Horgen kilchberg NEWS - 2 | 2020 - See-Spital
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2 | 2020 NEWS horgen kilchberg O R O NA- BE Unsere Mitarbeitenden standen während C U SGA der Pandemie im Zentrum des Geschehens. A L A SPEZI Erfahren Sie, wie sie die Krise erlebt haben.
EDITORIAL TASKFORCE Leiter Corona-Taskforce: Dr. med. Alexander Turk, Chefarzt für Innere Medizin Corona-Krise Täglich neue Veränderun- Stunde.Die Hotline habe sich weit über die Krise hinaus bewährt, erklärt Dr. Alex Turk. gen forderten Flexibilität Die Massnahmen haben sich gelohnt Einer der wichtigsten Aspekte in der Coro- nakrise war der Patientenfluss. Die Tren- nung der Corona-Verdachtsfälle von ande- ren Patienten stand im Fokus. Das kurzfristig D erstellte Provisorium oberhalb des Spitals ermöglichte es, die Corona-Tests komplett Flexibel bleiben as Coronavirus war bereits seit getrennt vom Spital durchzuführen. Die In- Das Coronavirus hatte innert Ende Dezember 2019 in den Me- betriebnahme der GOPS erlaubte es zudem, Die Zeit zum Innehalten wird kommen. weniger Monate auch die dien. Die neu in Erscheinung ge- die angemeldeten Verdachtsfälle durch ei- Noch ist sie nicht da – weder im Geschäft- Schweiz erreicht. Dies bedeu- tretene Atemwegserkrankung COVID-19 trat nen Hintereingang zu empfangen. Die ge- lichen noch im Privaten. Unser aller Leben zuerst in der Millionenstadt Wuhan in China trennte Isolationsstation machte auch im wurde in den letzten Monaten massgeblich tete, rasch zu handeln und s ich auf. Irgendwie erschien diese Krankheit weit Spital selbst eine entsprechende Abtren- von äusseren Ereignissen bestimmt: ein auf einen möglichen Ansturm weg, kaum greif bar und das Ausmass war zu nung möglich. unbekanntes Virus, das sich zur Pandemie in verschiedensten Bereichen jenem Zeitpunkt noch nicht abschätzbar. Die Verdreifachung der Intensivstations- entwickelte, ein Lockdown, der uns viel des Spitals vorzubereiten. Doch plötzlich breitete sich die Krankheit plätze hat sich ebenfalls bewährt, kam man abverlangte und mit Existenzängsten oder Zudem kamen täglich neue rasant aus und entwickelte sich im Januar See-Spital. Die laufend neuen Anweisungen Anpassungen. Sowohl intern wie auch extern doch während einer kurzen Zeit an die Kapa- Arbeitsüberlastung verbunden war und uns 2020 zu einer Pandemie. Erste Fälle ausser- des Bundes und der Gesundheitsdirektion gegenüber den Beleg- und Hausärzten. Aber zitätsgrenzen – nicht auszudenken, was pas- Geduld und Zuversicht lehrte. Anweisungen vom Bund und halb Chinas wurden in Thailand und auf den erforderten schnelles Handeln und hohe auch die Patienten und Besuchenden durften siert wäre, wäre die Anzahl der Plätze nicht von der Gesundheitsdirektion. Philippinen gemeldet. Ende Januar 2020 Flexibilität. nicht vergessen gehen. So gab die Gesund- früh genug erhöht worden. Das See-Spital Ich selbst durfte inmitten dieser Krise die Die Taskforce befasste sich dann der erste Fall ausserhalb von Asien in Mitarbeitende unterschiedlichster Berei- heitsdirektion am 13. März 2020 zum Bei- kann auf die Genesung vieler COVID-19- Führung des See-Spitals übernehmen und täglich mit diesen Themen und den Vereinigten Staaten von Amerika. che waren in der Taskforce vertreten. Diese spiel ein plötzliches Besuchsverbot in allen Patientinnen und -Patienten zurückschauen. die Wellen, die die Pandemie geworfen bildete während der Corona-Krise das Kern- Spitälern, Wohn- und Pflegeheimen des Kan- Einer der grössten Erfolge war eine während hatte, hautnah miterleben. Es war für mich setzte neue Anforderungen Und plötzlich wurde es Realität team, welches die täglich neuen Anforderun- tons Zürich heraus. Auch sollten Patienten drei Wochen beatmete Patientin, die im An- eindrücklich, zu sehen, wie die Mitarbeiten- innert Tagesfrist um. Die Entwicklung ging Schlag auf Schlag. Als gen besprach und die neuen Erkenntnisse nicht unangemeldet die Spitäler oder Haus- schluss an den Spitalaufenthalt in die Reha den in dieser angespannten und belasten- es zu einem heftigen Ausbruch in Norditalien innert Tagesfrist umsetzte. Durch die be- arztpraxen aufsuchen. Die Unsicherheit der entlassen werden konnte. Das See-Spital ist den Situation mehr denn je zusammen- kam, war dies nicht mehr eine Krankheit, reichsübergreifende Team-Zusammenset- Bevölkerung wie auch der Mitarbeitenden froh, war man für einen grösseren Ansturm standen und mit dem Fokus auf ein gemein- Text und Bild: Melanie Roche welche in fernen Ländern auftrat, sondern zung waren die Entscheidungswege kurz war zu spüren. Mit der Einführung einer Co- gewappnet. Rückwirkend haben sich die sames Ziel agierten. Der Arbeitsalltag am plötzlich war die Pandemie sehr nah. Die und effizient. Innert kürzester Zeit wurde rona-Hotline wurde dem Abhilfe geleistet. Massnahmen gelohnt. Die Schweiz habe die See-Spital war geprägt von Solidarität, Medien berichteten von überlasteten Inten- eine Kita und eine Ethikgruppe ins Leben ge- Zu Beginn der Krise erreichten diese Hotline Kurve flach halten können und auch das See- Loyalität, Engagement und Hilfsbereit- sivstationen und täglich Hunderten neuer rufen. Die GOPS (geschützte Operationsstel- 5 bis 6 Anrufe pro Tag. Diese Zahl stieg in- Spital hat die erste Welle glücklicherweise schaft – Werten, die ich persönlich für eine Corona-Ansteckungen. le) wurde zur Corona-Abklärungs- und -Tria- nert kürzester Zeit auf mehrere Anrufe pro gut überstanden, so Dr. Turk. gute Unternehmenskultur als grundlegend Dann kam der 25. Februar 2020 – die erste gestation, die Anzahl der IPS-Betten wurde erachte und auch ausserhalb der Krise positiv auf Corona getestete Person in der verdreifacht, viele Mitarbeitende wurden in aufrechterhalten möchte. Schweiz wurde gemeldet. Aus den erst kürz- einer perfekt organisierten Schulung für Ein- lich, kaum greif baren Medieninformationen sätze auf der IPS