Nachsorge ist Vorsorge - Von der Krebserkrankung geheilt: Nachsorge ...
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Head LATE EFFECTS SURVEILLANCE SYSTEM Kinder • Jugendliche Junge Erwachsene Von der Krebserkrankung geheilt: Nachsorge ist Vorsorge Informationsbroschüre Neuroblastom und Nephroblastom für Patienten, Angehörige & Interessierte 1
Impressum Herausgeber: Prof. Dr. med. Thorsten Langer Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH), Studienleiter Late Effects Surveillance System (LESS), Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Pädiatrische Onkologie und Hämatologie Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck Prof. Dr. med. Bernhard Wörmann Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. (DGHO) Medizinischer Leiter der DGHO Geschäftsstelle, Berolinahaus Alexanderplatz 1 10178 Berlin Prof. Dr. med. Thorsten Simon Klinik und Poliklinik für Kinder und Jugendmedizin, Pädiatrische Onkologie und Hämatologie Universitätsklinikum Köln Kerpener Str. 62 50937 Köln Dr. med. Barbara Hero Klinisches Studienzentrum Pädiatrie, Neuroblastomstudie, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin Uniklinik Köln Kerpener Str. 62 50937 Köln Prof. Dr. med. Norbert Graf Pädiatrische Onkologie und Hämatologie, Universitätsklinikum des Saarlandes Kirrberger Str. 100 66421 Homburg/Saar Autorin: Christine Vetter, Köln Unter Mitarbeit von: Prof. Dr. med. Anja Borgmann-Staudt, Berlin Prof. Dr. Thomas Lehrnbecher, Frankfurt am Main Konzept/Organisation: Jasmin Eickhoff, Köln Logo/CD: Petra Wöhrmann, München Fotos/Piktogramme/Gestaltung: Kai Funck, Köln Bild- und Abbildungsnachweis: Kai Funck, Köln ISBN 978-3-9821215-3-6 Copyright © 2021 LESS, alle Rechte vorbehalten Die Broschüre „Von der Krebserkrankung geheilt: Nachsorge ist Vorsorge“ wird finanziert vom Verein Kaminkehrer helfen krebskranken Kindern in Coburg und von der Madeleine Schickedanz-KinderKrebs-Stiftung in Fürth.
Vorwort LATE EFFECTS SURVEILLANCE SYSTEM Nachsorge ist Vorsorge Dank Fortschritten in der Krebsmedizin einer Krebserkrankung auftreten können. können heutzutage viele Menschen mit Es wird daher bei den heutigen modernen Krebserkrankung geheilt werden. Dies gilt Behandlungsstrategien alles darangesetzt, auch für das sogenannte Neuroblastom, die Therapie so schonend wie möglich zu einen Tumor, der vom sympathischen Ner- gestalten, ohne dabei jedoch die Heilungs- vensystem ausgeht und seinen Ursprung chancen zu schmälern. oft in den Nebennieren hat, sowie für das Nephroblastom, einen bösartigen Tumor Dennoch sollten sich Jugendliche wie auch der Niere. Erwachsene, die in ihrer Kindheit an einem Neuroblastom oder Wilms-Tumor erkrankt In bestimmten Stadien kann ein Neuro- waren, dieser Problematik bewusst sein, blastom sich ohne spezifische Therapie zu- wenn sie die Krebserkrankung überstanden rückbilden, in aller Regel ist aber eine Che- haben. Wer aufgrund eines entsprechenden motherapie erforderlich. Das ist auch beim Tumors behandelt werden musste, sollte Nephroblastom, auch Wilms-Tumor genannt, sich deshalb im späteren Leben einer so- der Fall. Die Intensität der Chemotherapie ist genannten Krebsnachsorge unterziehen. vom individuellen Tumor abhängig. Leider Durch die regelmäßige Nachsorge können können durch die zum Teil sehr intensive potenzielle Spätfolgen frühzeitig erkannt Behandlung auch gesunde Körperzellen und gegebenenfalls behandelt werden. Da- und Organe in Mitleidenschaft gezogen mit wird Spätkomplikationen vorgebeugt. werden. Das erklärt, warum eventuell in den folgenden Jahren gesundheitliche Stö- rungen oder auch die erneute Entwicklung Professor Dr. med. Thorsten Langer Arbeitsgruppe Spätfolgen - Late Effects Surveillance System (LESS) der GPOH, Universitätsklinikum Schleswig-Hol- stein, Campus Lübeck
Inhalt Warum Nachsorge? 5 Gibt es Spätfolgen im Bereich der Notwendige Untersuchungen Gefäße und des Stoffwechsels? 22 Vorbeugung von Herz- und Gefäßerkrankungen Warum klinische Studien? 7 Angebote für ehemalige Krebspatienten Gibt es Spätfolgen an der Lunge? 23 Dabei sein – Mitmachen 7 Gibt es Spätfolgen an den Nieren? 24 Nachsorgeempfehlungen Neuroblastom – ein Überblick 10 Krankheitsstadien Gibt es Spätfolgen für die Nerven? 26 Behandlung des Neuroblastoms 12 Gibt es Spätfolgen der Strahlentherapie? 27 Nephroblastom / Wilms-Tumor – ein Überblick 13 Fatigue – Erschöpfung als Folge der Erkrankung 28 Blick in die Forschung: Wie hoch ist das Krebsrisiko? 14 Gibt es Spätfolgen hinsichtlich der hormonellen Situation? Behandlung des Nephroblastoms Gibt es Spätfolgen für die Fruchtbarkeit? 29 Auf jeden Fall Nachsorge 15 Situation bei Jungen Spätfolgen der Behandlung erkennen Situation bei Mädchen Regelmäßige Kontrolluntersuchungen Nachsorgeempfehlungen Infokasten: Nachsorge im Internet 16 Blick in die Forschung: Das Risiko für einen zweiten Tumor 31 Gibt es Spätfolgen einer Chemotherapie? 17 Drohen Tumore in einem anderen Organ? 32 Gibt es Spätfolgen für das Gehör? 18 Gibt es Folgen für die Psyche? 33 Vorbeugung von Hörstörungen Chancen der psychoonkologischen Nachsorge nutzen Blick in die Forschung: Wie häufig sind Hörstörungen? Impfschutz nach einer Krebserkrankung 34 Impfungen nach Abschluss der Chemotherapie Blick in die Forschung: Das Hörvermögen in der Nachsorge Gibt es Spätfolgen im Bereich des Herzens? 20 Endlich erwachsen: Was ist in puncto Nachsorgeempfehlungen Krebs noch zu beachten? 36 Blick in die Forschung: Wie hoch ist das Risiko für das Herz? Wichtige Ansprechpartner 38 Ansprechpartner Nachsorge Ansprechpartner Familien-Rehabilitation – Jugend-Reha Glossar 42
