COPD - Chronisch obstruktive Lungenerkrankung: Symptome, Risikofaktoren und Pathomechanismen
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deutscher informationsdienst gesundheit und umwelt COPD - Chronisch obstruktive Lungenerkrankung: Symptome, Risikofaktoren und Pathomechanismen Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, kurz COPD, zählt weltweit zu den häufigsten und schwersten Krankheiten. Nach aktuellen Prognosen der WHO wird die Krankheit im Jahr 2030 die dritthäufigste Todesursache dar- stellen; 2002 lag sie erst auf Platz fünf in der Statistik. Hauptrisikofaktor ist das Rauchen: Rund 90 Prozent der COPD-Patienten rauchen oder haben in der Vergangenheit geraucht. Rauchverzicht ist nicht nur die beste Möglich- keit, sich vor COPD zu schützen, sondern kann bei bestehender Erkrankung auch die Symptome verringern. Oben: Lungenbläschen eines Gesunden Graphik: Bundesverband der Pneumologen Unten: Lungenbläschen eines COPD-Patienten 1. Definition und Abgrenzung von anderen Lungenerkrankungen 1.1 Krankheitsbild Die Abkürzung COPD stammt aus dem Englischen und steht für chro- nic obstructive pulmonary disease. Hervorgerufen wird die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, so die deutsche Übersetzung, durch eine Verengung der kleinen Atemwege. Typisch für die Krankheit sind eine fortschreitende Behinderung des Atemflusses durch eine Atem- wegsverengung (Obstruktion) und übermäßige Schleimproduktion. In der Regel beginnt die COPD mit einer chronischen Bronchitis. Man- che Menschen bleiben auf diesem Stadium, andere entwickeln eine COPD, das heißt es kommt eine obstruktive Komponente hinzu. Im Durchschnitt erkranken die Menschen im Alter von 50 bis 55 Jahren. Helmholtz Zentrum München – Deutscher Infomationsdienst Gesundheit und Umwelt, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: digu@helmholtz-muenchen.de, Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/digu
- 2 - COPD - Chronisch obstruktive Lungenerkrankung: Symptome, Risikofaktoren und Pathomechanismen Das Fatale an der Krankheit: Noch gibt es keine Medikamente, die die Obstruktion des Atemflusses stoppen, bisherige Therapien lin- dern lediglich die Symptome. Die COPD ist kein einheitliches Krankheitsbild, sondern umfasst un- terschiedliche Phänotypen. Man unterscheidet zwei Hauptgruppen, die COPD mit chronischer Bronchitis und die COPD mit Lungenem- physem. Eine chronische Bronchitis liegt nach den WHO-Kriterien vor, wenn der Patient in mindestens drei Monaten in zwei aufei- nander folgenden Jahren über chronischen Husten und vermehrte Schleimbildung klagt. Der Begriff Lungenemphysem bezeichnet eine irreversible Überblähung der Lunge, die durch den Abbau von Alve- olargewebe entsteht, wodurch eine geringere Fläche für den Gas- austausch zur Verfügung steht. Oft treten die chronische Bronchitis und das Lungenemphysem aber auch zusammen in verschiedenen Ausprägungen auf; die Übergänge zwischen den beiden Phänotypen sind fließend. Hinzu kommt, dass die COPD in seltenen Fällen auch Asthmakomponenten aufweist. Ähnlich wie Asthmatiker können COPD-Patienten beispielsweise eine bronchiale Hyperreagibilität auf externe Noxen entwickeln. Für nicht spezialisierte Ärzte ist es daher nicht immer einfach, eine COPD von anderen Lungenerkrankungen abzugrenzen. In der Praxis wird die Krankheit am häufigsten mit Foto: Sebastian Kaulitzki/Fotolia der chronischen Bronchitis und mit Asthma verwechselt. 