Multimediadienste über DVB-T-Netze - Vortrag von Dipl.-Ing. Gernot Busch Busch Consulting anlässlich der Medientage München 2002 am 18.10.2002 im ...

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Multimediadienste über DVB-T-Netze - Vortrag von Dipl.-Ing. Gernot Busch Busch Consulting anlässlich der Medientage München 2002 am 18.10.2002 im ...
Multimediadienste über DVB-T-Netze

       Vortrag von Dipl.-Ing. Gernot Busch
                Busch Consulting

    anlässlich der Medientage München 2002
             am 18.10.2002 im Panel

          „DVB-T vor der Einführung“
Multimediadienste über DVB-T-Netze - Vortrag von Dipl.-Ing. Gernot Busch Busch Consulting anlässlich der Medientage München 2002 am 18.10.2002 im ...
Inhalt                                                                                           Seite

1.   Brauchen wir überhaupt noch eine digitale terrestrische
     Rundfunkverbreitung? ..............................................................................3

2.   Positionierung von DVB-T.........................................................................4

3.   Multimediadienste bereichern die Rundfunklandschaft.............................5

4.   DVB-T Netze müssen verfügbar sein .......................................................7

5.   Endgeräte sind vonnöten ..........................................................................8

6.   Das regulatorische Umfeld erweist sich als Hemmschuh .........................8

7.   Was ist zu tun? Folgerungen und Ausblick ...............................................9

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Multimediadienste über DVB-T – Netze

Sehr geehrte Damen und Herren,

1. Brauchen wir überhaupt noch eine digitale terrestrische Rundfunk-
   verbreitung?

   Der Begriff Multimediadienste, auch Mehrwert-, Medien-, Tele- oder Da-
   tendienste genannt, wird seit den ersten Diskussionen über die Planung
   und Einführung von DVB-T regelmäßig aufgegriffen, kurz behandelt und
   danach bis zum nächsten Gespräch nicht weiter beachtet, obwohl im
   Startszenario 2000 der IDR, der Initiative Digitaler Rundfunk, das Angebot
   von Mehrwertdiensten als eine wesentliche Voraussetzung neben Fern-
   sehen und Radio angesehen wurde, um DVB-T erfolgreich einzuführen.
   Warum ist dieses so?

   Vor diesem Hintergrund müssen wir uns eine andere Frage stellen und
   sachlich beantworten. Benötigen wir überhaupt noch eine digitale Ter-
   restrik bei einer heutigen analogen Fernseh-Nutzung von 7% mit abneh-
   mender Tendenz? Allein im letzten Jahr betrug der Rückgang 16%.
   2,2 Mio. Haushalte nutzen noch diese Infrastruktur per Jahresmitte 2002,
   wie die letzte Reichweiten- Ermittlung von ASTRA ausweist.

   Ich meine, die Frage mit ja beantworten zu können und zwar aus mindes-
   tens vier guten Gründen:

   -   um Infrastrukturwettbewerb zwischen Kabel, Satellit und Terrestrik zu
       erhalten;

   -   um eine sogenannte Grundversorgung der öffentlich-rechtlichen Sen-
       deanstalten zu ermöglichen;

   -   um mit einer unabhängigen landesweiten Kommunikations-Infrastruktur
       sicherheitsrelevante Bedürfnisse zu befriedigen;

   -   um einen wirtschaftspolitischen technologischen Nutzen zu realisieren.

   Wer sich diesen Argumenten nicht verschließen will, sollte ebenfalls die
   Notwendigkeit, aber auch die Chancen von Multimediadiensten über DVB-
   T- Netze bejahen.

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2. Positionierung von DVB-T

   Der Erfolg von DVB-T und auch DAB hängt entscheidend davon ab, wel-
   che komparativen Vorteile es gegenüber der traditionellen analogen Über-
   tragungsweise und den Alternativen Kabel und Satellit dem Nutzer bietet.
   Falls sich zum Beispiel DVB-T nur als Fernsehen mit neuer Technik posi-
   tioniert, verliert es im Wettbewerb zumindest wegen seiner geringeren
   Kapazität.

   Hohe Bandbreiten, schöner, bunter, schneller – das sind die Vergleichs-
   und Erfolgskriterien. Rich Content Applikationen haben bereits heute im
   Internet zu wenig Bandbreite verfügbar - bei starker Nachfrage nach
   schnellen Internet-Zugängen.

   Diesen Wettlauf kann DVB-T nicht gewinnen. Ganz besonders vor dem
   Hintergrund, dass in Deutschland mit einer terrestrischen Nutzung von
   ca. 6% noch wesentlich schlechtere Voraussetzungen als in Großbritan-
   nien und Schweden bestehen, wo DVB-T sich bisher nicht als Erfolgsstory
   erwiesen hat, obwohl dort noch über 50% der Zuschauer Fernsehen ter-
   restrisch empfangen.

