Ausbreitungstendenzen und Konkurrenzkraft der Douglasie in der Schweiz
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Ausbreitungstendenzen und Konkurrenzkraft der Douglasie in der Schweiz Esther R. Frei1,*, Barbara Moser1, Julian Hafner1, Fabio Fässler1, Anna Glanzmann1, Thomas Wohlgemuth1 1 Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL (CH) Abstract Die Douglasie verjüngt sich in Europa seit Mitte des 20. Jahrhunderts auf natürliche Weise. Würde sie einheimi- sche Arten verdrängen, müsste sie als invasiv bezeichnet und entsprechend behandelt werden. Da empirische Daten über das effektive Ausmass der natürlichen Verjüngung und Ausbreitung der Douglasie in der Schweiz Downloaded from http://meridian.allenpress.com/szf/article-pdf/172/2/94/2785801/i2234-1469-172-2-94.pdf by Lib4RI: PSI user on 10 March 2021 noch weitgehend fehlen, wurde die Baumartenverjüngung in 39 Douglasienaltbeständen untersucht. Aus den Daten geht hervor, dass der Anteil der Douglasie im Jungwuchs (Höhe
25 m 25 m ± ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! !! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! !! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! Probekreis 0 20 40 80 Douglasie km Downloaded from http://meridian.allenpress.com/szf/article-pdf/172/2/94/2785801/i2234-1469-172-2-94.pdf by Lib4RI: PSI user on 10 March 2021 Abb 1 Douglasienaltbestände mit mindestens zehn Altbäumen (>80-jährig), in denen die Verjüngung erhoben wurde (links), sowie Netzpunkte eines Gitters von 25 m × 25 m in einem Bestand (rechts; Ausschnitt aus dem Bestand Dintikon-Rieteberg, AG). Aus die- sen wurden zufällig sechs bis acht Punkte als Zentren der 50 m2 grossen Probekreise gewählt (weisse Probekreise). Legende: 1 Alt- dorf (UR, 570 m), 2 Andwil (SG, 780 m), 3 Auenstein (AG, 460 m), 4 Azmoos (SG, 660 m), 5 Beinwil (BL, 880 m), 6 Biel (BE, 660 m), 7 Bratsch (VS, 1350 m), 8 Brislach (BL, 430 m), 9 Buchs (SG, 610 m), 10 Dintikon-Rieteberg (AG, 660 m), 11 Dintikon-Herrliberg (AG, 450 m), 12 Dübendorf (ZH, 610 m), 13 Fescoggia (TI, 830 m), 14 Gossau (SG, 750 m), 15 Grafenried (BE, 590 m), 16 Habs- burg (AG, 430 m), 17 Lausanne (VD, 760 m), 18 Le Locle (NE, 1030 m), 19 Lohn (SO, 560 m), 20 Menzberg (LU, 980 m), 21 Möh- lin (AG, 340 m), 22 Muri (AG, 490 m), 23 Neuendorf (SO, 450 m), 24 Otelfingen (ZH, 514 m), 25 Peseux (NE, 700 m), 26 Risch (ZG, 490 m), 27 Schwanden (GL, 680 m), 28 Steg-Hohtenn (VS, 1160 m), 29 Tramelan (BE, 1000 m), 30 Uzwil (SG, 630 m), 31 Vilters-Wangs (SG, 910 m), 32 Wäldi-Tägerwilen (TG, 570 m), 33 Wileroltigen (BE, 490 m), 34 Willisau Ost (LU, 640 m), 35 Wil- lisau West (LU, 670 m), 36 Wittnau (AG, 460 m), 37 Wolfwil (SO, 430 m), 38 Wynigen (BE, 630 m), 39 Zofingen (AG, 500 m). net (Nehring et al 2013, Schweizerischer Bundesrat schenden Baumart werden könnte (Knoerzer 1999). 2016) und als eine wichtige Ursache für den globa- Ungeachtet der geringen Ausdehnung heizte dieser len Biodiversitätsverlust angeführt (Rejmanek & Befund die Naturschutzdebatten an, da die Dougla- R ichardson 1996, Schmid et al 2014). Eingeführte sie an den betroffenen, artenreichen Standorten das Monterey-Kiefern (Pinus radiata) aus Nordamerika Potenzial hat, einheimische Pflanzen- und Tierar- breiteten sich zum Beispiel in Südafrika entlang der ten zu verdrängen (Höltermann et al 2008). Die Dou- Küsten unkontrolliert aus und reduzierten damit das glasie wurde daher in Deutschland vom Bundesamt Habitat der artenreichen Fynbos-Ökosysteme stark für Naturschutz als invasive