"DAFÜR MUSS ICH NUR NOCH ABNEHMEN" - DIE ROLLE VON GERMANY'S NEXT TOPMODEL UND ANDEREN FERNSEHSENDUNGEN BEI PSYCHOSOMATISCHEN ESSSTÖRUNGEN
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FORSCHUNG »Dafür muss ich nur noch abnehmen« Die Rolle von Germany’s next topmodel und anderen Fernsehsendungen bei psychosomatischen Essstörungen Maya Götz, Caroline Mendel, Sarah Malewski In einer IZI-Studie wurden 241 Men- dünner als die Durchschnittsfrau, sind in die Essstörung verstärkt. Die Hin- schen (vorwiegend Mädchen und sie mittlerweile um rund 23 % schmaler tergründe für die Entwicklung schwer junge Frauen), die wegen einer Ess- (Derenne & Beresin, 2006). Die Folge: psychosomatischer Ausprägungen ei- störung in therapeutischer Behand- Nur schätzungsweise 4 % aller Frauen ner Essstörung sind deutlich komplexer lung sind, befragt, ob bzw. welche wären aufgrund ihrer körperlichen als der Wunsch, einem inneren, viel zu Fernsehsendungen einen Einfluss auf Möglichkeiten überhaupt in der Lage, dünnen Ideal zu genügen (siehe auch ihre Krankheit haben. dem aktuellen Schlankheitsideal zu Lahusen in dieser Ausgabe). entsprechen. Letztendlich entspricht Es sind vielmehr subjektiv-sinnhafte Essstörungen gehören in den westli- nur eine von 40.000 Frauen in Größe, Prozesse der Medienrezeption und -an- chen Industrieländern zu den häufigs- Figur und Gewicht den Anforderungen eignung, die in die Lebensbewältigung ten psychosomatischen Erkrankungen eines professionellen Models (Hawkins und Alltagsgestaltung eingebunden von Mädchen und jungen Frauen. Nur et al., 2004). Die Darstellung über- sind (vgl. Mikos, 2001). Studien mit jedes dritte Mädchen zwischen 13 und schlanker Mädchen und Frauen be- Menschen mit einer Essstörung, die der 19 Jahren kann von sich sagen, es fühle ginnt bereits in den Kindermedien. In Bedeutung von Fernsehen im Kontext sich gar nicht zu dick, bei jedem dritten Zeichentricksendungen beispielsweise von Essstörungen im Detail nachgehen, Mädchen zwischen 11 und 17 Jahren haben 3 Viertel der Mädchenfiguren gibt es bisher nur wenige. Sie zeigen, gibt es Hinweise auf Essstörungen einen Körper, der dünner ist als der dass Fernsehen Teil des alltäglichen (KiGGS, 2006). Gut 2 von 100 Mäd- von Barbie und der auf natürlichem Handelns und in Beginn und Verlauf chen haben eine schwere psychoso- Wege überhaupt nicht zu erreichen ist der Krankheit integriert ist. So fühlen matische Krankheit wie Magersucht, (Götz & Herche, 2013). sich junge Frauen insbesondere in der Bulimie oder Binge-Eating entwickelt. Sehen Mädchen diese Bilder von Entstehungsphase der Krankheit ge- Hinzu kommt noch einmal etwa die Körpern, die sie selbst nie erreichen genüber dem dünnen Schönheitsideal doppelte Zahl an Essstörungen, die sich werden, ist in experimentellen Studien der Medien oft unterlegen, hilflos und nicht eindeutig einer der Hauptformen nachweisbar, dass bei einigen Mädchen von den Bildern gefangen. Im Verlauf zuordnen lassen (Swanson et al., 2011). die Zufriedenheit mit dem eigenen der Krankheit holen sie sich dabei Die Hintergründe der jeweiligen Krank- Körper spontan zurückgeht (z. B. Bell & durchaus auch Anleitungen, wie sie heit sind komplex. Sie äußert sich im Dittmar, 2011). Entscheidend dabei ihr Gewicht manipulieren können, Essverhalten, das, vereinfacht gesagt, ist, inwieweit Mädchen und Frauen nutzen es als Flucht oder als Infor- manipuliert wird, damit sich die Be- das Ideal eines sehr dünnen Körpers mations- und Vergleichsquelle, wenn troffenen nicht mehr so minderwertig internalisiert haben (Harrison, 2013). etwas über ihre Krankheit berichtet fühlen (s. Lahusen in dieser Ausgabe). Körperunzufriedenheit wiederum ist wird. In der Phase der aktiven Be- Gut belegt ist, dass Medien Frauen ein nachgewiesener Risikofaktor für wältigung der Essstörung spielen die überwiegend mit einem sehr schlanken Essstörungen (The McKnight Investi- Enttarnung der Medienstereotypen Körper abbilden (zusammenfassend gators, 2003; Cafri et al., 2005). Es ist und die Abgrenzung gegenüber den z. B. Kiehl, 2010). Über die Jahrzehnte hierbei kein einfacher Reiz-Reaktions- untergewichtigen Schönheitsbildern, sind die Foto- und Laufstegmodels Mechanismus, durch den die mediale dem »Diätenterror« und den wider- dabei immer dünner geworden. Waren Überhöhung von untergewichtigen sprüchlichen Werbebotschaften eine vor 30 Jahren Fotomodels nur ca. 8 % Foto- und Laufstegmodels den Weg deutlichere Rolle (Baumann, 20091). 28/2015/1 1
