COPD - Chronisch obstruktive Lungenerkrankung: Symptome, Risikofaktoren und Pathomechanismen

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COPD - Chronisch obstruktive Lungenerkrankung: Symptome, Risikofaktoren und Pathomechanismen
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                                     COPD - Chronisch obstruktive Lungenerkrankung:
                                     Symptome, Risikofaktoren und Pathomechanismen
                                     Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, kurz COPD, zählt weltweit zu
                                     den häufigsten und schwersten Krankheiten. Nach aktuellen Prognosen der
                                     WHO wird die Krankheit im Jahr 2030 die dritthäufigste Todesursache dar-
                                     stellen; 2002 lag sie erst auf Platz fünf in der Statistik. Hauptrisikofaktor ist
                                     das Rauchen: Rund 90 Prozent der COPD-Patienten rauchen oder haben in
                                     der Vergangenheit geraucht. Rauchverzicht ist nicht nur die beste Möglich-
                                     keit, sich vor COPD zu schützen, sondern kann bei bestehender Erkrankung
                                     auch die Symptome verringern.

                                                                                                                               Oben: Lungenbläschen eines
                                                                                                                               Gesunden
Graphik: Bundesverband der Pneumologen

                                                                                                                               Unten: Lungenbläschen eines
                                                                                                                               COPD-Patienten

                                     1. Definition und Abgrenzung von anderen
                                     Lungenerkrankungen

                                     1.1 Krankheitsbild

                                     Die Abkürzung COPD stammt aus dem Englischen und steht für chro-
                                     nic obstructive pulmonary disease. Hervorgerufen wird die chronisch
                                     obstruktive Lungenerkrankung, so die deutsche Übersetzung, durch
                                     eine Verengung der kleinen Atemwege. Typisch für die Krankheit sind
                                     eine fortschreitende Behinderung des Atemflusses durch eine Atem-
                                     wegsverengung (Obstruktion) und übermäßige Schleimproduktion. In
                                     der Regel beginnt die COPD mit einer chronischen Bronchitis. Man-
                                     che Menschen bleiben auf diesem Stadium, andere entwickeln eine
                                     COPD, das heißt es kommt eine obstruktive Komponente hinzu. Im
                                     Durchschnitt erkranken die Menschen im Alter von 50 bis 55 Jahren.

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                                                   Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: digu@helmholtz-muenchen.de, Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/digu
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Das Fatale an der Krankheit: Noch gibt es keine Medikamente, die
die Obstruktion des Atemflusses stoppen, bisherige Therapien lin-
dern lediglich die Symptome.

Die COPD ist kein einheitliches Krankheitsbild, sondern umfasst un-
terschiedliche Phänotypen. Man unterscheidet zwei Hauptgruppen,
die COPD mit chronischer Bronchitis und die COPD mit Lungenem-
physem. Eine chronische Bronchitis liegt nach den WHO-Kriterien
vor, wenn der Patient in mindestens drei Monaten in zwei aufei-
nander folgenden Jahren über chronischen Husten und vermehrte
Schleimbildung klagt. Der Begriff Lungenemphysem bezeichnet eine
irreversible Überblähung der Lunge, die durch den Abbau von Alve-
olargewebe entsteht, wodurch eine geringere Fläche für den Gas-
austausch zur Verfügung steht. Oft treten die chronische Bronchitis
und das Lungenemphysem aber auch zusammen in verschiedenen
Ausprägungen auf; die Übergänge zwischen den beiden Phänotypen
sind fließend. Hinzu kommt, dass die COPD in seltenen Fällen auch
Asthmakomponenten aufweist. Ähnlich wie Asthmatiker können
COPD-Patienten beispielsweise eine bronchiale Hyperreagibilität auf
externe Noxen entwickeln. Für nicht spezialisierte Ärzte ist es daher
nicht immer einfach, eine COPD von anderen Lungenerkrankungen
abzugrenzen. In der Praxis wird die Krankheit am häufigsten mit                           Foto: Sebastian Kaulitzki/Fotolia
der chronischen Bronchitis und mit Asthma verwechselt.

