Cleantech Energiestrategie - Richtig rechnen und wirtschaftlich profitieren, auf CO2-Zielkurs - Swisscleantech

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Cleantech Energiestrategie - Richtig rechnen und wirtschaftlich profitieren, auf CO2-Zielkurs - Swisscleantech
Cleantech Energiestrategie
Richtig rechnen und wirtschaftlich profitieren, auf CO2-Zielkurs

Eine thematische Vertiefung
der Cleantech Strategie Schweiz (2010)
zu Energie

Wirtschaftsverband swisscleantech
www.swisscleantech.ch
Cleantech Energiestrategie - Richtig rechnen und wirtschaftlich profitieren, auf CO2-Zielkurs - Swisscleantech
Impressum

Auftraggeber
swisscleantech, Thunstrasse 82, Postfach 1009, 3000 Bern
www.swisscleantech.ch

Auftragnehmer
Foundation for Global Sustainability, Minervastrasse 99, 8032 Zürich
www.ffgs.org

Autoren
Franziska Barmettler
Nick Beglinger
Christian Zeyer

swisscleantech
Minervastrasse 99
8032 Zürich
Tel. +41 58 580 0808
sekretariat@swisscleantech.ch
www.swisscleantech.ch

2. Version, 2. aufdatierte Auflage
Dezember 2011                                                          klimaneutral produziert
Cleantech Energiestrategie - Richtig rechnen und wirtschaftlich profitieren, auf CO2-Zielkurs - Swisscleantech
Danke!

Die Cleantech Energiestrategie ist das Resultat eines umfassenden Stakeholder-Dialoges der vergan-
genen Wochen und Monate. swisscleantech bedankt sich bei allen Persönlichkeiten aus Wirtschaft
und Wissenschaft für die wertvollen Beiträge. Die vorliegende Strategie ist die konsolidierte Meinung
von swisscleantech und mag von der persönlichen Meinung der aufgeführten Personen abweichen.

Hans Christian Angele, Geschäftsführer Biomasse Schweiz     Ernst A. Müller, Geschäftsführer InfraWatt
Peter Arnet, Alpiq Intec                                    Stefan Müller, Leclanché
Dr. Rainer Bacher, Geschäftsleiter Bacher Energie AG        Sandro Mutter, Repower
Prof. Dr. Franz Baumgartner, ZHAW, SoE                      Dr. Stefan Nowak, Geschäftsführer NET Nowak Energie und
Prof. Christophe Ballif, Direktor PV-Lab EPFL               Technologie AG, Programmleiter Photovoltaik BFE

Hauke Basse, BKW FMB Energie                                Duscha Padrutt, myclimate

Bruno Bébié, Energiebeauftragter Stadt Zürich               Andrea Papina, Alpiq

Dr. Marco Berg, Leiter Energiekommission SATW               Stephan Peterhans, Geschäftsführer FWS

Dr. Serge Biollaz, Thermal Process Engineering Group PSI    Esther Rhiner, m-way

Willy Bischofberger, Geschäftsführer Energiepool            Reto Rigassi, Geschäftsführer Suisse Eole

Martin Bolliger, SwissCleanDrive                            Dr. Christoph Ritz, Geschäftsleiter ProClim

Prof. Dr. Lucas Bretschger, CER ETH Zürich                  Etienne Roy, Romande Energie

Martin Brettenthaler, CEO Pavatex                           Andreas Schläpfer, Präsident Energie-Modell Zürich

Christoph Brönnimann, Infranet Partners,                    Andreas Schelling, Zoomteam
Präsident LonMark Schweiz                                   Prof. Dr. Anton Schleiss, Laboratoire de constructions
Daniel Büchel, Leiter Abteilung Energieeffizienz und        hydrauliques, EPFL
erneuerbare Energien BFE                                    Jörg Sigrist, Renault Suisse
Herbert Christen, Direktor Produktion und Technik Pavatex   David Stickelberger, Geschäftsführer Swissolar
Dr. Hanspeter Eicher, VR-Präsident Eicher+Pauli AG          Martin Strebel, Erdgas Zürich
Norbert Ender, IBM Switzerland                              Pierre Strub, Geschäftsführer Strafin Innovationen AG
Claudio Enggist, BLS                                        Daniel Styger, Genossenschaft Wasserwirbelkraftwerke Schweiz
Dr. Daniele Ganser, Dozent Uni Basel, Präsident ASPO        Prof. Dr. Philippe Thalmann, Economics and Environmental
Hannes Gautschi, Toyota                                     Management Laboratory EPFL

Markus Gisler, CEO Megasol                                  Dr. David Thiel, CEO IWB

Dr. Patrick Hofstetter, Leiter Klimapolitik WWF Schweiz     Sebastian Tomczyk, Raiffeisen

Dominic Isenschmid, Thömus Veloshop                         Monika Tschannen, Rundum mobil

Dr. Rolf Iten, Geschäftsleiter Infras                       Helfried Max Ursin, KWO

Adriano Jacquiéry, Präsident WKK-Fachverband                Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen, Direktor IWÖ-HSG

Dr. Michael Kaufmann, Direktor HSLU Musik                   Robert Völki, VP Strategie SIG

Dr. Tony Kaiser, Geschäftsführer Energie Trialog Schweiz    Christoph Von Bergen, CEO SolarMax

Jürg Kessler, EKZ                                           Aeneas Wanner, Geschäftsleiter Energie Zukunft Schweiz

Markus Koschenz, Reuss-Engineering                          Michael Wieser, ehem. Geschäftsleiter easyTherm AG

Stefan Krebser, ThinThank RailValley                        Prof. Dr. Alexander Wokaun, Bereichsleiter Allgemeine
                                                            Energie PSI
Martin Lustenberger, Digi Sens
                                                            Dr. Roland Wyss, Geschäftsleiter Schweizerische Vereinigung
Peter Malama, Präsident Gewerbeverband                      für Geothermie SVG
Basel-Stadt, Nationalrat FDP
                                                            Dr. Marco Ziegler, Principal McKinsey & Company
Patrick Marty, Studien und Wissenschaft AEE
Franz Mühlethaler, PTV Swiss
Cleantech Energiestrategie - Richtig rechnen und wirtschaftlich profitieren, auf CO2-Zielkurs - Swisscleantech
Auf den Punkt gebracht

    Die Cleantech Energiestrategie

       1   ... ist eine Gesamtenergiestrategie - es geht um mehr als Strom

       2   ... orientiert sich an den Klimazielen

      3    ... wendet den Vollkostenansatz auf alle Energieformen an

      4    ... berücksichtigt nebst dem Preis die Qualität der Energie als Entscheidungskriterium

      5    ... stellt die wirtschaftlichen Chancen für Schweizer Produkte und Dienstleistungen
           im lokalen Markt sowie bezüglich Exporte ins Zentrum

      6    ... legt den Fokus auf Energieeffizienz, erneuerbare Energien, intelligente Netze
           und eine Erhöhung der Eigenversorgung

       7   ... setzt auf einen dezentralen, liberalisierten und internationalen Energiemarkt

      8    ... zeigt anhand des Cleantech Energiemodells einen machbaren und wirtschaftlich
           attraktiven Weg mit einem geordneten Ausstieg aus der Kernenergie

      9    ... schlägt ein Massnahmenpaket mit kurzfristigen Implementierungsmöglichkeiten vor

      10   ... präsentiert mit dem KEV-Erhebungsmechanismus eine kurzfristig umsetzbare,
           marktgerechte Finanzierungslösung. Längerfristig (ab 2020) soll die weiterhin
           benötigte Finanzierung durch eine ökologische Steuerreform gewährleistet werden.