vorbereitet. GEBÄUDEMANAGEMENT: SPEZIALARBEITEN Ich bedanke mich bei allen Mitarbeitenden des See-Spitals herzlich für ihren grossen wurde Realität. Für das See-Spital bedeutete dies, sofort zu handeln. Am nächsten Tag Die stetige Ungewissheit, die das Team be- gleitete, sei eine grosse Herausforderung ge- ERSETZEN ROUTINEAUFTRÄGE Einsatz und ihre Flexibilität in dieser wurde eine erste Sitzung zur Lageübersicht wesen, erklärt Turk. Man wusste nicht, was (buos) Auch der Tagesablauf des Gebäu- Plexiglasscheiben, dem Anbringen von ausserordentlichen Zeit. Es gilt, weiterhin einberufen. Die Leitung übernahm unser einen erwartete. Würde die Lage so prekär demanagements wurde plötzlich durch Bodenmarkierungen oder dem Fixieren flexibel zu bleiben. Noch immer befinden Chefarzt der Inneren Medizin, Dr. med. Ale- wie in Norditalien oder konnte die Kurve die Taskforce gesteuert. Die Vorgaben von Abschrankungen. «Innert kürzes- wir uns im Krisenmodus, auch wenn wir nun xander Turk. In der Zwischenzeit wurde be- durch die Massnahmen des Bundes flach von Bund und Gesundheitsdirektion er- ter Zeit aus dem Tagesrhythmus in den Schritt für Schritt in den Normalbetrieb reits der zweite Fall in der Schweiz bestätigt. gehalten werden. Fragen wie: «Haben wir ge- forderten diverse Umbauarbeiten. Bau- Krisenmodus zu wechseln, verlangt von zurückgehen. Vorerst freue ich mich darüber, Besorgt, dass es uns ähnlich treffen könnte nügend Intensivstationsplätze?» oder «Wie container wurden zu Vortriagestationen allen Mitarbeitenden grossen Einsatz», dass wir unserer Kernkompetenz – der wie Italien, wurde das See-Spital praktisch sieht es mit den Mitarbeiterressourcen und für Virusabstriche, der Aufwachraum zu sagt Jürg Zollinger, Leiter des Gebäudema- Gesundheitsversorgung unserer regionalen komplett umgebaut. Aus Italien und dem dem Umgang mit Verbrauchsmaterial aus?» einer zweiten Intensivstation, die GOPS nagements. Eine Herausforderung sei es Bevölkerung – wieder vollumfänglich nach- Tessin wurde bekannt, dass vor allem Inten- waren tägliche Begleiter, welche Unsicher- (siehe S.7) zu einer Corona-Notfallstation. gewesen, den Fokus auf das Tagesgeschäft gehen können. sivstationsplätze benötigt würden. Dies heiten auf kommen liessen. Diesbezügliche Alle Anpassungen verlangten nach mehr – das Gewährleisten einer einwandfrei bedeutete, dass entsprechende Kapazitäten Entscheidungen, welche durch die Taskforce medizinischen Geräten, die vom Stand- funktionierenden Infrastruktur – nicht Dr. Markus Bircher, CEO geschaffen werden mussten. gefällt wurden, beruhten nur auf Annah- ort Kilchberg nach Horgen gebracht und aus den Augen zu verlieren. Zollinger men. Man setzte in kurzer Zeit viel um, doch vor Ort installiert werden mussten. Die- resümiert: «Ich bin stolz auf mein Team Ganz neue Tagesabläufe und Aufgaben stets in der Ungewissheit, ob die Entschei- se Arbeiten entfielen auf das Gebäude- und darauf, was es alles geleistet hat. Anmerkung der Redaktion: Diese NEWS ist ein Den Fokus der sich täglich treffenden Task- dungen richtig waren. management, neben anderen nötigen Uns hat die schwierige und hektische Zeitdokument. Sie wurde zwischen Ende April force bildeten die Organisation und Koordi- Wichtig war die entsprechende Kommu- Massnahmen wie bspw. der Montage von Zeit noch mehr zusammengeschweisst.» und Mitte Mai 2020 geschrieben. nation der notwendigen Anpassungen im nikation der täglichen Veränderungen und 2 NEWS 2 | 2020 NEWS 2 | 2020 3
HYGIENE CARE-TEAM Seelsorge Einzige Menschen in Zivil (buos) «Normalerweise ist die Intensiv schen in Zivil, welche die Bettenstationen station einer unserer Brennpunkte», sagt noch betreten durften.» Dieser persönliche Nadja Eigenmann, die katholische Seelsor- Austausch sei sehr geschätzt worden. gerin am See-Spital in Horgen. Während Die Seelsorgerinnen pflegen üblicher- der Coronapandemie blieb ihr und ihren weise einen direkten und nahen Kontakt Kolleginnen der Zutritt jedoch verwehrt. zu ihren Patientinnen und Patienten. Die Zum einen musste man einen schonenden geltenden Schutzmassnahmen erschweren 1 2 Umgang mit den begrenzten Schutzklei- ihre Arbeit: «Auch wir müssen die Distanz- dern pflegen, zum andern herrschten auf- regeln einhalten und einen Mundschutz Gewappnet gegen das Virus: auf der Intensivstation Reinigungsequipe im Dauereinsatz grund des erhöhten Personalbestands limi- tragen. Wenn ein Mensch im Sterben liegt, tierte Platzverhältnisse. dürfen wir ihn nur mit Handschuhen be- Seada Habibic Dennoch und trotz der tiefen Bettenbe- legung – es durften ja über Wochen keine rühren. Das ist für alle Beteiligten nicht einfach», so Nadja Eigenmann. Manchmal «Die Krise verlangt nach einem Wahleingriffe durchgeführt werden – hät- ergäben sich aus den Sicherheitsvorkeh- ten sie mehr gearbeitet als sonst, berichtet rungen heraus aber auch Situationen zum die Seelsorgerin. «Angesichts des generel- Schmunzeln. Kürzlich habe ihr eine gut trainierten Team» len Besuchsverbots besuchten wir nicht, schwerhörige Patientin, während sie ihr wie üblich, nur einzelne Patientinnen und mit Mundschutz einen Psalm vorgelesen Patienten, sondern fast alle», erklärt sie. habe, beigepflichtet: «Jaja, das ist bei mei- «Wir waren ja sozusagen die einzigen Men- nem Mann auch so!» Es lässt sich mit einfachen Hygienemassnah- auf Bundesebene zentralisiert und kantonale eine hochwirksame Desinfektion von Räu- Seada Habibic ist Leiterin men gut bekämpfen. Multiresistente Keime sind da viel anspruchsvoller oder auch Viren Kontingente definiert wurden, kam es zu ei- ner gewissen Entspannung. Die Bestellung men und Flächen, indem er auch Stellen er- fasst, die von Hand schwer zugänglich sind. COVID-19-CARE-TEAM Infektionsprävention und wie Ebola – einer der gefährlichsten Erreger von Schutzmaterial läuft nun koordiniert Diese Raumdesinfektion setzten wir überall Dr. Stephan Sager, Chefarzt Chirurgie