1.2 Symptome Die hauptsächlichen Symptome von COPD sind Atemnot, Husten und Auswurf (Sputum). Am Anfang der Erkrankung tritt die Atem- not meist nur unter Belastung, später auch in Ruhe auf. Weitere Krankheitszeichen können Geräusche beim Ausatmen und ein Engegefühl in der Brust sein. Bleibt die Erkrankung unbehandelt, nimmt die Lungenfunktion stark ab, und es kann zu einer akuten Verschlechterung, einer so genannten Exazerbation kommen. Ex- azerbationen treten aber auch unter Therapie auf, ihre Rate steigt mit dem Schweregrad der Krankheit. Die Exazerbation äußert sich in einer Verschlimmerung der Symptome, einer farblichen Verän- derung des abgehusteten Schleims und allgemeinen Krankheitszei- chen wie Müdigkeit und Fieber. Verursacht wird sie durch Infekte, Luftverunreinigung oder Unfälle. Im fortgeschrittenen Krankheits- verlauf werden durch die COPD meist auch andere Teile des Kör- pers geschädigt, zum Beispiel das Herz, die Muskulatur und das Knochensystem. Da die chronische Entzündung nicht nur die Atem- wegsorgane, sondern den ganzen Organismus betrifft, leiden viele Patienten auch an Blutarmut, Muskelabbau und Gewichtsverlust. 1.3 Schweregrade Nach den Richtlinien der Global Initiative for Chronic Obstructive Chronischer Husten ist ein häufiges Lung Disease (GOLD) wird die Krankheit in vier Schweregrade un- Symptom von COPD. terteilt. Der Schweregrad I kennzeichnet die milde COPD. In diesem Foto: Fotolia Stadium nimmt der Patient die leichten Einschränkungen seiner Lungenfunktion in der Regel noch nicht wahr. Der Schweregrad II steht für die moderate, der Schweregrad III für die schwere und der Schwergrad IV für die sehr schwere COPD. Je nach Schweregrad weichen wichtige Lungenfunktionsparameter unterschiedlich stark von den Sollwerten ab (siehe Kapitel 6). In der Praxis erfolgt die Diagnose „COPD“ oft erst in einem fortge- schrittenen Krankheitsstadium, denn insbesondere Raucher neigen Helmholtz Zentrum München – Deutscher Infomationsdienst Gesundheit und Umwelt, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: digu@helmholtz-muenchen.de, Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/digu
COPD - Chronisch obstruktive Lungenerkrankung: Symptome, Risikofaktoren und Pathomechanismen -3- dazu, klassische Symptome wie chronischen Husten zu verharmlosen. 2. Häufigkeit Die chronische obstruktive Lungenerkrankung zählt weltweit zu den häufigsten Krankheiten. Laut WHO rangierte sie im Jahr 2002 auf Platz fünf in der Liste der häufigsten Todesursachen. Aktuellen Prognosen zufolge wird sie bis zum Jahr 2030 auf Platz drei in der Statistik aufrücken. Als Ursachen für die weltweite Zunahme nennt die WHO den zunehmenden Tabakkonsum und die Innenraum- luftverschmutzung in Entwicklungsländern, wie sie etwa durch das Kochen am offenen Feuer entsteht. Da weltweit immer mehr Frauen rauchen, dürften die Krankheitsraten in Zukunft vor allem in der weiblichen Bevölkerung steigen. Die bisher umfangreichste Studie zur Prävalenz von COPD ist die internationale BOLD-Studie (Burden of Obstructive Lung Disease). Aus Deutschland beteiligte sich die Medizinische Hochschule Han- nover an der Studie. Ein Forscherteam untersuchte 750 Menschen im Alter von über 40 Jahren auf ihre Lungenfunktion. Insgesamt wurde bei 13 Prozent der Studienteilnehmer eine COPD diagnosti- ziert, davon wiesen sieben Prozent eine leichte, fünf Prozent eine mittelgradige und ein Prozent eine schwere Krankheitsform auf. Wie in anderen Studien waren Männer häufiger betroffen als Frauen: Während 18 Prozent der Männer Symptome einer COPD aufwiesen, Das Lungenemphysem ist eine häufiges waren es unter den weiblichen Probanden nur zehn Prozent. Da die Erscheinungsbild von COPD. Studienteilnehmer aus der Großstadtregion Hannover stammten, Foto: Helmholtz Zentrum München bleibt es allerdings offen, ob die Zahlen repräsentativ für Deutsch- land sind. In der deutschen Gesamtbevölkerung tritt die Krankheit Schätzungen zufolge ähnlich häufig auf wie Asthma, also bei etwa fünf bis zehn Prozent aller Kinder und Erwachsenen. 