Warum Nachsorge? LATE EFFECTS SURVEILLANCE SYSTEM Sowohl das Neuro- als auch das Neph- roblastom entwickeln sich im Allgemei- nen bereits im Säuglings-, Kleinkind- oder Schulkindalter. Welche Behandlung zum Einsatz kommt, hängt wesentlich davon ab, wie hoch das Risiko ist, dass sich der Tumor neu bildet. Generell aber gilt, dass für Menschen, die an Krebs litten, eine spe- zielle Krebsnachsorge besonders wichtig Maßnahmen, meistens auch eine Chemo- ist. Denn durch die intensive Krebstherapie therapie, sowie eine Immun- oder nukle- können sich Spätfolgen in anderen Organ- armedizinische Therapie und manchmal systemen entwickeln und es kann eine wei- zusätzlich eine Strahlenbehandlung. Die tere Krebserkrankung begünstigt werden. Intensität der Behandlung hängt von dem Tumor, aber auch vom Krankheitsstadium Welche neuen Erkrankungen in der Folge ab und wird individuell an den einzelnen auftreten, hängt im Wesentlichen von der Patienten entsprechend seinen Risikofak- Krebserkrankung und der durchgeführten toren angepasst. Krebstherapie ab. So spielt zum Beispiel eine Rolle, welche Wirkstoffe bei einer Um eventuell auftretende Folgeerkran- Chemotherapie gegeben wurden. kungen frühzeitig erkennen und behan- deln zu können, wurde und wird für die Die Behandlung des Neuroblastoms und jeweilige Tumorerkrankung ein spezieller des Nephroblastoms beinhaltet operative Nachsorge-Kalender erarbeitet. Er gibt Die Informationsbroschüre „Nachsorge ist Vorsorge“ dient zur Information zum Neuroblastom und zum Nephroblastom für Jugendliche und Erwachsene, die in ihrer Kindheit an einem dieser Tumore er- krankt waren, aber auch für Eltern von Kindern nach Abschluss einer Behandlung eines Neuroblastoms oder Nephroblastoms. Sie soll erklären, warum es so wichtig ist, die in der Nachsorge vorgegebenen Untersuchungstermine einzuhalten. Zudem soll sie die Betroffenen motivieren, in den vorgeschlagenen Abständen den jeweiligen Arzt auf- zusuchen und sich die ermittelten Befunde aufzuheben. So lässt sich jederzeit nachvollziehen, welcher Befund wann erhoben wurde und ob es dabei Auffälligkeiten gegeben hat, die weiter beobachtet wer- den sollten. Derzeit wird daran gearbeitet, diese Dokumentation der Nachsorge-Befunde auch online zu ermöglichen. Hinweise hierzu gibt es im Internet unter www.nachsorge-ist-vorsorge.de. 5
vor, in welchen Abständen welche Unter- Jahren nach Therapieende am größten ist suchungen durchgeführt werden sollten. und dass nachfolgende Untersuchungen vor Diese Nachsorgeuntersuchungen bedeuten allem zur Früherkennung von Spätfolgen keineswegs, dass entsprechende Kompli- notwendig sind. kationen auftreten müssen. Sie sind viel- mehr eine Sicherheitsmaßnahme, um sich Auf den nachfolgenden Seiten soll darge- eventuell anbahnende Spätfolgen früh zu stellt werden, welche Spätfolgen speziell erfassen und zu behandeln. nach der Behandlung des Neuroblastoms und Nephroblastoms auftreten können und Notwendige Untersuchungen wie sie sich bemerkbar machen. Auch wenn Bei jedem Nachsorgetermin wird eine das Risiko für Spätfolgen im Einzelfall nicht eingehende klinische Untersuchung durch- sehr hoch ist, sollte doch jeder Betroffene geführt, bei der die allgemeine körperli- darum wissen und die Chancen der Früh- che Verfassung geprüft wird. Dabei wird erkennung potenzieller Komplikationen sorgfältig untersucht, ob es einen Hinweis wahrnehmen. Die Krebsnachsorge wird auf ein Wiederauftreten des Neuro- oder so zur Krankheitsvorsorge. Nephroblastoms gibt, also ob sich ein so- genanntes Rezidiv entwickelt. Um dies Apropos Spätfolgen: Die in den nachfolgen- frühzeitig zu bemerken und mögliche Fol- den Kapiteln beschriebenen Komplikationen gen der Behandlung zu erkennen, werden können, müssen aber nicht unbedingt als zusätzlich in regelmäßigen Abständen un- Folge der Krebstherapie auftreten. Leider ter anderem körperliche Untersuchungen, lässt sich im Einzelfall nicht immer zuver- Untersuchungen des Blutes und des Urins, lässig abschätzen, ob eine neue Erkrankung sowie sogenannte „bildgebende Verfahren“, auftritt oder nicht und man kann bislang zum Beispiel Ultraschall, Röntgen oder eine auch nicht vorhersagen, wie hoch das Ri- Computertomographie (CT)/Kernspinto- siko im individuellen Fall ist. Das erklärt, mographie (MRT) durchgeführt. Wann warum vorsichtshalber allen Betroffenen und wie häufig diese Untersuchungen er- zu regelmäßiger Teilnahme an den Nach- folgen sollen, steht im Nachsorgeplan der sorgeuntersuchungen geraten wird. Therapiestudie. Wichtig ist zu wissen, dass das Risiko eines Rückfalls in den ersten zwei bis drei 6
Warum klinische Studien? Dabei sein – Mitmachen LATE EFFECTS SURVEILLANCE SYSTEM Die Broschüre „Von der Krebserkrankung geheilt: Nachsorge ist Vorsorge – Neuroblastom und Neph- roblastom“ wird von der Arbeitsgruppe Spätfolgen, LESS (Late Effects Surveillance System) herausgege- Die verbesserten Heilungschancen bei ben. Broschüre und Nachsorgeplan werden den Pa- kindlichen Krebserkrankungen sind vor tienten bei Abschluss der Behandlung ausgehändigt allem der Tatsache zu verdanken, dass die oder an die nachsorgende Klinik gesandt. Die im Behandlung der jeweiligen Krankheiten im Rahmen der Nachsorgeuntersuchungen erhobenen Rahmen klinischer Studien durchgeführt, Befunde sollten vermerkt und aufgehoben werden. kontrolliert und dabei immer weiter opti- So ist auch im Falle eines Arztwechsels zu späteren miert wurde. Zeitpunkten eine lückenlose Beurteilung der gesundheitlichen Situation im Hinblick auf mögliche Schon vergleichsweise früh wurde das Folgen der Krebserkrankung und ihrer Behandlung Konzept der Behandlung im Rahmen kli- möglich. nischer Studien bei Krebserkrankungen im Die zentrale Dokumentation möchte die Arbeits- Kindes- und Jugendalter etabliert, wobei gruppe Spätfolgen, LESS übernehmen, was jedoch die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische das Einverständnis der Patienten (bei Minderjäh- Onkologie und Hämatologie (GPOH) und rigen auch der Eltern) voraussetzt. Die Erhebung die von ihr gebildeten Studiengruppen fe- und Analyse der ermittelten Daten soll unter derführend waren und sind (www.gpoh.de). anderem dazu beitragen, das Wissen um mögliche Spätfolgen einer Krebserkrankung im Kindes- und Initiiert wurden Untersuchungen zur Jugendalter zu erweitern. Hierzu ist es wichtig, die Behandlung und Nachsorge nach erfolg- jungen Patienten in ihrem späteren Leben möglichst reicher Therapie in der Kinderonkologie lückenlos weiterverfolgen zu können. Das setzt vo- (www.kinderkrebsinfo.de). So wurde raus, dass eventuell auftretende Spätfolgen ebenso beispielsweise die Zentrale der Studien- wie ein eventuell stattfindender Arztwechsel LESS gruppe LESS – Arbeitsgruppe Spätfolgen mitgeteilt werden. LESS sollte zudem im Falle spe- eingerichtet. Die Abkürzung LESS steht für zieller Fragen mit den ehemaligen Patienten direkt die englische Bezeichnung „Late Effects in Kontakt treten können. Kinder, Jugendliche und Surveillance System“ und beschreibt die Angehörige wie zum Beispiel Lebenspartner können Aufgabe der Studiengruppe. Diese soll die ihrerseits jederzeit mit LESS Kontakt aufnehmen, nach einer Krebserkrankung im Kindes- und entweder postalisch: Jugendalter möglicherweise auftretenden Prof. Dr. med. Thorsten Langer, Late Effects Spätfolgen systematisch erfassen und er- Surveillance System (LESS) forschen sowie spezielle Nachsorgepläne/ Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Nachsorge-Kalender erarbeiten. Die Studi- Campus Lübeck enzentrale LESS versteht sich darüber hin- Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Pädiat- rische Onkologie und Hämatologie Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck oder via Internet: www.nachsorge-ist-vorsorge.de 7
