Christliche Kunst Architektur und Malerei deuten und verstehen - Evangelischer Presseverband für Bayern eV

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Christliche Kunst Architektur und Malerei deuten und verstehen - Evangelischer Presseverband für Bayern eV
4/2021

                                               Christliche Kunst
Architektur und Malerei deuten und verstehen
                                                                   © Evangelischer Presseverband für Bayern e. V. (EPV) 2021
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                                                                Editorial

                                                                                           CHRISTLICHE KUNST? Manche, die sich in der Kunst
                                                                                           auskennen, mögen über den Titel dieses Hefts die Stirn
                                                                                           runzeln. Christliche Kunst gibt es doch gar nicht! Oder
                                                                                           jedenfalls nicht mehr, seit die Kunst sich in der Zeit der
                                                                                           Aufklärung für unabhängig, für autonom erklärte. Es
                                                                                           gibt nur Kunst, gute und schlechte. »L’art pour l’art!«
                                                                                           Die Kunst genügt sich selbst. Sie darf nicht für andere
                                                                                           Zwecke in Dienst genommen werden, sonst ist sie keine
                                                                                           Kunst mehr.

                                                                DOCH ÜBER DIE MEISTE ZEIT DER GESCHICHTE war dieser Gedanke den
                                                                Menschen völlig fremd. Über Jahrhunderte, rund 1500 Jahre lang, war klar, dass die
                                                                Kunst dem christlichen Glauben zu dienen hat, was auch sonst! So wie die Philoso-
                                                                phie die »ancilla theologiae« war, die Magd der Lehre, war die Kunst die Magd der
                                                                Kirche. Das Volk, das nicht lesen und schreiben konnte, war auf Bilder angewiesen.
                                                                Auftraggeber waren Kirchen und Fürsten und Kirchenfürsten und andere wohlha-
                                                                bende fromme Menschen. Die europäische Kunstgeschichte ist gar nicht anders zu
                                                                begreifen als eine der christlichen Kunst.

                                                                WARUM SCHUF DIE CHRISTENHEIT SO ÜBERAUS REICHE BILDERWELTEN
                                                                trotz des biblischen Bilderverbots, von Anfang an? »Du sollst dir kein Bildnis ma-
                                                                chen!«, heißt es doch in den Zehn Geboten (2. Mose 20, 4). Und warum hat auch
                                                                die Entwicklung der europäischen Moderne, haben Subjektivität und künstlerischer
                                                                Eigensinn höchst christliche Wurzeln? Fragen wie diesen geht dieses THEMA-Maga-
                                                                zin nach.
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                                                                DAS BERÜHMTE GOETHE-WORT »MAN SIEHT NUR, WAS MAN WEISS«
                                                                trifft nicht zuletzt auf die Kunst zu. Aber selbstverständlich geht es auch darum, zu
                                                                wissen, was man sieht. Wir hoffen, dass Ihnen dieses Heft Vergnügen macht und
                                                                auf unterhaltsame Weise dabei hilft, Bilder und Bauwerke noch besser »lesen« zu
                                                                können.

                                                                Markus
                                                                M  k SSpringer,
                                                                         i      SSonntagsblatt-Kulturredakteur
                                                                                     t bl tt K lt

                                                                                                                        Titelbilder im Uhrzeigersinn: Antonello da Messina, Maria der Verkündi-
                                                                                                                      gung, um 1475 (Foto: PD); Dreiturmfassade der romanischen Abteikirche
                                                                                                                     Maria Laach (Foto: Rolf Kranz / CC BY-SA 4.0); Albrecht Dürer, Selbstbildnis
                                                                                                                       im Pelzrock, 1500 (Foto: PD); Westfassade des romanisch-neogotischen
                                                                                                                                       Nidarosdoms in Trondheim (Foto: Eikern / CC BY-SA 3.0).
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Inhalt

                                                     Vorbilder

Epochen der Kunstgeschichte               S. 4
Trends und Gegentrends prägen die Geschichte von
bildender Kunst und Architektur

Urknall der Individualität        S. 18
Aus dem Mittelalter in die Neuzeit – was Luther für die
Kirche war, das war Giotto für die Malerei

Frommes Vorbild der Modernen                 S. 29
Das Rätsel El Greco – warum er Künstler
wie Van Gogh und Picasso inspirierte