untereinander Intervisionen durchfüh- Spitalhygiene. Es gehört zu weltweit –, mit dem ich mich 2014 am und nach klaren Richtlinien ab. Das gibt uns dort ein, wo sich Personen mit COVID-19 auf- am See-Spital, hat zusammen mit der ren. Erst wenn die Unterstützung im ihren Aufgaben, Vorgaben Unispital Basel als Mitarbeitende des Hygie- etwas Sicherheit. Das ist wichtig, denn neben gehalten hatten. Seelsorge einen Pikettdienst für die Be- Team nicht greift, wird das Care-Team zum Umgang mit hochan nekernteams beschäftigte. Die Herausforde- der Behandlung der Patienten steht der treuung seelisch oder emotional über- hinzugezogen. Bislang seien sie glück- rung bei COVID-19 lag nicht am Erreger selbst, Schutz der Mitarbeitenden an oberster Stelle. Die Angst, sich im Spital mit COVID-19 lasteter Mitarbeitender erarbeitet. Noch licherweise noch nicht zum Einsatz steckenden Infektionen zu sondern am Mangel an Schutzmaterial. anzustecken, ist also völlig unbegründet? vor dem Lockdown berief er eine Son- gekommen, sagt Nadja Eigenmann. Das erarbeiten. Kaum trat sie im Fühlten sich die Mitarbeitenden sicher? Ja, das ist sie! Wo sonst – wenn nicht in den dersitzung dazu ein. So konnte innert hänge zu einem grossen Teil damit zu- Dezember 19 ihre neue Stelle Wie äusserte sich dieser am See-Spital? Zu Beginn spürte ich sehr viel Unsicherheit. Spitälern – hat man ein derart grosses Wis- kürzester Zeit ein Care-Team definiert sammen, dass das Spital (noch) nicht an am See-Spital an, stand sie Lieferungen von Schutzmasken, Schutzbril- Die Arbeit war geprägt von Emotionen und sen, wie man gegen Viren verlässlich vor- und gecoacht werden. Dieses setzt sich seine Belastungsgrenze gestossen sei. Sie len oder Schutzkitteln wurden sozusagen teils irrationalen Ängsten. Mit Schulungen geht? Separierte Patientenflüsse, Isolations- – neben Seelsorgerinnen –aus Mitar- betont: «Unsere Arbeit ist gemacht, und wegen COVID-19 bereits im über Nacht eingestellt. Desinfektionsmittel und Auf klärungsarbeit konnten wir schliess- zimmer, erforderliche Schutzmassnahmen beitenden des Sozialdiensts sowie einer zwar nicht umsonst», und umschreibt Zentrum des Geschehens. wurden knapp. Da auch die Medien stetig lich Sicherheit vermitteln. Die Corona-Krise und sorgfältige Desinfektion: Das sind die externen Psychologin zusammen und es wie folgt: «Man geht ja auch mit ei- darüber berichteten, fing das grosse Horten verdeutlichte einmal mehr die Bedeutung Stichworte für den sicheren Umgang damit. steht seit Ende März rund um die Uhr ner Notfallapotheke auf Reisen und ist an. Selbst bei uns im Spital wurden Masken einer etablierten Spitalhygiene. Im Krisenfall für Notfälle zur Verfügung. Das Kon- froh, wenn man bei der Rückkehr sagen Interview: Sarah Buob und Desinfektionsmittel entwendet. Wir re- ist es wichtig, dass man auf ein gut trainiertes Wie optimistisch schauen Sie in die zept sieht vor, dass die Mitarbeitenden kann, man habe sie nicht benötigt.» agierten sofort darauf, indem wir von Selbst- Team zurückgreifen kann, das sofort reagiert. Zukunft? bedienung auf kontrollierte Materialausga- Ich bin verhalten optimistisch. Intern sind ben umstellten. Schutzmasken wurden nur Was sind für Sie die positiven Erkenntnisse? wir dank eines enormen Engagements in Personalisierte Helme mit Schutzvisier noch limitiert herausgegeben. Gleichzeitig Sehr positiv ist, dass wir in den letzten Wo- sämtlichen Bereichen gut vorbereitet. Die versuchten wir, über diverse Kanäle an chen auf Personalebene nur eine Ansteckung Mitarbeitenden sind geschult und halten sich Wie haben Sie diese Situation erlebt? Schutzmaterial zu gelangen. Aber die Lage verzeichneten. Das bedeutet, dass unsere an die Vorgaben. Am Händedesinfektionstag Es war eine verrückte und intensive Zeit. war recht aussichtslos. Ein Lieferantenwech- Schutzmassnahmen greifen und sich das vom 5.5. haben wir uns mit einer kleinen süs- Wie andere aus unserer Corona-Taskforce sel gestaltet sich nicht so einfach. Wo noch Handling damit etabliert hat. sen Überraschung bei allen dafür bedankt. habe ich fast pausenlos gearbeitet. Material vorhanden war, wurde dies für eige- Unsicher bin ich hingegen nach wie vor bei ne Kunden zurückbehalten. Erstmals wurde am See-Spital ein der Sicherstellung von Schutzmaterial, falls Was war so herausfordernd? Kaltnebelgerät zur Raumdesinfektion es zu einer weiteren Welle kommt. Auch da Für uns Fachpersonen sind Epidemien keine Konnte sich die Lage entspannen? eingesetzt. Wie funktioniert das? haben wir einen Plan B, auf den wir zurück- Seltenheit. Wir müssen darauf vorbereitet Die Corona-Krise wurde zur Pandemie erklärt Das Gerät setzt einen feinen, gasförmigen greifen könnten. Aber ich hoffe nicht, dass es sein. Das Coronavirus bereitete mir aus hygi- und verlagerte sich auf die nationale Ebene. Ecalit-Trockennebel (electrochemical activa- so weit kommen wird. enetechnischer Sicht keine grossen Sorgen. Dadurch, dass der Einkauf von Schutzmaterial ted low ions transfer) frei. Dieser garantiert 4 NEWS 2 | 2020 NEWS 2 | 2020 5 3