FORSCHUNG Bei der Fernsehnutzung entwickeln Die Bedeutung von bestimmten als Ausgleich zur psychosomatischen sich also u. a. essstörungsspezifische Fernsehsendungen bei der Ent- Störung, damit sich die Betroffenen Motive. Sendungen dienen als Motiva- stehung von Essstörungen zumindest kurzzeitig besser fühlten. tion, Anerkennung und Rechtfertigung In einer Reihe von Fällen wurden für das eigene Handeln, aber auch als Bei der Hälfte der Befragten lag der Be- Fernsehsendungen aber auch zum Informationsquelle für Tipps und als ginn der Essstörung im Alter zwischen Trigger, mit dem sich die Dynamik der Anleitung zur Optimierung des essge- 12 und 15 Jahren, bei einem weiteren Krankheit erst richtig entwickelte. Als störten Verhaltens. Fernsehen kann als Fünftel zwischen 16 und 17 Jahren. Wie Sendungstitel wird ungestützt vor al- Ersatz oder Ergänzung einer Therapie bei den meisten Jugendlichen sahen lem eine Sendung genannt: Germany’s dienen und schafft manchmal Räume, sie auch in dieser Zeit Fernsehen. Die Next Topmodel (Pro7). Mit deutlichem um zumindest zeitweise nicht über mit Abstand meistgesehenen Sendun- Abstand folgen Sendungen wie Ext- das Thema »Essen« nachdenken zu gen waren Germany’s Next Topmodel rem Schön!, Extrem Schwer (beide müssen (Märschel, 20072). Bisher fehlen (GNTM) und die Daily Soap Gute Zei- RTL2) oder Kochsendungen (Abb. 1). Studien, die der Bedeutung einzelner ten, schlechte Zeiten (GZSZ), was dem Zunächst ein Blick auf die weiteren Formate im Kontext der Krankheit Trend in der Altersgruppe entspricht. Fernsehsendungen, die im Kontext nachgehen und durch eine breiter Gesprächsthema mit den FreundInnen der Krankheit unterschiedliche Funk- angelegte Stichprobe auch eine quanti- waren insbesondere Castingshows, tionen aufwiesen. tative Einschätzung ermöglichen. Hier allen vorweg GNTM. setzt die vorgestellte Studie an und Die Frage, ob es eine Fernsehsendung Extrem Schön! – Endlich ein geht der Rolle der Medien und insbe- gab, die sie in besonderer Weise be- neues Leben sondere einzelner Fernsehsendungen einflusst hat, bestätigen fast 3 Viertel bei Essstörungen aus der Perspektive (71 %) der Antwortenden. Fernsehsen- – Sich überlegen fühlen, aber der Betroffenen nach. dungen spielen also nicht immer eine auch Druck, denn alles ist bedeutsame Rolle. Wenn dies aber der möglich Fall war, so wird aus den qualitativen Die Studie Aussagen zur Frage, wie die Sendung In der Makeover-Sendung Extrem die Krankheit beeinflusst hat, deutlich: Schön! wird eine Person begleitet, In Zusammenarbeit mit dem Bundes- Die Sendung wurde meist als Verstär- die Schönheitsoperationen an sich fachverband Essstörungen e. V. (BFE) kung der eigenen krank machenden vornehmen lässt. Gezeigt werden führte das IZI eine Befragung von akut Gedanken beschrieben. Sie trugen alle Details, die als zur Veränderung von Essstörungen Betroffenen durch.3 dazu bei, sich noch minderwertiger notwendig angesehen werden – von Anonyme Fragebogen mit zumeist of- zu fühlen, und zeigten auf, wie sich das schlechten Zähnen bis zu herabhän- fenen Fragen boten Raum, die eigenen eigene Gewicht noch gezielter mani- genden Bäuchen und Brüsten. Die Wahrnehmungen zusammenzufassen. pulieren ließe. Manchmal dienten sie beteiligten Ärzte berichten über die Quantifizierend wurde an mehreren nahezu unbegrenzten Möglichkeiten Stellen konkret nachgefragt, um so ästhetischer Eingriffe und den Stand n = 157 Befragte zwischen 11 und 57 Jahren, Mehrfach- Vergleichsmöglichkeiten zu früheren der Behandlung. Am Ende sind Familie IZI-Studien zu schaffen. In die Auswer- und Freunde dabei, wenn sich die ope- tung gingen 241 Befragte ein, die zurzeit rierte Person das erste Mal vor einem wegen einer Essstörung therapeutisch Spiegel sieht. nennungen möglich, Angaben in % begleitet behandelt werden bzw. in Die Rezeption der Sendung gab einigen betreuten Wohngruppen leben. Die der Frauen mit Essstörung ein gutes Stichprobe setzt sich fast ausschließ- Gefühl, weil sie im »Look-downwards- lich aus Mädchen und jungen Frauen Prinzip« auf die ProtagonistInnen he- (96 %) zusammen, hinzu kommen runterblicken konnten. Dies erhöhte 10 junge Männer. Einige der Betroffe- dann das eigene Selbstwertgefühl: nen (12 %) sind unter 16 Jahre, fast die »Extrem Schön! hat mir immer das Hälfte ist zwischen 16 und 21 Jahren. Gefühl gegeben, zumindest schöner als Abb. 1: Sendungen, die die eigene Die Befragten haben zum größten Teil Krankheit besonders beeinflussten die armen Würstchen in der Sendung eine diagnostizierte Magersucht (85 %), (Mehrfachnennungen möglich): GNTM zu sein« (19-Jährige, Magersucht). hinzu kommen Bulimie und Essstörun- (39 %); alle weiteren Sendungen liegen Gleichzeitig bestärkte die Sendung gen mit Essanfällen, zum Teil auch in unter 6 % sie in dem Gefühl der Notwendigkeit Kombination miteinander.4 und Möglichkeit der grenzenlosen 2 28/2015/1