4                                                                            Cleantech Energiestrategie
Einleitende Überlegungen
                        1
                       		      Unsere Mitglieder aus den unterschiedlichsten Branchen (inkl. Energieversorger wie
                       		      Enalpin, EKZ, EWB, IBI, IWB, KWO, Romande Energie, SIG) beweisen, dass Lösungen für eine
                       		      nachhaltige Energiezukunft bereits heute vorhanden sind.

                        2
                       		      Es geht nicht mehr um die Frage, ob wir eine nachhaltige Energieversorgung erreichen
                       		      können. Es geht um den politischen Umsetzungswillen und um die Erarbeitung einer wirt-
                       		      schaftlich attraktiven und mehrheitsfähigen Lösung.

                        3      Im Zentrum steht nicht der Ausstieg aus der Kernkraft, sondern der Einstieg in ein
                       		      Cleantech Energiezeitalter.

                        4
                       		      Die Energiewende ist ohne marktbasierte Gestaltung der Energiepreise nicht realisierbar.
                       		      Diese hat sich an den Bedürfnissen der Mehrheit der Verbraucher zu orientieren. Sie
                       		      ermöglicht Ausnahmeregelungen für die Minderheit der Energieintensiven Branchen.

                        5
                       		      Der Umbau ist technisch möglich, praktisch implementierbar und finanzierbar - das hat
                       		      nun auch die ETH am 02. September 2011 bestätigt. Nun braucht es koordinierte Massnahmen
                       		      und ein gemeinsames Engagement aller Akteure.

                       1. Ausgangslage & Herausforderungen
                       Gefragt ist eine Gesamtenergiestrategie
                       Strom-, Energie-, Klima-, Sicherheits- und Wirtschaftsfragen sind eng miteinander verknüpft. Die
                       Schweizer Stromproduktion hängt direkt mit den Faktoren Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum,
                       Konsumentenverhalten, Technologieentwicklung, Auslandsabhängigkeit, Qualität der Netzinfra-
                       struktur und Einbindung der Schweiz in den internationalen Strommarkt zusammen. Gefragt ist eine
                       Gesamtenergiestrategie als sinnvolles Paket von Zielen und Massnahmen. Für swiss-
                       cleantech stehen dabei die wirtschaftlichen Chancen für die Schweiz sowie die international aner-
                       kannten Klimaziele im Vordergrund.

                       Es besteht eindeutiger Handlungsbedarf
                       Die Schwächen unserer heutigen Energieproduktion und –versorgung sind vielfältig. Sie zeigen sich
                       etwa durch die bevorstehende Verknappung des leichtverfügbaren Öls, die Öl-Katastrophe im Golf von
                       Mexiko und die hohen Preisschwankungen bei den fossilen Energieträgern. Auch die erwarteten
                       Exporteinnahmen der Opec für das Jahr 2011 von 1000 Milliarden Dollar lassen aufhorchen. Die jüng-
                       sten Ereignisse in Nordafrika und Japan bestätigen den eindeutigen Handlungsbedarf in Energie-
                       fragen. Im Interesse einer nachhaltigen, unabhängigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft muss die
                       Schweiz den Weg in Richtung erneuerbare Energien und Energieeffizienz jetzt einschlagen.

Cleantech Energiestrategie                                                                                             5
Die Herausforderungen sind vielfältig
    Eine Gesamtenergiestrategie für die Schweiz ist komplex und hängt von den verschiedensten strate-
    gischen Annahmen und Massnahmen ab. Die verbreitete Ansicht, es drohe eine Stromlücke, welche
    zwingend zum Bau von neuen KKWs oder neuen Gaskombikraftwerken führe, greift zu kurz und ist der
    Schweizer Wirtschaft nicht dienlich. Auch ist es verfehlt, mit der Stromlücken-Thematik die Aufmerk-
    samkeit auf die Strom-Problematik zu lenken. Dabei wird ignoriert, dass wir momentan 70% unserer
    Gesamtenergie in Form von Fossiler Energie vom Ausland beziehen und dass in der Schweiz auch Uran
    nicht zur Verfügung steht. Die Herausforderungen der heutigen Energieversorgung sind vielfältig (vgl.
    Fig. 1) und verlangen neue, umfassende Konzepte.

    Abbildung 1.
    Die Herausforderungen der heutigen Energieversorgung

6                                                                              Cleantech Energiestrategie
2. Grundsätze und Ziele
                       Der klare Handlungsbedarf in der Energiepolitik ist unbestritten. In den kommenden Jahren und
                       Jahrzehnten müssen entscheidende Anstrengungen unternommen werden - im Interesse von Wirt-
                       schaft und Gesellschaft. Diese Neuorientierung beinhaltet aber auch einen Gestaltungsfreiraum, den
                       es auszunützen gilt. swisscleantech hat daher Grundsätze und Ziele definiert, wie die Zukunft der
                       Schweizer Energieversorgung aussehen soll und auf welchem Weg diese erreicht werden kann.

                       Ausrichtung an den Klimazielen
                       Die Energiepolitik hat sich an den Klimazielen auszurichten und nicht umgekehrt. Hier dürfen keine
                       Kompromisse gemacht werden – auch aus Risikoüberlegungen. Das Klimaziel gibt zudem entschei-
                       dende Marktimpulse für die Steigerung der Energieeffizienz. Der Stern Report (2007) zeigt auf, dass es
                       billiger ist heute zu handeln, als Massnahmen auf morgen zu vertagen.

