücklich damit. Als Vorteile der ber, und viele profitieren davon. Ich freue Amalia Jacob, Ungarin aus Rumänien EU sieht sie das Gemeinschaftsgefühl, mich, im Mai zu wählen, das gehört auf (Siebenbürgen) den europäischen Markt und die gemein- jeden Fall dazu.“ Sie floh 1989 nach Deutschland. „Von same Währung. Deutschland haben wir geträumt, da sei Antonina Ballaccomo, Italien es wie im Himmel“, beschreibt sie ihre Gabriele Banski, Polen Sie ist in Italien geboren und in Deutsch- Hoffnung nach einer abenteuerlichen Eigentlich hat sie Schneiderin gelernt und land aufgewachsen, nachdem sie mit Flucht. Und ihre Erwartungen wurden war dann als Bürokraft tätig. „Die Bedin- sechs Jahren die Heimat verließ. „Heute erfüllt. Die gelernte Zahntechnikerin gungen in den achtziger Jahren waren mache ich noch regelmäßig Urlaub in Ita- arbeitete 15 Jahre in ihrem Beruf. Als in Polen schlecht, Lebensmittel waren lien und fühle mich im internationalen Alltagsbegleiterin in Maria Frieden hat knapp, und es gab kaum Jobs“, erinnert Ausland als Europäerin. Trotz italieni- sie nun eine neue Perspektive gefunden. sie sich. Mit ihrer Omi verließ sie ihre schem Pass fühle ich mich deutsch.“ Sie Heute fühlt sie sich fast als Deutsche mit Heimat Polen. Während ihre Eltern und hat 2012 als Umschulung eine Ausbildung einem solchen Pass. Freie Grenzen, über- Großeltern Deutsch konnten, verstand zur Pflegefachkraft gemacht und liebt all hin zu reisen und die Zollfreiheit nennt Foto: Crisand sie kein Wort. Nach drei Monaten machte diesen Beruf. An der EU gefällt ihr be- sie als wichtigste Errungenschaften der sie in Maria Frieden ein Praktikum und sonders, dass Länder, die wirtschaftlich EU. „Ich werde auf jeden Fall wählen ge- übernahm danach diverse Tätigkeiten. schwächer sind, von den anderen profitie- hen, denn das ist sehr wichtig.“
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