FORSCHUNG Optimierbarkeit des Körpers und Das perfekte Dinner wieder, dass sie ähnlich wie die©Figur IZI der Vermutung, dass Operationen – Um sich satt zu sehen handelte und eine Mager- und Ess- der vermeintlich leichteste Weg zu Brech-Sucht entwickelte. Im zweiten einem besseren Selbstwertgefühl sein Als krankheitsbegleitend werden ein- Fall nahm eine damals 17-Jährige mit könnten: »Es scheint alles machbar zelne Sendungen wie Das perfekte Din- Symptomen von Magersucht das erste zu sein, jeder Makel oder besser jede ner beschrieben, d. h. Kochshows, bei Erbrechen der Fernsehfigur Lilly zum Individualität lässt sich korrigieren. Es denen KandidatInnen bei den Vorbe- Anlass, sich »auch zu erbrechen«, was zeigt auch, wie sehr das Äußere die reitungen und der Durchführung eines dann in die Ess-Brech-Sucht führte. Psyche beeinflusst (soziale Isolation Dinners von anderen TeilnehmerInnen Die Bedeutung der regelmäßigen etc.). Es entstanden bei mir Über- begleitet und bewertet werden. Diese Rezeption von Daily Soaps kann bei legungen zur Anmeldung, weil nur Art der Kochsendung kann im Verlauf Jugendlichen und jungen Erwachse- mit Operationen würde ich endlich der Krankheit ganz eigene Funktionen nen ganz unterschiedlich ausfallen. den Weg aus der Essstörung finden« übernehmen, wie eine 17-Jährige mit Sie reicht von einem distanzierten (26-Jährige, Magersucht). Magersucht beschreibt: Ich sah »Koch- Anschauen oder sogar Dekonstru- sendungen (Das große Backen, Das per- ieren bis hin zu tiefen parasozialen Extrem Schwer – Mein Weg in fekte Dinner), um mich ›satt‹ zu sehen. Beziehungen und der Chance, Gefühle Sachen, die ich gerne essen würde, aber ausleben zu können, die sie sich sonst ein neues Leben und The biggest auf keinen Fall darf, weil ich dann noch nicht zugestehen (Götz, 2002). Im Fall Loser fetter werde.« Die Sendung holt Men- der Aneignung des Handlungsstrangs – Informationen und »Look- schen mit Essstörung bei ihrem typi- »Lilly« bei GZSZ waren es vermutlich downwards-Prinzip« schen »Kreisen um das Thema Essen« identifikatorische Prozesse. Die beiden ab, bietet imaginäre »Ersatznahrung« jungen Frauen fanden sich vermutlich Bei Extrem Schwer und The biggest Lo- und stabilisiert damit auf ganz eigene in der sensiblen und schüchternen Lilly ser werden Menschen bei einem zum Weise das krankhafte Handeln: »Als Seefeld wieder. Die sehr gute Schülerin, Teil als Wettkampf inszenierten Prozess ich fast vollständig aufgehört habe zu immer bemüht, das Richtige zu tun, hat der Gewichtsreduktion begleitet. Die essen, habe ich sämtliche Kochsen- durch ihre schwierige Familiensituation befragten Frauen (und einige Männer) dungen gesehen, die im (deutschen) seelisch viel zu tragen, ist unglücklich mit Essstörungen fanden hier diverse Fernsehen ausgestrahlt wurden. Ich verliebt und wird als hässliches Entlein konkrete Tipps, wie sie selbst weiter entwickelte eine absolute Obsession kaum von anderen wahrgenommen. abnehmen können: »Ich habe viel über für alles, was mit dem Thema Essen zu Vermutlich wurde sie zum idealisierten Gewicht und Ernährung gelernt. Aber tun hat. Selbst heute, wo ich halbwegs Spiegel, in dem sich die beiden befrag- auch über Bewegung: Wie viel muss vernünftig und regelmäßig esse, kann ten jungen Frauen in ihrem eigenen ich joggen, um einen Schokoriegel ich diese nur schwer ablegen« (27-Jäh- seelischen Leiden wiederfanden und abzubauen?« (18-Jährige, Mager- rige, Magersucht). dadurch anerkannt sahen. Die Soap sucht). Dabei empfanden sich einige erzählt glaubhaft von den Konflikten der Befragten noch zusätzlich unter Gute Zeiten, schlechte Zeiten der Fernsehfigur Lilly, und als diese Druck gesetzt: »Weil man sieht, wie den Weg wählt, sich den Finger in den – Die Geschichte von Lilly die Menschen dort abnehmen: durch Hals zu stecken, um eine kalorienreiche Sport. Darauf folgte dann ein schlech- In 2 Fällen kam es vor, dass die bei Nahrung, die sie ihrer Mutter zuliebe tes Gewissen und der Wunsch, auch jungen Zielgruppen viel gesehene gegessen hatte, wieder loszuwerden, so abnehmen zu können« (16-Jährige, Daily Soap GZSZ zum konkreten An- folgen sie ihr in diesem Handlungsmus- Magersucht und Ess-Brech-Sucht). lass genommen wurde, sich zum ersten ter. So positiv diese in Beratung mit Parallel entstand bei Einzelnen aber Mal selbst herbeigeführt zu übergeben. FachexpertInnen (Dick und Dünn e. V.) auch ein Look-downwards-Effekt, Dies war dann jeweils auch der Anfang entwickelte Geschichte zur Aufklärung indem sie sich überlegen fühlten und der mittlerweile diagnostizierten Ess- und