1.2 Symptome

Die hauptsächlichen Symptome von COPD sind Atemnot, Husten
und Auswurf (Sputum). Am Anfang der Erkrankung tritt die Atem-
not meist nur unter Belastung, später auch in Ruhe auf. Weitere
Krankheitszeichen können Geräusche beim Ausatmen und ein
Engegefühl in der Brust sein. Bleibt die Erkrankung unbehandelt,
nimmt die Lungenfunktion stark ab, und es kann zu einer akuten
Verschlechterung, einer so genannten Exazerbation kommen. Ex-
azerbationen treten aber auch unter Therapie auf, ihre Rate steigt
mit dem Schweregrad der Krankheit. Die Exazerbation äußert sich
in einer Verschlimmerung der Symptome, einer farblichen Verän-
derung des abgehusteten Schleims und allgemeinen Krankheitszei-
chen wie Müdigkeit und Fieber. Verursacht wird sie durch Infekte,
Luftverunreinigung oder Unfälle. Im fortgeschrittenen Krankheits-
verlauf werden durch die COPD meist auch andere Teile des Kör-
pers geschädigt, zum Beispiel das Herz, die Muskulatur und das
Knochensystem. Da die chronische Entzündung nicht nur die Atem-
wegsorgane, sondern den ganzen Organismus betrifft, leiden viele
Patienten auch an Blutarmut, Muskelabbau und Gewichtsverlust.

1.3 Schweregrade

Nach den Richtlinien der Global Initiative for Chronic Obstructive                        Chronischer Husten ist ein häufiges
Lung Disease (GOLD) wird die Krankheit in vier Schweregrade un-                           Symptom von COPD.
terteilt. Der Schweregrad I kennzeichnet die milde COPD. In diesem                        Foto: Fotolia
Stadium nimmt der Patient die leichten Einschränkungen seiner
Lungenfunktion in der Regel noch nicht wahr. Der Schweregrad II
steht für die moderate, der Schweregrad III für die schwere und der
Schwergrad IV für die sehr schwere COPD. Je nach Schweregrad
weichen wichtige Lungenfunktionsparameter unterschiedlich stark
von den Sollwerten ab (siehe Kapitel 6).

In der Praxis erfolgt die Diagnose „COPD“ oft erst in einem fortge-
schrittenen Krankheitsstadium, denn insbesondere Raucher neigen

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dazu, klassische Symptome wie chronischen Husten zu
verharmlosen.

2. Häufigkeit

Die chronische obstruktive Lungenerkrankung zählt weltweit zu
den häufigsten Krankheiten. Laut WHO rangierte sie im Jahr 2002
auf Platz fünf in der Liste der häufigsten Todesursachen. Aktuellen
Prognosen zufolge wird sie bis zum Jahr 2030 auf Platz drei in der
Statistik aufrücken. Als Ursachen für die weltweite Zunahme nennt
die WHO den zunehmenden Tabakkonsum und die Innenraum-
luftverschmutzung in Entwicklungsländern, wie sie etwa durch das
Kochen am offenen Feuer entsteht. Da weltweit immer mehr Frauen
rauchen, dürften die Krankheitsraten in Zukunft vor allem in der
weiblichen Bevölkerung steigen.

Die bisher umfangreichste Studie zur Prävalenz von COPD ist die
internationale BOLD-Studie (Burden of Obstructive Lung Disease).
Aus Deutschland beteiligte sich die Medizinische Hochschule Han-
nover an der Studie. Ein Forscherteam untersuchte 750 Menschen
im Alter von über 40 Jahren auf ihre Lungenfunktion. Insgesamt
wurde bei 13 Prozent der Studienteilnehmer eine COPD diagnosti-
ziert, davon wiesen sieben Prozent eine leichte, fünf Prozent eine
mittelgradige und ein Prozent eine schwere Krankheitsform auf. Wie
in anderen Studien waren Männer häufiger betroffen als Frauen:
Während 18 Prozent der Männer Symptome einer COPD aufwiesen,                              Das Lungenemphysem ist eine häufiges
waren es unter den weiblichen Probanden nur zehn Prozent. Da die                          Erscheinungsbild von COPD.
Studienteilnehmer aus der Großstadtregion Hannover stammten,                              Foto: Helmholtz Zentrum München
bleibt es allerdings offen, ob die Zahlen repräsentativ für Deutsch-
land sind. In der deutschen Gesamtbevölkerung tritt die Krankheit
Schätzungen zufolge ähnlich häufig auf wie Asthma, also bei etwa
fünf bis zehn Prozent aller Kinder und Erwachsenen.