aus als überregionaler Ansprechpartner in die Strukturen für eine Langzeitbeobach- Sachen Nachsorge nach Krebserkrankun- tung der ehemaligen Patienten sicher. Der gen im Kindes- und Jugendalter. Sie steht wissenschaftliche Schwerpunkt des DKKR bei Fragen den Betroffenen sowie deren liegt auf der Erforschung dieser Zweitmali- Familien, aber auch den Kinderärzten und gnome, also bösartigen Erkrankungen, die Hausärzten offen, die die jungen Menschen nach einer vorausgegangenen Krebserkran- nach Abschluss der Krebsbehandlung in ih- kung entstanden sind. Zweitmalignome im rem weiteren Leben bei gesundheitlichen Erwachsenenalter ehemaliger krebskranker Problemen betreuen und begleiten (www. Kinder werden in den jeweiligen Landes- nachsorge-ist-vorsorge.de). krebsregistern dokumentiert und mit dem Kinderkrebsregister abgeglichen. Angebote für ehemalige Krebspatienten Speziell für Kinder mit einem Neuroblas- In der im Jahre 2011 gegründeten Ar- tom gibt es ferner das von der Deutschen beitsgemeinschaft „Langzeitbeobachtung“ Kinderkrebsstiftung geförderte Neuroblas- (Stellvertr. Sprecher: Prof. Dr. med. Thors- tom-Register, über das unter anderem die ten Langer) arbeiten alle Arbeitsgruppen Langzeitverläufe und mögliche Spätfolgen auf dem Gebiet der Nachsorge nach Krebs der Patienten erfasst werden. im Kindes- und Jugendalter zusammen. Nachsorgezentren und Nachsorgesprech- Es gibt darüber hinaus auch für Kinder stunden für ehemals krebskranke Kinder mit Nephroblastom ein spezielles Neph- und Jugendliche, die jetzt erwachsen sind, roblastom-Register, in dem die Fälle mit werden derzeit definiert und an verschie- einem solchen Tumor erfasst und nach- denen Standorten aufgebaut. verfolgt werden. Folgekrebserkrankungen (Zweitmalig- Mit dem Programm „L.O.T.S.E – Leben nome) nach einer Krebserkrankung bei ohne Tumor, Strategie und Edukation“ Kindern und Jugendlichen werden darü- wurde außerdem am Universitären Can- ber hinaus auch durch das Deutsche Kin- cer Center Hamburg (UCCH) ein spezielles derkrebsregister (DKKR) erfasst. Es hat Survivorship-Programm etabliert. Es koor- seinen Sitz am Institut für Medizinische diniert die Nachsorgeangebote für Kinder, Biometrie, Epidemiologie und Informatik Jugendliche und Erwachsene nach einer der Universitätsmedizin Mainz und stellt Krebserkrankung. Weitere Informationen 8
LATE EFFECTS SURVEILLANCE SYSTEM gibt es hierzu auf der Internetseite www. gendalter befasst und unter der Abkürzung allianz-gegen-brustkrebs.de/index. RiSK (Register zur Erfassung radiogener php/experten-interviews/102-das- Spätfolgen bei Kindern und Jugendlichen) projekt-lotse . bekannt wurde. In einem Register werden Spätfolgen der Strahlenbehandlung syste- Um junge Erwachsene während der matisch erfasst, was künftig eine bessere Behandlung und in der Nachsorge einer Einschätzung des individuellen Risikos nach Krebserkrankung besser unterstützen zu einer Krebsbehandlung erlauben und die können, wurde eine Leitlinie „Heranwachsende Erarbeitung schonenderer Behandlungs- und junge Erwachsene (AYA, Adolescents konzepte ermöglichen soll. Diese Arbeits- and Young Adults)“ verfasst. Die Leitlinie gruppe arbeitet heute an der MHH von steht im Internet zum Download bereit Hannover aus. unter https://bit.ly/3qLx3ta Es gibt eine Reihe weiterer Initiativen Am Universitätsklinikum Münster wurde und Organisationen, die sich in der Tumor- außerdem mit Unterstützung der Deut- nachsorge bei Kindern, Jugendlichen und schen Kinderkrebsstiftung eine spezielle Erwachsenen engagieren. Die Initiativen Arbeitsgruppe etabliert, die sich gezielt sind zum Teil regional und krankheitsbe- mit der Erfassung von Spätfolgen nach zogen. Die jeweiligen Arbeitsgruppen wie einer Strahlentherapie im Kindes- und Ju- beispielsweise LESS wie auch RiSK sind auf 9
Neuroblastom – ein Überblick eine gute Zusammenarbeit mit den betrof- Das Neuroblastom ist eine bösartige Er- fenen Patienten, ihren Familien und den krankung des sympathischen Nervensys- behandelnden Ärzten angewiesen, damit tems. Diese entwickelt sich meist schon vor die Dokumentation auftretender Spätkom- dem sechsten Lebensjahr. Die betroffenen plikationen möglichst lückenlos erfolgen Kinder sind im Mittel 14 Monate alt, wenn kann. Denn dies ist eine wesentliche Vo- die Erkrankung diagnostiziert wird. Nur raussetzung dafür, dass die langfristigen sehr selten ist der Tumor bei Erwachse- Risiken einzelner Maßnahmen der Tumor- nen zu finden. behandlung künftig genauer als bisher abzuschätzen sind. Im Allgemeinen entsteht das Neuroblas- tom sporadisch. Selten aber tritt es im Zu- Gute Informationsmöglichkeiten bieten sammenhang mit anderen Erkrankungen außerdem die Deutsche Kinderkrebsstiftung auf, die auf einem bestimmten genetischen mit ihrer Internetseite www.kinderkrebs- Defekt (Mutation) beruhen. Beispiele sind stiftung.de sowie das Kompetenznetz Pä- der sogenannte Morbus Hirschsprung und diatrische Onkologie und Hämatologie mit das Undine-Syndrom. Die genetischen der Internetseite www.kinderkrebsinfo.de Veranlagungen bei diesen Erkrankungen können wahrscheinlich auch das Auftreten eines Neuroblastoms begünstigen. Neuroblastome bilden sich meist im Ne- bennierenmark oder im Nervengeflecht (sogenannter Grenzstrang) entlang der Wirbelsäule. Die Tumore können dabei in praktisch allen Regionen entlang der Wir- belsäule auftreten, also im Bauch- und Beckenbereich und ebenso im Brust und Halsbereich. Am häufigsten entstehen sie in der Bauchregion. Bei rund jedem zweiten Kind haben sich zum Zeitpunkt der Diagnose jedoch schon Metastasen gebildet, also Absiedlungen 10