3. Risikofaktoren Wie die meisten komplexen Krankheiten entsteht die COPD durch ein Zusammenspiel von Umwelt-, Lebensstil- und genetischen Fak- toren. Hauptrisikofaktoren ist aber das Rauchen. 3.1 Rauchen Rund 90 Prozent aller COPD-Patienten sind Raucher oder haben in der Vergangenheit geraucht. Regelmäßiges Rauchen beschleunigt den normalen, altersgemäßen Abbau der Lungenfunktion. So sinkt das forcierte exspiratorische Einsekunden-Sekundenvolumen, der so genannte FEV1-Wert, eines Nichtrauchers nach dem 25. Lebensjahr jährlich um etwa 20 bis 30 Milliliter (ml), der eines Rauchers dage- gen um 50 bis 60 ml. Der Einfluss von Tabakrauch auf Krankheits- risiko und Mortalität hängt von der Zahl der gerauchten Zigaretten, dem aktuellen Raucherstatus und den „pack years“ ab. Die pack years eines Rauchers lassen sich mit folgender Formel berechnen: Viele COPD-Patienten sind Raucher oder Anzahl der Raucherjahre multipliziert mit der Anzahl der täglich haben in der Vergangenheit geraucht. gerauchten Zigarettenpackungen. Da allerdings nur zehn bis 15 Foto: ABDA Prozent der Raucher eine COPD entwickeln, gibt es möglicherweise auch genetische Komponenten, die vor der Krankheit schützen. Der Einfluss des Passivrauchens auf das Krankheitsrisiko ist weniger Helmholtz Zentrum München – Deutscher Infomationsdienst Gesundheit und Umwelt, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: digu@helmholtz-muenchen.de, Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/digu
- 4 - COPD - Chronisch obstruktive Lungenerkrankung: Symptome, Risikofaktoren und Pathomechanismen gut untersucht. Da die Ereignisse oft Jahrzehnte zurückliegen, ist es schwierig festzustellen, wie oft eine Person in ihrem Leben Passiv- rauch ausgesetzt war. Epidemiologische Studien der letzten Jahre haben allerdings gezeigt, dass Personen, die mit einem Raucher zusammenleben, häufiger an einer COPD sterben als Menschen aus einem Nichtraucherhaushalt. Nach Berechnungen des Deutschen Krebsforschungszentrums sind knapp zwei Prozent aller COPD- bedingten Todesfälle bei lebenslangen Nichtrauchern auf Passivrau- chen im Haushalt zurückzuführen. 3.2 Gase, Stäube und Dämpfe am Arbeitsplatz Menschen, die berufsbedingt Gasen, Stäuben oder Dämpfen ausge- setzt sind, entwickeln häufig eine COPD oder andere Lungenkrank- heiten. Ein Risiko besteht zum Beispiel für langjährige Beschäf- tigte im Bergbau und in der Getreideverladung, für Menschen, die schweißen, mit Mineralfasern umgehen oder quarzhaltigen Dämpfen ausgesetzt sind. In Entwicklungsländern spielen auch berufliche Tätigkeiten an offenen Feuerstellen eine Rolle. 3.3 Einfluss von Feinstaub Der Einfluss von akuter und dauerhafter Luftverschmutzung auf die Morbidität und Mortalität der COPD ist durch zahlreiche Studien belegt. So zeigt die europaweite APHEA-Studie (Air Pollution and Health: a European Approach), dass die Zahl der Krankenhausauf- nahmen wegen COPD vom Grad der akuten Luftverschmutzung mit Hohe Feinstaubbelastungen erhöhen das Ozon und Feinstaub abhängt. Nach einer Studie vom Institut für Risiko, an COPD zu erkranken deutlich. Umweltmedizinische Forschung an der Universität Düsseldorf haben Foto: Helmholtz Zentrum München Frauen, die weniger als 100 Meter von einer vielbefahrenen Straße entfernt wohnen, schlechtere Lungenfunktionswerte als Frauen, die weiter weg wohnen. Gemessen wurde auch der Einfluss der Fein- staubkonzentration auf Lungenparameter. Laut Studie sinkt der FEV1-Wert um fünf Prozent, wenn sich die Belastung mit Feinstaub- partikeln kleiner 10 Mikrometer (PM10) innerhalb von fünf Jahren um sieben Mikrometer/Kubikmeter erhöht. Forscher vom Institut für Inhalationsbiologie und der KKG Entzündliche Lungenerkrankungen am Helmholtz Zentrum München konnten kürzlich außerdem nach- weisen, dass sich ultrafeine Kohlenstoffpartikel, etwa aus Dieselab- gasen oder Zigarettenrauch in der Lunge akkumulieren. Inhalati- onsstudien an gesunden Nichtrauchern und Rauchern zeigten, dass die Modellpartikel nach 48 Stunden aus dem peripheren Lungenge- webe praktisch nicht gereinigt wurden. Bei Nicht-Rauchern lag die Clearance (Reinigung) bei maximal 25 Prozent, bei Rauchern und COPD-Patienten war sie noch geringer. 