Sensibilisierung auch ist, so kann es dadurch das anorexietypische Gefühl Brech-Sucht. Medialer Anlass war ein in Einzelfällen eben dennoch auch zu der Handlungsmächtigkeit im Abneh- Handlungsstrang mit der Figur Lilly Nachahmungseffekten kommen. men verstärkten: »Weil ich mir da als Seefeld, in dem ab Sommer 2012 über Die medialen Bezüge zu GZSZ, Extrem Magersüchtige natürlich unglaublich 2 Jahre die Problematik der Bulimie Schön! oder Extrem Schwer etc. sind stark vorkam. Es hat mich also in erzählt wurde. In der eigentlich zum dabei Einzelfälle, die aber wichtige meiner Magersucht bestätigt und Zwecke der Aufklärung und Sensibi- Hinweise auf eine mögliche Rolle von dazu gebracht, dass ich weitermache« lisierung angelegten Geschichte fand Fernsehsendungen im Kontext von Ess- (22-Jährige, Magersucht). sich eine damals 16-Jährige so stark störungen geben. Quantitativ um ein 28/2015/1 3
FORSCHUNG Vielfaches häufiger wird jedoch eine dies das Zeichen, dass die Kandidatin Sendung genannt, die von 39 % der noch nicht ausscheiden muss. Der hier Antwortenden ungestützt als be- Marktanteil bei den 12- bis 23-Jährigen sonders beeinflussend für ihre eigene Mädchen und jungen Frauen liegt je © picture alliance/dpa Krankheit bezeichnet wird: Germany’s nach Staffel um die 40 % (Abb. 3). Seit Next Topmodel. Jahren findet sich die Sendung in den Jahreshitlisten dieser Altersgruppe und 75 % der Topmodel-Seherinnen Germany’s Next Topmodel unterhalten sich am nächsten Tag mit Abb. 2: Der »Livewalk« stellt den – Normen, Ideale und der der Freundin über die Sendung (Götz & Höhepunkt einer Sendung von GNTM dar ständige Druck, selbst Gather, 2013). Heidi Klum ist bei Kin- dern und Jugendlichen die beliebteste schuld zu sein Medienfigur 2014 (Trend Tracking ne andere Sendung junge Frauen und Die Sendung Germany’s Next Topmo- Kids, 2014). Sie hat bei Jugendlichen ihre Entwicklung in den Mittelpunkt, del (GNTM) ist eine Castingshow, die einen sehr hohen Bekanntheitsgrad und zwar unabhängig von romantischen seit 2006 jedes Jahr 3 bis 4 Monate und insbesondere Castingshow-Viel- Beziehungen. Die Sendung bietet diver- bei Pro7 gesendet wird. Die Format- seherInnen haben das Gefühl, von ihr se Typen als Identifikationspersonen an, rechte für Topmodel gehören dem könne man lernen, wie man Kritik übt. die vor Herausforderungen in einem US-amerikanischen Medienkonzern Sie hätten sie auch gerne als Mentorin für die Altersgruppe hoch attraktiven CBS Corporation, der die Sendung und gut die Hälfte hätte Heidi Klum Setting und an attraktiven Orten spielt. in über 40 Länder verkaufen konnte. sogar gerne als Mutter (Götz, Bulla & Durch den Wettkampf- und Bewer- Nun bereits in der zehnten Staffel Mendel, 2012). tungscharakter der Sendung entsteht ist in Deutschland Heidi Klum die In der hier vorgestellten Studie sticht Spannung und gleichzeitig die Chance, Hauptmoderatorin. Sie ist die zentrale die Sendung GNTM in allen Fragen selbst mitzuraten, zu bewerten und in Figur der Jury, agiert als Trainerin und als besonders bedeutsam heraus. Auf Peergroup und Familie über die Kandi- ist das personifizierte Vorbild für die die offene Frage, ob es eine Sendung datinnen »abzulästern«. Dadurch, dass Kandidatinnen. In der Sendung selbst gebe, die das Schönheitsideal der Ge- die Kandidatinnen in der Sendung weit werden aus über 10.000 Bewerberin- sellschaft widerspiegele, nennen 83 % über die Grenzen des bisher Bekannten nen zunächst fast 2 Dutzend junge ungestützt (!) GNTM. Gut 3 Viertel der hinausgehen müssen, werden auch die Frauen ausgewählt, die im Verlauf der Befragten sehen die Sendung, viele seit jungen ZuschauerInnen herausgefor- Show auf 3 Finalistinnen reduziert über 5 Jahren, zum Teil bereits seit der dert, selbst zu überlegen, wie sie in werden. In jeder Sendung müssen sich Grundschule. Es ist das Format, das die dieser Situation gehandelt hätten. Dies die Kandidatinnen Herausforderun- eigene Krankheit am häufigsten »sehr sind Formen der Identitätsarbeit, bei gen stellen und sich bei »Castings« stark« beeinflusst hat und die große denen bereits in früheren Erhebungen und »Fotoshootings« beweisen. Den Mehrheit (85 %) stimmt der Aussage der dringende Verdacht aufkam, es Höhepunkt stellt jeweils der einzeln zu, dass GNTM Essstörungen wie Ma- handle sich hierbei eher um Identi- präsentierte »Livewalk« (Abb. 2) vor gersucht und Bulimie verstärken kann. tätsarbeit mit Fallstricken (Götz & der Jury dar. Überreicht Heidi Klum Was macht GNTM für Mädchen und Gather, 2013). Denn scheinbar sind die der Kandidatin am Ende ein Foto, ist junge Frauen mit einem Risiko für Kandidatinnen, respektive Zuschauen- Essstörungen