3. Risikofaktoren

Wie die meisten komplexen Krankheiten entsteht die COPD durch
ein Zusammenspiel von Umwelt-, Lebensstil- und genetischen Fak-
toren. Hauptrisikofaktoren ist aber das Rauchen.

3.1 Rauchen

Rund 90 Prozent aller COPD-Patienten sind Raucher oder haben in
der Vergangenheit geraucht. Regelmäßiges Rauchen beschleunigt
den normalen, altersgemäßen Abbau der Lungenfunktion. So sinkt
das forcierte exspiratorische Einsekunden-Sekundenvolumen, der so
genannte FEV1-Wert, eines Nichtrauchers nach dem 25. Lebensjahr
jährlich um etwa 20 bis 30 Milliliter (ml), der eines Rauchers dage-
gen um 50 bis 60 ml. Der Einfluss von Tabakrauch auf Krankheits-
risiko und Mortalität hängt von der Zahl der gerauchten Zigaretten,
dem aktuellen Raucherstatus und den „pack years“ ab. Die pack
years eines Rauchers lassen sich mit folgender Formel berechnen:                          Viele COPD-Patienten sind Raucher oder
Anzahl der Raucherjahre multipliziert mit der Anzahl der täglich                          haben in der Vergangenheit geraucht.
gerauchten Zigarettenpackungen. Da allerdings nur zehn bis 15                             Foto: ABDA
Prozent der Raucher eine COPD entwickeln, gibt es möglicherweise
auch genetische Komponenten, die vor der Krankheit schützen.

Der Einfluss des Passivrauchens auf das Krankheitsrisiko ist weniger

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gut untersucht. Da die Ereignisse oft Jahrzehnte zurückliegen, ist es
schwierig festzustellen, wie oft eine Person in ihrem Leben Passiv-
rauch ausgesetzt war. Epidemiologische Studien der letzten Jahre
haben allerdings gezeigt, dass Personen, die mit einem Raucher
zusammenleben, häufiger an einer COPD sterben als Menschen aus
einem Nichtraucherhaushalt. Nach Berechnungen des Deutschen
Krebsforschungszentrums sind knapp zwei Prozent aller COPD-
bedingten Todesfälle bei lebenslangen Nichtrauchern auf Passivrau-
chen im Haushalt zurückzuführen.

3.2 Gase, Stäube und Dämpfe am Arbeitsplatz

Menschen, die berufsbedingt Gasen, Stäuben oder Dämpfen ausge-
setzt sind, entwickeln häufig eine COPD oder andere Lungenkrank-
heiten. Ein Risiko besteht zum Beispiel für langjährige Beschäf-
tigte im Bergbau und in der Getreideverladung, für Menschen, die
schweißen, mit Mineralfasern umgehen oder quarzhaltigen Dämpfen
ausgesetzt sind. In Entwicklungsländern spielen auch berufliche
Tätigkeiten an offenen Feuerstellen eine Rolle.

3.3 Einfluss von Feinstaub

Der Einfluss von akuter und dauerhafter Luftverschmutzung auf
die Morbidität und Mortalität der COPD ist durch zahlreiche Studien
belegt. So zeigt die europaweite APHEA-Studie (Air Pollution and
Health: a European Approach), dass die Zahl der Krankenhausauf-
nahmen wegen COPD vom Grad der akuten Luftverschmutzung mit                               Hohe Feinstaubbelastungen erhöhen das
Ozon und Feinstaub abhängt. Nach einer Studie vom Institut für                            Risiko, an COPD zu erkranken deutlich.
Umweltmedizinische Forschung an der Universität Düsseldorf haben                          Foto: Helmholtz Zentrum München
Frauen, die weniger als 100 Meter von einer vielbefahrenen Straße
entfernt wohnen, schlechtere Lungenfunktionswerte als Frauen, die
weiter weg wohnen. Gemessen wurde auch der Einfluss der Fein-
staubkonzentration auf Lungenparameter. Laut Studie sinkt der
FEV1-Wert um fünf Prozent, wenn sich die Belastung mit Feinstaub-
partikeln kleiner 10 Mikrometer (PM10) innerhalb von fünf Jahren
um sieben Mikrometer/Kubikmeter erhöht. Forscher vom Institut für
Inhalationsbiologie und der KKG Entzündliche Lungenerkrankungen
am Helmholtz Zentrum München konnten kürzlich außerdem nach-
weisen, dass sich ultrafeine Kohlenstoffpartikel, etwa aus Dieselab-
gasen oder Zigarettenrauch in der Lunge akkumulieren. Inhalati-
onsstudien an gesunden Nichtrauchern und Rauchern zeigten, dass
die Modellpartikel nach 48 Stunden aus dem peripheren Lungenge-
webe praktisch nicht gereinigt wurden. Bei Nicht-Rauchern lag die
Clearance (Reinigung) bei maximal 25 Prozent, bei Rauchern und
COPD-Patienten war sie noch geringer.