3.4 Häufige Atemwegsinfektionen Dass häufige Infektionen der Atemwege chronische Lungener- krankungen fördern, ist eine gängige Hypothese in der Lungenfor- schung. Denn Menschen, deren Lunge ständig mit Keimen besiedelt sind, haben eine schwache Immunabwehr. Studien zeigen außer- Mit steigender Feinstaubbelastung, dem einen Zusammenhang zwischen chronischen Atemwegsinfek- verschlechtern sich die Lungen- tionen in der frühen Kindheit und dem Auftreten einer COPD im funktionswert. Hier: Feinstaubmessung Erwachsenenalter. Wissenschaftler vermuten, dass sich chronische an einer Straße Infektionen eines Organsystems in der Wachstumsphase schädi- Foto: Helmholtz Zentrum München gend auf dieses auswirken. Jedoch ist die Studienlage zu diesem Thema noch widersprüchlich. Für einen klaren Beweis müssten die Studienteilnehmer über einen sehr langen Zeitraum getestet wer- Helmholtz Zentrum München – Deutscher Infomationsdienst Gesundheit und Umwelt, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: digu@helmholtz-muenchen.de, Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/digu
COPD - Chronisch obstruktive Lungenerkrankung: Symptome, Risikofaktoren und Pathomechanismen -5- den. Die bisher durchgeführten epidemiologischen Untersuchungen basieren aber auf eigenen Angaben der Studienteilnehmer. 3.5 Genetische Ursachen Dass nicht alle Raucher eine COPD entwickeln, gleichzeitig aber auch Nichtraucher an COPD leiden, liegt am Einfluss von erblichen Faktoren. Als gesichert gilt bisher, dass ein angeborener Mangel an α1-Antitrypsin das Risiko für COPD erhöht. Das Enzym hemmt Proteasen und spielt damit eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Lungenemphysems. Menschen mit einem angeborenen α1- Antitrypsin-Mangel entwickeln die Krankheit oft schon vor dem 40. Lebensjahr. Die Störung ist allerdings äußerst selten; lediglich 0,2 Promille der mitteleuropäischen Bevölkerung sind betroffen. Die COPD ist eine polygenetische Krankheit – das Krankheitsrisiko wird durch das Zusammentreffen vieler genetischer Polymorphis- men erhöht (Polymorphismus = Auftreten von Sequenzvariationen in den Genen einer Population). In den vergangenen Jahren haben Wissenschaftler zahlreiche Genorte identifiziert, die in Entzündungs- reaktionen der Bronchialschleimhaut eingreifen. Bekannt sind zum Beispiel Punktmutationen für den Tumor-Nekrose-Faktor in be- stimmten Bevölkerungsgruppen. Allerdings ist die Studienlage zum Einfluss genetischer Polymorphismen noch widersprüchlich, denn bisher wurden nur kleine Populationen mit unzureichend definierten Phänotypen untersucht. Neue Erkenntnisse zum genetischen Hintergrund der COPD soll die EvA-Studie liefern. An dem Projekt, das im Oktober 2008 gestartet ist, beteiligen sich 13 Forschungszentren aus neun euro- päischen Ländern. Die Abkürzung EvA steht für Emphysem versus Airway disease (chronische Bronchitis). Durch eine genaue Unter- scheidung zwischen Lungenemphysem und chronischer Bronchitis mittels High-Resolution Computertomography und nachfolgender computer-gestützter Auswertung wollen die Forscher unter ande- rem herausfinden, ob es für die beiden Phänotypen unterschiedliche genetische Mutationen gibt. COPD wird also durch das Zusammen- treffen vieler Genvarianten erhöht. Im Bild: Doppelhelix der DNA 4. Pathologie Foto: Falko Matte/Fotolia 4.1 Pathologische