                       Konsequente Berücksichtigung der Kostenwahrheiten und Risiken – bei allen Energieformen
                       Entscheidend für den Energieversorgungs-Mix der Zukunft sind die wahren Kosten der einzelnen
                       Energiequellen (Vollkostenrechnung). Dazu gehören die Kosten von CO2-Emissionen, Subventionen,
                       Versicherung, Rückbau, Entsorgung, Stillegung, Biodiversität, Gesundheit und geopolitische Verfüg-
                       barkeits-Risiken. Zum Beispiel muss bei der Frage der Auslandsabhängigkeit unterschieden werden,
                       ob es sich bei den ’Importen’ um libysches Öl oder deutschen Windstrom handelt. Sobald Vollkosten
                       im Preis integriert sind, entsteht Planungssicherheit und die nachhaltige Umsetzungslösung wird vom
                       Markt innerhalb des vorgegebenen Rahmens gefunden. Durch die Lenkung über den Preis hat die
                       Wirtschaft einen permanenten, transparenten und effizienten Anreiz zu Investitionen und kann im
                       Wettbewerb die innovativsten Lösungen erarbeiten.

                       Qualität der Energie als wichtiges Entscheidungskriterium für den Standort Schweiz
                       Es kann nicht Ziel einer Energiestrategie sein, möglichst viel und möglichst billige Energie bereit zu
                       stellen – vor allem nicht für den Qualitätsstandort Schweiz. Vielmehr ist neben dem Preis die Qualität
                       der Energie als Entscheidungskriterium einzubeziehen. Qualitativ hochstehende Energie ist frei von
                       Emissionen, risikoarm und lokal verfügbar. Sie kann einen wichtigen Wettbewerbsfaktor darstellen.

                       Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit, lokale Wertschöpfung
                       Entscheidend für die Wirtschaft ist eine intelligente, dezentrale und gesicherte Versorgung zu einem
                       stabilen Preis. Zudem müssen bei der Beurteilung einer neuen Energiestrategie neben den Kosten
                       immer auch die wirtschaftlichen Chancen betrachtet werden. Ein starker Heimmarkt dank inländ-
                       ischen Massnahmen erhöht die Wettbewerbsfähigkeit in den schnell wachsenden internationalen
                       Cleantech Exportmärkten. Gleichzeitig braucht es bei den Energiepreisen Sonderregelungen für ener-
                       gieintensive Branchen, die exportieren oder deren Produkte durch Importe konkurrenziert werden.
                       Diese Branchen sind jedoch in der klaren Minderheit und dürfen nicht Vorwand dazu sein, keine
                       Kosteninternalisierung für die Mehrheit einzuführen.

                       Glaubwürdigkeit der Schweiz als Cleantech Vorreiterin
                       Die wirtschaftliche Positionierung als Cleantech Vorreiter muss im Vordergrund stehen. Die Schweiz ist
                       in einer guten Position, um diese Rolle wahrzunehmen. Eine aktive Energiepolitik mit Fokus auf
                       Energieeffizienz, Erneuerbare und intelligente Netze unterstützt diese Stossrichtung. Dies passt zu
                       einer modernen, sauberen und sicheren Schweiz – wie im Cleantech Masterplan des Bundes dargelegt.

Cleantech Energiestrategie                                                                                                  7
Die 5 Hauptziele:

   1     1 Tonne CO2 pro Kopf im Jahr 2050. Dies entspricht einer Senkung der Treibhausgase
         in der Schweiz um mindestens 80%. Als Zwischenziel sollen die CO2-Emissionen
         bis 2020 um mindestens 40% reduziert werden, mindestens zur Hälfte im Inland

   2     Anteil der erneuerbaren Energien an der Gesamtenergieversorgung von min. 70% bis 2050

   3     Eigenversorgungsgrad der gesamten Energie von min. 70% bis 2050

   4     Durchführung aller wirtschaftlich sinnvollen Effizienzmassnahmen zur
         Verbrauchsreduktion, ohne Einschränkung der Lebensqualität und Wettbewerbsfähigkeit

   5     Energiewirtschaft als dezentraler, transparenter, liberaler und internationaler Markt

3. Strategie: Die IV neuen Säulen
Erst durch die Implementierung spezifischer Massnahmen wird die Cleantech Energiestrategie zum
Erfolg. Diese betreffen verschiedene Bereiche der Politik. So ist zum Beispiel die Energieversorgung mit
erneuerbaren Energien auf ausreichende Speicherkapazitäten und ein intelligentes Netz angewiesen.
Die Montage der Solarzellen braucht das Fachwissen der Handwerker und die Entwicklung der Geo-
thermie bedarf Forschung und Demonstrationsanlagen. Als Grundlage der Massnahmenstrategie
schlägt swisscleantech eine Neudefinition der vier Säulen der Schweizer Energiepolitik vor.

Abbildung 2.
Die IV neuen Säulen der Cleantech Energiestrategie
(bisher: Energieeffizienz, Erneuerbare Energien, Grosskraftwerke und Energieaussenpolitik)

                                   Cleantech Energiestrategie

            Energieeffizienz     Bereitstellung       Intelligente         Konkurrenzfähige
                                 in hoher Qualität    Distribution         Wirtschaft
                                                      und Speicherung
I. Energieeffizienz
                       Die Steigerung der Energieeffizienz ist Voraussetzung für die Entkoppelung von Wirtschaftswachstum
                       und Energieverbrauch und trägt zur Verminderung der Auslandabhängigkeit bei. Sämtliche wirtschaft-
                       liche Potentiale zur Energieeffizienz müssen proaktiv genutzt und umgesetzt werden. Haupttreiber für
                       die Umsetzung ist die Internalisierung der Kosten. In Bereichen, in denen steigende Kosten ungenü-
                       gend wirken, kommen progressiv verschärfte Grenzwerte und Standards zur Anwendung.

                       II. Bereitstellung in hoher Qualität
                       Sämtliche Quellen für nutzbare Energien sollen zum Einsatz kommen. Dabei ist entscheidend, dass
                       alle Quellen ihre vollen Kosten tragen. Mit Ausnahme der Tiefen-Geothermie (Einsatzbereitschaft
                       ca. 2030 erwartet) werden nur Potentiale in Betracht gezogen, die heute bereits zur Verfügung stehen.
                       Der Fokus liegt auf der Qualität, auch wenn diese zu bis zu 30% höheren Stromkosten führt. Die Kosten
                       werden durch Vorteile wie geringere CO2-Belastung, höherer Eigenversorgungsgrad und bessere
                       Cleantech-Positionierung mehr als kompensiert.

                       III. Intelligente Distribution und Speicherung
                       Auf Grund der Zunahme von dezentralen Produktionseinheiten und einer Verschiebung des Importes
                       von Strom kommt dem Netzausbau eine grosse Bedeutung zu. Sowohl intelligente Netze, wie auch die
                       grossräumige Verteilung über ganz Europa (Anschluss ans HGÜ) unterstützen die Bemühungen zur
                       Stromspeicherung. Diese wird im Tagesgang und saisonal notwendig sein. Die Bewirtschaftung der
                       Speicherseen muss zudem so optimiert werden, dass der im Inland erzeugte Strom aus erneuerbaren
                       Energien gespeichert werden kann. Die Schweiz kann hier auf existierende Stärken und vorhandene
                       Infrastrukturen zurückgreifen, muss diese aber zielgerichtet weiter ausbauen.