LATE EFFECTS SURVEILLANCE SYSTEM des ursprünglichen Tumors in anderen Der Verlauf der Erkrankung ist sehr unter- Körperregionen. Meist betreffen diese das schiedlich: So können sich Neuroblastome Knochenmark, sie können sich aber auch durchaus spontan zurückbilden. Dann ist in den Knochen, in Lymphknoten oder in ein abwartendes Verhalten „Watch and der Leber bilden. wait“ möglich. Auch kann eine operative Tumorentfernung die Heilung bedeuten. Mit welchen Symptomen sich das Neuro- Neuroblastome können aber auch einen blastom bemerkbar macht, hängt wesent- aggressiven Verlauf nehmen. Wie die Er- lich davon ab, wo es sich konkret gebildet krankung im Einzelfall verlaufen wird, lässt hat und wo möglicherweise Metastasen sich anhand von Risikofaktoren abschätzen. entstanden sind. Es kann zu Schwellun- Hierzu gehören: gen in diesem Bereich kommen und nicht • ein Alter von mehr als 18 Monaten bei selten sind allgemeine Symptome wie eine Diagnosestellung, Leistungseinschränkung, Fieber, Knochen- • der Nachweis bestimmter genetischer schmerzen und/oder eine auffällige Blässe Veränderungen (Mutationen), des Kindes. Auch Bauchschmerzen, Völle- • das Vorliegen von Metastasen. gefühl, Verstopfung oder Durchfälle können auftreten. In sehr seltenen Fällen können sich Lähmungserscheinungen ausbilden. Andererseits kann der Tumor aber auch lange symptomlos bleiben, rund 40 Prozent der Neuroblastome werden daher rein zu- fällig bei einer Vorsorgeuntersuchung oder anderen Untersuchungen zum Beispiel bei kleineren Verletzungen entdeckt. Krankheitsstadien Abhängig von der jeweiligen Situation unterscheiden die Mediziner die Krank- heitsstadien 1 bis 3, in denen der Tumor lokal begrenzt ist, das Stadium 4 mit Me- tastasen und speziell das Stadium 4S als metastasierte Erkrankung im Säuglingsalter. 11
Behandlung des Neuroblastoms Die Behandlung des Neuroblastoms ist Auch bei allen anderen Patienten ist an- abhängig vom Krankheitsstadium und der fangs eine Gewebegewinnung zur Diag- jeweiligen Risikosituation. Bei Patienten nosesicherung erforderlich. Bei Patienten mit niedrigem Risiko für einen aggressiven mit mittlerem Risiko folgt danach eine Verlauf erfolgt ein operativer Eingriff, um Chemotherapie, eine erneute Operation Tumorgewebe zu entnehmen und charakte- zur Tumorentfernung und eventuell eine risieren zu können. Ansonsten ist in solchen Strahlentherapie. Bei Hochrisikopatienten Fällen zunächst keine weitere Behandlung schließt sich an die erste Gewebegewin- erforderlich. Die Patienten müssen aber nung eine intensive Chemotherapie, eine im Rahmen der Nachsorge engmaschig Hochdosis-Chemotherapie mit autologer weiter beobachtet werden, um den Tu- Stammzelltransplantation, eine Strahlen- morverlauf verfolgen zu können. Leiden therapie und eine Immuntherapie an. die Kinder unter Tumorsymptomen wie Ernährungsproblemen, Gewichtsverlust, Luftnot oder Blutdruckveränderungen, so kann eine Chemotherapie hilfreich sein und möglicherweise auch die Tumorrückbildung unterstützen. 12
Nephroblastom/Wilms-Tumor – ein Überblick LATE EFFECTS SURVEILLANCE SYSTEM Das Nephroblastom ist der häufigste Der Wilms-Tumor macht oft lange Zeit bösartige Nierentumor im Kindesalter. Es kaum Beschwerden. Diese sind zudem we- entsteht aus Resten von unreifem Nieren- nig spezifisch für den Tumor. So kann es zur gewebe und wird auch als Wilms-Tumor Zunahme des Bauchumfangs, zu Völlege- bezeichnet – nach dem Heidelberger Chi- fühl, Leibschmerzen, Abgeschlagenheit und rurgen Max Wilms (1867–1918), der das eventuell auch zu Fieber und sehr selten zu Nephroblastom ausführlich beschrieben Blut im Urin kommen. Oft wird der Tumor hat. Der Tumor bildet sich meist im zweiten mehr oder weniger zufällig vom Kinderarzt oder dritten Lebensjahr der Kinder. Mädchen bei einer Vorsorgeuntersuchung entdeckt. sind etwas häufiger betroffen als Jungen. Der Wilms-Tumor wird in Stadien einge- Ursache des Tumors sind genetische Ver- teilt, die ihrerseits Konsequenzen für die änderungen (Mutationen), die bei rund jeweilige Therapie und für die Prognose zehn Prozent der betroffenen Kinder mit des Kindes haben: angeborenen Syndromen im Zusammen- • Stadium I liegt vor, wenn der Tumor hang stehen, wodurch zusätzliche Proble- noch auf die Niere beschränkt ist und me auftreten können. Meist gehen solche vollständig entfernt werden kann. Syndrome mit Fehlbildungen und Erkran- • Stadium II liegt vor, wenn der Tumor zwar kungen anderer Organbereiche einher wie schon über die Niere hinaus gewachsen zum Beispiel beim sogenannten WAGR- ist, aber operativ noch komplett entfernt Syndrom. Die Abkürzung steht für die bei werden kann. den betroffenen Kindern meist vorliegenden • Stadium III besteht, wenn der Tumor Erkrankungen: Wilms-Tumor, Aniridie (Feh- nur unvollständig zu entfernen ist, sich len der Regenbogenhaut), Fehlbildungen aber außer Metastasen im Lymphknoten des Harntraktes und/oder der Keimdrüsen, um den Tumor noch keine Metastasen geistige Retardierung (unterdurchschnittliche in der Lunge oder in anderen Organen geistige Entwicklung). Auch andere Krank- gebildet haben. heitsbilder können mit dem Wilms-Tumor • Stadium IV besteht, wenn Metastasen assoziiert sein. Aber 90 Prozent der Kinder z.B. in der Lunge, der Leber, den Knochen mit einem Nephroblastom haben keine ge- oder im Gehirn vorliegen. netischen Krebsprädispositionssyndrome. • Stadium V besteht, wenn beide Nieren des Kindes betroffen sind. 13
Behandlung des Nephroblastoms Blick in die Forschung In Europa beginnt die Behandlung des Wie hoch ist das Krebsrisiko Nephroblastoms nach der Diagnose durch In Deutschland erkranken jedes Jahr eine Bildgebung wie einem Ultraschall des etwa 2.100 Kinder und Jugendliche unter Bauchraums, einer Computertomographie 18 Jahren an Krebs. In etwa zehn Prozent (CT) oder Kernspintomographie (MRT) des der Fälle liegt der Erkrankung eine be- Bauchraums und einer CT-Untersuchung der kannte erbliche Veränderung zugrunde Lunge mit einer Chemotherapie, bevor der oder es liegt ein sogenanntes Krebsprä- Tumor dann operativ meist mit der betroffe- dispositionssyndrom vor, also eine ge- nen Niere entfernt wird. Nach der Operation netisch bedingte Erkrankung mit hohem ist die weitere Behandlung (Chemothera- Krebsrisiko. Eine solche genetische pie und manchmal Strahlentherapie) vom Krebsprädisposition ist die bedeutendste Krankheitsstadium und der feingeweblichen bekannte Krebsursache im Kindesalter. Untersuchung (Histologie) sowie dem An- Mit ihrer Erforschung beschäftigt sich sprechen auf die Chemotherapie vor der insbesondere die Forschergruppe um Operation abhängig. Die Vorbehandlung Professor Dr. Christian P. Kratz aus Han- des Tumors mittels einer Chemotherapie nover. Die Wissenschaftler wollen durch führt in aller Regel zu einer Tumorverklei- ihre Forschungsprojekte besser verste- nerung, erleichtert damit die notwendige hen, mit welchen Risiken Krebsprädis- Operation und ermöglicht so manchmal den positionssyndrome einhergehen und Erhalt der tumortragenden Niere. welche Mechanismen der Krebsentste- hung zugrunde liegen. Zudem wollen Die Prognose der Kinder ist heutzutage sie prüfen, ob die Früherkennung für gut: Mehr als 90 Prozent werden gesund und die Betroffenen einen gesundheitli- bleiben es auch in ihrem weiteren Leben. chen Vorteil bringt. Weiterführende Informationen gibt es auf der Internet- seite der Forschungsinitiative unter www.krebs-praedisposition.de 14