                                          Nachzeichnungen

Apfel, Lilie, Lamm und Hund           S. 25
Heiligensymbole und was sie bedeuten

Baustile – und wie man sie erkennt               S. 39
Von der Architektur der Römer bis in die Moderne

»Größer als alle Künstler«         S. 42                              © Evangelischer Presseverband für Bayern e. V. (EPV) 2021
Drei Bilder, drei Maler und ihr Verhältnis zu Christus

Willige Helfer      S. 46
Der Evangelische Kunstdienst im Nationalsozialismus
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Seite 18

                                                                Urknall der
                                                                Individualität
                                                                Was Luther für die Kirche war, das war Giotto für die Malerei. Er führte die
                                                                darstellende Kunst aus dem Mittelalter in die Neuzeit. Vor rund 750 Jahren
                                                                geboren, schuf er seine ersten Werke von 1290 bis 1295 in San Francesco
                                                                in Assisi, wo er biblische Geschichten darstellte. In der Zeit vor ihm sahen
                                                                Kirchenbilder aus wie Ikonen, starre Gesichter mit goldenem Heiligenschein.
                                                                Giotto di Bondone malte erstmals Landschaften in den Hintergrund – und
                                                                bunte Städte. Von Markus Springer

                                                                Zu dem vielen, was man nicht weiß von          se Dante Alighieri (1265-1321) setzte ihm
                                                                Giotto, gehört sein Geburtstag. Noch nicht     in der »Göttlichen Komödie« ein weltlite-
                                                                einmal über das Jahr herrscht Einigkeit.       rarisches Denkmal. Am »Läuterungsberg«
                                                                Der Urvater aller Kunsthistoriker, Gior-       ist es, wo die Seelen bei Dante durchs
                                                                gio Vasari (1511-1574), spricht von 1276.      Fegefeuer (Purgatorio) müssen, um in den
                                                                Glaubhafter ist der Florentiner Glocken-       Himmel zu kommen. Im elften Gesang
                                                                gießer und Volksdichter Antonio Pucci.         heißt es dort: »O eitler Ruhm des Könnens
                                                                Er notierte etwa 35 Jahre nach dem Tod         auf der Erden! / Wie wenig dauert deines
                                                                des Künstlers, der große Giotto sei (nach      Gipfels Grün, / Wenn roher nicht darauf
                                                                heutigem Kalender) am 8. Januar 1337           die Zeiten werden. / Als Maler sah man
                                                                »im Alter von 70 Jahren« gestorben.            Cimabue blühn, / Jetzt sieht man über ihn
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                                                                1337 - 70 = 1267, klare Sache. Oder doch       den Giotto ragen, / Und Jenes Glanz in
                                                                nicht? Eher unwahrscheinlich, dass Giotto      trüber Nacht verglühn.« (XI, 91-96)
                                                                ausgerechnet in der ersten Januarwoche
                                                                geboren wurde. Wahrscheinlicher ist also       In Giovanni Boccacios Dekameron hat
                                                                ein Geburtstag im Jahr 1266. Aber nur,         Giotto einen weiteren Auftritt. In der
                                                                wenn Pucci wirklich das genaue Sterbe-         »Mutter aller Novellensammlungen«
                                                                alter des Malers kannte.                       schildert Boccaccio (1313-1375), wie
                                                                                                               während der Pest von 1348 zehn junge
                                                                                                                                                           Bild: PD

                                                                Woran kein Zweifel besteht: Schon zu           Menschen aus Florenz, sieben Damen
                                                                Beginn des 14. Jahrhunderts war Giotto         und drei junge Männer, alle reich und
                                                                ein Star – nicht nur in Florenz, in ganz       gebildet, aufs Land flüchten und sich die
                                                                Italien. Sein fast gleichaltriger Zeitgenos-   Zeit mit dem Erzählen von Geschich-
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»Meine Brüder Vöglein, gar sehr müsst ihr euren Schöpfer loben!«: Franziskus predigt den Vögeln, Teil
einer Predellatafel, um 1300, Louvre, Paris. Schon zu Lebzeiten war Giotto di Bondone ein Kunst-Star.
Zur Wiederbelebung des christlichen Armutsideals durch Franz von Assisi und seine Bewegung hatte der
wohlhabende Maler eine differenzierte Ansicht.

     Ganzes Magazin bestellbar unter:
    shop.sonntagsblatt.de/christliche-kunst.html
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