                       IV. Konkurrenzfähige Wirtschaft
                       Neben der verbreiteten Fokussierung auf die Energiekosten muss im wirtschaftlichen Kontext ein
                       weiterer Fokus auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft gelegt werden. Energieeffiziente
                       Produkte und Produkte zur Gewinnung von erneuerbaren Energien stellen einen boomenden inter-
                       nationalen Wachstumsmarkt dar. An diesen Chancen soll die Schweizer Industrie teilhaben und sich
                       als Marktleader etablieren können. Die Schweiz soll im Inland vorantreiben, was sie im Ausland
                       verkaufen will und so kontinuierlich in relevanten Bereichen Wissen und Erfahrung generieren.

                       4. Das Cleantech Energiemodell
                       Um die Energiediskussion zu versachlichen und um gleichzeitig die Umsetzung einer zukunftsfähigeren
                       und machbaren Energiestrategie einzuleiten, hat swisscleantech ein Modell erarbeitet. Dieses soll die
                       Akteure in den Festlegungen von Strategie, Zielen und Massnahmen unterstützen.

                       Das technische Energiemodell ermöglicht die Darstellung der vorgesehenen Entwicklung bis 2050
                       unter Einhaltung der beschriebenen Ziele. Das Modell basiert auf über 100 Parametern, von denen
                       40 Hauptparameter dynamisch verändert werden können, um verschiedene Entwicklungen aufzu-
                       zeigen. Beispiele für solch veränderbare Grössen sind die Potentiale der Energieeffizienz oder der
                       einzelnen erneuerbaren Energien. Die Parameter wurden im Dialog mit Mitgliederfirmen und Experten
                       abgeschätzt und mit bestehenden Studien verglichen.

Cleantech Energiestrategie                                                                                                9
Tabelle 1.
     Parameter der Bedarfsentwicklung und Effizienzpotentiale

      Bereich              Entwicklung 2011 bis 2050                                                    2050

      Bevölkerung          Die Bevölkerung der Schweiz nimmt bis ins Jahr 2050 von heute knapp
                                                                                                          9 [Mio]
                           8 Mio auf 9 Mio Einwohner zu.
      Gebäude              Die beheizte Fläche vergrössert sich um 20%, was bei unverändertem
                                                                                                           20 [%]
                           Verbrauch einen um 20% vergrösserten Verbrauch nach sich ziehen würde.
                           Die spezifische Heizenergie und der Energieverbrauch zur Produktion von
                           warmem Wasser wird um 60% reduziert. Erforderlich dazu ist eine engagierte
                           Dämmstrategie, eine Ausdehnung der Anwendung von thermischen                  -60 [%]
                           Solarkollektoren zur Erzeugung von Warmwasser und die Nutzung der
                           gebäudeinternen Abwärmen.
                           Auf eine Verbrennung zur Beheizung der Gebäude wird weitgehend ver-
                           zichtet. Heizenergie wird über Wärmepumpen (2050: JAZ 4.5) oder durch die
                                                                                                           4.5 [1]
                           Abwärme von Wärmekraftkopplungen (grosse Gebäude und dicht besiedelte
                           Gebiete) bereitgestellt.
      Industrie:           Prozesse, die Prozessenergie benötigen, steigern ihren Ausstoss um 10%.         10 [%]
      Prozessenergie
                           Durch konsequente Wärmerückgewinnung und Prozessintegration wird die
                                                                                                          -20 [%]
                           benötigte Prozessenergie um 20% reduziert.
      Mobilität            Die gefahrenen Personenkilometer nehmen um 20% zu und der Waren-                20 [%]
                           verkehr, gemessen in Tonnenkilometern, um 40%.                                 40 [%]
                           Dank verschiedenen Massnahmen wird der spezifische Energieverbrauch
                           in der Personenmobilität um 55% reduziert. Entscheidende Faktoren sind
                                                                                                         −55 [%]
                           Elektrifizierung, Ausbau von Öffentlichem Verkehr und Langsam Verkehr in
                           den Agglomerationen und effizientere, konventionelle Fahrzeuge.
                           Beim Warenverkehr führt die verbesserte Logistik, eine Verlagerung aller
                           Fahrten über 50 km auf die Schiene sowie eine grössere Effizienz in der
                                                                                                         -50 [%]
                           Feinverteilung dank teilweiser Elektrifizierung zu einer Reduktion des
                           Energieverbrauchs um 50%.
      Übriger Verbrauch,   Eine Zunahme von Geräten führt dazu, dass ohne Ausschöpfung der
      Geräte, IT, etc.     Effizienzpotentiale eine Zunahme des Stromverbrauchs um 25%                     25 [%]
                           resultieren würde.
                           Die Effizienzpotentiale basierend auf bestehenden Technologien (konserv-
                           ativ) liegen bei 35% (Stromverbrauch für Wärmepumpen und Mobilität sind
                           hier nicht eingerechnet, sondern werden in den Bereichen Gebäude und           -35 [%]
                           Mobilität berechnet und dort ausgewiesen).

     Über weitere Parameter sowie Quellenangaben zu den einzelnen Parameter gibt swisscleantech gerne
     auf Anfrage Auskunft.

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swisscleantech hat verschiedene Szenarien gerechnet und hat jeweils den Fokus stärker auf der Effi-
                       zienz oder auf den Erneuerbaren gesetzt. Das hier präsentierte Basisszenario errechnet sich aus einem
                       ausgewogenen Mix zwischen Effizienzmassnahmen und Kapazitätsausbau bei den erneuerbaren
                       Energien. Es ist aus Sicht von swisscleantech ein wirtschaftlich attraktiver Weg. Bei anderen/neuen
                       Grundannahmen (z.B. der frühzeitigen Schliessung eines bestimmten Kraftwerks via Politik-Entscheid)
                       müssen die hier dargelegten Szenarioannahmen geändert werden um wiederum ein in sich
                       kohärentes und finanzierbares Szenario darzustellen.

                       Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Strategie wurden verschiedentlich untersucht.
                       Die Studien von Infras (2009), Lucas Bretschger (ETH, 2010) und McKinsey&Company (2010) lassen
                       darauf schliessen, dass Energie ein stetig an Bedeutung zunehmender Wettbewerbsfaktor ist. Die
                       Umstellung auf eine nachhaltige Energieversorgung führt nicht zu Lebensqualitätseinbussen aber zu
                       mehr Arbeitsplätzen. In den Energieszenarien des Bundes wird mit Kosten der Energiewende (ohne
                       Einbezug von Externalitäten in den Bereichen Risikoreduktion, Rohstoffabhängigkeit, Umwelt, Ge-
                       sundheit und Wirtschaft) von jährlich 0,4-0,7% des BIP gerechnet. Gemäss Analysen der ETH Zürich
                       vom September 2011 würde eine Energiewende lediglich zu einer Wachstumsverzögerung von einem
                       Jahr führen. In der Auffassung von swisscleantech ist die Energiewende, vor allem unter Einbezug der
                       wirtschaftlichen Chancen, höchst attraktiv für die Schweiz und wird zu besserer Lebensqualität führen.
                       swisscleantech wird bis Frühjahr 2012 weitere Einschätzungen hierzu veröffentlichen.