   Es gilt vor diesem Hintergrund in Deutschland, sämtliche USP´s, sprich
   Mehrnutzen von DVB-T, offensiv zu kommunizieren. Dabei handelt es
   sich zum einen um das Szenario des Überall-Fernsehens mit hinreichen-
   dem Programmangebot und zum anderen die portablen und mobilen Nut-
   zungsmöglichkeiten. Damit kommen wir zu einem wegweisenden Aspekt,
   der Chance „Mobiles Multimedia“ zu realisieren. Diese ist kein Fernsehen,
   stellt aber eine wertvolle Unterstützung zur Einführung von DVB-T dar.

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Bisher nicht gegebene technologische Möglichkeiten des breitbandigen
   Multimedia, der Personalisierung und weiterer Applikationen lassen sich
   realisieren. Dieses wird durch die Entwicklung und den Einsatz von hybri-
   den Plattformen wie MMD (Mobile Media Distribution) mit dem HyNet-
   System möglich, die den Rundfunk als One-to-Many Verteilung und den
   Mobilfunk als One-to-one Medium integriert und damit interaktiv werden
   lässt sowie DVB-T Netze nachhaltig aufwerten und stabilisieren. Das
   nachfolgende Schaubild verdeutlicht dieses Prinzip:

3. Multimediadienste bereichern die Rundfunklandschaft

   Zum besseren Verständnis wird eine Strukturierung der Dienste nach un-
   terschiedlichen Kriterien vorgenommen. Es gilt zu unterscheiden zwi-
   schen

   -   PAD- (programmbegleitende Mediendiensten) und NPAD-Diensten
       (Teledienste)

   -   nach Nutzungsart: stationär, portabel und mobil

   -   uni-direktional und bi-direktional / interaktiv

   -   Free und Pay / verschlüsselt

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Die Frage, welcher Content am ehesten geeignet ist, als so genannte Kil-
ler-Application eine marktbewegende Rolle spielen zu können, lässt sich
bisher nicht eindeutig beantworten – es ist keine bekannt!

Möglicherweise werden wir eine ähnliche Überraschung im Bereich der
Multimediadienste erleben, wie wir es mit der Bedeutung von SMS im Zu-
sammenhang mit der Mobilfunk-Einführung kennen gelernt haben, die ei-
nen Nutzen darstellen, der anfänglich nicht eingeplant war.

Ein Lichtblick ist am Horizont jedoch zu erkennen. Nach einer Studie von
VisionConsult aus diesem Jahre sollen erfolgreiche Dienste mit einem „S“
beginnen, nämlich Sex-Spiele-Service. Demzufolge werden aufbauend
auf Erfahrungen aus Japan mit i-mode als Charakteristika erfolgreicher
Dienste bezeichnet:

-   Inhalte mit den Schwerpunkten soziale Kontakte, Erlebniswelt, Kon-
    taktbezug, Service, Personalisierung

-   Infrastruktur

-   Wirtschaftlichkeit

-   Akzeptanz

Dabei gilt als zeitgemäßer Grundsatz, dass die medienkonvergente Gene-
ration interaktiv, telekommunikativ und „always on“ ist.

Da bisher in Deutschland außer über DAB noch keine Multimediadienste
kommerziell über DVB-T verbreitet werden, müssen wir vorerst bei der
Betrachtung derartiger Dienste auf Erfahrungen in anderen Ländern zu-
rückgreifen. In Großbritannien zum Beispiel sind die beliebtesten interak-
tiven terrestrische Dienste e-Mail, Quizzspiele, Einkaufen und Banking
neben EPG, Wetterbericht und News. In Frankreich liegen Wetterbericht,
EPG und Banking vorn in der Gunst der Nutzer.

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4. DVB-T Netze müssen verfügbar sein

   Multimediadienst über DVB-T Netze setzt deren Existenz und Nutzbarkeit
   voraus. Aus kommerziellen Gründen ist eine flächendeckende Verfügbar-
   keit unabdingbar.

   Um diese Ziel zu erreichen, ist es erforderlich

   -   einen Marktentwickler und –treiber wie zum Beispiel das Fernsehen zu
       haben,

   -   einen planmäßigen Aufbau der Infrastruktur unter Berücksichtigung von
       wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen vorzuneh-
       men,

   -   hinreichend Kapazität für Multimediadienste zur Verfügung zu stellen.

   Für alle diese Voraussetzungen liegen noch keine definitiven Aussagen
   und Entscheidungen vor.

