Dann werde man im Kleinen das Große schauen
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Geschäftsstelle: Stadtplatz 2-3 - 83278 Traunstein Vorsitzender: Hans Helmberger - Axdorfer Feld 37 - 83278 Traunstein - Tel. 0861/5287 Internet: www.chiemgaumuseum.de - e-Mail:info@chiemgaumuseum.de Rundschreiben - Freitag, 30. April 2021 Dann werde man im Kleinen das Große schauen“ Die Eröffnung des neuen Traunsteiner Stadtmuseums im Jahr 1923 - Archivale des Monats April – Von Franz Haselbeck Folgt man einem vor einigen Wochen im Traunsteiner Ludwig III., der aber als „Kronprinz“ an seinen Tagblatt erschienenen Bericht, dann steht das Traun- Thronansprüchen festhielt. Und leider wissen wir auch steiner Stadtmuseum vor großen Veränderungen. Ge- nicht, wer diesen Ver merk verfasste und wer somit der plant ist sowohl eine Vergrößerung wie auch eine „Vater“ (rechts) ist. inhaltliche Neukonzeption. Hier gilt es, langfristig zu denken und sorgfältig zu planen. „Wir müssen einen Aber: Das richtige Datum er möglicht es, in den bei- Schritt nach dem anderen machen“, so Stadtkämme- den damals erscheinenden Tageszeitungen zu recher- rer Reinhold Dendorfer, der Vorstandsvorsitzende der chieren. Und dabei wird rasch klar, dass am 2. April Stiftung Heimathaus. Und als erster Schritt auf die- 1923 nicht nur die Georgiritter nach Ettendorf zogen, sem langen Weg sollen die gesamten Bestände von ei- sondern im Gefolge dieses Festtages auch das Traun- ner wissenschaftlichen Fachkraft binnen der nächsten steiner Stadtmuseum sich erstmals in neuen Räumen beiden Jahre inventarisiert werden.[1] präsentierte. Während das „Traunsteiner Wochen- blatt“ beide Ereignisse nur in einem gewöhnlichen, Das Archivale des Monats April, eine kürzlich ange- nicht übermäßig langen und auffälligen Beitrag zusam- kaufte Postkarte, zeigt, dass der Zeitpunkt, dieses ehr- menfasste, den Besuch des Kronprinzen dabei über- geizige kulturelle Projekt anzugehen, auch historisch haupt nicht erwähnte und, so gewinnt man den gut gewählt ist. Denn 2023 jährt sich die Eröffnung Eindruck, dem neuen Stadtmuseum eher distanziert des Museums im Heimathaus zum einhundertsten gegenüberstand,[2] berichtete die „Oberbayerische Mal, und was wäre passender, als die Pläne für das Landeszeitung“ in einer Serie von drei aufeinanderfol- nächste ‚Museumsjahrhundert‘ genau dann zu präsen- genden Artikeln jeweils auf der Titelseite über den tieren? Der Betrachter allerdings wird sich zu Recht „Osterritt und [die] Eröffnungsfeier des Heimathau- fragen, wie der Verfasser dazu kommt, die im Bild fest- ses Traunstein“ und lieferte vor allem zu Letzterem gehaltene Szene – zwei Honoratioren, die ein Gebäu- ein wahre Fülle an Infor mationen, begleitet von un- de durch ein Spalier, augenscheinlich gebildet von verhohlener Begeisterung.[3] Daraus zwei längere Aus- Teilnehmern des Georgiritts, verlassen – in dieser Hin- züge. sicht zu interpretieren. Das geht natürlich nur mit Hil- fe des nebenstehend zu lesenden Textes: „25.IV.