Auf jeden Fall: Nachsorge LATE EFFECTS SURVEILLANCE SYSTEM Wie auch bei anderen Tumoren ist nach Behandlung mit Zytostatika kann gesunde dem Abschluss der Behandlung eines Neu- Zellen und Organe im Körper schädigen und roblastoms oder eines Nephroblastoms eine in ihrer Funktion beeinträchtigen. Ist dies langfristige Nachsorge wichtig. Es geht der Fall, so kann das auf lange Sicht mit darum zu prüfen, ob möglicherweise die einem erhöhten Krankheitsrisiko verbunden Erkrankung zurückkommt, also ein Rezidiv sein. Es kann zur Entwicklung einer erneuten auftritt. Außerdem hat die Nachsorge das Krebserkrankung (Zweittumor) kommen und Ziel, potenzielle Folgen der im Einzelfall es können zum Beispiel Folgeerkrankungen doch recht aggressiven Behandlung früh am Herz-Kreislauf- und Nervensystem, an zu erkennen, um eine frühzeitige Therapie der Lunge und den Nieren oder auch eine der Komplikationen einleiten zu können. Schwerhörigkeit sowie Spätfolgen an ver- schiedenen anderen Organen auftreten. Kinder mit einem Wilms-Tumor im Zusam- menhang mit verschiedenen Syndromen Die eventuellen Spätfolgen durch eine brauchen wegen der komplexen Situation Früherkennung und Frühbehandlung zu dieser Erkrankung zudem eine spezielle begrenzen, ist eines der Ziele der Nachsor- Nachsorge. So muss diese zum Beispiel ge. Das betrifft nicht nur die körperlichen, beim WAGR-Syndrom auch Untersuchun- sondern auch die potenziellen psychischen gen beim Augenarzt umfassen und ebenso Folgen der sehr belastenden Erkrankung, eine besondere Betreuung hinsichtlich des ihrer Behandlung und deren Folgen für den schulischen und später auch des berufli- weiteren Lebensweg hinsichtlich der beruf- chen Werdegangs. Da solche Syndrome lichen Karriere sowie der Familienplanung. auf genetischen Veränderungen basieren, ist immer auch eine genetische Beratung Die Belastung durch eine Krebserkran- der Familien wichtig, da diese Syndrome kung eines Kinds betrifft auch immer die als sogenannte Prädispositionssyndrome gesamte Familie, so dass in der Nachsorge angesehen werden müssen. insbesondere bei kleinen Kindern, wie eben beim Neuroblastom und Nephroblastom, Spätfolgen der Behandlung die gesamte Familie mit in die Nachsorge erkennen einbezogen werden muss. Bei der Nachsorge geht es allgemein dar- um, potenzielle Langzeitfolgen der Chemo- therapie schon früh zu entdecken. Denn die 15
Regelmäßige durchgeführt wurde und welche Befunde Kontrolluntersuchungen bei den Basisuntersuchungen erhoben wur- Die Nachsorge beginnt im Prinzip schon den, sind darüber hinaus weitere Untersu- mit der Therapieabschlussuntersuchung, in chungen notwendig wie zum Beispiel eine der die Patienten oder bei Kindern die An- Ultraschalluntersuchung, eine Kernspinto- gehörigen zugleich über die Bedeutung der mographie oder Röntgenuntersuchungen. Nachsorge informiert werden. Sie erhalten dann idealerweise auch bereits die Nach- In der ersten Zeit nach Abschluss der Krebs- sorgebroschüre und einen Nachsorgeplan, behandlung sind die zeitlichen Abstände aus dem sich die jeweiligen Termine der zwischen den Nachsorgeuntersuchungen Nachsorgeuntersuchungen ergeben. Der vergleichsweise kurz. Kommt es nicht zu Nachsorgeplan berücksichtigt dabei auch Komplikationen oder zum Rezidiv, werden die individuelle Risikosituation. die Zeitintervalle in der Folgezeit länger. Es ist deshalb sinnvoll, die ursprüngliche Im Mittelpunkt stehen bei der Untersu- Therapie wie auch die Befunde der Nach- chung das Gespräch mit dem Arzt, der nach sorgeuntersuchungen im Nachsorgeplan zu möglichen Symptomen fragt, die körperliche protokollieren oder durch den Arzt protokol- Untersuchung und eine Blutuntersuchung. lieren zu lassen und diesen Nachsorgeplan Je nachdem welche Tumorbehandlung zu den nachfolgenden Untersuchungen mit- Nachsorge im Internet Zur Nachsorge bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach Krebser- krankung gibt es im Internet Informationen unter www.nachsorge-ist-vorsorge.de sowie unter www.kinderkrebsinfo.de, einem Informationsportal der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Spezielle Informationen zum Neuroblas- tom und Nephroblastom bei Kindern und Jugendlichen und deren Nachsorge gibt es unter www.kinderkrebsinfo.de. Umfassende Informationen zu den beiden Krank- heitsbildern einschließlich Hinweisen zur Nachsorge finden sich außerdem auf der Internetseite der Deutschen Krebsgesellschaft unter www.krebsgesellschaft.de 16
Gibt es SpätfolgenLATE einer EFFECTS SURVEILLANCE SYSTEM Chemotherapie? Bei den Medikamenten, die zur medi- kamentösen Behandlung einer Krebser- krankung eingesetzt werden, handelt es sich um sogenannte Zytostatika. Das sind Substanzen, die als Zellgift wirken und über verschiedene Mechanismen die Tumorzel- len zum Absterben bringen. Leider gelingt dies noch nicht so gezielt, dass nur die Tu- morzellen zerstört werden. Die Zytostatika können auch gesunde Zellen angreifen, was das Auftreten gesundheitlicher Kom- plikationen nach sich ziehen kann. Nicht immer zeigen sich solche Schädigungen sofort. Oft entwickeln sie sich langsam und werden erst nach einer gewissen Zeit zubringen. So kann sich der jeweilige Arzt auffällig, weshalb man auch von Spätfol- rasch einen Überblick darüber verschaffen, gen der Chemotherapie spricht. wie der Patient behandelt wurde und weiß, worauf er besonders zu achten hat. Die verschiedenen Organe des Körpers sind gegenüber potenziell schädigenden Ganz generell ist die konsequente Krebs- Wirkungen der Chemotherapie unter- nachsorge bei all jenen Menschen besonders schiedlich empfindlich. Das Risiko, dass wichtig, die in ihrer Kindheit, Jugend oder Spätfolgen auftreten, hängt unter anderem als junge Erwachsene an einer Tumorer- auch davon ab, wie die Krebsbehandlung krankung gelitten haben. Denn bei ihnen durchgeführt wurde und welche Zytosta- ist die Wahrscheinlichkeit, dass Spätfolgen tika dabei eingesetzt wurden. der Behandlung zum Tragen kommen, we- gen des frühen Erkrankungsalters und der noch deutlich längeren Lebenszeit ungleich höher als bei einem älteren oder alten Men- schen, der Krebs entwickelt. 17