                       Die Frage der Kernkraft ist im Rahmen einer Gesamtenergiestrategie zu beantworten. Die Vollkosten-
                       rechnung der berechenbaren Kosten (Versicherung eines Unfalls mit hoher Freisetzung von Radioak-
                       tivität, Stilllegung, Rückbau, Endlagerung) führt zu einer markanten Preiserhöhung des KKW-Stroms.

                       Werden zudem die steigenden Sicherheitsanforderungen für Kernkraftwerke berücksichtigt, sind diese
                       in Zukunft kaum wettbewerbsfähig. Die Kosten der Kernkraft steigen, ganz im Gegensatz zu den
                       erneuerbaren Energien, welche durch Skaleneffekte schnell günstiger werden. Zudem ist das Restrisiko
                       eines Kernkraftunfalls in der dicht besiedelten Schweiz im Herzen Europas schlicht untragbar. Die
                       Cleantech Energiestrategie propagiert daher einen geordneten aber dezidierten Ausstieg aus de r
                       Kernkraft orientiert an deren Sicherheitsanforderungen (vgl. Tabelle 2). Gemäss ihrem Zustand und
                       Ausbaustandard sollten die alten Reaktoren möglichst früh ausgeschaltet werden. Da sich die Schweiz
                       alle zukünftigen Optionen offen halten sollte, wird Forschung in den Bereichen der nuklearen Sicher-
                       heit, Entsorgung, Lagerung und neuen Reaktortechnologien weitergeführt. Die der Energieforschung
                       gesamthaft zur Verfügung stehenden Fördermittel werden jedoch erhöht und verstärkt für Effizienz,
                       Erneuerbare und Netze alloziert.

                       Tabelle 2.
                       KKW-Ausstiegsplan (gemäss Vorschlag Bundesrat)

                                               Beznau 1        Beznau 2       Mühleberg         Gösgen          Leibstadt

                        Inbetriebnahme           1969            1971             1972            1979            1984
                        Laufzeit                 50               50              50               50              50
                        Abschaltung              2019            2021            2022             2029            2034

Cleantech Energiestrategie                                                                                                  11
12
                             Tabelle 3.
                             Wichtigste Merkmale und Resultate des Basisszenarios

                              Eckwerte                                                                2010                   2020                   2030                    2035                  2040                    2050

                              Endenergieverbrauch [TWh]: Realisitische Effizienzsteigerung            243.8                  205.5                  172.9                   158.6                  145.5                  125.2

                              Stromverbrauch [TWh]: leichter Anstieg                                   60                     64                     69                      71                     73                     78

                              Verbrauch pro Person [KWh]: 3500 W Gesellschaft im Jahr 2050            31000                  25000                  20000                   18000                 16000                   14000

                              Eigenversorgung: Abnahme Auslandsabhängigkeit                           31%                    39%                    45%                     47%                    54%                    72%
                              CO2-Emissionen (Basis 1990): Inlandreduktion von 20% bis 2020           2.5%                   20.4%                  42.8%                   54.4%                 67.3%                   84.6%

                              Zusammensetzung Endenergieverbrauch                             [TWh]           [%]    [TWh]           [%]    [TWh]           [%]     [TWh]           [%]    [TWh]           [%]    [TWh]           [%]

                              Fossil: Decarbonisierungn                                       168.3         69.0%    126.1         61.4%    89.1          51.5%     72.5          45.7%    57.0          39.2%    29.1          23.2%

                              Kernenergie: Kontrollierter Ausstieg                            24.8          10.2%     21.7         10.6%     8.6            5.0%     0.0            0.0%    0.0            0.0%    0.0            0.0%

                              Erneuerbare: Anstieg auf fast 75%                               50.8          20.8%    55.5          27.0%    66.3          38.3%     71.9          45.3%    77.9          53.6%    90.5          72.3%

                              Erdgas WKK: Brückentechnologie                                   0.0           0.0%     2.0            1.0%    2.2            1.3%     2.2            1.4%    0.8            0.5%     -             0.0%

                              Stromimporte (netto): Qualitativ hochstehend                     0.0           0.0%     0.2            0.1%    6.7            3.9%     12.1           7.6%    9.8            6.7%    5.6            4.5%

                             Total Endenergieverbrauch                                        243.8         100%     205.5         100%     172.9           100%    158.6           100%   145.5         100%     125.2           100%

                              Zuammensetzung Erneuerbare                                      [TWh]           [%]    [TWh]           [%]    [TWh]           [%]     [TWh]           [%]    [TWh]           [%]    [TWh]           [%]

                              Grosswasserkraft: konst., ohne neue Pumpspeicherung             30.72         12.6%    30.39         14.8%    29.98           17.3%   29.73         18.7%    29.46         20.2%    28.80         23.0%

                              Sonne: Potential nutzen - vorwiegend Dachflächen                0.06           0.0%    1.65          0.8%     9.42            5.4%    14.16           8.9%   18.80         12.9%    24.36         19.5%

                              Wärmeverbundnetze: Abwärme einsetzen                            4.50            1.8%   6.50            3.2%   7.59            4.4%    7.96            5.0%   8.26            5.7%   12.19           9.7%

                             Holz thermisch: Prozesswärme                                     10.00           4.1%   8.80          4.3%     7.75            4.5%     7.27           4.6%   6.82            4.7%   6.00            4.8%

                             Kleinwasserkraft: Selektiv (Biodiversität)                       3.31            1.4%   4.20          2.0%     4.74            2.7%    4.78            3.0%   4.97            3.4%   5.01            4.0%

                              Geothermie: Entwickeln, verfügbar ab 2030                       0.00           0.0%    0.00          0.0%     0.04            0.0%    0.27            0.2%   1.23            0.8%    5.11           4.1%

                             Wind: Selektiv (Landschaftschutz)                                0.03           0.0%    0.26            0.1%   1.47            0.8%    2.19            1.4%   2.87            2.0%   3.57            2.9%

                             Biogas WKK: Selektiv (Biodiversität)                             0.13            0.1%   1.25          0.6%     2.47            1.4%    2.45            1.5%   2.43            1.7%   2.38            1.9%

                              KVA: Konstant, (50% erneuerbar)                                  1.73           0.7%    1.71         0.8%     1.69            1.0%    1.67            1.1%   1.66            1.1%   1.62            1.3%

                              Biomasse verstromt: Selektiv (Biodiversität)                    0.32            0.1%   0.71          0.3%      1.17           0.7%    1.38            0.9%   1.44            1.0%   1.45            1.2%

                              Total Erneuerbare                                               50.80           21%    55.47           27%    66.31           38%     71.86           45%    77.94           54%    90.49           72%

Cleantech Energiestrategie
Abbildung 3.
                       Cleantech Endenergieversorgung 2010 – 2050

                       Entwicklung des Energieverbrauchs der Schweiz bei Implementierung der empfohlenen Massnahmen und
                       Einhaltung der CO2 Ziele. Unter Einrechnung realistischer Wachstums- und Effizienzpotentialien. Kernkraft
                       wird als Eigenversorgung gerechnet, mit Ausstieg bis 2034.