so ge- den, durchaus handlungsmächtig und fährlich? Warum hat können sich durch Selbstbekenntnis, – bei aller Macht der Selbstexploration und Selbstmodel- Auswahl, Interpreta- lierung (Thomas, 2007) gestalten. tion und Aneignung Gestaltungsobjekt ist dabei der eigene der Inhalte (Mikos, Körper, Orientierung und Wertmaß- 2008) – diese Sen- stab sind aber nicht etwa Individualität dung solch eine oder Lebensglück, sondern neoliberale Wirkungskraft? Werte des Markterfolgs. Junge Frauen Es sind diese Punkte, werden zu »Unternehmerinnen ihrer die die Sendung für selbst« (zusammenfassend Stehling, viele Mädchen-Fans 2015), wobei es stets nur um den unter- Abb. 3: Einschaltquoten von GNTM nach Staffeln attraktiv macht: 5 gewichtigen Körper und seine Präsen- GNTM stellt wie kei- tation und die Anpassung an die Werte 4 28/2015/1
FORSCHUNG anderer geht. Dies spiegelt sich auch in Spiegel und erzählen, sie seien hier und den Aussagen der jungen Frauen, die da zu dick, sehen die jungen Frauen vor durch das Format ihre Krankheit als dem Fernseher mit erhöhter Aufmerk- verstärkend erlebt haben, wider. samkeit auf den eigenen Körper und entdecken an ihrem eigenen Körper GNTM setzt unerreichbare noch mehr unzureichende Stellen. Normen Sich anpassen »Ein vermeintlich perfektes Äußeres wird als das Allerwichtigste dargestellt; nur wer dünn »Dafür muss ich nur noch abnehmen.« ist, kommt eine Runde weiter und gehört (14-Jährige, Magersucht) © picture alliance/dpa dazu.« (19-Jährige, Magersucht) Aufbauend auf einem überkritischen Die Sendung stellt Äußerlichkeiten ins Verhältnis zum eigenen Körper, der Zentrum von Erfolg und Anerkennung. Idealisierung sehr dünner Körper Dabei inszeniert die Sendung aus- folgend und sich im Vergleich dazu Abb. 4: Für Mädchen besonders schließlich körperliche Ausnahmeer- als defizitär betrachtend, beschreibt attraktiv: vom schüchternen Mädchen scheinungen junger Frauen (Abb. 4) mit aus Ostfriesland zum Topmodel: Lusia eine ganze Reihe der Mädchen, wie einem Mindestmaß von 1,72 m und Hartema sie versuchten, sich dem inszenierten einer maximalen Kleidergröße 36. Es Fernsehideal anzunähern. Das zentrale werden »massenhaft schöne, perfekte Erzählmuster der Sendung: Es ist nur Mädchen auf einem Haufen gezeigt, die wie diese Mädchen auszusehen, und ist eine Frage der Disziplin, vor allem der alles fürs Schönsein geben« (17-Jährige, gleichzeitig auch irgendwie sauer auf emotionalen, aber auch der Essdisziplin. Magersucht). Dies verzerrt den Blick für sich selbst, nicht diese Willensstärke Die jungen Frauen vor dem Fernseher die Realität und die realen Vielfalt von zu haben oder den Ehrgeiz« (17-Jährige, beobachten nun ganz genau, »wenn die Körpermaßen, in denen der Mensch Ess-Brech-Sucht). Die unhinterfragten Models Essen zubereiten« (17-Jährige, an sich vorkommt. Es entsteht »das Normen und die vielen körperlichen Magersucht), wie viel und was die Kan- Gefühl, es gibt so viele tolle, dünne, Ausnahmeerscheinungen lassen bei didatinnen essen. Wird eine Kandidatin disziplinierte Mädchen, die damit etwas den Befragten den Eindruck entstehen, für ihr Naschen oder dafür, dass sie erreichen und vor allem toll aussehen!« es läge nur an ihnen, wenn sie dieses Pommes gegessen hat, ermahnt und (17-Jährige, Magersucht). Aussehen – in scheinbare »Normal« nicht erreichen. beim nächsten Shooting als Versagerin absoluten Ausnahmeerscheinungen inszeniert, wirkt dies auch nachhaltig – wird mit Erfolg und Lebensglück Sich vergleichen disziplinierend auf die jungen Frauen gleichgesetzt und so zum Normalfall vor dem Fernseher. Am schwierigsten und absolut erstrebenswerten Ziel. Es »Da die Frauen alle extrem schlank waren, wurde es, wenn die Kandidatinnen (oder vergleiche ich mich mit ihnen öfters. So hat entsteht die Logik: »Jeder, der nicht Heidi Klum) kalorienreiche Nahrung auch meine Krankheit angefangen.« (14-Jäh- mindestens so aussieht, ist hässlich, un- rige, Magersucht) aßen und die jungen Frauen vor dem zulänglich und dick! Dadurch entstehen Fernseher für sich frustriert feststellen starke Minderwertigkeitskomplexe« Es beginnen Vergleichsprozesse, be- mussten: »Was die trotzdem manchmal (18-Jährige, Magersucht). sonders in Situationen, in denen kör- essen und ich von so wenig zunehme« perbetonte Kleidung getragen wird. Je (17-Jährige, Magersucht). Der Wunsch, auch so »mehr Haut gezeigt wurde und wenn Der Frust, das Unwohlsein und die es um sexy Bilder ging, also Wert auf Minderwertigkeitsgefühle, die während auszusehen Proportionen gelegt wird« (16-Jähri- der Rezeption entstehen, führen jedoch »Weil man gerne so aussehen würde, wie ge, Magersucht), desto mehr fühlen (leider) nicht dazu, einfach abzuschalten die Models, und dann abnimmt und dann viele der Befragten sich zum Vergleich oder Rezeptionsmuster voller Wider- in die Krankheit reingerät.