Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, eine menschliche Prionenerkrankung // Creutzfeldt-Jakob-Disease, a human prion disease - Krause und Pachernegg
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Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, eine Homepage: menschliche Prionenerkrankung // www.kup.at/ Creutzfeldt-Jakob-Disease, a human JNeurolNeurochirPsychiatr prion disease Online-Datenbank mit Autoren- Klotz S, Gelpi E und Stichwortsuche Journal für Neurologie Neurochirurgie und Psychiatrie 2020; 21 (1), 14-22 Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031117M, Verlagsor t : 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A /21 Preis : EUR 10,–
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For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH. Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, eine menschliche Prionenerkrankung S. Klotz1,2, E. Gelpi1,2,3 Kurzfassung: Prionenerkrankungen sind sel- die Fälle üblicherweise rasch zum Tode führen prevent an inadvertent transmission between tene und ausnahmslos letal endende neuro- und auch erst dann eine definitive Diagnose humans. Prion disease is an umbrella term degenerative Erkrankungen bei Menschen und gestellt werden kann. Interessanterweise kön- for a group of different conditions with differ- Tieren, die durch das fehlgefaltete, übertragba- nen Prionenerkrankungen auch als sogenannte ent etiologies which can clinically present in re Prion-Protein ausgelöst werden. Diese Über- Modellerkrankungen für andere neurodegene- different ways. The most common is sporadic tragbarkeit bringt Verunsicherung mit sich und rative Erkrankungen fungieren und sind daher Creutzfeldt-Jakob disease. In its classical form ist der Grund, weshalb Prionenerkrankungen von hohem Forschungsinteresse. it presents with a rapid progressive dementia aktiv überwacht werden, um so eine unbeab- combined with movement disorders and cer- sichtigte Übertragung von Mensch zu Mensch Schlüsselwörter: Neurodegeneration, Creutz- tain MRI, EEG and CSF abnormalities. Currently, zu verhindern. Man unterscheidet mehrere feldt-Jakob-Krankheit, Prionenerkrankung no disease-modifying therapies are known, Prionenerkrankungen, welche wiederum diver- which is why all cases are usually rapidly le- se Ätiologien aufweisen. Abstract: Creutzfeldt-Jakob-Disease, a human thal and only then a definite diagnosis can be Die häufigste Form der menschlichen Prio- prion disease. Prion diseases, also referred established. An interesting and scientifically nenerkrankungen ist die sporadische Creutz- to as transmissible spongiform encephalopa- challenging aspect of prion diseases is that feldt-Jakob-Krankheit. Diese führt in ihrer thies (TSE), are rare lethal neurodegenerative they also constitute a model disease for other klassischen Form zu einer rasch progredienten diseases in humans and animals which are neurodegenerative diseases. J Neurol Neuro- Demenz verbunden mit Bewegungsstörungen caused by the misfolded, transmissible prion chir Psychiatrie 2020; 21 (1): 14–22. und bestimmten MRT-, EEG- und Liquor-Ver- protein. The fact that these diseases are trans- änderungen. Eine krankheitsmodifizierende missible raises concern and shows why an ac- Keywords: Neurodegeneration, Creutzfeldt-Ja- Therapie existiert derzeit noch nicht, weshalb tive surveillance of prion diseases is crucial to kob disease, prion, TSE Einleitung Zum Prion-Protein Die physiologische Form des Prion-Proteins, das sogenannte Prionenerkrankungen, auch transmissible spongiforme Enze- PrPc (c für cellular, zellulär), ist ein kleines Glykoprotein der phalopathien (TSE), sind seltene, letale neurodegenerative Er- Zelloberfläche, das besonders in Synapsen angereichert ist. krankungen bei Menschen und Tieren, die unter bestimmten Bei Prionenerkrankungen kommt es zu einer sog. Konforma- Bedingungen übertragbar sind und dadurch einerseits für wis- tionsänderung des Proteins. Das physiologische Prion-Prote- senschaftliche Faszination und andererseits für sozial-gesund- in besteht primär aus Alpha-Helices, die pathologische Form heitliche Verunsicherung sorgen. Tatsächlich ist die Über- (verschiedene Nomenklaturen: PrPSc: Sc steht für Scrapie, eine tragbarkeit von Prionenerkrankungen in der Regel deutlich Form von Prionenerkrankungen in Schafen; PrPD: D steht geringer als die erregerbedingter Erkrankungen. Nichtsdesto- für Disease-related, PrPTSE steht für transmissible spongiform trotz ist eine aufmerksame epidemiologische Überwachung encephalopathy, PrPres steht für Proteinase-K-resistent) besteht von Prionenerkrankungen unabdingbar, um eine ebensolche vermehrt aus Beta-Faltblatt-Strukturen (amyloidogen). Übertragung von Mensch zu Mensch zu verhindern. Unter dem Überbegriff Prionenerkrankungen werden verschiedene Das pysiologische PrPc wird von der pathologischen Form des Krankheitsbilder zusammengefasst, deren Kenntnis für die Prion-Proteins selbst in die pathologische Form gebracht. Auf- klinische Diagnose, aber auch für die Überwachung notwen- grund der Konformationsänderung verändern sich die Eigen- dig ist. schaften des Proteins. So wird die pathologische Form resistent gegen den Abbau durch Proteasen, insbesondere Proteinase Ein weiterer interessanter Aspekt von Prionenerkrankungen K. Insgesamt ist das pathologische Prion-Protein resistenter ist, dass diese auch als sogenannte Modellerkrankungen für gegen eine Vielzahl von