Art eingestuft (Nehring (Richardson et al 1989, Richardson et al 1994, Rejma- et al 2013). Ein grundsätzliches Problem bei der Dis- nek & Richardson 1996, Schmid et al 2014). Gemäss kussion und den daraus folgenden Bewertungen der mehreren Übersichtsarbeiten (Schmid et al 2014; Vor Invasivität ist, dass empirische Daten über das Aus- et al 2015; Brang et al 2016; Wohlgemuth et al 2021, mass der natürlichen Verjüngung und Ausbreitung dieses Heft) werden die ökologischen Auswirkungen der Douglasie weitgehend fehlen. Allerdings analy- der Douglasie in Europa hingegen generell weniger sierten Bindewald & Michiels (2018) neulich die negativ beurteilt als die Auswirkungen anderer ein- Naturverjüngung der Douglasie in Baden-Württem- geführter Arten, zum Beispiel der Robinie. berg anhand von Inventurdaten und stellten dabei Ob sich die nordamerikanische Küstendoug- keine grossflächige Ausbreitung der Douglasie fest. lasie in den Wäldern Europas ausbreiten kann, wird So wurde auf 0.3% der Probeflächen der Bundes- in Naturschutz-, Forst- und Forschungskreisen schon waldinventur und auf 0.2% der Fläche der seltenen seit Längerem diskutiert (Richardson & Rejmanek und geschützten Waldbiotope (166 von 81 795 ha) 2004, Schmid et al 2014, Tschopp et al 2015, Am- Douglasienverjüngung gefunden. Einzig an Sonder- mer et al 2016), europaweit unter anderem in der standorten, wo sich die Traubeneiche (Quercus pet- 2014 lancierten COST-Action NNEXT (Non-native raea) infolge Verbiss nicht mehr natürlich verjüngen Tree Species for European Forests, Konnert et al kann (Knoerzer 1999), etabliert sich die Douglasie 2018). Feldaufnahmen im Schwarzwald zeigten, und kann durch Ausschatten die heimische Biodi- dass sich die Douglasie erfolgreich an trockenen, versität lokal gefährden (Knoerzer & Reif 1996). sauren und nährstoffarmen Waldstandorten ver- In der Schweiz wurden in 58 Douglasienbe- jüngt und dort, wenn auch nur an wenigen und ständen keine Anzeichen starker Douglasienausbrei- selten vorkommenden Standorten, zur vorherr- tung gefunden, wobei der Lichtdurchlass und die Schweiz Z Forstwes 172 (2021) 2: 94–105 CONNAISSANCES 95 pp2138_Frei.indd 95 22.02.21 15:05
Anzahl Douglasienaltbäume im Bestand wichtige, 2000 mm/Jahr liegt. Von den 39 untersuchten Be- die Verjüngung begünstigende Faktoren waren (Haf- ständen wurden 31 den submontanen und unter- ner & Wohlgemuth 2016). Um der Frage nachzu- montanen Buchenwald-Standortstypen (ST) 1, 3, 7, gehen, weshalb sich die Douglasie in Schweizer 8, 9 und 12 zugeordnet (Frehner et al 2009). Bei wei- Wäldern kaum ausbreitet, wurden in 39 Douglasien- teren fünf Beständen handelt es sich um die Stand- altbeständen weiterführende standardisierte Verjün- ortstypen 18, 19 und 20 des obermontanen Tannen- gungserhebungen durchgeführt. Die quantitativen Buchenwalds. Die drei übrigen Bestände sind ein Erhebungen sollten insbesondere Aufschluss darü- Ulmen-Eschenwald im Übergang zu einem Heidel- ber geben, ob und unter welchen Standortbedingun- beer-Tannen-Fichtenwald (ST 29/46S, Willisau-West gen sich Douglasien unter Konkurrenz von einhei- LU), ein typischer Perlgras-Fichtenwald (ST 54, Steg- mischen Baumarten in der Schweiz etablieren und Hohtenn VS) und ein Hauhechel-Föhrenwald (ST 65, damit möglicherweise in benachbarte Waldbestände Bratsch VS). ausbreiten können. Erhebungen in den Probekreisen Im Sommer und Herbst 2017 wurden in den Material und Methoden 39 Beständen standardisierte Verjüngungserhebun- gen durchgeführt. Für jeden Bestand wurde