Dann werde man im Kleinen das Große schauen

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Dann werde man im Kleinen das Große schauen
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                        Rundschreiben - Freitag, 30. April 2021

Dann werde man im Kleinen das Große schauen“
Die Eröffnung des neuen Traunsteiner Stadtmuseums im Jahr 1923 - Archivale
des Monats April – Von Franz Haselbeck
Folgt man einem vor einigen Wochen im Traunsteiner            Ludwig III., der aber als „Kronprinz“ an seinen
Tagblatt erschienenen Bericht, dann steht das Traun-          Thronansprüchen festhielt. Und leider wissen wir auch
steiner Stadtmuseum vor großen Veränderungen. Ge-             nicht, wer diesen Ver merk verfasste und wer somit der
plant ist sowohl eine Vergrößerung wie auch eine              „Vater“ (rechts) ist.
inhaltliche Neukonzeption. Hier gilt es, langfristig zu
denken und sorgfältig zu planen. „Wir müssen einen            Aber: Das richtige Datum er möglicht es, in den bei-
Schritt nach dem anderen machen“, so Stadtkämme-              den damals erscheinenden Tageszeitungen zu recher-
rer Reinhold Dendorfer, der Vorstandsvorsitzende der          chieren. Und dabei wird rasch klar, dass am 2. April
Stiftung Heimathaus. Und als erster Schritt auf die-          1923 nicht nur die Georgiritter nach Ettendorf zogen,
sem langen Weg sollen die gesamten Bestände von ei-           sondern im Gefolge dieses Festtages auch das Traun-
ner wissenschaftlichen Fachkraft binnen der nächsten          steiner Stadtmuseum sich erstmals in neuen Räumen
beiden Jahre inventarisiert werden.[1]                        präsentierte. Während das „Traunsteiner Wochen-
                                                              blatt“ beide Ereignisse nur in einem gewöhnlichen,
Das Archivale des Monats April, eine kürzlich ange-           nicht übermäßig langen und auffälligen Beitrag zusam-
kaufte Postkarte, zeigt, dass der Zeitpunkt, dieses ehr-      menfasste, den Besuch des Kronprinzen dabei über-
geizige kulturelle Projekt anzugehen, auch historisch         haupt nicht erwähnte und, so gewinnt man den
gut gewählt ist. Denn 2023 jährt sich die Eröffnung           Eindruck, dem neuen Stadtmuseum eher distanziert
des Museums im Heimathaus zum einhundertsten                  gegenüberstand,[2] berichtete die „Oberbayerische
Mal, und was wäre passender, als die Pläne für das            Landeszeitung“ in einer Serie von drei aufeinanderfol-
nächste ‚Museumsjahrhundert‘ genau dann zu präsen-            genden Artikeln jeweils auf der Titelseite über den
tieren? Der Betrachter allerdings wird sich zu Recht          „Osterritt und [die] Eröffnungsfeier des Heimathau-
fragen, wie der Verfasser dazu kommt, die im Bild fest-       ses Traunstein“ und lieferte vor allem zu Letzterem
gehaltene Szene – zwei Honoratioren, die ein Gebäu-           ein wahre Fülle an Infor mationen, begleitet von un-
de durch ein Spalier, augenscheinlich gebildet von            verhohlener Begeisterung.[3] Daraus zwei längere Aus-
Teilnehmern des Georgiritts, verlassen – in dieser Hin-       züge.
sicht zu interpretieren. Das geht natürlich nur mit Hil-
fe des nebenstehend zu lesenden Textes: „25.IV.[19]23         „In der alten Gaststube zum Zieglerwirt, wo in frühe-
– Georgiritt – König Rupprecht und Vater – Austritt           ren Zeiten noch viele jetzt lebende Bewohner der Ge-
vom Heimathaus Traunstein“. An diesem Text ist zu-            gend zum frohen Trunke versammelt waren und [die]
nächst einmal einiges falsch. Der Georgiritt findet tra-      auch jetzt ihr altes anheimelndes Gepräge noch voll
ditionell am Oster montag statt, und das war 1923 der         bewahrt hat, hatte sich eine auserlesene Gesellschaft
2. und nicht der 25. April. Auch war die Monarchie in         zum Festakt versammelt: Die beiden Herrn Bürger -
Bayern seit fünf Jahren Geschichte, und Rupprecht             meister mit der Stadtverwaltung, namentlich Hr.