Reinigungsmechanismen. Dies ist für andere neurodegenerative Erkrankungen fungieren. den klinischen Alltag von Bedeutung, da Prionen gegen die üblichen Desinfektionsmaßnahmen resistent sind und auf be- Im Folgenden soll ein Überblick über Prionenerkrankungen sondere Vorsicht hinsichtlich einer Übertragung durch Risiko- mit dem Fokus auf die häufigste menschliche Prionenerkran- eingriffe geachtet werden muss. kung, die sporadische Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, gegeben werden. Geschichte Der Name der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung geht auf die Neu- rologen Hans Gerhard Creutzfeldt und Alfons Maria Jakob zu- rück, die in den 1920er-Jahren die Erkrankung unabhängig von- einander als neue Krankheitsentität beschrieben haben [1, 2]. Eingelangt am 29.11.2019, angenommen nach Review am 30.01.2020, Pre-Publishing Online am 28.02.2020 Aus dem 1Klinischen Institut für Neurologie, Medizinische Universität Wien, Scrapie, eine Prionenerkrankung von Schafen und Ziegen, Österreich; 2Österreichischen Referenzzentrum zur Erfassung und Dokumen tation menschlicher Prionenerkrankungen; 3Neurological Tissue Bank of the war jedoch schon lange zuvor bekannt und wurde bereits im Biobanc, Hospital Clinic, IDIBAPS, Barcelona, Spain 18. Jahrhundert beschrieben [3]. Eine Übertragbarkeit zwi- Korrespondenzadresse: Ellen Gelpi, MD, PhD, EFN, Institute of Neurology, Medical University of Vienna, AKH 4J, Währinger Gürtel 18–20, A-1090 Vienna, schen den einzelnen Tieren wurde bereits damals vermutet, Austria, E-mail: ellen.gelpi@meduniwien.ac.at ohne jedoch einen klaren Mechanismus feststellen zu können. 14 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2020; 21 (1)
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit Einen Meilenstein in der Geschichte der Prionenerkrankung wurden auch iatrogene Formen nach Verabreichung von hu- stellte 1957 die Untersuchung von Kuru, einer Prionenerkran- manem Wachstumshormon (vor 1985) oder Einzelfälle nach kung, die in Papua-Neuguinea auftrat und durch rituellen Cornea-Transplantation berichtet. Endokannibalismus übertragen wurde, dar [4]. Verstorbene wurden im Rahmen eines Rituals von den Hinterbliebenen Es wurden entsprechende Richtlinien zum Schutz vor Übertra- verspeist. Frauen und Kinder verspeisten üblicherweise das gung der CJK vom Bundesministerium für Gesundheit erstellt infektiöse Gehirn, weshalb die Erkrankung primär bei diesen [15]. Hierbei sei erwähnt, dass laut dem heutigen Wissensstand auftrat [5]. Nachdem die kannibalistischen Praktiken einge- keine Gefahr der Übertragung bei pflegerischen Handlungen stellt worden waren, wurden keine weiteren Fälle berichtet. oder im zwischenmenschlichen Umgang mit erkrankten Per- Im Jahr 1959 stellte der Veterinärpathologe William John sonen besteht, anders als von der Allgemeinbevölkerung zum Hadlow erstmals eine Verbindung zwischen Scrapie und Kuru Teil angenommen wird. Nichtsdestotrotz ist angesichts des fest [6]. Wenngleich nun eine Verbindung zwischen diesen Auftretens neuer Erkrankungsformen stete Aufmerksamkeit unterschiedlichen Prionenerkrankung erkannt wurde und die und Überwachung von Prionenerkrankungen geboten. Übertragbarkeit der Erkrankung bereits bekannt war, so war das auslösende Agens noch unbekannt. Verschiedene Theorien Meldepflicht wurden diesbezüglich aufgestellt und untersucht, bis schließ- Prionenerkrankungen sind meldepflichtig. Hierbei sind nicht lich im Jahr 1967 von Tikvah Alper und John Stanley Griffith nur Todesfälle, sondern auch Erkrankungs- und Verdachts- die Hypothese eines übertragbaren Proteins geprägt wurde [7, fälle an das Gesundheitsamt zu melden. Die Meldung erfolgt 8]. 1982 gelang es schließlich Stanley Benjamin Prusiner, das an das österreichische epidemiologische Melderegister (EMS), pathologische Protein zu isolieren, wofür er schließlich auch wie auch bei anderen meldepflichtigen Erkrankungen. Da eine den Nobelpreis erhielt [9]. Dieses pathologische Prion-Protein neuropathologische Untersuchung zur endgültigen Diagnose- wurde schließlich als Prion, von „Proteinacious infectious sicherung notwendig ist, ist nach dem Ableben der Patienten particle“, bezeichnet. die Durchführung einer Hirnobduktion verpflichtend. Dies ist nicht zuletzt bei Verdacht auf eine stattgehabte Übertragung Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gelangte mit Auftreten der auch von rechtlicher Bedeutung. sogenannten neuen Variante der CJK (vCJK) in den 1990er Jahren durch Übertragung der bovinen spongiformen Enze- Ätiologie phalopathie (BSE), einer Prionenerkrankung bei Rindern, auf den Menschen, wieder in das Zentrum des öffentlichen Inter- Drei verschiedene Formen bzw. Ätiologien von Prionenerkran- esses und der Medien, da die leichtere Übertragbarkeit dieser kungen wurden beschrieben. Die häufigste ist die sogenann- Form der Prionenerkrankung für öffentliche Beunruhigung te sporadische Form (ca. 80 %), für die keine klare Ursache sorgte und noch immer sorgt [10]. In den letzten Jahren hat bekannt ist. Zudem gibt es genetische Prionenerkrankungen sich auch die „chronic wasting disease“ bei Wildtieren ins- (10–15 %) und schließlich auch erworbene Formen, einerseits besondere in Nordamerika und Kanada relativ weit verbreitet iatrogen, andererseits durch kontaminierte Lebensmittel bzw. und wird bereits seit einer Weile überwacht [11]. Seither wur- orale Aufnahme. den die Prionenerkrankungen weiter charakterisiert, diverse