die An- Downloaded from http://meridian.allenpress.com/szf/article-pdf/172/2/94/2785801/i2234-1469-172-2-94.pdf by Lib4RI: PSI user on 10 March 2021 Auswahl und Charakterisierung zahl Douglasien mit Brusthöhendurchmesser (BHD) der Bestände >30 cm erfasst. In jedem der sechs bis acht Probe- Als Grundlage der vorliegenden Studie diente kreise wurden die Anzahl und die Höhe aller Indi- das umfassende Inventar über Exotenanbauten in viduen der verholzten Arten in den Höhenklassen der Schweiz von Bürgi & Diez (1986), das auf einer 30 cm, gemessen und der Blattflächenindex Douglasienpflanzungen zufällig ausgewählt (Abbil- (LAI, Leaf Area Index; Blattfläche pro Bodenober- dung 1). In sieben dieser Bestände wurden keine fläche) mittels Hemisphärenfoto des Kronendachs Douglasienaltbäume mehr aufgefunden, womit 58 bestimmt (Digital Plant Canopy Imager CI-110; CID Bestände übrigblieben, die von Hafner & Wohlge- Inc., Camas, Washington, USA; Bild aus 1.0 m Höhe, muth (2016) untersucht wurden. Für die hier präsen- d.h. in der Regel oberhalb der Krautvegetation). tierte Studie wurden von diesen jene 39 ausgewählt, Grosse Indexwerte stehen für einen hohen Kronen- in denen einerseits natürliche Douglasienverjün- deckungsgrad, kleine Werte zeigen Lücken im Kro- gung nachgewiesen werden konnte und andererseits nendach an. Die Mächtigkeit der Streuauflage wurde mehr als zehn nahe beieinander stehende Altbäume als Durchschnitt von drei Messungen (im Zentrum, (>80-jährig) vorhanden waren (Abbildung 1). Die auf halbem Radius und am Rand des Probekreises) Douglasienaltbestände wurden im Feld anhand der bestimmt. In jedem zweiten Probekreis wurden Bo- äussersten Douglasienaltbäume von anderen Bestän- denproben von 0.5 dm3 in 10 cm und 30 cm Tiefe den abgegrenzt. Innerhalb jedes Bestandes wurden entnommen. Die Proben wurden im Labor getrock- die Netzpunkte eines auf dem LV95-Koordinatensys- net und gemahlen. Anschliessend wurde der pH der tem basierenden Gitters von 25 m × 25 m durch- in CaCl2 aufgelösten Proben gemessen. nummeriert, um daraus zufällig sechs bis acht Punkte als Zentren von 50 m 2 grossen Probekreisen Datenauswertung (Radius = 4 m) zu bestimmen (Abbildung 1). Die Daten wurden einerseits deskriptiv ausge- Die 39 Bestände decken einen relativ breiten wertet, andererseits wurde mittels multipler Regres- klimatischen Bereich ab. Klimadaten von Meteo- sionsanalysen der Einfluss von verschiedenen Fak- Schweiz zeigen, dass die mittlere Jahrestempera- toren auf die Verjüngung untersucht. Basierend auf tur zwischen 5.3 und 10.2 °C und die Jahres- den Daten für die einzelnen Probekreise wurden ge- niederschlagssumme zwischen knapp 1000 und gut neralisierte lineare gemischte Modelle (engl.: Gene- 96 WISSEN Schweiz Z Forstwes 172 (2021) 2: 94–105 pp2138_Frei.indd 96 22.02.21 08:35
Abkürzung Beschreibung Datenherkunft Einheit Abhängige Variablen Douglasienverjüngung Douglasienjungwuchs, 1–129 cm Probekreis Stammzahl Douglasiendickung, ≥130 cm Probekreis Stammzahl Buchenverjüngung Buchenjungwuchs, 1–129 cm Probekreis Stammzahl Buchendickung, ≥130 cm Probekreis Stammzahl Verjüngung konkurrierende Jungwuchs der übrigen Baumarten, 1–129 cm Probekreis Stammzahl übrige Baumarten Dickung der übrigen Baumarten, ≥130 cm Probekreis Stammzahl Erklärende Variablen TJ Temperatur, Jahresmittel Probekreis °C NJ Niederschlag, Jahressumme Probekreis mm Neig Hangneigung Probekreis % pH pH in 10 cm Bodentiefe Bestand – Streu Mächtigkeit der Streuauflage Probekreis cm Veg Deckungsgrad der