Gibt es Spätfolgen für das Gehör? Eine häufige Spätfolge nach der Behand- Blick in die Forschung lung eines Neuroblastoms wie auch eines Wie häufig sind Nephroblastoms sind – je nach Behand- Hörstörungen? lungsplan – Hörstörungen. Denn bei den Die Auswirkungen von platinhaltigen beiden Tumoren kommen Medikamente zum Medikamenten auf das Hörvermögen Einsatz, die dazu führen können, dass die wurden in verschiedenen Studien Haarzellen im Innenohr, also die eigentlichen untersucht. Auch das LESS-Projekt hat Sinneszellen, die das Hören ermöglichen, eine entsprechende Untersuchung mit 74 geschädigt werden. Dieses Phänomen wird Patienten, die an einem Knochentumor von den Fachleuten auch als Ototoxizität erkrankt waren und mit Cisplatin und/ der Behandlung bezeichnet. Die Betreffen- oder Carboplatin behandelt wurden, den leiden dann an einer Schwerhörigkeit, durchgeführt. Dabei wies rund jeder die vor allem das Hören hoher Töne betrifft zweite Patient Beeinträchtigungen des (Hochtonschwerhörigkeit). Hörvermögens auf. Allerdings lagen diese zum Großteil in einem tolerierbaren Ein erhöhtes Risiko für eine Störung des Bereich. Eine Versorgung mit einem Hör- Gehörs besteht vor allem bei einer Chemo- gerät war nur in wenigen Fällen nötig. therapie mit platinhaltigen Wirkstoffen wie Cisplatin oder Carboplatin und bei einer hohen Dosierung dieser Zytostatika. Die Hörstörung kann durch eine Strahlenbe- handlung, die das Innenohr einschließt, Ein gutes Gehör ist jedoch insbesondere zusätzlich verstärkt werden. für Kinder wichtig, damit sie sich normal entwickeln können und richtig sprechen Die Behandlung mit platinhaltigen Medi- lernen. Hörstörungen müssen deshalb so kamenten kann unter Umständen außerdem früh wie möglich erkannt werden, um die zum Auftreten störender Ohrgeräusche betroffenen Kinder und Jugendlichen gege- führen, der Mediziner spricht von einem benenfalls mit einem Hörgerät versorgen zu Tinnitus. Diese gesundheitlich nicht gefähr- können. Deshalb werden bereits während liche, wohl aber als sehr störend empfun- der Krebsbehandlung Untersuchungen des dene Komplikation kann vorübergehend Gehörs durchgeführt. oder anhaltend sein. 18
LATE EFFECTS SURVEILLANCE SYSTEM Unabhängig davon sollte ein Hörtest un- Blick in die Forschung bedingt Bestandteil der Therapieabschluss- Das Hörvermögen in untersuchung sein. Bei der Erstellung des der Nachsorge sogenannten Audiogramms werden dem Ein Expertenteam hat jüngst einheit- Patienten über einen Kopfhörer einzelne liche Empfehlungen für die Nachsorge Töne vorgespielt, die sich in ihrer Frequenz, in puncto Hörstörungen bei Kindern, also in der Höhe des Tons, unterscheiden. Jugendlichen und jungen Erwachsenen, Dabei wird die Lautstärke des Tons verän- die in der Kindheit oder Jugend eine dert und der Patient erklärt jeweils, ob er Krebsbehandlung erfahren haben, er- den Ton hört oder nicht. Die Ergebnisse der arbeitet. Demnach besteht generell ein Untersuchung werden in einem Diagramm erhöhtes Risiko für Hörstörungen, wenn festgehalten. bei der Chemotherapie mit Cisplatin oder Carboplatin behandelt wurde oder eine Vorbeugung von Hörstörungen Strahlentherapie im Kopfbereich erfolgte. Besteht aufgrund der Behandlung ein Ri- Bereits mit Ende der Behandlung siko für die Entwicklung einer Hörstörung, sollte in solchen Fällen das Nachsorge- ist sowohl während als auch im Anschluss programm starten. Eine Prüfung des an die Therapie unbedingt darauf zu ach- Hörvermögens ist bei Kindern unter ten, Lärmquellen zu vermeiden. So lässt sechs Jahren jährlich vorgesehen, bei sich weiteren Schädigungen vorbeugen. älteren Kindern alle zwei Jahre und ab dem 12. Lebensjahr alle fünf Jah- Denn auch ein hoher Lärmpegel kann re. Zeigen sich bei den Kontrollunter- die empfindlichen Haarzellen im Innen- suchungen Auffälligkeiten, sollten die ohr schädigen und somit vorübergehend Betreffenden von einem entsprechend oder anhaltend zu Schwerhörigkeit führen. spezialisierten Arzt, einem sogenann- Vorsicht ist somit geboten beim Hören von ten Audiologen, weiter untersucht und sehr lauter Musik zum Beispiel über einen behandelt werden. Das gilt ebenso für Kopfhörer oder bei Konzerten sowie beim Kinder, Jugendliche und junge Erwach- Besuch von Diskotheken, in denen der sene, die einen Tinnitus entwickeln. Geräuschpegel fast immer sehr hoch ist. 19
Gibt es Spätfolgen im Bereich des Herzens? Die Aufgabe des Herzens besteht vor allem Ein erhöhtes Risiko für Herz- und Gefäßer- darin, kontinuierlich Blut durch das Kreislauf- krankungen besteht bei einer Chemothera- system des Körpers zu pumpen und die Orga- pie mit sog. Anthrazyklinen und ebenso bei ne und Gewebe so mit Sauerstoff und Nähr- einer Strahlentherapie, die Teile des Herzens stoffen zu versorgen sowie Kohlendioxid und miteinschließt. Das Risiko ist erhöht bei Vor- Stoffwechsel-Schlacken abzutransportieren. liegen eines angeborenen Herzfehlers und es Das Herz vollbringt dabei eine nahezu unvor- steigt, wenn das Kind Übergewicht entwickelt stellbare Leistung: Im Durchschnitt schlägt es oder zusätzliche allgemeine Risikofaktoren für 60 bis 80 Mal pro Minute und befördert da- Herz- und Gefäßerkrankungen zum Tragen bei vier bis sechs Liter Blut durch die Gefäße. kommen wie Rauchen, hoher Blutdruck, hohe Das sind rund 7.500 Liter pro Tag! Das ist nur Blutzuckerwerte oder hohe Blutfettwerte. möglich dank einer starken Muskulatur in den unterschiedlichen Herzbereichen (linker und Nachsorgeempfehlungen rechter Vorhof sowie linke und rechte Haupt- Störungen der Herzfunktion zeigen sich kammer), die sich in regelmäßigen Abständen manchmal schon während oder kurz nach zusammenzieht und erschlafft und dadurch Ende der Tumortherapie. Meistens entwi- das Blut aus den Herzkammern in die Lunge ckeln sie sich jedoch erst eine gewisse Zeit und in den Körper pumpt. nach Abschluss der Behandlung. Da sich die Veränderungen oft schleichend ergeben, sind Medikamente, die bei der Chemothera- regelmäßige Untersuchungen des Herzens pie eingesetzt werden, können das Herz und seiner Funktion im Rahmen der Nach- schädigen. Es kann dadurch zu Erkrankun- sorge wichtig. gen der Herzklappen, des Herzmuskels, der Herzkranzgefäße und zu einer Entzündung Die Experten raten, nach einer Anthrazyklin- des Herzbeutels kommen. Charakteristi- Chemo- und/oder Strahlentherapie einmal sche Symptome sind Müdigkeit, Atemnot jährlich den Blutdruck zu messen, ein EKG (insbesondere nach Anstrengungen) und (Elektrokardiogramm) schreiben zu lassen und Wassereinlagerungen im Gewebe (Ödeme). eine Echokardiographie, also eine Ultraschall- Außerdem können Herzrhythmusstörungen untersuchung des Herzens (oft auch Herzecho auftreten, was aber nur sehr selten der Fall genannt) vornehmen zu lassen. Beide Untersu- ist. Wie hoch das Risiko einer Herzschädi- chungen sind nicht schmerzhaft, belasten den gung als Folge der Krebstherapie ist, hängt Organismus nicht und sind ihrerseits nicht mit von verschiedenen Faktoren ab. gesundheitlichen Risiken verbunden. 20