« (16-Jährige, aufgefordert. Dieser Vergleich ist dann stand gegen die Eigenlogik der Sendung Magersucht) zum Teil deutlich auf einzelne Körper- zu entwickeln. Gerade bei leistungsstar- In den Beschreibungen der Bedeutung teile wie ein »flacher Bauch« fokussiert ken, anpassungsbereiten Mädchen, die von GNTM im Kontext der eigenen Ess- oder dreht sich um Fragen wie »Wie viel Energie für die Optimierung bis störung ist eine typische Ausprägung genau kann man Knochen sehen, wie hin zum Perfektionismus aufbringen der Wunsch, auch »so auszusehen« schlank scheinen die Arme zu sein?« können – also typische Kennzeichen (17-Jährige über ihre anorektische Pha- (29-Jährige, Magersucht). Stehen die essstörungsgefährdeter Menschen –, se). »Dann wünscht man sich, genauso Kandidatinnen in der Sendung vor dem entwickelt sich typischerweise eine 28/2015/1 5
FORSCHUNG andere Logik. Eine 18-Jährige mit Ma- eine Eigendynamik entwickeln, sodass nicht, dass 70 Patientinnen dieser Be- gersucht beschreibt prototypisch: es zur Abspaltung der negativen Ge- fragung der Sendung Germany’s Next »Viele der Mädchen, die bei Germany’s Next fühle oder der emotional belastenden Topmodel einen »sehr starken Einfluss« Topmodel mitmachen, sind einfach so dünn Lebensereignisse kommen kann. Doch und weitere 72 immerhin noch »etwas (wahrlich nicht alle, aber dennoch einige), die abgespaltenen Gefühle und Erleb- Einfluss« auf ihre Krankheit bescheini- machen nicht extrem viel Sport oder achten nisse sind durch die Verdrängung nicht gen. Denn Menschen suchen sich das extrem auf ihre Ernährung. Da kam bei mir die Frage auf, warum bin ich dann nicht so? verschwunden, sondern schlummern symbolische Material, in dem sie ihre Ich kam schnell zu der Einsicht, dass mich die- vielmehr weiter unter der Oberfläche handlungsleitenden Themen finden se Frage nicht weiterbringt, und habe (nicht (siehe Lahusen in dieser Ausgabe). und sich und ihre Identität weiterent- nur deswegen!) angefangen abzunehmen, Treffen diese Mädchen und jungen wickeln können. GNTM wird zur Iden- extrem viel Sport zu machen. In meinem Frauen in einer solchen Krise auf die titätsarbeit eingesetzt. Gerade wenn Kopf war/ist fest verankert: Wenn ich dünn bin, dann ist alles einfacher. Das ganze Leben. Sendung GNTM, akzeptieren sie nicht die jungen Frauen dann bestimmte Was ja auch in gewisser Weise wahr ist. Ich nur die Werte und unerreichbare Persönlichkeitsprofile haben und sich möchte sagen, ich bin nicht wegen GNTM Norm, sondern empfinden sich als von dem Konzept »Unternehmerin magersüchtig geworden, dennoch hat es minderwertig und entwickeln den ihrer selbst« angesprochen fühlen, eine Rolle gespielt. Und heute schaue ich es starken Wunsch, sich dieser scheinba- kann der Weg der Selbstoptimierung bewusst NICHT mehr an! Denn es würde die Magersucht wieder so richtig pushen.« ren Norm anzupassen: Denn in GNTM des eigenen Körpers und Verhaltens sind Erfolg und Anerkennung mit be- sie in eine schwere psychosomatische dingungsloser Anpassung verbunden. Störung führen. Das Krankmachende in der Jede Anforderung, jedes Casting, jede Logik von GNTM Challenge, jedes »Sich-von-Fremden- körperlich-gestalten-Lassen« ist voller Konsequenzen Die besondere Wirksamkeit der Sen- Begeisterung anzunehmen und es muss dung für Mädchen und Frauen mit Prä- alles »für den Kunden« bzw. Heidi Mindest-BMI, mehr Vielfalt und disposition liegt noch auf einer tieferen Klum gegeben werden. Wahrnehmun- höhere Sensibilität auch bei Ebene. Denn was die Befragten trotz gen von eigenen Empfindungen wie GNTM aller Offenheit und Reflektiertheit im Müdigkeit und Kälte oder Gefühle wie Rahmen der hier gewählten Methode Scham, Ekel, Wut oder Angst müssen Wir gaben den Befragten die Chance, nicht in derselben Kürze berichten unterdrückt und vom Handeln ent- selbst Konsequenzen an die Medien- können: Sie befanden sich zu Beginn koppelt werden. Anerkennung gibt es industrie zu formulieren. Insgesamt der Essstörung in einer Krisensituation. nur für die Verdrängung. Das System fordern sie ein breiteres Spektrum Denn bei dieser psychosomatischen Er- zu stören oder sich hier gar kritisch zu an Körperlichkeiten und natürlichen krankung steht selten das angestrebte äußern, führt, wenn es nicht zufällig Menschen in den Medien, deren Bilder Schönheitsideal im Zentrum des ei- der Attraktivität der Sendung dient, nicht durch Photoshop verändert wer- gentlichen Problems. Es geht um tiefe zum