[19]23 „In der alten Gaststube zum Zieglerwirt, wo in frühe- – Georgiritt – König Rupprecht und Vater – Austritt ren Zeiten noch viele jetzt lebende Bewohner der Ge- vom Heimathaus Traunstein“. An diesem Text ist zu- gend zum frohen Trunke versammelt waren und [die] nächst einmal einiges falsch. Der Georgiritt findet tra- auch jetzt ihr altes anheimelndes Gepräge noch voll ditionell am Oster montag statt, und das war 1923 der bewahrt hat, hatte sich eine auserlesene Gesellschaft 2. und nicht der 25. April. Auch war die Monarchie in zum Festakt versammelt: Die beiden Herrn Bürger - Bayern seit fünf Jahren Geschichte, und Rupprecht meister mit der Stadtverwaltung, namentlich Hr. (links; 1869–1955) lediglich der älteste Sohn König [Franz Xaver] Prandtner und Hr. [Eduard] Leopold-
seder, die sich um die Ausgestaltung des Heimathau- K[öni]gl[iche] Hoheit Prinz Rupprecht in ihrer Mitte ses besonders verdient gemacht haben, Vertreter des erschien, um sein reges Interesse für Heimatkunst und Klerus, die Spitzen der Behörden, Hr. Geheimrat [Dr. Heimatpflege zu bekunden.“[4] Emil] Ehrensberger, Vertreter der Gemeinden, na- mentlich Hr. Bürger meister [Bartholomäus] Schmu- „Von hoher Warte aus beleuchtete sodann der Fach- cker von Ruhpolding, der Begründer eines schönen, mann für Museumskunde, Herr Generalkonser vator interessanten Heimatmuseums in seinem Orte, usw. Dr. Hager,[5] die Bedeutung des Heimathauses. Es gä- Auch von auswärts waren zahlreiche Festgäste einge- be große Museen und kleine, die großen müsse man troffen, die der Pflege der Heimatkunst ihre Kräfte bewundern, die kleinen lieben, denn der Geist der Hei- widmen, so besonders Hr. Dr. [Georg] Hager, Gene- mat sei in letzteren lebendig und spreche aus ihnen. ral-Konser vator der Kunst-Denkmale und Altertümer Man brauche die großen wie die kleinen; nicht auf die Bayerns, Ministerialrat Dr. [Julius] Gröschl, Vorstand Fülle des reichen Inhalts komme es an, sondern vor des Vereins für Heimatschutz, Generaldirektor [Dr. allem auf die geistige Schale, mit der man aus dem Ge- Otto] Riedner, Vorstand der staatlichen Archive, die halt des Museums schöpfe und dessen Inhalt dem ei- Professoren [Friedrich] von der Leyen und [Ernst Au- genen Geist zu Nutze mache. Dann werde man im gust] Bertram von Köln, die Professoren Jäger und Kleinen das Große schauen, dann werde man aus den [Ludwig] Bolgiano von München, Dr. [Franz] Martin, Resten der Vergangenheit den Reichtum des Men- Vorstand der Salzburger Gesellschaft für Landeskun- schengeistes in Religion, Kunst und Kultur verstehen de, Frau Dr. Rohde, welche das städt[ische] Archiv im lernen; auf die Vergangenheit müsse man schauen, Heimathaus in mustergültiger Weise geordnet hat, Frl. dann werde man die Gegenwart begreifen und die Zu- Irene Peetz, die Tochter des um die Chiemgauer kunft gestalten können. Aus Vergangenheit, Gegen- Volks- und Landeskunde hochverdienten ehemaligen wart und Zukunft setze sich der Wert und die Rentamtsmannes von Traunstein [Hartwig Peetz] und Bedeutung des Museums zusammen. Als Programm besonders der Sohn unserer Stadt, Hr. Apotheker Dr. für die Pflege des Museums gab er drei inhaltvolle [Georg] Schierghofer, der Freund des Hrn. Architek- Punkte an: Richtig sammeln, schön gestalten, wahr- ten [Josef] Angerer, welcher im Bunde mit ihm der haft lebendig machen!“[6] Traunsteiner Heimatforschung und der Ausgestaltung des Heimathauses seine reichen Kenntnisse und bes- Werfen wir abschließend dazu noch einen Blick in An- ten Kräfte gewidmet hat. Hocherfreut und geehrt aber ton Kasenbachers Stadtgeschichte: „Ein wesentlicher fühlte sich die ganze Versammlung, als Se[ine] Schritt zur Festigung und Repräsentation des Heimat-