Krautvegetation Probekreis % LAI Leaf Area Index (Blattflächenindex) Probekreis – Downloaded from http://meridian.allenpress.com/szf/article-pdf/172/2/94/2785801/i2234-1469-172-2-94.pdf by Lib4RI: PSI user on 10 March 2021 ZT mittlere Temperatur Probekreis – ZF mittlere Bodenfeuchte Probekreis – ZN mittlerer Nährstoffgehalt Probekreis – ZL mittlere Lichtverhältnisse Probekreis – ZH mittlerer Humusgehalt Probekreis – Dist Distanz zum nächsten Douglasienaltbaum Probekreis m N Dou Anzahl Douglasienaltbäume mit BHD >30 cm Bestand – Misch Douglasienanteil an der Stammzahl mit BHD ≥12 cm in Probekreis % einem Kreis mit 9 m Radius um das Probekreiszentrum Pflege Anzeichen von Pflegemassnahmen Probekreis ja/nein Tab 1 In den Regressionsmodellen verwendete abhängige und erklärende Variablen. TJ, NJ: Interpolierte Temperatur- und Nieder- schlagsdaten des Zeitraums 1981–2010. pH: Durchschnitt von zwei Messungen pro Bestand. Z T, ZF, ZN, ZL , ZH: Durchschnitt der ökologischen Zeigerwerte für Arten, nach Abundanzen gewichtet; Zeigerwerte der Arten umfassen den Wertebereich 1 bis 5 (Lan- dolt et al 2010). ralized Linear Mixed Models, GLMM) mit negativ nation aller Modelle angegeben, deren AIC sich um binomialer Verteilung für die abhängigen Variablen weniger als 2 vom besten Modell unterscheidet Jungwuchs (Höhe
a) Jungwuchs (
a) Jungwuchs (
a) Jungwuchs (Höhe
Douglasie sanken die Stammzahlen bei viel Kraut- Treiber der Verjüngung bedeckung (Tabelle 2). Der Buchenjungwuchs kor- Die statistische Analyse zeigte, dass Jung- relierte zudem negativ mit der Lichtverfügbarkeit wuchs bei allen Baumarten bzw. Artengruppen nur und der Humusauflage (mittlere Licht- und Humus- bei geringer Krautbedeckung zahlreich vorkam (Ta- Zeigerwerte). Der Jungwuchs der übrigen Arten kor- belle 2). Es ist bekannt, dass sich eine dichte Kraut- relierte wie derjenige der Douglasie negativ mit der vegetation, die sich in Tieflagen auf produktiven Bö- Krautbedeckung und der Streuauflage, während die den unmittelbar nach der Öffnung von Beständen Stammzahl bei geringem Lichtdurchlass ähnlich einstellt, negativ auf die Etablierung von Baumkeim- wie bei der Buche grösser war (Tabelle 2). Ausser- lingen auswirkt. Dies kann einerseits auf die Kon- dem hatte der Jungwuchs der übrigen Arten einen kurrenz um die Ressourcen Licht, Wasser und Nähr- schwach negativen Zusammenhang mit der boden- stoffe zurückgeführt werden, andererseits aber auch nahen Temperatur. mit einer höheren Präsenz von Prädatoren, zum Bei- Douglasien der Dickungsstufe waren umso spiel Mäusen, unter der Krautvegetation zusammen- zahlreicher, je höher der Anteil der Douglasien- hängen (z.B. Vandenberghe et al 2006, Royo & Car- altbäume im Bestand war (Tabelle 2). Wie beim son 2008). Welcher dieser Faktoren wichtiger ist, Jungwuchs war auch eine hohe Lichtverfügbarkeit hängt stark von der jeweiligen Baumart ab. Studien (mittlere Licht-Zeigerwerte) in einigen Modellen för- aus Südwestdeutschland bestätigen, dass eine dichte Downloaded from http://meridian.allenpress.com/szf/article-pdf/172/2/94/2785801/i2234-1469-172-2-94.pdf by Lib4RI: PSI user on 10 March 2021 derlich, während in stark geneigten Beständen ten- Krautschicht das Aufkommen von Douglasienkeim- denziell weniger Douglasien der Dickungsstufe an- lingen reduzierte (Guntermann 1989, Knoerzer et al zutreffen waren. Buchen der Dickungsstufe waren 1995). Deren weitere Entwicklung war durch die zahlreicher in Beständen wärmerer Lagen, bei gerin- Krautvegetation jedoch nicht beeinträchtigt (Knoer- gerer Krautbedeckung sowie auf basenreicheren und zer et al 1995). feuchteren Böden (Tabelle 2). Ähnlich wie beim In unserer Analyse war der Douglasienjung- Jungwuchs zeigten einige Modelle einen negativen wuchs weniger zahlreich in Beständen mit Krautve- Zusammenhang mit der Lichtverfügbarkeit (mittlere getation, die eine hohe mittlere Temperatur anzeigt. Licht-Zeigerwerte). Bei der Dickung der übrigen Ar- Dieser mikroklimatische Effekt (Z T ) war deutlich ten gab es keine Faktoren, die in allen 16 besten Mo- stärker als derjenige des Makroklimas (T J), der mit dellen enthalten waren (Tabelle 2). Am häufigsten dem Douglasienjungwuchs nicht korrespondierte. enthalten waren pH, mittlerer Humus-Zeigerwert so- Zellweger et al (2020) haben ebenfalls auf die Bedeu- wie Deckungsgrad der Krautvegetation, wobei die tung des Mikroklimas für den Unterwuchs – und da- Verjüngung bei hohem pH zahlreicher war, während mit auch für die Verjüngung – hingewiesen, insbe- Humusauflage und Krautvegetation einen negativen sondere hinsichtlich des Klimawandels. Der spärliche Einfluss hatten. Douglasienjungwuchs bei warmem Mikroklima ist jedoch keine direkte Folge höherer Temperaturen, sondern hängt wohl mit der Produktivität (–Z N ) der Diskussion Standortstypen zusammen: Auf tiefgründigen, ge- nügend mit Wasser versorgten Böden, die in den Bei den systematischen Verjüngungsaufnah- Tieflagen verbreitet sind, wachsen sowohl Krautve- men vom Sommer 2017 wurden in nahezu allen Be- getation als auch Laubbäume (+Z N für Buche) rasch ständen Douglasiensämlinge oder -recklinge gefun- zu einer dichten Decke, durch die junge Douglasien den. Allerdings wurde der Jungwuchs in 90% der kaum hindurchwachsen können. Bestände von anderen Baumarten, insbesondere der Die Douglasie benötigt sowohl für den An- Buche, dominiert. In lediglich vier Beständen machte wuchs als auch für die Etablierung 20 bis 40% der die Douglasie den grössten Anteil im Jungwuchs aus Lichtintensität unter freiem Himmel (Mailly & Kim- (Bratsch VS, Steg-Hohtenn VS, Fescoggia TI und Wil- mins 1997, Drever & Lertzman 2003, Harrington lisau West LU). Im Gegensatz dazu wurde in keinem 2006), während die Buche und andere Laubbaumar- der Bestände eine Dominanz der Douglasie in der ten im Vergleich zur Douglasie schattentoleranter Dickung gefunden. Douglasien der Dickungsstufe sind (Niinemets & Valladares 2006). Unsere Erhe- waren nur in einem Drittel der Bestände vorhanden bung bestätigt, dass die Douglasie im Vergleich zur und machten weniger als einen Viertel der Verjün- Buche für eine erfolgreiche Verjüngung auf mehr gung dieser Stufe aus (23% in Lohn SO, 20% in Gos- Licht angewiesen ist. Lichtreichere Verhältnisse kön- sau SG, 18% in Dintikon-Rieteberg AG und weniger nen als Folge von unterschiedlichen Störungen wie in den übrigen Beständen). In der Hälfte der Bestände Windwurf oder forstlichen Eingriffen entstehen herrschte die Buche vor und in den übrigen Bestän- (Bindewald & Michiels 2018). Die Schattenbaumart den eine andere einheimische Baumart. Zusammen- Buche hingegen wächst in schattigen Verhältnissen fassend wurde in den Douglasienaltbeständen zwar rascher, wodurch sie gegenüber der Douglasie im Douglasienverjüngung gefunden, doch dominierten Vorteil ist (Knoerzer & Reif 1996; Spellmann et al in keinem der Bestände Douglasien in der Dickung. 2015; Moser et al 2021, dieses Heft). Schweiz Z Forstwes 172 (2021) 2: 94–105 CONNAISSANCES 101 pp2138_Frei.indd 101 22.02.21 08:35