Subtypen der einzelnen Erkrankungen definiert und neue For- Sporadisch men der Prionenerkrankungen beschrieben. Für die sporadischen oder auch idiopathischen Formen der CJK wurde bisher noch keine Ursache gefunden, sie tritt Beunruhigung & Missverständnisse spontan auf. Risikofaktoren, abgesehen vom Alter, sind nicht In Folge des Auftretens der neuen Variante der Creutzfeldt- bekannt. Es wird eine spontane Konversion von physiologi- Jakob-Erkrankung kam es in der Bevölkerung zu einer Beun- schem zu pathologischem Prion-Protein oder eine spontane ruhigung im Hinblick auf Prionenerkrankung, da sich gezeigt Mutation des Prion-Protein-Gens (PRNP) diskutiert. hatte, dass es hierbei zu einer Übertragung über kontaminierte Lebensmittel und auch iatrogen über Blutprodukte kommen Genetisch konnte [12]. Zudem wurden bei der vCJK, im Gegensatz zur Genetische Formen der Prionenerkrankungen werden durch sporadischen CJK, auch Prionen in lymphatischen Geweben Mutationen im Prion-Protein-Gen (PRNP), welches in Chro- wie Appendizes nachgewiesen, was zu einer vermehrten Beun- mosom 20 für das Prion-Protein kodiert, ausgelöst. Es sind ruhigung und schließlich auch einer genaueren Überwachung über 30 verschiedene Mutationen bekannt [16]. Die häufigste und Sicherheitsmaßnahmen führte [13, 14]. In den meisten Mutation ist die E200K-Mutation [16]. Genetische Formen Ländern wurden infolgedessen auch nationale Referenzzen müssen nicht zwangsläufig familiär auftreten, Spontanmuta- tren zur epidemiologischen Überwachung von Prionenerkran- tionen können gelegentlich vorkommen. kungen etabliert, um eine erneute solche Krise zu verhindern. Die Phänotypen dieser Erkrankungen können sich unter- In Österreich wurde bisher kein Fall von vCJD registriert und schiedlich präsentieren. Einerseits kann ein der sporadischen trotz der tatsächlichen Übertragbarkeit der Prionenerkran- CJK entsprechendes Krankheitsbild ausgelöst werden, ande- kung im Allgemeinen sind diese Erkrankungen mit mehr Ver- rerseits kann auch ein völlig anderer Phänotyp wie die fatale unsicherung verbunden, als objektivierbar ist. Tatsächlich ist familiäre Insomnie mit ausgeprägten Schlafstörungen, Dys- eine Übertragung der in Österreich bisher registrierten CJK- autonomie, Ataxie und Agitation ausgelöst werden, oder auch Formen nur in bestimmten außergewöhnlichen Situationen eine langsam fortschreitende spastische Paraparese mit Ataxie gegeben, nämlich nach Dura-mater-Transplantation. Weltweit und später Demenz, wie sie bei Gerstmann-Sträussler-Schein- J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2020; 21 (1) 15
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ker beschrieben wird. Interessanterweise variiert die Penetranz und dadurch die Erkrankung übertragen wurde. Seitdem die bei bestimmten genetischen Formen (insbesondere bei der kannibalistischen Praktiken eingestellt wurden, kam es zu kei- E200K-Mutation) teilweise sehr [17, 18]. Auch der Erkran- ner weiteren Übertragung. kungsbeginn kann selbst innerhalb derselben Familie variabel sein. Bisher konnte noch kein Faktor identifiziert werden, der Epidemiologie dies verursacht. Die Inzidenz der CJK in Österreich ist mit etwa bei 2 Fällen/ Übertragene Form Million Einwohner/Jahr im Vergleich zu internationalen Zah- Eine Übertragung über medizinische Prozeduren wie durch len an der höheren Grenze [25, 26]. Dies dürfte wohl primär an neurochirurgische Eingriffe oder menschliche (aus Leichen- der aktiven Überwachung im Rahmen des Referenzzentrums Hypophysen extrahierten) Wachstumshormon-Gaben kann für Prionenerkrankungen liegen. Klinische Verdachtsfälle wer- die seltene iatrogene Form der CJK hervorrufen [19]. Auf- den so nicht nur durch die Kliniker, sondern auch durch das grund amyloidogener Eigenschaften und der Stabilität des Referenzzentrum selbst an das Bundesministerium gemeldet pathologischen Prion-Proteins, welches auch gerne an metal- und es wird bei Verdachtsfällen Rücksprache mit den behan- lischen Oberflächen haftet, wird das neurochirurgische Instru- delnden Ärzten gehalten, um eine möglichst lückenlose Doku- mentarium durch die üblichen Reinigungsmechanismen nicht mentation zu gewährleisten. Das Ausmaß der aktiven Surveil- ausreichend dekontaminiert. lance wurde bereits als grundlegender Faktor für eine erhöhte Prävalenz beschrieben [27]. Ein weiterer Faktor dürfte wohl In Österreich wurden bisher insgesamt fünf Fälle von iatro auch die höhere Autopsie-Rate in Österreich sein. Besonders genen Formen festgestellt. Diese wurden durch Duratrans- bei klinisch nicht eindeutigen Fällen ist eine Autopsie oftmals plantationen und Wachstumshormon-Gaben (vor 1985) die einzige Möglichkeit, eine Diagnose zu stellen. So können übertragen. Die Übertragbarkeit der Prionen variiert in den in Österreich auch atypische Fälle von Prionenerkrankungen unterschiedlichen Geweben und zudem ist die Übertragbar- entdeckt werden, was für das tiefere Verständnis der Erkran- keit vom ätiologischen Subtyp und auch vom genetischen kungen von ausgesprochener Wichtigkeit ist. Hintergrund des Empfängers abhängig. So ist das Gewebe von Patienten mit vCJK infektiöser als jenes der sporadischen Bezüglich der Ätiologie ist die sporadische Form in Österreich CJK, bzw. sind bei vCJK Gewebe infektiös, bei denen bei der mit > 90 % die häufigste Form. Genetische Fälle werden zu- sporadischen oder genetischen Erkrankung keine Gefahr der weilen beobachtet, iatrogen