gedankens wurde mit der Stiftung des Heimathauses Pauer diesen Urstock eines Heimatmuseums mit einer vollzogen. Das alte Zieglerwirtshaus neben dem Brot- beachtlichen Sammlung im Wege von Schenkungen. hausturm war nach dem Gastgeber Georg Ziegler Nachdem die von der Stadt hierfür bereitgestellten (1691–1712)[7] benannt. […] Die Mutter des früh ver- Räume im Rückgebäude des Rathauses die Fülle der storbenen Architekten und Heimatforschers Josef An- Ausstellungsgegenstände nicht mehr aufnehmen gerer (1882 bis 1918) ver machte das alte Torwirtshaus konnten, fand das Museum (vor allem dank der Be- im Sinne ihres Sohnes 1919 als ‚Heimathaus‘ durch mühungen Dr. Georg Schierghofers) 1923 im Heimat- notariellen Vertrag der Stadt. Auch der Buchnachlass haus (nach einigen baulichen Veränderungen) eine Angerers ging als Grundstock der seither laufend er- endgültige und passende Unterkunft. […] 1951 brach- gänzten ‚Chiemgau-Bibliothek‘ in städtischen Besitz te die Stadt Heimathaus und Brothausturm mit Biblio- über. An Josef Angerer, der sich auch um den Geor- thek und Museum auf Antrag des Historischen giritt große Verdienste erwarb, erinnern eine steiner- Vereins in die staatliche genehmigte öffentliche ‚Stif- ne Gedenktafel im Laubengang des Hauses und eine tung Heimathaus Traunstein‘ ein.“[9] nach ihm benannte Straße in Neu-Traunstein. Brot- hausturm und Heimathaus, die mit ihrem starken Ge- Wie gesagt, was gäbe es Besseres, als 100 Jahre nach mäuer allen Stadtbränden standhielten, stellen das seiner Eröffnung ein neues Konzept für das vergrö- wohl älteste architektonische Denkmal Traunsteins ßerte Museum vorzustellen? Richtig sammeln, schön dar. Im Jahr 1888 war es bereits (durch den hiesigen gestalten, wahrhaft lebendig machen – was damals zur Apotheker Joseph Pauer angeregt) zur Gründung ei- Maxime erhoben wurde, sollte auch heute die Richt- nes ‚Städtischen Chiemgaumuseums‘ gekommen.[8] schnur sein. Zusammen mit seinem Freund [Josef] Köchl versah So sieht der Eingang zum Traunsteiner Stadtmuseum im ehema- ligen Zieglerwirtsanwesen heute aus. (Foto: Helmberger) Anmerkungen stein, hier Nr. 37) präzisieren die Gründungsgeschichte wie folgt: „Das städtische Museum wurde 1882 gegründet und vom Stadt- 1 Traunsteiner Tagblatt, Nr. 40, 18.2.2021, S. 7 magistrat nach der Vereinbarung zwischen Magistr[ats-]Vorstand 2 Traunsteiner Wochenblatt, Nr. 76, 3.4.1923, S. 1–2. Hofrat und rechtsk[undigen] Bürgermeister Josef Seufert und 3 Oberbayerische Landeszeitung, Nr. 77–79, 3.–5.4.1923, jew. S. 1. Apotheker Josef Pauer hier genehmigt l[aut] Sitzungsbericht vom 4 Wie Anm. 3, Nr. 77. 3. Juni 1882. Der II. Stock des Rathaus-Rückgebäudes wird ab 1. 