                       5. Die Stromversorgung im Winter
                       Während in Zukunft im Sommer die Herausforderung darin bestehen wird, die vorhandenen Energien
                       kurzfristig zu speichern und zu verteilen (vgl. Kapitel 6), muss im Winter darauf reagiert werden, dass
                       das Angebot knapper wird. Swisscleantech hat deshalb den Jahresgang von Stromversorgung und
                       Strombedarf abgeschätzt. Dazu wurde das Jahr nach Abschaltung des letzten Kernkraftwerks (2035)
                       analysiert. Die Berechnung der Jahresverteilung ist ohne mögliche Auswirkungen des Klimawandels
                       durchgeführt. Diese werden tendenziell die Situation leicht entschärfen, da der Heizbedarf abnimmt
                       und gleichzeitig das Angebot an Wasserkraft im Winter eher zunehmen wird, während es im Sommer
                       sinkt.

Cleantech Energiestrategie                                                                                                         13
Folgende drei Massnahmen ermöglichen die Sicherstellung der Versorgung:

     • Ausbau der wärmegeführten Wärmekraftkopplung

     • Strategischer Einsatz von Speicher- und Pumpspeicherkraftwerken in den
       Monaten mit tiefem Stromangebot

     • Massvoller Import insbesondere in den windreichen Jahreszeiten Herbst
       und Frühling. Auf Grund der Speicher und Pumpspeicherkapazitäten kann
       Überschussenergie aus europäischen Windanlagen optimal und zu günstigen
       Konditionen eingesetzt werden.

     Abbildung 4.
     Jahresverlauf 2035

14                                                                              Cleantech Energiestrategie
6. Neue Aufgaben für das Stromnetz
                       Für die Umsetzung der Cleantech Energiestrategie kommt dem Netz eine entscheidende Rolle zu. Durch
                       den teilweisen Wegfall der Bandenergie und das Hinzukommen von ’nervöser’ (zeitlich unterschied-
                       lich anfallender) Energie aus dem In- und Ausland muss das Schweizer Stromnetz zusätzliche Funkti-
                       onen wahrnehmen können. Damit diese ab 2025 in Anspruch genommen werden können, sind die
                       dafür notwendigen Infrastrukturinvestitionen rasch zu realisieren.

                       Freier Verkehr zwischen den Netzebenen in beide Richtungen
                       Während der Strom bisher im Wesentlichen in einer Richtung – von der Hochspannung zur Nieder-
                       spannung – floss, muss im neuen, dezentralen Umfeld mit vielen kleinen Produzenten der Strom
                       ungehindert und in beiden Richtungen zwischen den verschiedenen Netzebenen fliessen können.

                       Optimale internationale Anbindung
                       Mittelfristig werden in Europa verschiedenste erneuerbare Energieerzeugungskapazitäten zur Verfü-
                       gung stehen. Diese fallen z.T. unregelmässig an. Dies eröffnet für die Betreiber der Schweizerischen
                       Pumpspeicher- und Speicherwerke interessante wirtschaftliche Chancen. Schon heute kann Wind-
                       strom auf der Strombörse zu Spitzenzeiten annähernd zum Nulltarif beschafft werden. Wer diese
                       Energie zeitverschoben zur Verfügung stellen kann, profitiert von hohen Preisen. Die Schweizerische
                       Stromindustrie kann ihre Stärken – grosse Flexibilität dank der Pump- und Pumpspeicherkapazität –
                       voll ausschöpfen, wenn die internationale Einbindung eine ausreichend grosse Leistung aufnehmen
                       kann. Dabei muss Regel- und Speicherinfrastruktur optimal ans Netz angebunden sein. Die Schweiz
                       muss sich deshalb proaktiv in internationale Projekte zur Realisierung von Hochspannungsgleich-
                       stromnetzen einbringen. Auf Grund der geographischen Lage der Stromerzeugungskapazitäten und
                       der erneuerbaren Potentiale ist insbesondere eine Nord-Süd Verbindung von Deutschland nach Italien
                       für die Schweiz von grosser Bedeutung.

                       Lokaler Netzausgleich durch Smart Grid
                       Ungleichmässige Einspeisung erfordert mehr Regelkapazität. Wird diese zumindest teilweise dezentral
                       bei den Produzenten zur Verfügung gestellt, kann der Netzausbau auf den höheren Netzebenen redu-
                       ziert werden. Dies vermindert die Ausbaukosten und ermöglicht es, die Batteriefunktion auf europäi-
                       scher Ebene möglichst auszunützen. Diese Pufferung muss zusätzlich unterstützt werden durch flexibel
                       ansteuerbare Verbraucher und Produktionsanlagen, die bei einer Überschussproduktion abgeschaltet
                       werden können. Für den richtigen Mix aus Netzausbau, lokalen Zwischenspeichern, abschaltbaren
                       Produzenten und Verbrauchern muss das kosteneffiziente Minimum bestimmt werden.

                       Offener Markt, flexible Verrechnung
                       Unterstützt wird dieser Umbau durch eine maximale Flexibilisierung der Verrechnung. Dabei muss
                       nicht nur die Netznutzungsgebühr gemäss den Engpässen flexibilisiert werden (andere Tageszeiten,
                       andere Tarife), es muss auch der Produktionspreis an die momentane Versorgungssituation ange-
                       passt werden. Abrechnungstarife sind deshalb im bedeutend kürzeren Intervallen zu bestimmen und
                       zu verrechnen. Die dazu notwendigen technischen und regulatorischen Rahmenbedingungen sind zu
                       schaffen. Weiter ist ein freier Markt für Strom zu aufzubauen, der Wahlfreiheit und einen freien Zugang
                       für die Kunden ermöglicht.

Cleantech Energiestrategie                                                                                                  15
7. Finanzierung
     Zur Finanzierung sollen grundsätzlich Instrumente angewendet werden, welche die Vollkosten der
     Energieerzeugung möglichst gut abbilden. Die Vollkosten müssen für jede Energieform gemäss ihren
     externen Kosten individuell bestimmt werden (vgl. Tabelle 3). Kosten, die nicht vollständig einge-
     rechnet sind, tragen bis anhin die Gesellschaft, die Umwelt, resp. nachfolgende Generationen. Sie
     sollen neu in den Energiepreis eingerechnet werden.