3.4 Häufige Atemwegsinfektionen

Dass häufige Infektionen der Atemwege chronische Lungener-
krankungen fördern, ist eine gängige Hypothese in der Lungenfor-
schung. Denn Menschen, deren Lunge ständig mit Keimen besiedelt
sind, haben eine schwache Immunabwehr. Studien zeigen außer-                              Mit steigender Feinstaubbelastung,
dem einen Zusammenhang zwischen chronischen Atemwegsinfek-                                verschlechtern sich die Lungen-
tionen in der frühen Kindheit und dem Auftreten einer COPD im                             funktionswert. Hier: Feinstaubmessung
Erwachsenenalter. Wissenschaftler vermuten, dass sich chronische                          an einer Straße
Infektionen eines Organsystems in der Wachstumsphase schädi-                              Foto: Helmholtz Zentrum München
gend auf dieses auswirken. Jedoch ist die Studienlage zu diesem
Thema noch widersprüchlich. Für einen klaren Beweis müssten die
Studienteilnehmer über einen sehr langen Zeitraum getestet wer-

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den. Die bisher durchgeführten epidemiologischen Untersuchungen
basieren aber auf eigenen Angaben der Studienteilnehmer.

3.5 Genetische Ursachen

Dass nicht alle Raucher eine COPD entwickeln, gleichzeitig aber
auch Nichtraucher an COPD leiden, liegt am Einfluss von erblichen
Faktoren. Als gesichert gilt bisher, dass ein angeborener Mangel
an α1-Antitrypsin das Risiko für COPD erhöht. Das Enzym hemmt
Proteasen und spielt damit eine wichtige Rolle bei der Entstehung
des Lungenemphysems. Menschen mit einem angeborenen α1-
Antitrypsin-Mangel entwickeln die Krankheit oft schon vor dem 40.
Lebensjahr. Die Störung ist allerdings äußerst selten; lediglich 0,2
Promille der mitteleuropäischen Bevölkerung sind betroffen.

Die COPD ist eine polygenetische Krankheit – das Krankheitsrisiko
wird durch das Zusammentreffen vieler genetischer Polymorphis-
men erhöht (Polymorphismus = Auftreten von Sequenzvariationen
in den Genen einer Population). In den vergangenen Jahren haben
Wissenschaftler zahlreiche Genorte identifiziert, die in Entzündungs-
reaktionen der Bronchialschleimhaut eingreifen. Bekannt sind zum
Beispiel Punktmutationen für den Tumor-Nekrose-Faktor in be-
stimmten Bevölkerungsgruppen. Allerdings ist die Studienlage zum
Einfluss genetischer Polymorphismen noch widersprüchlich, denn
bisher wurden nur kleine Populationen mit unzureichend definierten
Phänotypen untersucht.

Neue Erkenntnisse zum genetischen Hintergrund der COPD soll die
EvA-Studie liefern. An dem Projekt, das im Oktober 2008
gestartet ist, beteiligen sich 13 Forschungszentren aus neun euro-
päischen Ländern. Die Abkürzung EvA steht für Emphysem versus
Airway disease (chronische Bronchitis). Durch eine genaue Unter-
scheidung zwischen Lungenemphysem und chronischer Bronchitis
mittels High-Resolution Computertomography und nachfolgender
computer-gestützter Auswertung wollen die Forscher unter ande-
rem herausfinden, ob es für die beiden Phänotypen unterschiedliche
genetische Mutationen gibt.
                                                                                          COPD wird also durch das Zusammen-
                                                                                          treffen vieler Genvarianten erhöht.
                                                                                          Im Bild: Doppelhelix der DNA
4. Pathologie                                                                             Foto: Falko Matte/Fotolia