5 Georg Hager (1863-1941), Generalkonservator des Bayerischen Nov[ember] 1888 zur Aufnahme des Museums in Stand gesetzt Landesamtes für Denkmalpflege von 1908 bis 1928; siehe Egon l[au]t Sitz[ungs-]Ber[icht] v[om] 23. und 30. Oct[ober 18]88. Bis- Johannes Greipl, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, pu- her waren die bis jetzt gesammelten Museumsgegenstände in bliziert am 26.02.2019; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: einem Raum im Rathaus-Rückgebäude untergebracht und seit 1. https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bayeri- August [18]88 gegen eine Eintrittsgebühr von 20 d [denarii = sches_Landesamt_für_Denkmalpflege (17.02.2021). Pfennig] der allgemeinen Besichtigung zugänglich; am 1. April 6 Wie Anm. 3, Nr. 79. 1889 sollen die neuen Räumlichkeiten eröffnet werden.“ Hier 7 Gemeint ist hier die Zeit, in der Ziegler die Wirtschaft inne- muss zu gegebener Zeit noch genauer recherchiert werden. hatte. 9 Kasenbacher, Anton: Traunstein. Chronik einer Stadt in Wort 8 Die Unterlagen des Historischen Vereins (in Stadtarchiv Traun- und Bild. Grabenstätt 1986, S. 155–156.
Neues aus der Geschichtswerkstatt „Saline Traunstein” Tiefer Einschnitt im Jahr 1868: Konkurrenz kam auf den Markt – Von Gernot Pültz Im Fokus der Geschichtswerkstatt Saline Traunstein Die Saline Traunstein brachte Salz in der "alten Zeit" steht weiter der Absatz des Betriebes im 19. Jahrhun- vor 1868 auf zwei Wegen unters Volk: Zum einen ver- dert. Das Jahr 1868 brachte einen tiefen Einschnitt: kaufte sie es unmittelbar an den Werkstoren an private Hatte die Saline Traunstein - beziehungsweise ihr Ei- Händler. Vor allem Jakob Kreiller und Josef Mayer, gentümer, der bayerische Staat - bis dato über Jahr- beide aus Traunstein, kamen oft zum Betrieb und nah- hunderte Salz uneingeschränkt und ungehindert men großen Mengen mit, um mit ihnen dann Ge- verkaufen können, so bekam sie nun Konkurrenz auf schäfte zu treiben. Abnehmer hatten sie in der nahen dem Markt. Das Handelsmonopol, das der Staat und wie auch fernen Umgebung. Zuerst bedienten sie sich Unternehmer in Bayern seit dem 16. Jahrhundert be- der Pferdefuhrwerke und dann - ab 1860 - der Eisen- sessen hatte, ging verloren, auch andere Unternehmer bahn. Zum anderen brachte die Saline auch viel Salz durften nun Salz in Bayern anbieten. Wettbewerb kam zu den staatlichen Verkaufsstationen im Lande. In die- auf - für die Saline Traunstein begannen neue Zeiten sem Sinne transportierte sie Säcke und Fässer insbe- des Handels. Hatte sich Gernot Pültz von der Ge- sondere auf der alten Salzstraße von Traunstein zur schichtswerkstatt in mehreren Aufsätzen schon mit Salzfactorie Altenmarkt. In ihrem Auftrag beförderten dem Absatz der Saline nach 1868 befasst, so ging er Fuhrleute - Bauern, die Zugtiere besaßen - dorthin. nun noch einmal einen Zeitschritt zurück und be- Bestimmt waren die Fässer und Säcke für das Fernziel leuchtete den Absatz - wiederum in mehreren Aufsät- München. Nach 1860 erfolgte die Abgabe mit der Ei- zen - vor 1868. Auch sie stehen auf der Informations- senbahn. Die Transporte gingen dann in die Ferne: und Diskussionsplattform der Geschichtswerkstatt: nicht nur zum Salzamt München, sondern etwa auch auf www.saline-traunstein.de. zum Salzamt Lindau und zur Salzfactorie Ansbach.
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