Veränderungen Wie Asthma liegt auch der COPD eine chronische Entzündung der Atemwege zugrunde. Die Folge der erhöhten Entzündungsaktivität in der Bronchialschleimhaut ist ein so genanntes Remodelling der Atemwege: Durch wiederholte Schädigung und nachfolgende Repa- raturvorgänge wird vermehrt Kollagen in die Bronchialschleimhaut eingelagert. Es bildet sich Narbengewebe, die Atemwege werden verengt. Da der Spannungszustand der glatten Muskulatur häufig und lang anhaltend erhöht ist, schwillt die Atemwegsschleimhaut an und verengt die Bronchien weiter. Im fortgeschrittenen Stadium steigt zudem die Zahl der Becherzellen und die Größe der Schleim produzierten Drüsen, weshalb mehr Bronchialschleim gebildet wird. Gleichzeitig sind die Selbstreinigungsmechanismen der Bronchien durch den Verlust der Zilien (Flimmerhaare) eingeschränkt. Der zähe Schleim trägt weiter zur Einengung der Atemwege bei und kann im Extremfall die peripheren Bronchien sogar komplett ver- schließen. Helmholtz Zentrum München – Deutscher Infomationsdienst Gesundheit und Umwelt, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: digu@helmholtz-muenchen.de, Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/digu
- 6 - COPD - Chronisch obstruktive Lungenerkrankung: Symptome, Risikofaktoren und Pathomechanismen 4.2 Die Rolle des Immunsystems In der Bronchialschleimhaut und im Sputum von COPD-Patienten können Immunzellen wie neutrophile Granulozyten, Makrophagen und T-Lymphozyten nachgewiesen werden. Über die Ausschüttung von Botenstoffen sind diese Zellen an Entzündungsvorgängen in der Bronchialschleimhaut beteiligt. Eine wichtige Rolle spielen zahlen- mäßig die neutrophilen Granulozyten. Sie aktivieren in der Bron- chialschleimhaut verschiedene Enzyme, die das Bindegewebe im Lungenparenchym zerstören. Neben den neutrophilen Granulozyten rücken seit einigen Jahren auch die Makrophagen stärker ins Blickfeld der Forschung. Diese Abwehrzellen gehören zu den weißen Blutkörperchen und zerstören im Atmungssystem Viren, Bakterien und Aerosolpartikel. Die KKG „Entzündliche Lungenerkrankungen“ am Helmholtz Zentrum Mün- chen erforscht den Einfluss von Makrophagen auf die Entstehung von COPD. Vor einiger Zeit konnte die Forschergruppe erstmals eine Makrophagenpopulation im Sputum nachweisen, deren Zellen klei- ner als die bisher bekannten Makrophagen sind. Diese so genann- ten kleinen Sputummakrophagen machen im Bronchialsekret von Gesunden nur etwa zehn Prozent aller Makrophagen aus, im Sekret von COPD-Kranken jedoch bis zu 90 Prozent. Man nimmt an, dass die kleinen Sputummakrophagen Makrophage auf der Oberfläche eines eine entscheidende Rolle in den Entzündungsprozessen spielen. Lungenbläschens So ergab eine Analyse der Makrophagen, dass sie große Mengen Foto: Helmholtz Zentrum München des Tumor-Nekrose-Faktors (TNF) produzieren. Dieses Zytokin hält den Entzündungsstatus in der Zelle aufrecht und kann so zur Ent- stehung der COPD beitragen. Die Wissenschaftler vermuten, dass luftgetragene Partikel bestimmte Gene der kleinen Sputummakro- phagen aktivieren. 4.3 Pathomechanismen Als Grundlage für den Entzündungsprozess werden verschiedene Thesen diskutiert. Wissenschaftlich anerkannt sind derzeit folgende Erklärungsmodelle: Das Protease-Antiprotease-Ungleichgewicht und der oxidative Stress. Die Protease-Antiprotease-Hypothese geht davon aus, dass inha- lative Noxen wie Zigarettenrauch und Feinstaub Makrophagen und T-Helferzellen aktivieren, die wiederum Entzündungsbotenstoffe absondern. Dadurch kommt es zur Einwanderung von neutrophilen Granulozyten in die Bronchialschleimhaut, die zusammen mit den Makrophagen nun zellschädigende Proteasen freisetzen. Gleichzei- tig werden schützende Antiproteasen inaktiviert. Das entstehende