vorprogrammierten Ausschluss. den. Mehrfach kam auch der Wunsch Krisen und Unsicherheiten, Erlebnisse Sendung und Krankheit haben also nach »mehr Aufklärung über Essstö- oder Lebenssituationen, die den Betrof- nicht nur auf der Oberfläche von rungen, keine Verteufelung von Leuten, fenen als nicht bewältigbar erscheinen. Schönheitsnorm und Körperzentrie- die eine haben« (16-Jährige, Mager- Um trotz der Machtlosigkeit gegenüber rung eine sehr ähnliche Grundlogik: sucht) auf. Neben dokumentarischen den äußeren Geschehnissen ihre Hand- Das erstrebenswerte Ziel ist es, die ei- Formen sind fiktionale Erzählformen lungsfähigkeit aufrechtzuerhalten, gentlichen Wahrnehmungen, Gefühle hier sicherlich ein lohnenswerter Weg. verlagern die Betroffenen ihre Wahr- und Bedürfnisse zurückzustellen, um Die besondere Herausforderung dabei nehmung von den inneren Welten auf sich perfekt an die Anforderungen wird immer der Balanceakt zwischen die äußeren Bereiche Körper und Essen. und Normen anderer anzupassen und Verständniswecken und der Anleitung Durch die Manipulation des Gewichts sie in ihrem Anliegen nicht zu stören. zum krankhaften Umgang mit den können sie sich als weniger wertlos Wird dieses implizite Grundmuster eigenen Problemen bleiben. empfinden und versuchen gewisser- der Sendung zur Handlungsmaxime, Bezüglich der Sendung GNTM reichen maßen, wieder handlungsmächtig zu kann es in einer Identitätskrise und bei die Vorschläge von der Forderung, die werden – wenn schon nicht gegenüber entsprechenden psychischen Disposi- »Sendung Germany‘s Next Topmodel der äußeren Welt, dann wenigstens ge- tionen wie Leistungsbereitschaft, An- einzustellen, in der der Wettkampf genüber sich selbst. Dieser ungesunde passungsbereitschaft oder einem Hang um einen unmenschlich ›perfekten‹ Weg des Umgangs mit einem tiefer zum Perfektionismus in die Krankheit Körper auf unwürdige Weise insze- liegenden Problem kann dann leicht führen. Entsprechend verwundert es niert wird« (32-Jährige, Magersucht), 6 28/2015/1
FORSCHUNG über die Bitte, die Kandidatinnen die konkrete Forderung nach einem Harrison, Kristen (2013). Media, body image, and ea- ting disorders. In Dafna Lemish (Hrsg.), The Routledge menschenwürdiger zu behandeln und Mindest-BMI (für Models und Schau- International Handbook of Children, Adolescents and nicht für jeden kleinen Fehltritt zu spielerinnen) und dass »›Size Zero‹ Media (S. 224-231). London & New York: Routledge. kritisieren. Aus Sicht der Rezeptions- vom Markt verschwindet!« (17-Jährige, Hawkins, Nicole, Richards, P. Scott, Granley, H. Mac & Stein, David M. (2004). The impact of exposure to forschung wäre mehr Sensibilität im Magersucht). Denn kranke Körper zu the thin-ideal media image on women. Eating disor- Umgang mit Kritik an den Körpern der idealisieren, bedeutet, Krankheit zu ders,12(1), 35-50. Kandidatinnen zentral. Eine vermehrte verherrlichen. Iconkids & Youth (2014). Trend Tracking Kids®. Ergeb- nisse zu High Interest Themen bei 6- bis 19-jährigen Wertschätzung von Individualität und Kindern und Jugendlichen in Deutschland. München: Eigenwilligkeit (auch gegenüber Heidi ANMERKUNGEN Iconkids & Youth. Klum) wäre ein Zeichen von Qualität. Kiehl, Katrin (2010). Risikofaktoren für Essstörungen unter besonderer Berücksichtigung medialer Einfluss- Zudem wäre eine gezielte Kontex- 1 Interviewerhebung mit 45 Frauen mit Essstörung von faktoren. Abrufbar unter: http://epub.uni-regensburg. 2003/2004 tualisierung für die ZuschauerInnen de/19703/1/Dissertation_Katrin_Kiehl.pdf [02.04.15] 2 Interviewerhebung mit 14 Frauen mit Magersucht hilfreich, wodurch vermittelt wird, KiGGS (2006). Studie zur Gesundheit von Kindern und 3 Der Kontakt wurde über Mitglieder der Bundes- Jugendlichen in Deutschland. Abrufbar unter: http:// dass es sich bei den Kandidatinnen um fachverbandes, meist Therapeuten und Ärzte der www.kiggs.de/ [02.04.15] Erkrankten hergestellt. Die Erhebung fand zwischen körperliche Ausnahmeerscheinungen November 2014 und Februar 2015 statt. Märschel, Sarina (2007). Welchen Hunger stillen Medi- en? Funktionen von Medien im Leben von Frauen mit handelt und dass die geforderten An- 4 Weitere 7 an der Befragung Teilnehmende mit Adi- Essstörungen. In Senta Pfaff-Ruediger & Micahel Meyen passungs- und Verdrängungsmecha- positas werden bei den hier vorgestellten Ergebnissen (Hrsg.), Alltag, Lebenswelt und Medien. Qualitative quantitativ und qualitativ nicht weiter berücksich- Studien zum subjektiven Sinn von Medienangeboten nismen show- bzw. businessspezifisch tigt. (S. 125-150). Münster: LIT. sind und nicht unbedingt gesundheits- 5 Abgefragt wurden die Gebrauchswerte der Sendung