4.1 Pathologische Veränderungen

Wie Asthma liegt auch der COPD eine chronische Entzündung der
Atemwege zugrunde. Die Folge der erhöhten Entzündungsaktivität
in der Bronchialschleimhaut ist ein so genanntes Remodelling der
Atemwege: Durch wiederholte Schädigung und nachfolgende Repa-
raturvorgänge wird vermehrt Kollagen in die Bronchialschleimhaut
eingelagert. Es bildet sich Narbengewebe, die Atemwege werden
verengt. Da der Spannungszustand der glatten Muskulatur häufig
und lang anhaltend erhöht ist, schwillt die Atemwegsschleimhaut
an und verengt die Bronchien weiter. Im fortgeschrittenen Stadium
steigt zudem die Zahl der Becherzellen und die Größe der Schleim
produzierten Drüsen, weshalb mehr Bronchialschleim gebildet wird.
Gleichzeitig sind die Selbstreinigungsmechanismen der Bronchien
durch den Verlust der Zilien (Flimmerhaare) eingeschränkt. Der
zähe Schleim trägt weiter zur Einengung der Atemwege bei und
kann im Extremfall die peripheren Bronchien sogar komplett ver-
schließen.

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4.2 Die Rolle des Immunsystems

In der Bronchialschleimhaut und im Sputum von COPD-Patienten
können Immunzellen wie neutrophile Granulozyten, Makrophagen
und T-Lymphozyten nachgewiesen werden. Über die Ausschüttung
von Botenstoffen sind diese Zellen an Entzündungsvorgängen in der
Bronchialschleimhaut beteiligt. Eine wichtige Rolle spielen zahlen-
mäßig die neutrophilen Granulozyten. Sie aktivieren in der Bron-
chialschleimhaut verschiedene Enzyme, die das Bindegewebe im
Lungenparenchym zerstören.

Neben den neutrophilen Granulozyten rücken seit einigen Jahren
auch die Makrophagen stärker ins Blickfeld der Forschung. Diese
Abwehrzellen gehören zu den weißen Blutkörperchen und zerstören
im Atmungssystem Viren, Bakterien und Aerosolpartikel. Die KKG
„Entzündliche Lungenerkrankungen“ am Helmholtz Zentrum Mün-
chen erforscht den Einfluss von Makrophagen auf die Entstehung
von COPD. Vor einiger Zeit konnte die Forschergruppe erstmals eine
Makrophagenpopulation im Sputum nachweisen, deren Zellen klei-
ner als die bisher bekannten Makrophagen sind. Diese so genann-
ten kleinen Sputummakrophagen machen im Bronchialsekret von
Gesunden nur etwa zehn Prozent aller Makrophagen aus, im Sekret
von COPD-Kranken jedoch bis zu
90 Prozent. Man nimmt an, dass die kleinen Sputummakrophagen                              Makrophage auf der Oberfläche eines
eine entscheidende Rolle in den Entzündungsprozessen spielen.                             Lungenbläschens
So ergab eine Analyse der Makrophagen, dass sie große Mengen                              Foto: Helmholtz Zentrum München
des Tumor-Nekrose-Faktors (TNF) produzieren. Dieses Zytokin hält
den Entzündungsstatus in der Zelle aufrecht und kann so zur Ent-
stehung der COPD beitragen. Die Wissenschaftler vermuten, dass
luftgetragene Partikel bestimmte Gene der kleinen Sputummakro-
phagen aktivieren.