Ungleichgewicht begünstigt die Bildung eines Lungenemphysems. Auch oxidativer Stress beschleunigt den Gewebeabbau: Inhalativer Zigarettenrauch und Entzündungsreaktionen, so die These, rufen ein Ungleichgewicht zwischen Oxidanzien und Antioxidanzien her- vor. Die Folge sind zelltoxische Schäden, die zu einem Emphysem führen können. Oxidativer Stress verstärkt zudem die Schleim- produktion, die Bildung von Proteasen und die Einwanderung von neutrophilen Granuolozyten in die Bronchialschleimhaut. Während das Protease-Antiprotease-Ungleichgewicht nur für das Lungenemphysem verantwortlich ist, begünstigt oxidativer Stress beide Phänotypen. Jedoch kann weder die eine noch die ande- re These den Abbau von Lungengewebe vollständig erklären. So kommt ein Oxidanzien-Antioxidanzien-Ungleichgewicht auch bei anderen Lungenkrankheiten vor, etwa bei der Lungenfibrose oder Helmholtz Zentrum München – Deutscher Infomationsdienst Gesundheit und Umwelt, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: digu@helmholtz-muenchen.de, Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/digu
COPD - Chronisch obstruktive Lungenerkrankung: Symptome, Risikofaktoren und Pathomechanismen -7- bei Asthma. Deshalb werden für die Pathologie der COPD noch weitere Erklärungsmodelle diskutiert. An Bedeutung gewinnt zur- zeit die These der fehlregulierten Apoptose. Als Apoptose wird der programmierte Zelltod bezeichnet. Er gewährleistet das Gleichge- wicht zwischen Zellteilung und dem Abbau alter oder geschädigter Zellen. Dabei wird eine Signalkaskade in Gang gesetzt, die zur Zellschrumpfung, DNA-Fragmentierung und schließlich zur Beseiti- gung abgestorbener Zellen durch Phagozytose führt. Ein gestörtes Gleichgewicht zwischen Apoptose und Zellneubildung könnte die COPD begünstigen. Auch autoimmunwirksame Antikörper scheinen an den strukturellen Veränderungen in der Lunge beteiligt zu sein. So konnten Pneu- mologen der Universitäten Pittsburgh und Boston/USA bei COPD- Patienten erhöhte Werte von Autoantikörpern nachweisen, die sich gegen körpereigene Lungenepithelzellen richten. Welche Antigene die Produktion der Autoantikörpern verursachen, ist noch unklar. Weiterführende Informationen Deutsche Atemwegsliga: http://www.atemwegsliga.de/ Deutsches Krebsforschungszentrum (2008): Durch Rauchen und Passivrauchen verursachte Atemwegs- und Lungenerkrankungen http://www.tabakkontrolle.de/pdf/FzR_Gesundheitsschaeden.pdf European Lung Foundation: http://www.de.european-lung-foundation.org EvA-Projekt: Emphysema versus Airways disease http://www.eva-copd.eu/ Helmholtz Zentrum München: Entzündliche Lungenerkrankungen. In: „Vom Labor in die Klinik. Translationale Forschung“, S. 13-16 http://www.helmholtz-muenchen.de/fileadmin/GSF/pdf/publikati- onen/broschueren/translationale-forschung/TLF_Deutsch_komplett. pdf Helmholtz Zentrum München: Großes Netzwerk für kleine Teilchen http://www.helmholtz-muenchen.de/fileadmin/GSF/pdf/publikati- onen/broschueren/aerosolforschung/Aerosolbroschuere.pdf Helmholtz Zentrum München: Ultrafeine Kohlenstoffpartikel akku- mulieren in der Lunge. In: Highlights 2008: Mechanistische Grund- lagen von Gesundheit und Krankheit http://www.helmholtz-muenchen.de/highlights/mechani- stische-grundlagen-von-gesundheit-und-erkrankung/details- mechanistische-grundlagen-von-gesundheit-und-erkrankung/ article/10546/29/index.html Nationale Versorgungsleitlinie COPD http://www.versorgungsleitlinien.de/themen/copd/pdf/nvl_copd_ lang.pdf Selbsthilfegruppe Lungenemphysem – COPD Deutschland http://www.lungenemphysem-copd.de/ Helmholtz Zentrum München – Deutscher Infomationsdienst Gesundheit und Umwelt, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: digu@helmholtz-muenchen.de, Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/digu