verursachte Fälle wurden bisher Übertragung besteht. Als wichtige Beispiele wären hierbei insgesamt 5 registriert und es gab bisher keinen Fall der vCJK. lymphatisches Gewebe oder auch Blutprodukte zu nennen, die bei vCJK infektiös sind, nicht hingegen bei sCJK oder gCJK Je nach Ätiologie weist die Erkrankung verschiedene Erkran- [20, 21]. kungsalter und auch eine unterschiedlich lange Erkrankungs- dauer auf. Der Erkrankungsgipfel bei Patienten mit sporadi- Eine wichtige Maßnahme zur Verhinderung solcher Fälle scher CJK liegt um das 60. Lebensjahr. Es gibt jedoch auch besteht in einer genauen Überwachung und Aufmerksam- – wenngleich selten – atypische Fälle in besonders alten Perso- keit durch die Kliniker. Um eine Übertragung zu verhindern, nen oder auch in Kindern [28]. Das jüngste beschriebene Kind muss vor jedem Risikoeingriff eine Risikoanalyse durchge- mit sporadischer CJK erkrankte mit 11 Jahren [29]. Die älteste führt werden und entsprechende Schutzmaßnahmen getroffen Person mit sporadischer CJK erkrankte mit 98 Jahren [30]. Die werden. mediane Erkrankungsdauer der sporadischen CJK liegt bei 5 Monaten [29]. Die vCJK stellt eine zumeist durch kontaminierte Nahrungs- mittel übertragene Form der CJK dar. Als ursächlich wird Klinische Symptome eine Übertragung des Agens der bovinen spongiformen En- zephalopathie (BSE) der Rinder auf den Menschen gesehen Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen können sich auf verschie- [22]. Diese Erkrankung, die ihren Erkrankungsgipfel um die dene Arten manifestieren, wenngleich ein bestimmter klas- Jahrtausendwende hatte, mit seither stark rückläufigen Zahlen, sischer Phänotyp die häufigste und auch bekannteste Form trat überwiegend in Großbritannien auf. Insgesamt wurden bis darstellt. Dieser Subtyp, die sogenannte Heidenhain-Variante, Oktober 2019 232 Fälle registriert, wobei in den letzten 5 Jah- ist gekennzeichnet durch eine rasche dementielle Entwicklung, ren nur 3 Fälle berichtet wurden [23, 24]. Klinisch präsentieren kortikale Sehstörungen und Myoklonien. Allerdings können sich Patienten mit vCJK üblicherweise anders als Patienten mit sich Patienten mit CJK auch andersartig präsentieren. Eine sporadischer CJK. Der Erkrankungsbeginn ist üblicherweise rasch progrediente Demenz ist ein wichtiges Hauptsymptom, früher und die Erkrankungsdauer länger. Die Symptomatik kann jedoch auch erst später im Krankheitsverlauf auftreten. Je beginnt meist mit psychiatrischen Symptomen, schmerzhaften nach anatomischer Verteilung der neuropathologischen Ver- Missempfindungen und einer Ataxie mit einem erst späteren änderungen können Patienten auch primär eine ausgeprägte Auftreten einer Demenz [24]. Ataxie, Schlafstörungen, Pyramidenbahnzeichen oder epilep- tische Anfälle aufweisen. Eine weitere übertragene Form der Prionenerkrankungen ist die sogenannte Kuru-Krankheit, die in den 1950er Jahren in Ein wichtiger Punkt ist der rasche Befall verschiedener, auch Papua-Neuguinea beschrieben wurde [6]. Ursächlich war hier- anatomisch entfernter Systeme. Anhand bestimmter neuro- bei ritualistischer Endokannibalismus, in Rahmen dessen auch pathologischer und molekularbiologischer Muster können Gehirne von Angehörigen der Verstorbenen verspeist wurden die unterschiedlichen Subtypen morphologisch, aber auch 16 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2020; 21 (1)
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit Tabelle 1: Vergleich der molekularpathologischen Subtypen der sporadischen CJK anhand der Klinik sowie der neu- ropathologischen Veränderungen und des Verteilungsmusters (adaptiert nach [31]). Molekularer Subtyp Klassische klinische Symptomatik Neuropathologie Verteilung MM1/MV1 Rasch progrediente Demenz, Seh Kleinvakuolige Veränderungen in Primär kortikal, vor allem okzipi- störungen, Parkinsonismus, Myoklonien der grauen Substanz. Fein synapti- tal, geringer Stammganglien und sches PrPD-Ablagerungsmuster Kleinhirn MM2C/MV2C Rasch progredientente Demenz, Größere gröbere, konfluierende Primär kortikal Myoklonien Vakuolen mit perivakuolär grobem PrPD-Ablagerungsmuster MV2K Ataxie, Demenz, psychiatrische Symp- Mittelgroße Vakuolen in tiefen Vor allem subkortikal, in kortika- tome, längerer Verlauf Rindenschichten, perineuronales, len Bereichen eher tiefe Rinden- synaptisches und plaqueartiges schichten betroffen PrPD-Ablagerungsmuster Zudem PrPD-Amyloid-Plaques im Kleinhirn. MM2T Schlafstörungen, Agitiertheit, Ataxie Minimale spongiforme Veränderun- Thalamus, untere Olive, Kleinhirn gen, geringe fein synaptische PrPD- Ablagerung VV1 Junge Patienten, Demenz Klein bis mittelgroß-vakuoliges Kortikal und Stammganglien mit Muster, äußerst zartes bis fast Aussparung von Hirnstamm und fehlendes, fein-synaptisches PrPD- Kleinhirn Ablagerungsmuster VV2 Ataxie, Demenz erst später im Verlauf Mittelgroße Vakuolen in tiefen Primär subkortikal, prominente Rindenschichten, perineuronales, zerebelläre Beteiligung synaptisches und plaqueartiges PrPD-Ablagerungsmuster Legende: M: Methionin; V: Valin; 1: PrP Typ1; 2: PrP Typ2; K: Kuru-type plaques; T: thalamic; C: cortical/confluent; PrPD: disease related PrP klinisch und radiologisch unterschieden werden. Die typische somit, auch unter Zuhilfenahme von immunhistochemischen Symptomkonstellation wird in Tabelle 1 beschrieben. Färbungen, diese verschiedenen Subtypen gut unterscheiden, die auch verschiedenen klinischen Phänotypen entsprechen Molekularpathologische