Eine mächtige Streuauflage führte zu kleine- die Konkurrenz durch Buchen und andere Laub- ren Stammzahlen bei der Douglasie und der Gruppe baumarten sogar derart stark sein, dass eine erfolg- der übrigen Arten, was wohl darauf zurückzuführen reiche Pflege zugunsten der Douglasie kaum mög- ist, dass die Keimlinge Mühe haben, an ausreichend lich oder nicht wirtschaftlich ist (Ammann 2020). Wasser zu gelangen (Tschopp et al 2014). Knoerzer An kalkreicheren Standorten leidet die Douglasie, (1999) zeigte dies bereits für die Keimung von Dou- sofern freier Kalk im Oberboden vorhanden ist, an glasien insbesondere an Standorten mit mächtiger Chlorose und fällt oft aus (Perakis et al 2006, Main- Nadelstreuauflage. waring et al 2014). In der vorliegenden Analyse zeigte sich, dass Eine Ausnahme in der betrachteten Stichprobe mehr Douglasienjungwuchs nahe bei Samenbäumen war der halboffene Tessiner Bestand Fescoggia (ST 3), zu finden war, was durch die limitierte Samenaus- in dem die Douglasie mit 68% den grössten Anteil breitung durch Wind erklärt werden kann: Dougla- im Jungwuchs hatte. In der Dickungsstufe wurden siensamen sind rund fünfmal leichter als Tannen- in diesem Bestand ebenfalls Douglasien gefunden, samen, aber etwa doppelt so schwer wie Fichten-, jedoch nur in geringer Zahl. Es bleibt zu beobach- Lärchen- und Waldföhrensamen (Burkart 2018). Sie ten, ob sich die Douglasie in diesem Bestand in den werden vom Wind auch in Hauptrichtung selten wei- nächsten Jahren vermehrt etablieren wird. ter als 100 m verfrachtet (Roy 1960). Die beiden Walliser Bestände Bratsch (Hauhe- Downloaded from http://meridian.allenpress.com/szf/article-pdf/172/2/94/2785801/i2234-1469-172-2-94.pdf by Lib4RI: PSI user on 10 March 2021 Die Buchen und tendenziell auch die übrigen chel-Föhrenwald, ST 65) und Steg-Hohtenn (typi- Baumarten der Dickungsstufe waren sowohl in Be- scher Perlgras-Fichtenwald, ST 54), in denen die Dou- ständen mit wenig Krautvegetation als auch an glasien der Jungwuchsstufe neben Fescoggia die Standorten mit höherem pH zahlreicher als bei dich- höchsten Stammzahlen der ganzen Stichprobe er- ter Krautvegetation und tiefem pH. Dagegen korre- reichten, zeichnen sich durch wenig Bewuchs mit spondierte die Zahl der Douglasien dieser Stufe stark Kräutern auf flachgründigen, mageren Böden (ca. mit der Dichte der Douglasienaltbäume. Einige Mo- pH 7) und eine halboffene Bestandesstruktur aus. delle zeigten auch einen negativen Zusammenhang Weil die betreffenden Waldstandorte in der unter- zwischen der Anzahl Douglasien in der Dickungs- suchten Stichprobe deutlich untervertreten waren, stufe und der Hangneigung sowie einen positiven liessen sich keine statistisch gesicherten Aussagen Zusammenhang mit der Lichtverfügbarkeit auf. ableiten. Der hier beobachtete Verjüngungserfolg Dass der Anteil der Douglasie an der Mischung der- muss dennoch eingeordnet werden: Die Douglasie art stark mit der erfolgreichen Etablierung der Art kommt im stark austrocknenden Südhang von zusammenhängt, kann mehrere Gründe haben. Auf Bratsch mit den wiederholten Trockenheitsphasen der einen Seite bedeutet ein hoher Douglasienanteil sowohl als ausgewachsener Baum als auch als Säm- im Altbestand einen steten Samendruck (engl.: Pro- ling und Reckling sehr gut zurecht (Abbildung 5), pagule Pressure), womit die Chance steigt, dass sich dies im Unterschied zur Waldföhre, bei der selbst auf ab und zu ein Individuum etablieren kann. Auf der einer Höhe von 1350 m ü.M. die Mortalität viel hö- anderen Seite kann ein hoher Mischungsanteil