LATE EFFECTS SURVEILLANCE SYSTEM Blick in die Forschung Wie hoch ist das Risiko für das Herz? Wird bereits im Kleinkindalter eine Chemotherapie mit bestimmten Zytostatika, den sogenannten Anthrazyklinen notwendig, so kann das Konsequenzen auf die spätere Herzgesundheit haben. Es besteht vor allem ein erhöhtes Risiko, dass in späteren Jahren die Pumpleistung des Herzens nachlässt und sich eine sogenannte Kardiomyo- pathie entwickelt, eine Therapiefolge, die die Experten als Kardiotoxizität bezeichnen. Wie hoch dieses Risiko ist, hängt von der Dosis des verabreichten Zytostatikums, vom Alter des Kindes bei der Behandlung und von der Dauer der Zeit nach Abschluss der Therapie ab. Vor dem Hintergrund des erhöhten Risikos für eine Herzschädigung wurden die inter- nationalen Nachsorgeempfehlungen systematisch überarbeitet und festgelegt. Dabei wurde betont, dass auch in der Langzeitnachsorge routinemäßige Untersuchungen der Herzgesundheit wichtig sind und das ganz besonders, wenn bei der Krebsbehandlung Anthrazykline verabreicht wurden. Die Nachsorge sollte dann unbedingt von einem Facharzt, also einem Kardiologen, erfolgen. Derzeit wird hinsichtlich der Kardiotoxizität eine spezielle Studie für ehemalige Patien- ten mit einem Neuroblastom oder Nephroblastom in Zusammenarbeit des Nachsorge- netzwerks LESS, dem Kompetenznetz Angeborene Herzfehler, den Kinderkardiologen und der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) durchge- führt. Untersucht wird darin, wie hoch das Risiko für eine verminderte Pumpleistung des Herzens nach einer Anthrazyklinbehandlung ist. Ein weiteres Ziel der Studie ist der Aufbau einer möglichst optimalen Struktur zur Versorgung der mit Anthrazyklinen behandelten Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen und deren Anbindung an die Kinderkardiologen und Kardiologen des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler. Dadurch soll die Erfassung und die eventuell erforderliche Therapie von kardiologischen Spätfolgen bei Kindern und Jugendlichen nach einer Nephroblastom- oder Neuroblastombehandlung zuverlässig gewährleistet werden. 21
Gibt es Spätfolgen im Bereich der Gefäße und des Stoffwechsels? Sind die Befunde der Untersuchungen Neben direkten Schädigungen am Herzen über zehn Jahre lang unauffällig, so reicht drohen Veränderungen am Gefäßsystem, in der Folgezeit eine Routineuntersuchung wobei Arterien wie auch Venen betroffen alle zwei bis fünf Jahre. Zeigen sich jedoch sein können. Sie können sich negativ auf Auffälligkeiten, so sollte je nach Schwere- verschiedene Organe auswirken, darunter grad zum Beispiel der jährliche Rhythmus das Herz, die Nieren und das Gehirn. Kommt der Kontrolluntersuchungen beibehalten es zusätzlich zu Störungen des Stoffwech- oder sogar verkürzt werden. Eventuell soll- sels, wird das Auftreten entsprechender ten Maßnahmen ergriffen werden, die die Erkrankungen begünstigt. Damit steigt das Funktion des Herzens verbessern. Risiko für Komplikationen wie zum Beispiel Beinvenenthrombose, Lungenembolie sowie Vor einer geplanten oder im ersten Drittel Herzinfarkt und Schlaganfall. einer Schwangerschaft sollte ebenfalls die Herzfunktion überprüft werden, da anfangs Nach einer Chemotherapie oder Strah- bestehende geringe Einschränkungen der lentherapie besteht dadurch ein zwei- bis Herzfunktion während der Schwangerschaft dreifach erhöhtes Risiko für das Auftreten zunehmen können. eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls. Be- sonders gefährdet sind Patienten, die eine Chemo- und insbesondere eine Strahlen- therapie erhalten haben. Zusätzlich zur direkten Schädigung der Gefäße kann es zum Auftreten von Stoff- wechselstörungen im Sinne eines „Me- tabolischen Syndroms“ (Übergewicht, Fettstoffwechselstörung, Bluthochdruck, gestörte Glukosetoleranz oder Diabetes) kommen, insbesondere dann, wenn die Bauchspeicheldrüse im Strahlenfeld lag. Das Risiko für solche Stoffwechselerkran- kungen steigt ganz unabhängig von einer Krebstherapie mit zunehmendem Lebens- 22
Gibt es Spätfolgen an der Lunge? LATE EFFECTS SURVEILLANCE SYSTEM alter. Bekannte Risikofaktoren sind ganz Auch im Bereich der Lunge sind Spätfol- generell und unabhängig von der Krebs- gen der Krebstherapie möglich, wobei das erkrankung unter anderem Übergewicht, Risiko vor allem erhöht ist, wenn mit den Rauchen, hoher Blutdruck und Diabetes. Zytostatika Busulfan oder Bleomycin oder mit einer Strahlentherapie im Lungenbe- Vorbeugung von Herz- und reich behandelt wurde. Gefäßerkrankungen Patienten, die aufgrund ihrer Behandlung Es kann durch die Therapie zu Entzün- ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer dungen und zu Umbauprozessen im Lun- Herz-Kreislauf-Erkrankung haben, sollten gengewebe und zur Entwicklung einer daher unbedingt darauf achten, dass sie sogenannten Lungenfibrose kommen. weitere Risikofaktoren für die Herz- und Bemerkbar machen können sich die Schä- Gefäßgesundheit vermeiden. Dazu zählen digungen durch Husten und Atemnot bei zum Beispiel Rauchen, Übergewicht und Belastungen oder sogar in Ruhe und durch Bewegungsmangel, erhöhte Blutfett- und Blutzucker- sowie Blutdruckwerte. Ratsam sind eine gesunde Ernährung und regelmäßige sportliche Betätigung. Wer Leistungssport betreiben möchte, sollte vorab unbedingt einen Arzt konsultieren. 23
Gibt es Spätfolgen an den Nieren? eine Beeinträchtigung der körperlichen Leis- Der Mensch besitzt im Normalfall zwei tungsfähigkeit. Außerdem können häufiger Nieren, die links und rechts der Wirbel- Infektionen der Atemwege oder auch eine säule im hinteren Bauchraum liegen. Zu Lungenentzündung auftreten. den Hauptaufgaben der Nieren gehört es, Das Risiko für eine Lungenschädigung das Blut zu filtern und dabei den Wasser-, durch die Chemotherapie erhöht sich im Säure-Basen- und Mineralstoffhaushalt späteren Leben des Körpers zu kontrollieren und Abfall- • bei Rauchern oder ehemaligen Rauchern, produkte des Stoffwechsels mit dem Urin • bei Menschen mit einer begleitenden zur Ausscheidung zu bringen. Dazu besitzt Nieren- oder Herzerkrankung sowie jede Niere etwa eine Million Nephrone, • bei einer vorbestehenden Lungener- die jeweils aus einem Filterelement, dem krankung. sogenannten Glomerulus, und einem sich daran anschließenden Kanalsystem, dem Unter der Tumorbehandlung auftretende Tubulus, bestehen. Probleme bilden