     Gemäss diesem Grundsatz kann langfristig (ab 2020) Umsetzung und Finanzierung der Cleantech
     Energiestrategie über eine ökologische Steuerreform gewährleistet werden. Diese setzt Anreize über
     den Preis und schafft einen umfassenden Rahmen für eine nachhaltige Energiewirtschaft. Im Rahmen
     der ökologischen Steuerreform gilt es auch, ökologisch falsche Anreize abzuschaffen und Steueraus-
     fälle wie z.B. durch einen Rückgang des Treibstoff-Verbrauchs zu kompensieren.

     Für die kurzfristige Finanzierung und den notwendigen engagierten Anschub der Energiewende kann
     der bereits etablierte KEV-Mechanismus verwendet werden. Durch eine schrittweise Anhebung des
     Zuschlags für die KEV (Gesamtdeckel) um maximal 2.5 Rp und eine Optimierung der Förderung wird der
     erforderliche Zubau vollumfänglich ermöglicht. Bei der Gestaltung der Vergütungssätze sind die tech-
     nischen Verbesserungen zu berücksichtigen, so kann bei gleichen Finanzmitteln kontinuierlich mehr
     Kapazität erstellt werden. Der Zubau an neuen Kapazitäten ist stetig und voraussehbar zu gestalten.
     Die KEV Beiträge bleiben aber gedeckelt und verhindern damit einen übermässigen Zubau und zu
     hohe langfristige Finanzverpflichtungen. Am dringlichsten ist dabei eine Anhebung des Deckels bei
     der Photovoltaik. Mit der gleichzeitigen Beibehaltung der einzelnen Teildeckel wird ein effizienter
     Einsatz der Mittel angestrebt.

     Diese Finanzierungslösung hat den Vorteil, dass sie über eine Änderung der Verordnung schnell und
     unbürokratisch umgesetzt werden. Gleichzeitig soll über eine optimierte Tarifierung der Netzkosten
     erreicht werden, dass die vorübergehende KEV-Förderung früher entfallen kann. Durch eine verursa-
     chergerechte Gestaltung werden die erneuerbaren Energien schneller wettbewerbsfähig.

     Nebst dem Zubau an erneuerbaren Energien wird es notwendig sein, rasch und unbürokratisch in den
     Aus- und Umbau der Netzinfrastruktur zu investieren. Erste eigene Berechnungen zeigen, dass hier
     Kosten von rund 1 Rp pro kWh über die nächsten 15 Jahre anfallen werden. Der Ausbau kann automa-
     tisch über die Netzkosten finanziert werden. swisscleantech fordert dafür in erster Linie mehr Trans-
     parenz über die Netznutzungstarife.

     Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass sich durch den steigenden Bedarf an Regelenergie für die
     Elektrizitätswerke lukrative neue Geschäftsfelder ergeben. Der dazu notwendige Netzausbau zur opti-
     malen Einbindung der Speicher- und Pumpspeicherkraftwerke und zur Erhöhung der Durchleitungs-
     kapazitäten, soll durch die zu erwartenden Gewinne aus diesem Geschäft mitfinanziert werden.

     Die notwendigen Aufschläge führen zu einem durchschnittlichen Anstieg des Strompreises für Haus-
     halte von ca. 25% und für Firmen von ca. 30%, je nach Stromtarif. Für fossile Energieträger wird ein
     ähnlicher Preisanstieg erwartet. Dies setzt wichtige mittel- und langfristige Lenkungsimpulse hin zu

16                                                                              Cleantech Energiestrategie
einem sparsameren Verhalten - wie jüngst durch eine Schweizer Studie bestätigt (KOF 2011, im Auftrag
                          von economiesuisse). Eine solche preisliche Lenkung kombiniert mit anderen Massnahmen wie z.B.
                          Mindeststandards wirkt flächendeckend und führt zu signifikanten Effizienzgewinnen.

                          Für energieintensive Branchen können und müssen Ausnahmeregeln vereinbart werden damit diese
                          Firmen in einer Übergangszeit und speziell bezüglich Konkurrenz durch Importe sowie bei Exporten
                          nicht benachteiligt werden.

                          Tabelle 4.
                          Vollkostenrechnung pro Energieform

              Energiequelle      Externe Kosten

              Kernkraft          Versicherung Unfallrisiko, Lagerung, Transport, Verpflichtungen aus Lieferverträgen für Brennstäbe,
                                 Stilllegung (z.Z. unzureichend finanziert)
              Wasserkraft        Staudamm Risiken sind unzureichend gedeckt. Schäden entstehen jedoch im Gegensatz
                                 zur Kernkraft nur in lokaler und regionaler Grössenordnung mit kurzfristiger Wirkung.
              Erneuerbare        Bei Sonne, Wind und Biomasse gilt es den Einfluss auf die Biodiversität, den Landschaftsschutz,
                                 der grauen Energie sowie den Umgang mit Chemikalien bei der Produktion der Anlagen zu
                                 berücksichtigen. In der Aufbauphase werden externe Kosten durch die unterschiedliche
                                 Gewichtung der Förderung in Betracht gezogen. Als Teil einer ökologischen Steuerreform
                                 sollen die Vollkosten aller Erneuerbaren vollständig einbezogen werden.
              Fossile            Bei den Fossilen werden die negativen externen Kosten via CO2-Abgabe/Kompensation im
                                 CO2-Gesetz bis 2020 zumindest teilweise internalisiert. Danach sollen die Fossilen Externalitäten
                                 der im Rahmen der ökologischen Steuerreform eingerechnet werden.

                          8. Link zum CO2 Gesetz
                          Durch die Umsetzung der hier vorgestellten Strategie zusammen mit den Massnahmen des CO2-
                          Gesetzes, wird bis 2020 eine Reduktion der Treibhausgase um 20% im Inland erreicht. Dies entspricht
                          dem Inlandanteil des von den Räten beschlossenen Reduktionsziels bis 2020. Bis 2050 wird die
                          1-Tonnen-CO2-Gesellschaft umgesetzt.

                          Umgekehrt tragen die Massnahmen des aktuell debattierten CO2-Gesetzes zur Umsetzung der Energie-
                          strategie bei. An den bereits beschlossenen Artikeln ist festzuhalten. Von den noch zu diskutierenden
                          Massnahmen sind vor allem die Erhöhung des Gebäudesanierungsprogramms auf CHF 300 Mio und
                          der Anschluss allfälliger Gaskombikraftwerke an das EU-ETS oder entsprechende Kompensationsrege-
                          lungen im Sinne einer Cleantech Energiestrategie.