TRIAGE Lauri Röllin «Wir hatten im Team keine Ansteckung» in diesem Bereich habe ich viel dazuge- bereits zu Beginn der Hospitalisierung auf Lauri Röllin ist Leitender Arzt für lernt. Die Pandemie hat uns gezeigt, wie diese Tatsache vorbereiten und früh ihre wichtig es ist, Ruhe und einen kühlen Kopf Einstellung zu lebensverlängernden Mass- Innere Medizin auf der interdis zu bewahren, umso mehr, wenn man eine nahmen erfragen. Erschwerend kam hin- ziplinären Notfallstation. In der Führungsfunktion innehat. Es ist zentral, zu, dass wir die Patientinnen und Patien- Corona-Krise übernahm er die nicht nur die Ängste der Patientinnen und ten gleichzeitig darüber informieren Koordination und Leitung neuer Patienten, sondern auch die der Mitarbei- mussten, dass sie während des Spitalauf- tenden persönlich abzufangen. Das Ver- Vortriagestationen für COVID-19- enthaltes nicht mehr von ihren Angehöri- 4 mitteln von Vertrauen und Sicherheit lässt gen besucht werden konnten. Da gab es Verdachtsfälle. Unter seiner sich nicht delegieren. zum Teil schon emotional aufreibende Mo- Führung wurden eine Corona- mente, vor allem wenn wir zusätzlich mit Hotline eingerichtet, zwei Bau Was ist für Sie die grösste Erkenntnis Verständigungsschwierigkeiten konfron- container für Abstriche und der letzten Wochen? tiert waren und mit Übersetzern arbeiten Das Coronavirus hat uns einmal mehr ge- mussten. die «GOPS» als Corona-Notfall- lehrt, dass die Medizin nicht nur evidenz- station in Betrieb genommen. basiert funktioniert. Wenn wir auf keine Wie sind Sie persönlich mit diesen verlässlichen Studien zurückgreifen kön- Situationen umgegangen? nen, müssen wir uns auf unsere Erfahrung Solche Situationen gehören zu unserem Interview und Bild: Sarah Buob verlassen und darauf vertrauen. Noch im- Job. Ich bin an schwierige Gespräche mit mer stellt uns das neue Coronavirus vor Patientinnen und Patienten und ihren An- viele offene Fragen. Wir haben aber in ver- gehörigen gewöhnt und scheue mich auch hältnismässig kurzer Zeit viele Verläufe nicht davor. Trotzdem hat die aktuelle Si- gesehen und Fakten gesammelt, auf denen tuation etwas Ungewöhnliches an sich. Es wir auf bauen können. Dazu gehört auch ist neu für mich, dass ich einem bisher ge- die Erkenntnis der letzten Wochen, dass sunden Menschen, der mitten im Leben mit dem «Social Distancing» und dem stren- steht, erklären muss, dass es für die neue 5 gen Einhalten von Hygienevorschriften Krankheit keine gute medikamentöse Be- eine Pandemie eingedämmt werden kann. handlung gibt und sie innert kurzer Zeit Vortriagestation: Abstriche werden im Baucontainer vorgenommen. Wir verzeichneten im Team keine einzige Ansteckung, obwohl wir dem Virus stetig zum Tod führen kann. CORONA-NOTFALL ausgesetzt waren. Was hat Sie die Corona-Krise gelehrt? STATION IN DER GOPS Flexibel zu sein! Heute weiss man nicht, Was war die grösste Herausforderung? was das Morgen bringt. Ausserdem hat sie Bei den geschützten Operationsstellen (GOPS) Die Erkenntnisse aus dem Ausland hatten mich gelehrt, dass es gefährlich werden handelt es sich um unterirdische Patien- Wie erfolgt am See-Spital die Triage ten Welle» – als die Fälle exponentiell zu- ganze Bandbreite von Erkrankungsverläufen uns gezeigt: Wenn ein Patient einen schwe- kann, wenn man anfängt, nur noch einspu- tenplätze und Behandlungsmöglichkeiten von Corona-Verdachtsfällen? nahmen – errichteten wir zu deren Entlas- sehe – von der Testung der milden Fälle ren Verlauf durchmacht und intubiert wer- rig zu denken. Dies war und ist während in Schweizer Spitälern. Sie wurden in den Wir müssen verhindern, dass Verdachtsfälle tung eine eigene Corona-Notfallaufnahme über die Triage und Isolation der hospitali- den muss, dann wird es ganz kritisch. Die einer solchen Pandemie nicht einfach. Das 70er-Jahren in Anbetracht der Bedrohungs- das Virus ins Spital einschleppen, indem sie in der «GOPS» (siehe Kasten rechts). Von dort sierten Patienten bis hin zu den ganz schwe- Mortalitätszahlen waren bei diesem Pati- Coronavirus steht dermassen im Fokus, szenarien während des kalten Krieges ein direkt die Notfallstation aufsuchen. Über die aus wurden die Patientinnen und Patienten ren, intubierten Fällen auf der Intensivstati- entengut enorm hoch. Risikopersonen mit dass andere Diagnosen mit ähnlicher Sym- gerichtet. Schlagzeilen machten sie lediglich Corona-Hotline findet mit den Betroffenen entweder auf unsere isolierte Bettenstation on. Wir lernen von Tag zu Tag dazu und schlechter Prognose mussten wir deswegen ptomatik gerne übersehen werden. während Flüchtlingswellen, wo sie hie und ein Erstkontakt übers Telefon statt, was uns verlegt oder nach Hause entlassen. machen unsere eigenen Erfahrungen mit da zum Einsatz kamen. Ansonsten blieben im Optimalfall bereits erlaubt, leichtere von dem Virus. Gleichzeitig vermisse ich aber sie ungenutzt. schwereren Fällen zu unterscheiden. So Sie wurden am See-Spital innert kurzer meine klinische, äusserst abwechslungsrei- können wir den Patientinnen und Patienten Zeit zu einer der Hauptansprechpersonen che Arbeit auf der Notfallstation. Ich schätze Die GOPS am See-Spital bekam mit der klare Anweisungen geben, an wen sie sich im Zusammenhang mit COVID-19. Wie an meinem «normalen» Alltag den direkten DANK AN DIE HAUSÄRZTESCHAFT Corona-Krise plötzlich ein Gesicht, als sie im Spital wenden müssen. Verdachtsfälle erlebten Sie die letzten Wochen? Kontakt mit den Patientinnen und Patienten zur COVID-19-Notfallstation umfunktioniert Viele Hausärztinnen und Hausärzte aus der Region haben dem See-Spital in der mit milden Symptomen werden im Contai- Meine Kernaufgaben veränderten sich kom- und ihren Angehörigen sehr. wurde. Sie wurde mit Spitalbetten mit eige- Corona-Krise ihre Hilfe angeboten. In der Phase der ersten Welle wirkten sie vor ner ambulant abgeklärt. Fällt der Abstrich plett. Plötzlich war ich nicht mehr primär nem Monitoring, einem mobilen Röntgenge- allem an den Wochenenden als Fachkräfte mit. Sie kamen im Container zum im Verlauf positiv aus, so bleiben die Infi- klinisch tätig, sondern übernahm überwie- In Ihrer Funktion fungieren Sie als rät, einem EKG sowie einem Ultraschallgerät Einsatz und halfen mit, Nasen-Rachen-Abstriche zu machen. Das See-Spital zierten zu Hause in Selbstisolation. Schwe- gend logistische und koordinative Aufgaben Vorbild. Wie fühlen Sie sich dabei? und einem Labor ausgestattet. Patientinnen bedankt sich für die Solidarität und die tolle Zusammenarbeit! rere Fälle, bei denen wir mit einer Hospitali- und damit auch ein grösseres Mass an Füh- Es ist ein gutes Gefühl, gebraucht zu werden, und Patienten konnten in der GOPS klinisch sierung rechnen müssen, koordinieren wir rungsfunktion. Enorm spannend für mich Dinge «in Bewegung zu setzen» und eine Vor- Dr. Markus Bircher, CEO beurteilt und triagiert werden. Auch wurde über die Notfallstation. In der Phase der «ers- war und ist es immer noch, dass ich dabei die bildfunktion wahrnehmen zu können. Auch hier die Erstbehandlung eingeleitet. 6 NEWS 2 | 2020 NEWS 2 | 2020 7