da- her ist. Dass Douglasiensämlinge unter trockenen von zeugen, dass die Douglasie gezielt gefördert wor- und nährstoffarmen Bedingungen im Vergleich zu den ist. Mehr als 200 Douglasienstämme ≥130 cm Eiche, Tanne, Fichte und Waldföhre besser gedeihen, pro Hektare (Dickungsstufe) wurden in vier Be- wird auch von einer experimentellen Studie an der ständen auf der Alpennordseite gefunden. In kei- Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL bestätigt nem dieser Bestände dominierte die Douglasie an- (Moser et al 2021, dieses Heft) und kann unter an- nähernd die Dickung. In drei der vier Bestände derem mit der fein verzweigten, im Keimlingsalter wurden deutliche Anzeichen von kürzlich erfolgten eher oberflächlichen Wurzelstruktur der Douglasie Pflegemassnahmen zur Förderung der Douglasie erklärt werden (Moser et al 2016). Diese Wurzelstruk- festgestellt. tur ermöglicht den Douglasienkeimlingen eine effi- ziente Nährstoffaufnahme aus dem Oberboden, was Verjüngung an verschiedenen insbesondere auf kargen, austrocknenden Böden Waldstandorten vorteilhaft zu sein scheint. Ähnliche Beobachtun- Mehr als 90% der in dieser Studie berücksich- gen wie in der vorliegenden Studie wurden in Wald- tigten Douglasienaltbestände wuchsen an Buchen- beständen Deutschlands (Schwarzwald) und Öster- wald- und Tannen-Buchenwaldstandorten (ST 1–20; reichs gemacht (Knoerzer & Reif 1996, Essl 2005), Frehner et al 2009). In diesen Beständen vermag sich wo die Douglasie an ähnlich trockenen und/oder die Douglasie ohne Pflegemassnahmen gegenüber nährstoffarmen Standorten angebaut wurde und den Laubbaumarten, insbesondere der Buche, nicht sich teilweise so zahlreich verjüngte, dass sie als durchzusetzen. Aufgrund ihrer geringen Konkur- invasiv bezeichnet wurde (Nehring et al 2013). Die renzkraft ist heute an solchen Standorten kaum da- starke Naturverjüngung der Douglasie in den mit zu rechnen, dass sich die Douglasie stark aus- zwei Walliser Beständen beschränkte sich in den Pro- breiten wird. An schwach sauren Standorten kann bekreisen allerdings auf den Jungwuchs. In der 102 WISSEN Schweiz Z Forstwes 172 (2021) 2: 94–105 pp2138_Frei.indd 102 22.02.21 08:35
gen, wobei im Einzelfall unter Berücksichtigung der Standortverhältnisse zwischen Aufwand und Ertrag abgewogen werden muss. Die Resultate weisen aber auch darauf hin, dass an trockenen und wenig produktiven Standor- ten, an denen raschwüchsige Laubbäume nährstoff- limitiert sind und ihre Konkurrenzkraft gegenüber der Douglasie verlieren, eine zahlreiche Verjüngung der Douglasie möglich ist. An solchen zur Austrock- nung neigenden Standorten, die in Zukunft häufi- ger werden könnten, ist eine Beobachtung der Ver- jüngungsdynamik dringend zu empfehlen, um eine unkontrollierte Ausbreitung der Douglasie nötigen- falls zu verhindern. ■ Eingereicht: 21. Juli 2020, akzeptiert (mit Review): 15. Oktober 2020 Downloaded from http://meridian.allenpress.com/szf/article-pdf/172/2/94/2785801/i2234-1469-172-2-94.pdf by Lib4RI: PSI user on 10 March 2021 Dank Abb 5 Zum Teil üppiger Jungwuchs in einem alten Douglasienbestand oberhalb von Bratsch (VS) auf 1350 m ü.M. Foto: Thomas Wohlgemuth An Ueli Wasem für die Mithilfe bei den Feldaufnahmen, an Roger Köchli und Marco Walser für die Unterstützung bei der Aufberei- tung und der Analyse der Bodenproben, an MeteoSchweiz für die Bereitstellung von Klimadaten, an Daniel Scherrer für die Auf- Dickungsstufe waren Douglasien nur vereinzelt vor- bereitung von Raum- und Klimadaten, an Martin