   Wie bereits festgestellt, kann eine Optimierung des Szenarios für terrest-
   rische Multimediadienste durch den Einbezug der bestehenden Mobil-
   funknetze sowie durch eine Aufteilung der Multimediadienste auf beide
   Netze erreicht werden, wie die nachfolgende Übersicht zeigt:

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Für detaillierte Wirtschaftlichkeits- und Vergleichsrechnungen ist der ge-
   eignete Zeitpunkt noch nicht gekommen, da noch zu viele Kostenpositio-
   nen und Marktgrößen unbekannt sind.

   Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass hybride Netze mit GPRS / UMTS
   sowie DAB und DVB-T die digitale Terrrestrik zu einem wettbewerbsfähi-
   gen und starken Medium „Multimedia Mobil“ aufwerten können. Es wird
   dadurch möglich, unter wirtschaftlichen Bedingungen jederzeit und überall
   auf Informationen und Dienste zugreifen zu können. Hybride Systeme
   stellen darüber hinaus einen Migrationspfad in die 4G-Welt dar und bedür-
   fen daher der Standardisierung.

5. Endgeräte sind vonnöten

   Der Empfang von Multimediadiensten in DVB-T-Netzen, aber auch in Hy-
   brid-Systemen setzt das marktgerechte Angebot von Empfangsgeräten
   voraus. Für den stationären Bereich sind entsprechende Endgeräte für
   den TV- und Radio-Empfang in hinreichender Zahl verfügbar, wie wir aus
   dem Einführungsszenario Berlin wissen. Für den Empfang von Multime-
   diadiensten sind diese jedoch noch nicht geeignet. Gleiches gilt für por-
   table und mobile Empfangsgeräte, die für den Massenmarkt nach Ein-
   schätzungen der Industrie nicht vor 2005 zur Verfügung stehen.

   Erste Modelle von kombinierten PAD - GPRS - DAB-Empfängern für den
   Empfang portabler und mobiler Dienste sind bereits auf der CeBit 2002
   aufgetaucht. Weitere sind von der Industrie angekündigt.

   Auch der Hinweis auf die Automobil-Industrie als Wegbereiter mobiler
   Dienste und Telematikanwendungen über DVB-T ist nicht hilfreich, wenn
   man bedenkt, dass zum einen die Vorlaufszeit bis zum Marktangebot 2-3
   Jahre beträgt und zum anderen eine Entscheidung hierfür erst dann ge-
   fällt wird, wenn definitiv eine hinreichend flächendeckende DAB und DVB-
   T-Infrastruktur nicht nur in Deutschland sondern auch europaweit besteht.

6. Das regulatorische Umfeld erweist sich als Hemmschuh

   Multimediadienste werden in Deutschland gemäß des heutigen Medien-
   recht-Systems in PAD- und NPAD-Dienste mit unterschiedlichen Zustän-
   digkeiten, Rechtsvorschriften und Abläufen aufgeteilt.

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Eine eindeutige Zuordnung von Diensten entsprechend der genannten
   Kategorien ist nicht immer möglich, sodass ein Grau-Zonen-Bereich be-
   steht, der für potenzielle Content-Anbieter, besonders wenn sie nicht dem
   klassischen Rundfunkbereich entstammen, unbequem und undurchsichtig
   und damit wirtschaftlich verschlossen bleibt. Wenn ein zukünftiger
   Diensteanbieter trotz allem noch nicht der unternehmerische Mut verlas-
   sen hat, bieten sich ihm drei Möglichkeiten, seinen Dienst „on Air“ über
   DVB-T-Netze zu bringen:

   -   Nutzung von Restkapazitäten eines Multiplex, der für private und/oder
       öffentlich-rechtliche Anbieter lizenziert ist. Dieses setzt die Zustimmung
       des Hauptanbieters im Hinblick auf Kapazität, Kosten und Inhalt vor-
       aus.

   -   Antragsstellung bei einer Landesmedienanstalt oder anderen zuständi-
       gen Institution - und dieses bei einer beabsichtigten bundesweiten
       Verbreitung 15 mal - wobei ein rechtsmäßiger Anspruch gemäß Rund-
       funkstaatsvertrag (RfStV) nur nach vorrangiger Befriedigung sämtlicher
       reinen Rundfunkanforderungen besteht und eine bereits gegebene Zu-
       sage dementsprechend kurzfristig bei Aufkommen neuer Rundfunk-
       dienste widerrufen werden kann.