Subtypen (siehe Tabelle 1). Allerdings sind auch gewisse Mischformen der Subtypen bekannt, da zwei verschiedene PrP-Typen im Die sporadische Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung kann anhand selben Patienten vorhanden sein können, auf diese soll jedoch molekularer Merkmale in unterschiedliche Subtypen unter- im Folgenden nicht genauer eingegangen werden. teilt werden, die auch von klinischer Relevanz sind. Die mo- lekularen Subtypen können anhand zweier Faktoren eingeteilt Histologie werden [31]. Die diversen Prionenerkrankungen zeigen unterschiedliche Einerseits ist ein bestimmter Polymorphismus auf Codon neuropathologische Veränderungen, anhand deren Muster un- 129 des PRNP auf Chromosom 20 von Bedeutung. Abhängig terschiedliche neuropathologische Subtypen definiert und un- davon, ob die Person an dieser Stelle Methionin- (MM) oder terschieden werden können. Bestimmte Merkmale ziehen sich Valin-homozygot (VV) oder -heterozygot (MV) ist, leitet sich allerdings durch die verschiedenen Subtypen und einen diese. dadurch ein klinischer und neuropathologischer Subtyp ab. Die Als wohl bemerkenswertester Aspekt finden sich in Prionen drei verschiedenen Varianten des Polymorphismus auf C odon erkrankungen Gewebsauflockerungen im Bereich der grauen 129 werden zur Subtypisierung kombiniert mit zwei Arten Substanz mit Ausbildung von Vakuolen, die dem Gewebe eine des Proteinase-K-resistenten Fragments des pathologischen spongiforme, schwammartige Struktur verleihen. Die Ausbil- Prion-Proteins, die anhand von ihrem Molekulargewicht und dung von Vakuolen stellt einen degenerativen Prozess in Neuro- Glykosylierungsmuster im Western-Blot unterschieden wer- nen dar, tritt bereits früh im Krankheitsverlauf auf und kann nur den können. So können Typ 1 (21 kDa) und Typ 2A (19 kDa) unter dem Mikroskop festgestellt werden [32]. Die Vakuolen unterschieden werden. Durch Kombination dieser 2 Merk- können klein und einheitlich konfiguriert sein und so ein diffu- male können somit 6 verschieden Subtypen unterschieden ses feinvakuoliges Muster aufweisen (Abb. 1A) oder es können werden: MM1, MV1, VV1, MM2, MV2, VV2. Da allerdings sich grobe, konfluierende Vakuolen (Abb. 1D) zeigen. Zudem MM1 und MV1 sich neuropathologisch und klinisch nicht finden sich bei Prionenerkrankungen neben dem Neuronen- unterscheiden lassen, werden diese beiden unter einem Subtyp verlust eine reaktive Astrogliose und Mikrogliaaktivierung [33]. zusammengefasst. MM2 hingegen kann neuropathologisch in Mittels immunhistochemischer Färbungen zur Visualisierung zwei verschiedenen Formen auftreten, je nachdem ob primär der Ablagerung des pathologischen Prion-Proteins im Gewebe der Kortex (MM2C) oder der Thalamus (MM2T) betroffen ist. können verschiedene Muster unterschieden werden. Man kann MV2 kann auch in 2 verschiedenen Formen auftreten (MV2K, ein feinkörniges Muster in der grauen Substanz zwischen den mit unizentrischen PrP-Plaques im Kleinhirn [auch als „Kuru- Nervenzellen – das sogenannte synaptische Muster –, ein grobes type plaques“ bezeichnet, daher das K] und MV2C, von fleckförmiges Muster um große konfluierende Vakuolen – peri- MM2C nicht unterscheidbar). Neuropathologisch lassen sich vakuolär –, eine perineuronale Ablagerung und PrP-Amyloid- J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2020; 21 (1) 17
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit Abbildung 1: Charakteristische histologische Merkmale der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit: A: Die kleinen Vakuolen zwischen den Nerven- zellen entsprechen den sog. spongiformen Neuropilveränderungen. B. In der unmittelbaren Umgebung kommt es zu Ablagerungen des pathologischen Prion-Proteins, hier zeigt das braune Signal ein sog. diffus synaptisches Muster. Andere Ablagerungsmuster wie z. B. ein perineuronales (C) oder ein fleckförmiges perivakuoläres (D) weisen auf bestimmte molekulargenetische Subtypen der sporadischen CJK hin. Plaques unterscheiden. Die entsprechenden Muster werden in Die Sensitivität der Untersuchung wird mit etwa 90 % angege- Tabelle 1 und in Abbildung 1 gezeigt. Diese Muster können zur ben, d.h. dass nicht alle CJK-Subtypen mit diesem Test erfasst Unterscheidung der Subtypen herangezogen werden [34]. werden können [41]. Üblicherweise wird die Untersuchung mittels Liquor durchgeführt, allerdings konnte gezeigt werden, Diagnostik dass auch eine Untersuchung aus Nasenmukosa mittels eines Bürstenabstrichs gemacht werden kann [42]. Die Basis der Diagnostik bei Verdacht auf Creutzfeldt-Jakob stellen neben einer detaillierten neurologischen Status- und Andere Liquoruntersuchungen Anamneseerhebung vor allem Liquoruntersuchungen, MRT Weitere Marker aus dem Liquor können zur Diagnostik der und EEG dar. CJK herangezogen werden. Hierbei wäre insbesondere die Gesamt-Tau-Konzentration zu nennen, welche bei CJK übli- cherweise stark erhöhte Werte anzeigt. Dies korreliert mit der Liquoruntersuchungen 14-3-3-Proteinuntersuchung, da auch die Gesamt-Tau-Erhö- 14-3-3-Protein hung einen raschen Neuronenzerfall widerspiegelt. Ebenso Die Untersuchung des 14-3-3-Gamma-Proteins im Liquor stellt spiegeln weitere Biomarker wie „Neurofilament-light chain“ einen wichtigen Baustein bei Verdacht auf Prionenerkrankungen und „alpha-Synuclein“ einen Neuronenzerfall wider und sind dar. Diese Gruppe von Proteinen zeigt eine hohe Konzentration daher bei CJK erhöht [43]. in Neuronen und wird bei rasch