sich meist im weiteren Ver- lauf zurück. Allerdings zeigen etwa zehn Die Nieren bilden bei Erwachsenen täg- Prozent der ehemaligen Patienten auch lich etwa 180 Liter Primärharn. Nur etwa Jahre und Jahrzehnte nach Therapieende ein Prozent davon (1,5 Liter) gelangt als noch Einschränkungen ihrer Lungenfunktion. Sekundärharn in die Harnblase und wird Dies unterstreicht die Bedeutung der als Urin ausgeschieden. regelmäßigen Nachsorgeuntersuchungen und einer gesunden Lebensführung, wobei Infolge der Chemotherapie können die der Verzicht auf das Rauchen verständ- Nephrone geschädigt werden. Das Filter- licherweise an oberster Stelle steht. Bei system der Niere kann dadurch so gestört Beschwerden wie Luftnot bei Belastungen sein, dass Stoffe, die eigentlich im Körper sollte neben einer Untersuchung des Herzens noch gebraucht werden, mit dem Urin eine sogenannte Lungenfunktionsprüfung ausgeschieden werden, während ande- vorgenommen werden. rerseits Substanzen, die zur Ausscheidung gelangen sollten (wie Abfallprodukte und Auch sollte bei einer anstehenden Ope- Giftstoffe), im Körper bleiben und dort ration mit Vollnarkose und Beatmung die Schaden anrichten. Die Störungen können durchgeführte Therapie mit dem behan- zum Beispiel zur Folge haben, dass zu viele delnden Narkosearzt besprochen werden. Mineralstoffe, die eigentlich noch im Körper 24
LATE EFFECTS SURVEILLANCE SYSTEM benötigt werden, ausgeschieden werden der ableitenden Harnwege und der Blase oder dass Eiweißstoffe (Proteine), die bei können auftreten. Der Nachweis von Blut der Filtration zurückgehalten werden soll- im Urin wäre hierbei ein Hinweis. ten, ungehindert passieren und mit dem Urin ausgeschieden werden (Proteinurie). Eine besondere Situation besteht beim Es kann ebenso sein, dass Blutzellen, die Nephroblastom, da die meisten Kinder eigentlich ebenfalls zurückgehalten wer- bei der operativen Entfernung des Tumors den sollten, zur Ausscheidung kommen auch eine Niere verlieren. Umso wichtiger (Hämaturie) oder dass andererseits zu ist es, die Funktion der verbleibenden Niere viel Flüssigkeit zurückgehalten und in das regelmäßig zu überwachen. Gewebe eingelagert wird (Ödembildung). Nachsorgeempfehlungen Ein erhöhtes Risiko für eine Nierenschä- Um eine Nierenschädigung rechtzeitig digung besteht zu erkennen, empfehlen die Experten • dosisabhängig bei einer Chemotherapie eine regelmäßige Kontrolle der Nieren- zum Beispiel mit Cisplatin oder Carboplatin funktion. Dazu soll in den Jahren nach Be- sowie Ifosfamid oder Cyclophosphamid, handlungsende oder bei Beschwerden wie • bei einer Strahlentherapie im Bereich Wassereinlagerung oder Muskelkrämpfen der Nieren, mindestens einmal jährlich eine Blut- und • wenn bereits vor der Therapie Nierenfunk- Urinuntersuchung erfolgen. tionsstörungen bestanden haben oder • wenn im Rahmen der Tumorbehandlung Die Termine der Kontrolluntersuchungen eine Niere operativ entfernt werden muss. sollten unbedingt eingehalten werden, auch wenn keine körperlichen Anzeichen einer Kommt es zur Nierenschädigung, so kann Nierenschädigung vorliegen. Denn eine dies weitreichende Konsequenzen für die Nierenschädigung kann lange Zeit unbe- Gesundheit haben. So kann eine schwere merkt bleiben, da die enorm große Zahl an Nierenschädigung direkt zur Erhöhung Nephronen Schädigungen über einen lan- des Blutdrucks (Hypertonie), zu Blutarmut gen Zeitraum hinweg „vertuschen“ kann. (Anämie) und auch zu einem Vitamin D- Mangel führen, der wiederum den Knochen- stoffwechsel und das Knochenwachstum beeinträchtigen kann. Auch Schädigungen 25
Gibt es Spätfolgen für die Nerven? Die bei der Chemotherapie eingesetzten Vor allem das Zytostatikum Vincristin, Zytostatika können – meistens vorüberge- aber auch Carboplatin und Cisplatin können hend –auch Nervenzellen schädigen. Diese Empfindungsstörungen, die sogenannten Nebenwirkung bezeichnen die Mediziner Sensibilitätsstörungen auslösen und zu als Neurotoxizität. Wie hoch das Risiko Parästhesien führen, also zu Missemp- für Nervenschädigungen ist, hängt von findungen wie Kribbeln, Prickeln, Jucken, den eingesetzten Zytostatika und deren Kälte- oder Wärmeempfindungen oder dem Dosierung ab. Gefühl, als würden Ameisen über die Haut laufen. Solche Beschwerden bilden sich in aller Regel nach der Behandlung zurück, was allerdings Monate und in Einzelfällen Jahre dauern kann. Infolge der Schädigungen von Nerven, eventuell gepaart mit Veränderungen im Bereich der Gefäße kann es auch zur Ausbil- dung eines sogenannten Raynaud-Syndroms als Folge der Chemotherapie kommen. Dabei ziehen sich – meist ausgelöst durch Kälte – die Blutgefäße in Fingerspitzen oder Zehen zusammen. Die betreffenden Finger oder Zehen erblassen von der Spitze her und sehen regelrecht weißgefärbt aus. Die Veränderungen bilden sich meist innerhalb kurzer Zeit spontan zurück, was jedoch mit Schmerzen verbunden sein kann. Das Phänomen kann immer wieder auftreten. 26
Gibt es Spätfolgen der Strahlentherapie? LATE EFFECTS SURVEILLANCE SYSTEM Die Strahlentherapie hat bei Krebserkran- Therapie notwendig war, steigt das Risiko kungen wie auch die Chemotherapie das stärker. Dies gilt zum Beispiel für Gefäß- Ziel, Krebszellen zu eliminieren. Dabei kann und Herzerkrankungen, Einschränkungen es geschehen, dass auch gesunde Zellen der Nierenfunktion oder das Auftreten ei- Schaden nehmen und das tumorumgebende nes zweiten bösartigen Tumors. Gewebe in Mitleidenschaft gezogen wird, was langfristige Folgen für die betreffenden Die Strahlentherapie kann außerdem Organe haben kann. Konsequenzen hinsichtlich der Fruchtbar- keit haben (siehe: Gibt es Spätfolgen für Auf der einen Seite kann es zu einer Ein- die Fruchtbarkeit?). schränkung der Organfunktion kommen, auf der anderen Seite ist es möglich, dass vor allem im Bereich des bestrahlten Ge- webes nach Jahren ein zweiter bösartiger Tumor entsteht. Erhöht ist insbesondere das Risiko für die Entwicklung von Hautkrebs, Schilddrüsenkrebs, Brustkrebs, Lungenkrebs und Darmkrebs. Mit welchen Konsequenzen zu rechnen ist, hängt im Wesentlichen davon ab, in welche Körperregion sich die Erkrankung ausgebreitet hat und welche Organe in der Nachbarschaft von der Bestrahlung betroffen sind. Erfolgt die Bestrahlung zum Beispiel in der Lungenregion, kann damit auch das Herz geschädigt werden und es kann zu einer sogenannten Kardiomyopa- thie kommen (siehe: Gibt es Spätfolgen im Bereich des Herzens?). Wenn eine Kombination aus Strahlenthe- rapie und Chemotherapie im Rahmen der 27
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