6 7 14 15 8 9 16 17 DANKE! Die Mitarbeitenden des See-Spitals haben in den letzten Wochen Ausserordentliches geleistet – im Vorder- wie auch im Hintergrund. Gerne würden wir alle zu Wort kommen lassen. Leider ist das im Rahmen dieser Ausgabe nicht möglich. Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt: Nur gemein- sam lässt sich eine Krise bewältigen! Es braucht die Hilfsbereitschaft, die Motivation und das Engagement jedes Einzelnen, um ans Ziel zu gelangen. Dass im Notfall alle zusammenstehen und solidarisch mitein- ander agieren, durften wir in den letzten Wochen eindrücklich erfahren. Wir danken allen, die täglich ihr Bestes dafür geben, diese Krise zu bewältigen. 10 11 18 Markus Bircher, CEO 19 8 NEWS 2 | 2020 NEWS 2 | 2020 9 12 13 20 21
SEITENWECHSEL INTENSIVSTATION Team Pflege, Standort Kilchberg IPS A und B wir so enorm eingeschränkt – und das in ei- Aus eins mach zwei nem Team, das sich nicht kennt und teilwei- se auch nicht auskennt. Und wie funktionierte das? Es funktionierte erstaunlich gut. Ich bewun- on darstellte. «Die Pflege war enorm aufwen- derte, wie sich die Mitarbeitenden einfach so dig und personalintensiv», sagt die Pflege- Ursula Sommer ist Teamleiterin auf der Intensivstation am in die Situation hineinbegaben. Das war ja fachfrau. Wie die Zustände bei einer Voll- See-Spital. In der Krise wurde ihre Abteilung erweitert und nicht einfach für sie. Sie waren mal hier und belegung wären, wolle sie sich lieber nicht mal dort im Einsatz und mussten stetig Neu- das Personal um das Dreifache aufgestockt. vorstellen. es dazulernen. Mein Team organisierte zu- dem den Auf bau der zweiten Intensivstation Alltag ohne Fortschritte Text: Sarah Buob und leistete grossen Einsatz beim Einführen Mara Behringer ist normalerweise in der chi- des zusätzlichen Pflegepersonals. Es wurde rurgischen Abteilung tätig. «Ich bin es ge- von allen viel Flexibilität abverlangt! wohnt, dass meine Patientinnen und Patien- Pflege Kilchberg ten Fortschritte machen. Nach der Operation Wie erlebten Sie die Betreuung der sind sie auf uns angewiesen, gewinnen dann Covid19-Erkrankten? Als Team wieder vereint aber Schritt für Schritt ihre Selbstständigkeit zurück.» Ganz anders ist ihre Erfahrung, die sie mit den COVID-19-Erkrankten auf der In- Sie waren alle sehr lange bei uns. Für uns In- tensivpflegende ist das an sich noch keine Seltenheit. Es kommt öfters vor, dass wir Pa- tensivstation machen musste. Obwohl man tientinnen und Patienten über längere Zeit Tag für Tag sein Bestes gebe, könne man ein- pflegen und die Fortschritte, die sie machen, fach keine Fortschritte sehen. Diese Tatsache nur gering sind. Neu und sehr erstaunlich für Das temporäre Verbot von Wahleingriffen hatte für einige habe sie zunehmend demoralisiert. «Man uns war die Menge an Medikamenten, die wir Spitalmitarbeitende die Konsequenz, dass sie in andere ertappt sich beim Gedanken, dass es viel- ihnen verabreichen mussten, um sie zu se- leicht besser wäre, wenn diese Menschen dieren. Neu war auch, dass man die Erkrank- Abteilungen versetzt wurden. Sie kamen auch in Bereichen sterben könnten», sagt sie offen. Kaum sei ten bereits bei Eintritt nach einem klaren zum Einsatz, wo sie keine Erfahrung mitbrachten. das aber bei einem «ihrer» Patienten der Fall Schema versuchte zu therapieren. Normaler- gewesen, habe sie hinterfragt, ob man nicht weise kommen unsere Patientinnen und Pati- doch noch etwas hätte besser machen kön- enten als Notfälle zu uns und wir entschei- Text und Bild: Sarah Buob nen. Die Wochen auf der Intensivstation sei- den ad hoc und individuell, was zu tun ist. en nicht physisch belastend gewesen, son- dern psychisch. «Ich verspürte eine stetige Wie ist es, wenn Menschen aus einem A Unruhe in mir.» mehrwöchigen Tiefschlaf ins Leben 22 23 zurückkehren? m 17. März 2020 kam die Wei- Zurück ins gewohnte Umfeld Das geschieht sehr, sehr langsam. Anfangs Schutzkleidung: eine zusätzliche Herausforderung auf der Intensivstation sung des Bundes, auf dringende Diese Unruhe hatte auch damit zu tun, dass müssen wir ihnen erklären, wo sie sind und medizinische Eingriffe zu ver- Mara Behringer ihre Führungsaufgaben als wieso wir in Schutzkleidern vor ihnen ste- zichten. Der belegärztlich geführte Standort Teamleiterin nicht mehr wahrnehmen hen. Ihre Erinnerungen der letzten Wochen Kilchberg des See-Spitals musste darauf hin konnte. Ihr Team war im ganzen Haus ver- sind wie ausradiert. Ihre Körperkraft ist weg seine Tore schliessen. Es sei alles Schlag auf streut. «Ich fand es schwierig, nicht zu wis- und bereits kleinste Bewegungen bereiten Schlag gegangen, berichtet Mara Behringer, sen, ob es meinen Mitarbeitenden gut geht Sie wussten, es würde eine intensive Zeit Richtig. Unser Team explodierte förmlich. Es Mühe. Auch ihre Persönlichkeit kehrt erst Teamleiterin der Pflege in Kilchberg: «Am oder ob sie meine Unterstützung brauchen», auf Sie zukommen. Was durchlebten Sie? waren dreimal mehr Leute im Einsatz als nor- mit zunehmender Kraft zurück. Auf sie war- Dienstag kam der Entscheid des Bundes, am erläutert sie. Zwar habe sie versucht, mit al- Wir sahen die Bilder aus dem Ausland und mal. Für den Ernstfall mussten wir Pflege- tet ein langer Weg zurück ins normale Leben. Freitag entliessen wir unseren letzten Patien- len in Kontakt zu bleiben. Das sei aber nicht wussten: Da müssen wir uns auf etwas ge- fachpersonen aus anderen Abteilungen wei- ten und dann folgte die grosse Ungewiss- immer einfach gewesen. Mit grosser Erleich- fasst machen. Der Vorteil für uns war, dass terbilden. Was war für