progredientem Neuronen zerfall in den Liquorraum abgegeben und wird hier messbar Magnetresonanztomographie [35]. Die Sensitivität dieses Markers ist mit etwa 90 % relativ Eine weitere wichtige Untersuchungsmodalität stellt die MRT- gut, wenngleich die Spezifität mit etwa 80 % wohl suboptimal Untersuchung dar. Hierbei sind diffusionsgewichtete (DWI) ist [36, 37]. Dies ist nicht verwunderlich, da ein Nachweis eines und FLAIR-Sequenzen von besonderer Relevanz [44]. Typi- erhöhten 14-3-3-Proteins lediglich einen rasch progredienten scherweise finden sich bei Prionenerkrankungen Diffusions- Neuronenzerfall widerspiegelt und dies im Rahmen einer Viel- störungen im Bereich der Stammganglien und einer kortika- zahl von Erkrankungen auftreten kann (z. B. nach Schlaganfall len Region gleichzeitig oder über mindestens drei kortikalen oder Blutungen, Epilepsie, Enzephalitis). Andererseits ist an die- Regionen (Abb. 2). Erfahrungsgemäß lassen sich mittels MRT ser Stelle auch anzumerken, dass eine negative Untersuchung solche Veränderungen, sofern vorhanden, in einem relativ frü- eine CJK, besonders in atypischen Formen oder früh im Erkran- hen Stadium, teilweise sogar in einem präklinischen Stadium kungsverlauf, nicht ausschließt [38]. Allenfalls ist das Ergebnis nachweisen [45]. der 14-3-3-Protein-Untersuchung immer in Zusammenschau mit der Klinik, Differentialdiagnosen und den Möglichkeiten eines atypischen CJK-Krankheitsbildes zu bewerten. RT-QuIC Abbildung 2: Typische MRT- Einen besonders spezifischen Marker stellt der sogenannte Veränderungen bei Patienten mit Creutzfeldt-Jakob-Krank- RT-QuIC-Assay dar („real time quaking induced conversion“). heit: Diffusionsstörungen im Hierbei wird direkt das pathologische Prion-Protein nachge- Bereich der Stammganglien wiesen bzw. dessen Vermögen, die pathologische Konforma- und verschiedener kortikaler Regionen. (Die Bilder wur- tion in physiologischem Prion-Protein zu induzieren [39]. den freundlicherweise von Entsprechend erwies sich diese Untersuchung als hochspezi- Prof. G. Kasprian, MUW, zur fisch und somit von ausgesprochen hoher klinischer Relevanz. Verfügung gestellt.) Nichtsdestotrotz wurden, zumindest anekdotisch, falsch posi- tive Fälle berichtet, weshalb ein positiver RT-QuIC für eine definitive Diagnose derzeit noch nicht ausreichend ist [40]. 18 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2020; 21 (1)
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit EEG Differentialdiagnose EEG-Untersuchungen können ebenfalls zur Diagnosestellung einer CJK beitragen. Typischerweise finden sich periodische Eine Abklärung etwaiger behandelbarer Differentialdiagnosen triphasische Komplexe, wobei häufiger eine diffuse Verlang- ist bei der CJK von besonderer Bedeutung. Verschiedenste Er- samung beobachtet wird [46]. Diese Untersuchung weist eine krankungen können ein CJK-ähnliches Zustandsbild auslösen. Sensitivität von etwa 60 % bei einer Spezifität von 74 % auf [46, Einerseits sind hier andere neurodegenerative Erkrankungen 47]. Die Sensitivität scheint auch vom Untersuchungszeitpunkt wie beispielsweise eine Demenz mit Lewy-Körperchen oder sowie auch von den diversen Subtypen beeinflusst zu werden, eine Alzheimer-Demenz, seltener auch atypische Parkinson- wobei der klassische MM1-Subtyp öfter als die anderen Sub- syndrome wie etwa Multisystematrophie oder progressive su- typen ein klassisches EEG-Bild aufweist [47]. pranukleäre Paralyse zu nennen. Diese Erkrankungen können gelegentlich einen raschen Verlauf aufweisen, aber auch bei- Biopsie spielsweise durch Komorbiditäten wie Infekte oder metaboli- Eine Gehirnbiopsie stellt eine untergeordnete Rolle in der Dia- sche Entgleisungen exazerbieren. Auch entzündliche Prozesse gnostik von Prionenerkrankungen dar und sollte nur im Falle wie Autoimmunenzephalitiden sind als wichtige Differential- einer therapierbaren Differentialdiagnose in Erwägung gezo- diagnose zu nennen. Auch erregerbedingte Enzephalitiden gen werden. Im Falle einer CJK würde auf eine Diagnosesiche- wie die Herpes-Enzephalitis können ein CJK-ähnliches Bild rung keine unmittelbare Konsequenz folgen, sodass ein inva- auslösen. Zudem soll an maligne Prozesse wie Metastasen, siver Eingriff lediglich eine Einschränkung der Lebensqualität Lymphome oder neoplastische Meningeosen gedacht werden. für den Patienten und eine potentielle Gefahr aufgrund der Vaskuläre Prozesse wie Mikroinfarkte können ebenfalls diverse Übertragbarkeit entstünde. klinische Phänotypen aufweisen. Metabolische Erkrankungen und Mangelzustände wie die Wernicke-Enzephalopathie oder Diagnosekriterien für die Überwachung der CJK Pellagra stellen ebenso wichtige Differentialdiagnosen dar [49, Eine definitive CJK-Diagnose kann lediglich durch eine Hirn- 50]. gewebsuntersuchung, üblicherweise post mortem, gestellt werden. Da die Biopsie hierfür nicht indiziert ist, wird in den Risikoanalyse meisten Fällen zu Lebzeiten keine definitive Diagnose gestellt. Zur klinischen Diagnosestellung werden daher einerseits kli- Wie bereits beschrieben, ist bei jeder geplanten Intervention nische Informationen und andererseits Zusatzuntersuchungen bei Patienten mit Verdacht auf CJK eine Risikoanalyse auf- herangezogen und die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen grund der Übertragbarkeit von Prionenerkrankungen von einer sporadischen CJK anhand der epidemiologischen Über- klinischer und auch juristischer Relevanz. So muss vor jedem