Mikos, Lothar (2001). Fern-Sehen, Bausteine zu einer fördernd. Eine einfließende Aufklärung in Rezeption und Aneignung, Items, die auch als Rezeptionsästhetik des Fernsehens. Berlin: Vistas. Vergleichswerte aus einer Repräsentativstudie zu über das Thema Magersucht wäre zu- »GNTM-SeherInnen allgemein« (Götz & Gather, Stehling, Miriam (2015). Die Aneignung von Fernseh- formaten im transkulturellen Vergleich. Eine Studie am dem thematisch passend und würde, 2013) zur Verfügung standen. Beispiel des Topmodel-Formats. Wiesbaden: Springer. gerade weil die Sendung viele Mädchen Swanson, Sonja A., Crow, Scott J., Le Grange, Daniel, in einem sensiblen Alter erreicht, ein LITERATUR Swendsen, Joel & Merikangas, Kathleen R. (2011). Preva- lence and correlates of eating disorders in adolescents: Zeichen von Verantwortung. Results from the national comorbidity survey repli- Von einer Befragten wird eine gezielte Baumann, Eva (2009). Die Symptomatik des Me- cation adolescent supplement. Archives of General dienhandelns. Zur Rolle der Medien im Kontext der Psychiatry, 68(7), 714-723. Förderung der Medienkompetenz ein- Entstehung, des Verlaufs und der Bewältigung eines The McKnight Investigators (2003). Risk factors for the gefordert, ein Ansatz, der aus Sicht der gestörten Essverhaltens. Köln: Herbert von Halem. onset of eating disorders in adolescent girls: results of Medienpädagogik sehr zu unterstützen Bell, Beth Teresa & Dittmar, Helga (2011). Does media the McKnight longitudinal risk factor study. American type matter? The role of identification in adolescent Journal of Psychiatry, 160, 248-253. ist. Es wäre eine Chance, Sendungen girls’ media consumption and the impact of different Thomas, Tanja (2007). Showtime für das »unter- wie GNTM für medienpädagogische thin-ideal media on body image. Sex roles, 65(7-8), nehmerische Selbst«. Reflexion über Reality-TV als 478-490. Vergesellschaftungsmodus. In Lothar Mikos (Hrsg.), Einheiten zu nutzen, um sich mit den Mediennutzung, Identität und Identifikation. Die So- Cafri, Guy, Yamamiya, Yuko, Brannick, Michael & Körperbildern in den Medien ausei- Thompson, J. Kevin (2005). The Influence of Sociocul- zialisationsrelevanz der Medien im Selbstfindungspro- zess der Jugendlichen. Weinheim: Juventa. nanderzusetzen oder durch kritische tural Factors on Body Image: A Meta‐Analysis. Clinical Psychology: Science and Practice, 12(4), 421-433. Medienanalysen die Inszeniertheit von Derenne, Jennifer L. & Beresin, Eugene V. (2006). Body Castingshows zu verstehen. Wenn es image, media, and eating disorders. Academic Psych- DIE AUTORINNEN Jugendlichen gelänge, das Konzept iatry, 30, 257-261. der »Unternehmerin ihrer selbst« (u. Götz, Maya & Gather, Johanna (2013). Ich habe heute leider kein Foto für dich. Die Faszination a. Thomas, 2007) zu durchdringen und Germany’s Next Topmodel. In Maya Götz (Hrsg.), Die Fernsehheld(inn)en der Mädchen und Jungen. Ge- den eigenen Weg zwischen neolibe- schlechterspezifische Studien zum Kinderfernsehen raler Selbstoptimierung, Achtsamkeit (S. 473-529). München: kopaed. und Ausformung der Individualität zu Götz, Maya (Hrsg.) (2002). Alles Seifenblasen? Die Be- deutung von Daily Soaps im Alltag von Kindern und finden, wäre dies auch eine präventive Jugendlichen. München: kopaed. Maßnahme zur Vorbeugung von Ess- Götz, Maya & Herche, Margit (2013). Wespentaille und störungen. breite Schultern. Der Körper der »globalen« Mädchen- Maya Götz, Dr. phil., ist Leiterin des und Jungencharaktere in animierten Kindersendungen. IZI und des PRIX JEUNESSE INTERNA- Das Wichtigste für viele Befragte mit In Maya Götz (Hrsg.), Die Fernsehheld(inn)en der Mäd- TIONAL, München. einer Essstörung ist aber: »Hört auf chen und Jungen. Geschlechterspezifische Studien zum Kinderfernsehen (S. 63-79). München: kopaed. Caroline Mendel, M.A. Soziologie, zu propagieren, dass es ›normal‹ sei, Psychologie und Ethnologie, und Götz, Maya, Bulla, Christine & Mendel, Caroline (2012). wie Models auszusehen, und jeder mit »Bestimmt ein tolles Erlebnis!« Repräsentativbefra- Sarah Malewski, B.A. Kommunika- mehr Gewicht nicht den gesellschaft- gung von 6- bis 17-Jährigen zu ihren Vorstellungen tionswissenschaft, Pädagogik und vom »Erlebnis-Castingshowsteilnahme«. LfM-Doku- lichen Normen entspricht, denn es mentation Band 49. Abrufbar unter: https://www.lfm- Betriebswirtschaftslehre, sind freie sollte andersherum sein« (18-Jährige, nrw.de/fileadmin/lfm-nrw/Publikationen-Download/ Mitarbeiterinnen am IZI, München. LfM_Doku49_web.pdf [22.04.15] Magersucht). Daraus abgeleitet entsteht 28/2015/1 7
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