- 8 - COPD - Chronisch obstruktive Lungenerkrankung: Symptome, Risikofaktoren und Pathomechanismen The Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) http://www.goldcopd.com/ WHO: COPD predicted to be third leading cause of death in 2030 http://www.who.int/gard/news_events/World_Health_ Statistics_2008/en/index.html Wissenschaftliche Übersichtsliteratur Baur, X., Preisser, A.: Asthma bronchiale und COPD, Wissenschaft- liche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2, Auflage 2005 Glaab T., et. al.: Pathomechanismen der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). In: Medizinische Klinik, 2006; 101: 951-956 Lingner, H., Schulz, K., Schwartz, F-W.: Volkskrankheit Asthma/ COPD, Springer Medizin Verlag, 2007 Rhode, G.: Der Einfluss von Luftverschmutzung und Klimawandel auf Lungenerkrankungen. In: Deutsche Medizinische Wochenschrift, 2008, 133: 733-736 Richling, F.: Fakten. COPD, Georg Thieme Verlag, 1. Auflage 2006 Ullmer E., et. al.: Pathogene, Diagnostik und Therapie der COPD. In: Pneumologie 2000; 54: 123-132 Wissenschaftliche Studien Buist A., et. al.: Worldwide burden of COPD in high- and low-income countries. Part I. The Burden of Obstructive Lung Disease (BOLD) Initiative. In: The International Journal of Tuberculosis and Lung Disease, 2008; 12: 703-708 Carol A., et. al.: Autoantibodies in Patients with Chronic Obstructive Pulmonary Disease. In: American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine, 2008; 177: 156-163 Dale, P., et. al.: Deaths from all Causes in Non-Smokers who lifed with smokers. In: American Journal of Public Health, 1989, 79: 163-167 Ekici, M.: Chronic Airway Diseases in Adult Life and Childhood Infec- tions. In: Respiration, 2008; 75: 55-59 Emiel, F.M., et al.: Co-morbid manifestation in COPD. In: Respirato- ry Medicine: COPD Update 2, 2007:135-151 Hoidal, J.R.: Genetics of COPD: Present and future. In: European Respiratory Journal, 2001; 18: 741-743 Koczulla, A., Vogelmeier C.: COPD: Von der Pathogenese zur Thera- pie. In: Deutsche Medizinische Wochenschrift, 2008; 133: 471-475 Helmholtz Zentrum München – Deutscher Infomationsdienst Gesundheit und Umwelt, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: digu@helmholtz-muenchen.de, Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/digu
COPD - Chronisch obstruktive Lungenerkrankung: Symptome, Risikofaktoren und Pathomechanismen -9- Lacy, P., et. al.: Sputum analysis in diagnosis and management of obstructive airway disease. In: Therapeutics and clinical risk ma- nagement, 2005; 1 (3): 169-179 Mathers C., Loncar, D.: Projections of Global Mortality and Burden of Disease from 2002 to 2030. In: PLoS Medicine, 2006; 11: 2011- Stand: 2030 November 2008 Möller W., et. al.: Deposition, Retention, and Translocation of Ul- Redaktion: trafine Particles from the Central Airways and Lung Periphery. In: Claudia Bär, Deutscher American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine, 2008; Informationsdienst Gesundheit 177: 426-432 und Umwelt Schikowski, T., et. al.: Long-term air pollution exposure and living Wiss. Beratung: close to busy roads are associated with COPD in women. In: Respi- Dr. Marion Frankenberger, Lei- ratory Research, 2005; 6: 152-152 terin der Klinischen Kooperati- onsgruppe „Entzündliche Lun- Snell, N., Newbold, P.: The clinical utility of biomarkers in asthma generkrankungen“ am Helmholtz and COPD. In: Current Opinion in Pharmacology, 2008; 8: 222-235 Zentrum München Helmholtz Zentrum München – Deutscher Infomationsdienst Gesundheit und Umwelt, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: digu@helmholtz-muenchen.de, Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/digu
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