Sie besonders in dieser Zeit? heit.» terung habe sie schliesslich die Botschaft wir Zeit hatten, uns vorzubereiten und das Die Solidarität unter den Mitarbeitenden war Schnell wurde klar, dass das Pflegeteam entgegengenommen, dass Wahleingriffe ab taten wir auch. Um genügend Beatmungs- … und Sie trugen als Teamleiterin die ausserordentlich. Wir waren eine grosse von Kilchberg auf die verschiedenen Abtei- Ende April wieder durchgeführt werden dür- plätze für Covid19-Erkrankte zur Verfügung Verantwortung? Schicksalsgemeinschaft. Das erweiterte Team lungen in Horgen verlegt werden würde. fen und sie in ihre angestammte Funktion stellen zu können, funktionierten wir den Ja, genau. Das war eine grosse Herausforde- erforderte viel Flexibilität und oft auch Nerven, Mara Behringer selbst wurde der Intensivsta- zurückkehren könne. Aufwachraum zu einer zweiten Intensivsta- rung. Weder wusste ich, wie man das zusätz- es war aber gleichzeitig sehr bereichernd. tion zugeteilt. «Das war eine grosse Heraus- «Wir haben alle viel dazugelernt in dieser tion um. Zwischenzeitlich betrieben wir am liche Pflegepersonal auf den Alltag in der In- Während wir auf der Intensivstation norma- forderung für mich», beschreibt sie. «Ich Krise», resümiert die Teamleiterin Pflege. See-Spital eine IPS A und eine IPS B. Wäh- tensivstation vorbereitet hatte, noch wusste lerweise autark funktionieren, habe ich habe keine Erfahrung in der Intensivpflege Trotzdem sei sie froh, dass sie wieder dort rend die eine zur Covid-IPS erklärt und kom- ich um ihre Kenntnisse, die sie mitbringen durch die Zusammenarbeit in den letzten und fühlte mich wie eine Anfängerin, die sei, wo sie hingehöre. Ihr Alltag in der chir- plett isoliert wurde, behandelten wir auf der würden. Erschwerend kam hinzu, dass wir in Wochen viele Mitarbeitende aus anderen Ab- zum ersten Mal ein Spital betritt.» Erschwe- urgischen Abteilung sei emotional ent- anderen unsere regulären Patienten. Vollschutzmontur arbeiten mussten. Wir tru- teilungen kennengelernt. Leider habe ich im- rend kam hinzu, dass die Betreuung von spannter als der auf der Intensivstation. gen einen plastifizierten Mantel und Hand- mer nur ihre Augen gesehen. Ich bin mir COVID-19-Patientinnen und -Patienten auch «Hier gibts auch mal was zum Lachen,» fügt Sie bekamen personelle Unterstützung schuhe, eine FFP2-Maske sowie einen Helm nicht sicher, ob ich sie alle wiederkenne, soll- für das geschulte Personal eine neue Situati- sie an. aus anderen Abteilungen … mit Visier. In unserer Kommunikation waren te ich ihnen ohne Schutzmaske begegnen. 10 NEWS NEWS 2 2 || 2020 2020 NEWS 2 | 2020 11
Traute Zweisamkeit: Der Vater fehlt ... Dr. med. Patrick Holzmann «Meine Praxis lag still» Patrick Holzmann ist Belegarzt am See-Spital und auf Orthopädie spezialisiert. Er nahm wärend der Corona-Krise sowohl positive als auch negative Aspekte wahr. Die Situation war einzigartig und noch nie erlebt. Interview: Melanie Roche, Bild: Manuel Zimmermann Geburtenabteilung Wie haben Sie als Belegarzt die mierte sich über diverse Kanäle. So waren rung war. Weiter natürlich die Unklarheit «Nicht die Angst steht im Vordergrund, Corona-Krise erlebt? auch Themen wie Maskenpflicht oder der und die Ungewissheit, was auf uns zukom- Es war eine einmalige Situation in meinem Umgang mit der Knappheit an Desinfekti- men würde. So schrieb ich mich zum Bei- Leben. Innert kürzester Zeit wurden sowohl onsmitteln Punkte, die nie ganz klar defi- spiel am See-Spital ein, um mitzuhelfen, sondern das Besuchsverbot» das öffentliche Leben als auch die Arbeit ab- niert wurden. Einige Arztpraxen arbeiteten sollten uns ähnliche Zustände wie in Nord- rupt auf null heruntergefahren. Meine Pra- weiter. Wir zum Beispiel führten nur die italien treffen. xis lag innert kürzester Zeit still. Sämtliche Notfälle durch. Rückblickend kann ich sa- Operationen wurden von einem Tag auf den gen, dass der Interpretationsspielraum in Wie haben Sie Ihre Patienten erlebt? anderen abgesagt. Ich war in meiner Praxis den Anweisungen eine grosse Herausforde- Ganz unterschiedlich. Grundsätzlich hatten «Ja, das ist es», sagt Dayo Oliver, Leitende und die Geburtenabteilung von den anderen jeweils am Morgen aktiv, hatte ei- die Patientinnen und Patienten Kein Besuch für Wöchnerinnen: Hebamme am See-Spital, «vor allem für das Bereichen komplett abgetrennt wird, hätten nige wenige Sprechstunden und grosses Verständnis für die Situati- Das ist traurig – vor allem für Bonding zwischen Baby und Vater. Indem diese Bedenken aber aus dem Weg geräumt viele Telefonanrufe. Die Geister- on und Verschiebung von Operati- wir den jungen Eltern nach der Geburt mehr werden können. stimmung in der Praxis war ein- onen. Dies war auch so vom Bund Erstgebärende. Zeit im Gebärsaal gewähren als sonst, versu- zigartig. auferlegt. Ich hatte aber auch eini- chen wir, ihnen entgegenzukommen.» Das Kein Geburtenrückgang am See-Spital ge, die stark unter der Verschie- ändert nichts am einschneidenden Besuchs- Dayo Oliver bestätigt: «Angst steht bei den Gab es für Sie auch positive bung der Operationen litten. Sie Text und Bild: Sarah Buob verbot. Es hat zur Folge, dass die Frauen nach Schwangeren nicht mehr im Vordergrund, Aspekte? mussten fünf Wochen mit grossen einer Spontangeburt bereits nach 24 bis 48 sondern vielmehr das Besuchsverbot.» Diese Aus meiner Sicht hatte die Krise Schmerzen durchleben. Einige we- E Stunden nach Hause gehen, statt die übli- Massnahme greife so weit, dass sich manche einerseits positive wie auch nega- nige musste ich dann trotz allem chen 3 Tage auf der Wochenbettstation zu Frau überlege, irgendwo zu gebären, wo die tive Effekte. Das Positive war, dass notfallmässig operieren, noch län- ine Geburt – insbesondere, wenn bleiben. Vorsichtsmassnahmen lockerer gehandhabt mir eine Entschleunigung von ger zuzuwarten, wäre nicht ver- es sich um die erste handelt – ist würden. «Glücklicherweise verzeichnen wir aussen auferlegt wurde. Ich hatte antwortungsvoll gewesen. mit vielen Unsicherheiten und Fra- Spürbare Verunsicherung am See-Spital aber bislang keinen Geburten- mir schon lange vorgenommen, gen verbunden. Wäre es möglich, den Akt Die anfänglichen Ängste, während der Coro- rückgang. Die Zahlen entsprechen denen des über eine gewisse Zeit etwas kür- Was sagen Sie rückblickend selbst wie einen Film zu überspulen, so wür- na-Krise im Spital zu gebären, hätten sich Vorjahrs», relativiert sie. Interessant sei übri- zer zu treten– nur haperte es je- zur Krise? de wohl manche Frau Gebrauch davon ma- indes etwas verflüchtigt, merkt Dr. Plamen gens, dass sich die Frauen infolge des Be- weils an der Umsetzung. So gab In erster Linie ein grosses Danke- chen. Sie würde innehalten bei der Szene, Kostov, Chefarzt der Frauenklinik am See- suchsverbots schneller von der Geburt erho- mir die Corona-Zeit die Chance, schön an alle Verantwortlichen, wo sie ihr Neugeborenes in die Arme Spital, an. «Als die Situation für uns alle neu len würden, da sie insgesamt viel mehr Ruhe ein wenig herunterzufahren und die sich dieser Krise angenommen schliesst, bereits dem Zauber des neuen Le- war, spürten wir bei den Schwangeren eine haben. «Manch eine Zweit- oder Mehrgebä- mich zu erholen. Negativ war na- und versucht haben, diese zu meis- bens verfallend. Was sie wohl kaum über- grosse Unsicherheit.» Zwar hätten Studien rende kann das für sich sogar als Vorteil ver- türlich die wirtschaftliche Situati- tern. Mir persönlich wurde be- spulen würde: die Szenen des gemeinsamen gezeigt, dass Schwangere nur selten und buchen. Sie wissen aus Erfahrung, dass Besu- on für die ganze Schweiz. Für wusst, in welchem Luxus wir leben Glücks als Paar, das seine ersten Schritte ins leicht am Virus erkrankten und für das Neu- che auch stressig sein können», sagt sie mich persönlich war es zum Glück dürfen. Auch öffnete mir die Krise Familienleben macht. Diese sind es, die das geborene keine Gefahr bestehe. «Aber gerade augenzwinkernd. «Wir hoffen, dass sich die kein grosses Problem, da ich mir die Augen im Hinblick auf die vie- Coronavirus all jenen Paare raubt, die in den die Endschwangerschaft ist eine fragile Le- Situation weiter entspannen wird und wir über die Jahre Reserven erarbeitet len Trends, die unser Leben bestim- Frühlingsmonaten 2020 Eltern werden. bensphase, in der man sich auf viel Unvor- schon bald wieder – zumindest eine be- hatte. men. Meinen Fokus als kundenori- Denn seit 13. März gilt in den Spitälern gene- hersehbares einstellen muss. Kommt da grenzte Anzahl – Besucher zulassen kön- entierter Leistungserbringer werde relles Besuchsverbot. Für werdende Väter noch ein unbekanntes Virus hinzu, verunsi- nen.» Persönlich sei sie ausserdem enorm Was waren die grössten ich auch in Zukunft beibehalten, bedeutet das: Sie dürfen zwar der Geburt ih- chert das», erklärt er. Die Frauen hätten sich gespannt, wie der Dezember in der Gebur- Herausforderungen? jedoch etwas bewusster von künst- res Kindes beiwohnen, haben aber keinen vor einer Ansteckung im Spital gefürchtet. tenabteilung aussehen werde. Es würde sie Ich empfand die stetige Ungewiss- lichem Aktionismus und unnöti- Zutritt zur Wochenbettabteilung. Das mutet Mit der Gewissheit, dass der COVID-19-Pati- nicht wundern, wenn man dann mit einem heit als sehr schwierig. Man hörte gen Trends absehen und auch ein- traurig an. entenfluss vom Spitalbetrieb separiert läuft Geburtenrekord rechnen dürfte. vieles in den Medien und infor- mal Nein sagen. 12 NEWS 2 | 2020 NEWS 2 | 2020 13
WIR SAGEN DANKE! Die Dankbarkeit der Bevölkerung gegenüber den systemrelevanten Berufsgruppen wäh- rend der Corona-Krise ist gross. Das erfahren auch wir am See-Spital immer wieder. Viele Menschen bieten ihre direkte Hilfe an oder bedanken sich mit netten Gesten. Auch Fir- men kommen mit Unterstützungsangeboten oder kleinen Leckereien auf uns zu. Ihre grosse Anteilnahme hat uns sehr ge- freut und die Gesten des Dankes haben uns motiviert. Besonderen Dank möchten wir folgenden Firmen aussprechen: Kinderkrippe «Kiki» Eltern im Homeoffice CHOCOSUISSE Clinique Innert zwei Wochen «Hoffentlich überdauert die Emmi Schweiz Gebrüder Käppeli Golden Thai Food ins Leben gerufen Krippe die Corona-Zeit» Hero AG IKEA AG Innoprax AG D Kümin Group AG Läderach Chocolatier Anstellungsstopp wegen Corona ten funktionierte alles reibungslos.» Dies sei ino Locher und seine Frau Anita überdauern wird, könnte Andrin allenfalls Premium Swiss Chocolate GmbH Ausserordentliche Zeiten erfor- Jasmin Rutishauser ist eine von ihnen. Die der grossen Flexibilität aller Beteiligten zu arbeiten beide am See-Spital, er einen Tag von der Grossmutter und einen Schweizerische Südostbahn Kleinkindbetreuerin erzählt, sie sei im De- verdanken, die ihnen bis heute abverlangt Vollzeit im Gebäudemanage- zweiten in der Krippe betreut werden.» Smile.direct Versicherungen dern spezielle Massnahmen: zember von einer Weltreise zurückgekom- werde. Für die Anmeldung der Kinder steht ment, sie Teilzeit im Sekretariat Medizin. Swisscard AECS GmbH Zur Unterstützung der Eltern men und habe sich erst langsam an die Stel- den Eltern eine kurze Vorlaufzeit von 24 Ihr gut einjähriger Sohn Andrin wird von Traitafina AG während der Corona-Krise lensuche gemacht, die durch das Coronavirus Stunden zur Verfügung. Das bedeutet für seiner Grossmutter betreut. Wie so viele an- DANK IKEA ZUR Wander AG wurde am See-Spital in Rekord- WOHLFÜHLOASE dann ein abruptes Ende gefunden habe: «Ich die Betreuerinnen, dass sie von Tag zu Tag dere mit demselben Betreuungsmodell sah zeit eine kostenlose Kinder- hatte eine mündliche Zusage für eine Stelle planen müssen. Die Kinderzahlen sind sich die junge Familie mit der Einführung in einer Kinderkrippe, die wegen der unge- schwankend. Sie reichen von einem bis zu des «Social Distancing» zum Schutz der Risi- krippe auf die Beine gestellt. wissen Zukunft wieder annulliert wurde. So sieben Kindern. kogruppen vor ein Problem gestellt: Wohin Ein- und Ausräumen gehörten in der «Kiki» in den letzten Wochen fest stand ich ohne Arbeit da!» Auf Facebook sei mit dem Kleinkind? «Für Anita war Home- zum Alltag. Anfänglich wurde die sie darauf hin auf das Stellenangebot des See- Für eine gute Sache im Einsatz office zwar möglich», sagt Dino Locher, der Krippe mit Gegenständen und Spiel- Text und Bilder: Sarah Buob Spitals gestossen, habe sich beworben und Für die Krippe arbeiten zurzeit fünf Betreu- weiterhin vor Ort sein musste. «Arbeiten sachen aus Spenden bestückt. Kaum sei nach dem Vorstellungsgespräch sofort erInnen. Neben Jasmin Rutishauser sind von zu Hause gestaltete sich ohne Kinder- eingerichtet, wurde sie von IKEA für eingestellt worden. eine Spielgruppenleiterin und eine als Kurs- betreuung aber als enorm schwierig.» eine Sponsoringaktion auserkoren: «Die Idee, man könnte für die Mitarbeiten- leiterin tätige Erzieherin im Einsatz, die Als sie vom Angebot der Kinderkrippe Der M öbelkonzern stattete sämtliche den während der Corona-Krise eine kostenlo- Flexibilität gefragt ihre Beschäftigungen aufgrund von Corona «Kiki» erfuhren, war für sie sofort klar, dass Räume nach einem spezifisch ausge- se Kinderbetreuung zur Verfügung stellen, Bei ihrem Arbeitsstart war die Krippe noch vorübergehend aufgeben mussten, eine sie das versuchen wollten. «Natürlich hat- arbeiteten Konzept mit Möbeln, De- wurde in der zweiten Märzwoche an mich leer und kahl. Einzig die Spielsachen und junge Frau, die wegen des Virus ihre Reise ten wir anfänglich unsere Zweifel», gibt korationsobjekten und Spielsachen herangetragen», berichtet Tanja Hintermeis- Kleinmöbel, die Private gespendet hatten, abbrechen musste, und ein junger Mann, Dino Locher zu. Aus ihrem Umfeld kann- aus. Zu diesem Zweck mussten die ter, die Personalleiterin des See-Spitals, «und standen herum. Diese mussten als Erstes aus- der wie Rutishauser zum Zeitpunkt des ten sie die übliche Eingewöhnungszeit und Zimmer freigeräumt werden. Erneut ich war sofort Feuer und Flamme dafür!» Für sortiert werden. «Es geschah alles gleichzei- Lockdowns arbeitslos war. Sie alle sind tem- wussten, diese würde bei ihnen wegfallen. eingerichtet, kam von IKEA das spon- Platz war gesorgt: Die Räume der einstigen tig», erzählt Rutishauser. «Wir waren noch porär bis Ende August angestellt und wer- Das «mulmige Gefühl» war aber unbe- tane Angebot, Angestellte vorbeizu- 24 Kinderkrippe im Personalhaus in Kilchberg am Einrichten, als bereits die ersten Kinder den im Stundenlohn bezahlt. «Wir alle sind gründet. «Als Andrin die vielen Spielsachen schicken, um die Räume farbig zu standen leer. «Wir beantragten eine Sonder- eintrafen.» Die Herausforderung sei gross ge- megafroh, dass wir hier arbeiten können sah, beachtete er mich kaum noch», berich- streichen. Das wiederholte Umräu- genehmigung, schalteten Stelleninserate wesen: «Uns war nicht nur das Team fremd, – zum einen natürlich, weil wir Geld ver- tet Locher schmunzelnd. Der Junge ist nun men hat sich ausgezahlt: Die Kinder- und machten einen Spendenaufruf für Spiel- sondern auch die Kinder, die Eltern und die dienen, zum andern aber auch, weil wir für regelmässig in der Krippe und es gefällt ihm krippe ist heute eine Wohlfühloase. zeug und Möbel», dokumentiert Hintermeis- Räumlichkeiten.» Auf die in Krippen übliche eine gute Sache im Einsatz sind», sagt die dort sehr. «Jetzt, wo wir erleben, wie gut ihm Wir danken IKEA herzlich für die ter. Einige Spontanaktionen und Sonderein- Eingewöhnungszeit für die Kinder musste Kleinkindbetreuerin. der Umgang mit anderen Kindern tut, könn- grosszügige Unterstützung! sätze später – es waren keine 14 Tage infolge der Notsituation verzichtet werden. ten wir uns sogar vorstellen, unser Betreu- verstrichen – standen in der Kinderkrippe Tanja Hintermeister und Jasmin Rutis- ungsmodell zu überdenken.» Dino Locher Dr. Markus Bircher, CEO «Kiki» erste Betreuerinnen im Einsatz! hauser schwärmen: «Wider alle Unsicherhei- denkt laut: «Falls die Krippe die Corona-Zeit 25 14 NEWS 2 | 2020 NEWS 2 | 2020 15
UNTERHALTUNG Gewinnen Sie eine Salz- und Pfeffermühle IMPRESSUM Herausgeber See-Spital Asylstrasse 19, 8810 Horgen Telefon 044 728 11 24 kommunikation@see-spital.ch www.see-spital.ch Redaktion Sarah Buob (buos) Melanie Roche (rocme) Bildnachweis (kleine Bilder) S. Buob: 6/9-11/13/14/16/19-21 M. Roche: 2-4/8/12/15/18/22/24/25 Team Intensivstation: 1/7/17/23 M. Frank: 5 Layout Sarah Buob Auflage 3 000 Druck Druckerei Studer AG, Horgen www.studerdruck.ch Nächste Ausgabe: 10/2020 NEWS im Abo? Bitte stellen Sie mir die See-Spital NEWS gratis zu. Schreiben Sie das Lösungswort auf eine Post- Das Lösungswort des letzten Kreuzworträtsels karte und schicken Sie diese bis Freitag, der See-Spital NEWS heisst: Ich möchte keine See-Spital 4. September 2020 (Datum Poststempel) an: NEWS mehr erhalten. «ENDOBRONCHIAL» See-Spital NEWS Name Asylstrasse 19 Wir danken allen, die am Rätsel teilgenom- 8810 Horgen men und uns die richtige Lösung zugestellt haben. Folgende drei Personen haben je eine Vorname Die richtigen Lösungskarten nehmen an einer Salz- und Pfeffermühle des See-Spitals gewon- Verlosung teil. Es werden drei Gewinner gezo- nen: Strasse, Nr. gen. Deren Namen werden in der kommenden Ausgabe der See-Spital NEWS publiziert. Sie • Verena Stauffer, Horgen gewinnen je eine Salz- und Pfeffermühle des • Vreni Suter, Wilen PLZ, Ort See-Spitals. • Willy Thalmann, Rüschlikon Mitarbeitende des See-Spitals sind von der Wir gratulieren herzlich! Verlosung ausgeschlossen. Schicken Sie diesen Abschnitt bitte an See-Spital NEWS Asylstrasse 19 8810 Horgen oder per E-Mail an: kommunikation@see-spital.ch NEWS 2 | 2020
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