   -   Antragstellung bei der Regulierungsbehörde für Post und Telekommu-
       nikation (RegTP) auf der Basis des Telekommunikationsgesetze
       (TKG), die eine Zuteilung von Kapazitäten erst vornehmen kann, wenn
       die den Ländern bereits zu 100% zugeteilte Kapazität von diesen für
       eine weitergehende Nutzung freiwillig zurückgegeben wird oder drei
       Jahre nicht genutzt wurde.

   Wenn jemand in die unglückliche Lage versetzt sein sollte, seinen Ent-
   scheidern als potenzieller Multimediadienste-Anbieter vor diesem Hinter-
   grund einen realistischen Business-Plan präsentieren zu dürfen, muss
   sich darauf gefasst machen, dass seine berufliche Zukunft auf dem Spiel
   steht.

7. Was ist zu tun?
   Folgerungen und Ausblick

   Wie Sie sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind Multime-
   diadienste über DVB-T-Netze und auch Hybrid-Netze zwar denkbar und
   haben auch ihre Berechtigung, vor einer Realisierung sind jedoch noch
   eine Reihe von Baustellen zu bearbeiten und Steine aus dem Weg zu
   räumen.

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Dabei handelt es sich um:

-   ein marktgerechtes regulatorisches Umfeld

-   das Angebot geeigneter Endgeräte

-   eine flächendeckende DVB-T-Infrastruktur

-   Nachfrage und Akzeptanz von portablen und mobilen Diensten und
    Anwendungen

-   die Mitwirkung der Automobil-Industrie

Diese fünf Voraussetzungen sind heute noch nicht erfüllt, aber es wird
daran gearbeitet. In diesem Zusammenhang sind folgende Aktivitäten zu
nennen:

-   Initiative Digitaler Rundfunk (IDR) des BMWi

-   Initiative Go Mobile des ZVEI

-   Förderprojekte der Länder Berlin, Niedersachsen, Bremen und andere

-   Förderprojekte des Bundes durch das BMWi mit MobilMedia und das
    BMWF

-   Entwicklung der hybriden Plattform MMD durch die Deutsche Telekom/
    T-Systems International/MediaBroadcast

-   Aktuelle EU-Projekte wie Cismundis, Diamond/Pretio und andere

Die Gründe für die aufgezeigten zahlreichen Hürden und Schwierigkeiten
sind mannigfaltig, aber darstellbar und behebbar. Das technologisch er-
möglichte Zusammenwachsen von Rundfunk und Telekommunikation
lässt horizontale Berührungsflächen entstehen, die mit den gegenwärtigen
regulatorischen Rahmenbedingungen noch nicht hinreichend im Sinne ei-
ner ökonomisch n Mehrwert-Nutzung im Einklang stehen:

a. Die gesetzliche Ausgestaltung einer horizontalen Regulierung von
   Technik und Inhalt weist insbesondere vor dem Hintergrund neuer hyb-
   rider Dienste noch Defizite und Reibungspunkte auf.

b. Das klassische und grundlegende Verhältnis von einem „dienenden“
   Telekommunikationsrecht und eines „herrschenden“ Medienrechtes
   muss überdacht und technologischen und marktspezifischen Bedürf-
   nissen angepasst werden.

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c. Eine umfassende Novellierung des Telekommunikationsgesetzes
   (TKG) und des Rundfunkstaatsvertrages (RfStV) sollte Möglichkeiten
   eröffnen, derzeitige regulatorische und abgrenzungsbedingte Defizite
   im Hinblick auf einen störungsfreien Ablauf ökonomischer Prozesse
   auszugleichen.

d. Als Ergebnis könnte die erforderliche Koordination von der Regulie-
   rungsbehörde für Post und Telekommunikation (RegTP) und den Län-
   derinstitutionen durch eine mit diesen Aufgaben betraute „Anlaufstelle“
   einvernehmlich auf Bundesebene ausgeführt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Entwicklung eines Marktes
für Multimediadienste über DVB-T-Netze ist nicht mehr aufzuhalten. Wann
sie ihren Durchbruch erzielt, hängt ab von den Verhaltensweisen der gro-
ßen Player. Zum einen von deren Bereitschaft als „klassischer“ Rund-
funkanbieter bei begrenzten Kapazitäten Raum für neue Dienste zu ge-
ben und zum anderen von der Bereitschaft der Industrie zu unternehmeri-
schen Handeln bei der Entwicklung geeigneter Empfangsgeräte sowie für
den Aufbau und Nutzung neuer Vertriebswege für portable und mobile
Dienste und Anwendungen.

Da diese Tugenden und Herausforderungen typische Merkmale unserer
Wirtschaftslandschaft sind, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass diese
auch hier erfolgreich zum Einsatz gebracht werden.

Für Ihre Aufmerksamkeit bedanke ich mich.

Neu-Isenburg, 03.10.2002

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