4.3 Pathomechanismen

Als Grundlage für den Entzündungsprozess werden verschiedene
Thesen diskutiert. Wissenschaftlich anerkannt sind derzeit folgende
Erklärungsmodelle: Das Protease-Antiprotease-Ungleichgewicht und
der oxidative Stress.
Die Protease-Antiprotease-Hypothese geht davon aus, dass inha-
lative Noxen wie Zigarettenrauch und Feinstaub Makrophagen und
T-Helferzellen aktivieren, die wiederum Entzündungsbotenstoffe
absondern. Dadurch kommt es zur Einwanderung von neutrophilen
Granulozyten in die Bronchialschleimhaut, die zusammen mit den
Makrophagen nun zellschädigende Proteasen freisetzen. Gleichzei-
tig werden schützende Antiproteasen inaktiviert. Das entstehende
Ungleichgewicht begünstigt die Bildung eines Lungenemphysems.
Auch oxidativer Stress beschleunigt den Gewebeabbau: Inhalativer
Zigarettenrauch und Entzündungsreaktionen, so die These, rufen
ein Ungleichgewicht zwischen Oxidanzien und Antioxidanzien her-
vor. Die Folge sind zelltoxische Schäden, die zu einem Emphysem
führen können. Oxidativer Stress verstärkt zudem die Schleim-
produktion, die Bildung von Proteasen und die Einwanderung von
neutrophilen Granuolozyten in die Bronchialschleimhaut.

Während das Protease-Antiprotease-Ungleichgewicht nur für das
Lungenemphysem verantwortlich ist, begünstigt oxidativer Stress
beide Phänotypen. Jedoch kann weder die eine noch die ande-
re These den Abbau von Lungengewebe vollständig erklären. So
kommt ein Oxidanzien-Antioxidanzien-Ungleichgewicht auch bei
anderen Lungenkrankheiten vor, etwa bei der Lungenfibrose oder
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bei Asthma. Deshalb werden für die Pathologie der COPD noch
weitere Erklärungsmodelle diskutiert. An Bedeutung gewinnt zur-
zeit die These der fehlregulierten Apoptose. Als Apoptose wird der
programmierte Zelltod bezeichnet. Er gewährleistet das Gleichge-
wicht zwischen Zellteilung und dem Abbau alter oder geschädigter
Zellen. Dabei wird eine Signalkaskade in Gang gesetzt, die zur
Zellschrumpfung, DNA-Fragmentierung und schließlich zur Beseiti-
gung abgestorbener Zellen durch Phagozytose führt. Ein gestörtes
Gleichgewicht zwischen Apoptose und Zellneubildung könnte die
COPD begünstigen.

Auch autoimmunwirksame Antikörper scheinen an den strukturellen
Veränderungen in der Lunge beteiligt zu sein. So konnten Pneu-
mologen der Universitäten Pittsburgh und Boston/USA bei COPD-
Patienten erhöhte Werte von Autoantikörpern nachweisen, die sich
gegen körpereigene Lungenepithelzellen richten. Welche Antigene
die Produktion der Autoantikörpern verursachen, ist noch unklar.

Weiterführende Informationen

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http://www.atemwegsliga.de/

Deutsches Krebsforschungszentrum (2008): Durch Rauchen und
Passivrauchen verursachte Atemwegs- und Lungenerkrankungen
http://www.tabakkontrolle.de/pdf/FzR_Gesundheitsschaeden.pdf

European Lung Foundation:
http://www.de.european-lung-foundation.org

EvA-Projekt: Emphysema versus Airways disease
http://www.eva-copd.eu/

Helmholtz Zentrum München: Entzündliche Lungenerkrankungen.
In: „Vom Labor in die Klinik. Translationale Forschung“, S. 13-16
http://www.helmholtz-muenchen.de/fileadmin/GSF/pdf/publikati-
onen/broschueren/translationale-forschung/TLF_Deutsch_komplett.
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Helmholtz Zentrum München: Großes Netzwerk für kleine Teilchen
http://www.helmholtz-muenchen.de/fileadmin/GSF/pdf/publikati-
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Helmholtz Zentrum München: Ultrafeine Kohlenstoffpartikel akku-
mulieren in der Lunge. In: Highlights 2008: Mechanistische Grund-
lagen von Gesundheit und Krankheit
http://www.helmholtz-muenchen.de/highlights/mechani-
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article/10546/29/index.html

Nationale Versorgungsleitlinie COPD
http://www.versorgungsleitlinien.de/themen/copd/pdf/nvl_copd_
lang.pdf

Selbsthilfegruppe Lungenemphysem – COPD Deutschland
http://www.lungenemphysem-copd.de/

    Helmholtz Zentrum München – Deutscher Infomationsdienst Gesundheit und Umwelt, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg
              Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: digu@helmholtz-muenchen.de, Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/digu
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The Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD)
http://www.goldcopd.com/

WHO: COPD predicted to be third leading cause of death in 2030
http://www.who.int/gard/news_events/World_Health_
Statistics_2008/en/index.html

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