wachungs-Kriterien beurteilt, die im Folgenden erläutert wer- invasiven Eingriff eine Risikoevaluierung durchgeführt wer- den [48]. den. Hierbei müssen einerseits Risikoeingriffe und Risikopa- tienten identifiziert und gegebenenfalls entsprechende Vor- Klinische Symptome: sichtsmaßnahmen angewendet werden. Wichtig ist hierbei, I: Rasch fortschreitende Demenz dass nicht alle Gewebearten die gleiche Infektiösität aufweisen II: 1) Myoklonien und somit nicht alle invasiven Eingriffe eine Risikooperation 2) zerebelläre oder visuelle Symptome darstellen. Als potentielle Risikoeingriffe werden bei der sCJK 3) pyramidale oder extrapyramidale Zeichen primär solche eingestuft, die ZNS-Gewebe betreffen. Richt- 4) akinetischer Mutismus linien zum Schutz vor Übertragung von Prionenerkrankun- gen bei invasiven Eingriffen wurden vom Bundesministerium Zusatzuntersuchungen: für Gesundheit publiziert (https://www.meduniwien.ac.at/ A: EEG: periodische Komplexe mit triphasischen Wellen hp/fileadmin/krankenhaushygiene/HygMappe/Richtlinien/ B: MRT mit DWI oder FLAIR: Signalalterationen in Basal- CJK_Richtlinie_19_01_2016.pdf) und werden regelmäßig ganglien oder kortikale Signalalterationen (mind. 2 Regionen aktualisiert. temporal, parietal und/oder okzipital) C: Liquor: 14-3-3 und/oder RT-QuIC positiv Ein wichtiger Aspekt ist der Umgang im klinischen Alltag und in der Pflege bei Patienten mit Verdacht auf Creutzfeldt-Jakob- Definitive sporadische CJK: Krankheit. Hierbei herrscht teilweise große Verunsicherung, Neuropsychiatrische Erkrankung + neuropathologischer / was die Infektiösität der Patienten anbelangt. Diesbezüglich immunhistochemischer / biochemischer Nachweis einer Prio- kann Entwarnung gegeben werden, so besteht keine Gefahr nenerkrankung der Übertragung durch pflegerische Maßnahmen. Es müssen daher keine gesonderten Maßnahmen, abgesehen von den Wahrscheinliche sporadische CJK: üblichen Hygienemaßnahmen im Umgang mit Patienten, ge- Klinik (I + mind. 2 von II) + mind. 1 Zusatzuntersuchung (A / troffen werden. B / C) Neuropsychiatrische Erkrankung + RT-QuIC positiv Therapie Mögliche sporadische CJK: Trotz intensiver Forschungsbemühungen wurden bisher noch Klinik (I + mind. 2 von II) keine krankheitsmodifizierenden Therapien für Prionen erkrankungen entdeckt. Alle Fälle verlaufen ausnahmslos letal. Dies dürfte zumindest zum Teil auch der Seltenheit der J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2020; 21 (1) 19
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit rkrankung und dem üblicherweise rapiden Krankheitsver- E Modellerkrankung Creutzfeldt-Jakob lauf, der eine rechtzeitige Intervention erschwert, geschuldet sein. Prionenerkrankungen werden als Modell für andere neurode- generative Erkrankungen diskutiert. Es wird hierbei bei den Die wohl bekannteste Therapie im Kontext von Prionenerkran- meisten neurodegenerativen Erkrankungen auch von einer kungen ist die Therapie bzw. Therapieversuche mit Doxycyclin. sogenannte Proteinopathie, also eine durch pathologische Pro- Diese zeigte in kleinen Studien oder Case-reports eine gewisse teine ausgelöste Erkrankung, ausgegangen (z. B. Tau, Alpha- Verlängerung der Überlebenszeit bei Patienten in einem frü- Synuclein, Beta-Amyloid, TDP43) sowie von einem sogenann- hen Stadium der Erkrankung [51–53]. Als Basis hierfür dient te „prion-like spreading“ [66]. So zeigt sich hierbei im Gehirn eine Studie, die eine eingeschränkte Infektiösität des patho- eine progrediente Ausbreitung der pathologischen Proteinab- logischen Prionproteins nach Applikation von Tetrazyklinen lagerungen entlang der zusammengeschalteten Neuronen bzw. in vitro gezeigt hatte [54]. In einer italienischen Kohorte von Regionen, was zu der progredienten Symptomatik führt. Für Patienten mit genetisch verifizierter FFI läuft derzeit eine pro- einige solcher Proteinopathien wie beispielsweise die Parkin- spektive Studie mittels Doxycyclin in noch asymptomatischen sonerkrankung oder die Alzheimer-Erkrankung sind folglich PRNP-Mutations-Erbträgern. Erste Resultate werden im Jahr Stadien der Erkrankung definiert worden [67]. Interessant 2024 erwartet [55]. hierbei ist, dass die Ausbreitung der Pathologie zumeist dem- selben Muster folgt und sich progredient im ZNS ausbreitet. Mehrere Fallberichte und auch Fallserien existieren, in denen Dieses Ausbreiten der Erkrankung mit progredienter Protein- Pentosan-Polysulfat (PPS), ein Polysaccharid, als experimen- fehlfaltung legt eine Übertragbarkeit von einer auf die nächste telle Therapie mittels Dauerinfusion intrathekal verabreicht Zelle nahe [68]. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch wurde und teilweise einen gewissen positiven Effekt im Sinne wurde bis zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht gezeigt. Daher einer Verlängerung des Überlebens im Vergleich zu einer his- wird von vielen Autoren lieber der Begriff „Proteinopathien“ torischen Kohorte bzw. eine Verminderung der pathologischen und „protein spreading“ verwendet und das Konzept Prion PrP-Ablagerung in der neuropathologischen Untersuchung nur den übertragbaren Erkrankungen wie CJK überlassen, [56, 57] zeigte. Diese Ergebnisse werden allerdings einerseits um Missverständnisse und unnötige Unruhe im öffentlichen durch die Tatsachen relativiert, dass lediglich Fallberichte exis- Gesundheitssystem zu vermeiden. Die zwischenmenschliche tieren und andererseits, dass die intrathekale Dauerinfusion Übertragbarkeit