Heggli für die handen, im Gegensatz zu Fichte, Tanne und verschie- Hilfe bei der Erstellung der Abbildungen und für die Kommen- denen Laubbaumarten. Allerdings wurde die Anzahl tare zum Manuskript, an den Wald- und Holzforschungsfonds der anwachsenden Douglasien durch kürzlich durch- WHFF für die finanzielle Unterstützung der Studie. geführte forstliche Eingriffe lokal reduziert. Das Wild beeinflusst die Douglasie insbeson- dere durch Schlagen und Schälen (Forster & Oder- Literatur matt 2017). Für vergleichende Quantifizierungen sind hierzu weiterführende Untersuchungen nötig. AMMANN P (2020) Waldbau mit Douglasie. Zür Wald 52 (4): 4–8. AMMER C, BOLTE A, HERBERG A, HÖLTERMANN A, KRÜSS A ET Die vier Bestände mit einem beträchtlichen AL (2016) Vertreterinnen und Vertreter von Forstwissenschaft Douglasienanteil in der Dickungsstufe stockten an und Naturschutz legen gemeinsame Empfehlungen für den Waldmeister- und Waldhirsen-Buchenwald-Stand- Anbau eingeführter Waldbaumarten vor. Gemeinsames Pa- orten (ST 7 und 8). Ohne Pflegemassnahmen wür- pier des DVFFA und des BfN. Nat.schutz Landsch.plan 48: den die Douglasien hier von Buchen überwachsen 170–172. (Ammann 2020). Da Pflegemassnahmen auch in BADER A (2020) Die Verbreitung der Douglasie im Kanton Zürich. Zür Wald 54 (4): 19. mehreren anderen Beständen beobachtet wurden, BARTOŃ K (2019) MuMIn: Multi-Model Inference: R package ver- liess sich die Wirkung der Jungwaldpflege allerdings sion 1.43.15. statistisch nicht belegen. BASTIEN JC, PHILIPPE G, ROUSSELLE Y, SANCHEZ L, CHAUMET M ET AL (2021) Les variétés améliorées de douglas en France. Schweiz Z Forstwes 172: 76–83. doi: 10.3188/szf.2021.0076 BÉGIN J (1992) Productivité du douglas vert (Pseudotsuga men- Folgerungen für die Praxis ziesii [Mirb.] Franco var. menziesii Franco) en relation avec des caractéristiques stationelles. Birmensdorf: Eidgenöss Da die Douglasie als Baumart gilt, die mit zu- Forsch.anstalt WSL, Mitt. 67: 173–313. künftigen Klimabedingungen besser zurechtkom- BINDEWALD A, MICHIELS HG (2018) Invasivität der Douglasie in men wird als manche einheimische Baumart, ist Südwestdeutschland: Waldinventurdaten erlauben eine Ein- davon auszugehen, dass sie in Zukunft auch in schätzung. Schweiz Z Forstwes 169: 86–92. doi: 10.3188/ szf.2018.0169 der Schweiz vermehrt gepflanzt werden wird. Im BRÄNDLI UB, ABEGG M, ALLGAIER LEUCH B, EDITORS (2020) Schweizer Mittelland wurden Douglasien vor 80 bis Schweizerisches Landesforstinventar. Ergebnisse der vierten 130 Jahren besonders an produktiven Standorten Erhebung 2009–2017. Birmensdorf: Eidgenöss Forsch.anstalt angepflanzt. Wie unsere Untersuchungen bestäti- WSL. 341 p. gen, kann sich Douglasienverjüngung an solchen BRANG P, PLUESS AR, BÜRGI A, BORN J (2016) Potenzial von Gast- Standorten heute aufgrund der Konkurrenz durch baumarten bei der Anpassung an den Klimawandel. In: Pluess AR, Augustin S, Brang P, editors. Wald im Klimawandel. Grund- einheimische Baumarten, insbesondere die Buche, lagen für Adaptationsstrategien. Bern: Haupt. 385–405. natürlicherweise nicht durchsetzen. Im Umkehr- BÜRGI A, DIEZ C (1986) Übersicht über den Exotenanbau in der schluss bedeutet dies, dass Douglasien an produkti- Schweiz aufgrund einer Umfrage vom Herbst/Winter 1984/85. ven Standorten gezielte Fördermassnahmen benöti- Schweiz Z Forstwes 137: 833–851. doi: 10.5169/seals-765188 Schweiz Z Forstwes 172 (2021) 2: 94–105 CONNAISSANCES 103 pp2138_Frei.indd 103 22.02.21 08:35
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