Cleantech Energiestrategie                                                                                                             17
9. Das Massnahmenpaket
Verschiedenste Massnahmen sind in jeder der vier Säulen der Cleantech Energiestrategie gefordert.
Priorität haben marktorientierte Massnahmen, die durch die richtige Preissetzung Anreize setzen.
Weitere Kriterien sind Transparenz und Planbarkeit für Unternehmen, hohe Kosteneffizienz, wenig
Bürokratie sowie Haushaltsneutralität.

Hintergrund zum Energiepreis
Im Vergleich zu anderen Europäischen Ländern hat die Schweiz heute günstige Energiepreise. Strom ist
real in den letzten 25 Jahren um durchschnittlich über 25% günstiger geworden (spezielle Industrie-
tarife müssen gesondert betrachtet werden). Entscheidend bei jeder Energiepreiserhöhung sind die
Auswirkungen auf die Haushalte und die Gesamtwirtschaft.

Zu den energieintensiven Branchen werden üblicherweise jene Branchen gezählt, bei welchen die
Elektrizitätskosten mehr als 10 Prozent der Bruttowertschöpfung betragen. Dazu gehören das Textil-
gewerbe, die Papier- und Kartonindustrie, die Glas- und Zementindustrie, die Metallindustrie sowie
die Recyclingbranche. Im Jahr 2009 verbrauchten diese Branchen insgesamt 12.7 TWh Energie, davon
4 TWh Elektrizität, und stellten 6760 Arbeitsstätten mit 85’250 Arbeitsplätzen (Vollzeitbeschäftigte).
Dies entspricht 2.3% der 300’000 Unternehmen in der Schweiz und ca. 2.5% der total 3.4 Mio Arbeits-
plätzen. Sie benötigten zusammen 5.2% der schweizerischen Gesamtenergie und 6.7% des Stroms1.
Ein Blick auf die Firmenebene zeigt, dass es in der Schweiz ca. 50 Unternehmen gibt mit einem Ener-
giekostenanteil an der Bruttowertschöpfung von mehr als 10 Prozent. Diese Firmen sind durch hohe
Energiekosten stark tangiert und müssen gesondert behandelt werden.

Der jährliche Haushalt-Stromverbrauch (2 Personen) in einem Mehrfamilienhaus ohne Elektroboiler
beträgt in der Schweiz durchschnittlich 4’000 KWh. Ein Aufpreis von ca. 3 Rappen pro KWh (25%)
verursacht monatliche Mehrkosten von ca. 11 Franken pro Haushalt.

Beispiel einer Cleantech Anwendung: Solarboot der Mitgliederfirma Planet Solar

1
    Aufgrund der Datenlage wurden diese Werte anhand der Branchengruppen berechnet, diese stimmen nicht 100% mit den
jeweiligen Branchen überein. swisscleantech plädiert dafür, dass der Bund die entsprechende Datenbasis sobald möglich
verfügbar macht.
Tabelle 5.
Übersicht über das Massnahmenpaket der Cleantech Energiestrategie
Es werden drei Massnahmetypen unterschieden: K = Kurzfristig (bis 2015 wirksam), M = Mittelfristig (bis 2020), L = Langfristig.

      Säule                                              Massnahme                                                  K/M/L

                      Verbot und Ersatz von Elektroheizungen und -Boilern                                           K
                      Vorgeschriebene SIA-380 Grenzwerte                                                            K
                      Verschärfte Gebäudeenergievorschriften und konsequentere Förderung
                      von Gebäudesanierungen
                                                                                                                    K/M/L

   Energie-           Progressive Verschärfung der Effizienzvorschriften für Lampen und Geräte
   effizienz          sowie Labels (in der bekannten A-F Klassifizierung) in jenen Bereichen, in                    K/M
                      denen diese noch nicht existieren (z.B. IT)
                      Förderung Energieeffizienz beim Verkehr (Motoreneffizienz, Modalsplit,
                      Mobility Pricing)
                                                                                                                    M

                      Nationale Elektromobilitäts-Strategie                                                         M
                      Energieplanung (Kombinierte Energie-, Raum- und Verkehrsplanung)                              M/L
                      Finanzierung zum Einstieg in das Cleantech Energiezeitalter: Prämien
                      Kernkraft/ Wasserkraft, oder Abgabe via KEV-Mechanismus
                                                                                                                    K

                      KEV: Anhebung und Integration WKK, ORC, andere Technologien,
    Bereit-           Optimierung der Förderung
                                                                                                                    K
   stellung
                      Verbesserung der Rahmenbedingungen für Geothermie und WKK                                     K
   in hoher
    Qualität          Wasserkraft-Charta/runder Tisch: Ausarbeitung einer Schweizweiten
                      ökologischen und ökonomischen Gesamtoptimierung der Wasserkraft
                                                                                                                    K

                      Ökologische Steuerreform, Energie- statt Mehrwertsteuer                                       L
                      Internationale Anbindung: Abschluss Stromversorgungsabkommens mit
                      der EU, Strategie Schweiz als Drehscheibe und Batterie Europas, Schweiz                       K
                      als Zentrum und Investor in (HVDC-) Hochspannungsnetz-Verbingungen
 Intelligente
 Distribution         Verursachergerechte Tarifierung                                                               K
     und              Nationales Programm zur Etablierung eines Smartgrid                                           K/M
 Speicherung
                      Dezentraler Netzausbau: Kapazitätserhöhung, nationales Koordinations-
                      M/L programm „Stromspeicherung“, Kostensozialisierung, Unterbodenle-                          M/L
                      gung aller neuen Leitungen (inkl. Ersatz/Erneuerung)
                      Einfachere und schnellere Bewilligungsverfahren für erneuerbare Energien
                      (insbesondere bei Solar und Wind)
                                                                                                                    K

                      Forschungsförderung für Effizienz, Erneuerbare, Distribution und Speicherung                  K
                      Umschulung zur Rekrutierung zusätzlicher Fachkräfte                                           K
   Konkur-            Verstärkung Programme EnergieSchweiz und Energiestadt                                         K
  renzfähige
                      Förderung von PPP-Projekten                                                                   K
  Wirtschaft
                      Qualitätszertifizierung/ Quellennachweis bei allen Energieformen                              M
                      Schaffung eines liberalisierten Energiemarktes (Anbieterwahl)                                 M
                      Einbindung Kapitalmarkt (verschiedene Massnahmen, Beispiel Pensions-
                      kassen als Investor von nachhaltiger Infrastrukturen und Gebäuden)
                                                                                                                    M/L
Für zusätzliche Informationen zu den Berechnungen steht Christian Zeyer
(christian.zeyer@swisscleantech.ch, 079 606 2146) für swisscleantech
Mitglieder, ausgewählte Experten und Parlamentsmitglieder zur Verfügung.
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