anderer neurodegenerativer Erkrankungen einen invasiven Eingriff mit einer Reihe potentieller Kompli- als Prionenerkrankung dürfte wohl entsprechend epidemio- kationen darstellt. logischen Daten nicht vorhanden sein. Weitere Therapieversuche mittels Quinacrin, einem Anti- Malaria-Medikament, welches in vitro eine Elimination von Relevanz für die Praxis Prionen gezeigt hatte, konnte keinen Benefit zeigen [58–60]. Grundlegendes Wissen über Prionenerkrankungen ist nicht Eine placebokontrollierte Studie zu Flupirtin, einem Analgeti- nur für Neurologen von Bedeutung. Auch anderen Diszipli- kum, konnte eine Verbesserung der Kognition in Patienten mit nen sollten diese Erkrankungen bekannt sein, um so Risiko- gruppen identifizieren zu können. Dies scheint besonders für CJK ohne Verlängerung des Überlebens zeigen [61]. Es exis- chirurgische Berufe von Bedeutung zu sein, da eine Risiko- tieren auch Fallberichte zu Elektrokonvulsionstherapie (EKT) analyse im Hinblick auf eine potentielle Übertragbarkeit unab- in CJK-Patienten mit markanter psychiatrischer Symptomatik, dingbar ist. Auch im Hinblick auf potentielle neu auftretende die zumindest transient eine Verbesserung der S ymptomatik Prionenerkrankungen und als Modellerkrankung für andere zeigten [62, 63]. Eine Hoffnung liegt derzeit in der Entwick- neurodegenerative Erkrankungen sind Prionenerkrankungen bedeutsam. lung von Immuntherapien und Vakzinen [64]. Das Österreichische Referenzzentrum für Prionenerkrankun- gen (ÖRPE) soll als Ansprechpartner für Kliniken in jeglichen Letztlich sind zum jetzigen Zeitpunkt die supportiven Thera- Belangen dienen. Auch Betroffene und Angehörige können pien die einzigen Therapiemaßnahmen, die routinemäßig bei hierbei Informationen und Beratung erhalten, um eine mög- allen Patienten angewendet werden sollten. Ein Fallbericht lichst umfassende Betreuung zu ermöglichen. Die individuelle Patientenbetreuung soll mit den intensiven Forschungsbemü- beschrieb die potentiell positiven Auswirkungen von Kunst- hungen in diesem Feld Hand in Hand gehen, um das Wissen Therapie auf Patienten mit CJK [65]. Zur Therapie von Myo- im Bereich dieser verheerenden Erkrankung zu erweitern, um klonien können Clonazepam, Valproat oder auch Levetirace- letztendlich nicht nur die frühzeitige Diagnostik, sondern auch tam eingesetzt werden. Eine aktive oder passive Mobilisation, die therapeutischen Möglichkeiten zu verbessern. antianalgetische Therapien sowie psychologische Betreuung können und sollen eingesetzt werden. Danksagung Einen besonders wichtigen Aspekt stellt die soziale Betreuung und Sicherstellung einer umfassenden und kompetenten pal- Das ÖRPE wird vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales, liativen Pflege dar. Aufgrund des raschen Krankheitsverlaufs Gesundheit und Konsumentenschutz gefördert. Wir bedanken stehen Erkrankte und vor allem auch Angehörige vor einem uns bei allen zuweisenden Ärztinnen/Ärzten und Kliniken für organisatorischen Problem. Eine entsprechende Versorgung die gute langjährige Zusammenarbeit. Besonderer Dank gilt soll also rechtzeitig von den behandelnden Ärzten bzw. Sozial- den ehemaligen ÖRPE-Leitern Prof. Gabor Kovacs und Prof. arbeitern geplant werden. Herbert Budka sowie auch Prof. Johannes Hainfellner, Prof. Thomas Ströbel, Prof. Günther Regelsberger, den aktuellen und ehemaligen ÖRPE-Mitgliedern, allen biomedizinischen 20 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2020; 21 (1)
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit Analytikern für die gewissenhafte Probenaufarbeitung sowie Interessenkonflikt dem administrativen Personal. Zudem danken wir Herrn Prof. Kasprian für die Zurverfügungstellung von MRT-Bildern. Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Ellen Gelpi bekommt Fördermittel des Medizinisch-Wissen- schaftlichen Fonds des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien für das Projekt Nr. 18097. Priv.-Doz. Dr. Ellen Gelpi Dr. med. univ. Sigrid Klotz Studium der Humanmedizin in Barcelona, Katalo- Studium der Humanmedizin 2012–2018 an der nien, Spanien. Fachärztin für Neurologie (Bar Medizinischen Universität Wien. Seit Januar 2018 celona, 2001) und Neuropathologie (Wien, 2007) Mitarbeiterin des Österreichischen Referenzzen mit Schwerpunkt neurodegenerative Erkrankungen trums zur Erfassung und Dokumentation mensch- und auch in diesem Bereich habilitiert. Leiterin licher Prionenerkrankungen. Basisausbildung an der Brain Bank in Barcelona von 2009–2017, Leite- der Universitätsklinik für Neurologie, Meduni Wien. rin von ÖRPE seit Juni 2019. Seit Oktober 2019 Ausbildung zum Facharzt für Neuropathologie und PhD-Studium im Bereich Neurodegeneration am Klinischen Institut für Neu- rologie, Meduni Wien. Literatur: 1. Creutzfeldt HG. Über eine eigenartige 16. Kovács GG, Puopolo M, Ladogana A, sible spongiform encephalopathies. Brain sion analysis of cerebrospinal fluid in spo- herdförmige Erkrankung des Zentralner Pocchiari M, Budka H, Van Duijn C, et al. 2004; 127: 2348–59. radic Creutzfeldt-Jakob disease. Ann vensystems. Zeitschrift für die gesamte Genetic prion disease: the EUROCJD 30. Buganza M, Ferrari S, Cecchini ME, Neurol 2012; 72: 278–85. Neurol und Psychiatr 1920; 57: 1–18. experience. Hum Genet 2005; 118: 166–74. Orrico D, Monaco S, Zanusso G. The old- 42. Bongianni M, Orrù C, Groveman BR, 2. Jakob A. Über eigenartige Erkrankungen 17. 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