(links; 1869–1955) lediglich der älteste Sohn König           [Franz Xaver] Prandtner und Hr. [Eduard] Leopold-
Dann werde man im Kleinen das Große schauen
seder, die sich um die Ausgestaltung des Heimathau-      K[öni]gl[iche] Hoheit Prinz Rupprecht in ihrer Mitte
ses besonders verdient gemacht haben, Vertreter des      erschien, um sein reges Interesse für Heimatkunst und
Klerus, die Spitzen der Behörden, Hr. Geheimrat [Dr.     Heimatpflege zu bekunden.“[4]
Emil] Ehrensberger, Vertreter der Gemeinden, na-
mentlich Hr. Bürger meister [Bartholomäus] Schmu-        „Von hoher Warte aus beleuchtete sodann der Fach-
cker von Ruhpolding, der Begründer eines schönen,        mann für Museumskunde, Herr Generalkonser vator
interessanten Heimatmuseums in seinem Orte, usw.         Dr. Hager,[5] die Bedeutung des Heimathauses. Es gä-
Auch von auswärts waren zahlreiche Festgäste einge-      be große Museen und kleine, die großen müsse man
troffen, die der Pflege der Heimatkunst ihre Kräfte      bewundern, die kleinen lieben, denn der Geist der Hei-
widmen, so besonders Hr. Dr. [Georg] Hager, Gene-        mat sei in letzteren lebendig und spreche aus ihnen.
ral-Konser vator der Kunst-Denkmale und Altertümer       Man brauche die großen wie die kleinen; nicht auf die
Bayerns, Ministerialrat Dr. [Julius] Gröschl, Vorstand   Fülle des reichen Inhalts komme es an, sondern vor
des Vereins für Heimatschutz, Generaldirektor [Dr.       allem auf die geistige Schale, mit der man aus dem Ge-
Otto] Riedner, Vorstand der staatlichen Archive, die     halt des Museums schöpfe und dessen Inhalt dem ei-
Professoren [Friedrich] von der Leyen und [Ernst Au-     genen Geist zu Nutze mache. Dann werde man im
gust] Bertram von Köln, die Professoren Jäger und        Kleinen das Große schauen, dann werde man aus den
[Ludwig] Bolgiano von München, Dr. [Franz] Martin,       Resten der Vergangenheit den Reichtum des Men-
Vorstand der Salzburger Gesellschaft für Landeskun-      schengeistes in Religion, Kunst und Kultur verstehen
de, Frau Dr. Rohde, welche das städt[ische] Archiv im    lernen; auf die Vergangenheit müsse man schauen,
Heimathaus in mustergültiger Weise geordnet hat, Frl.    dann werde man die Gegenwart begreifen und die Zu-
Irene Peetz, die Tochter des um die Chiemgauer           kunft gestalten können. Aus Vergangenheit, Gegen-
Volks- und Landeskunde hochverdienten ehemaligen         wart und Zukunft setze sich der Wert und die
Rentamtsmannes von Traunstein [Hartwig Peetz] und        Bedeutung des Museums zusammen. Als Programm
besonders der Sohn unserer Stadt, Hr. Apotheker Dr.      für die Pflege des Museums gab er drei inhaltvolle
[Georg] Schierghofer, der Freund des Hrn. Architek-      Punkte an: Richtig sammeln, schön gestalten, wahr-
ten [Josef] Angerer, welcher im Bunde mit ihm der        haft lebendig machen!“[6]
Traunsteiner Heimatforschung und der Ausgestaltung
des Heimathauses seine reichen Kenntnisse und bes-       Werfen wir abschließend dazu noch einen Blick in An-
ten Kräfte gewidmet hat. Hocherfreut und geehrt aber     ton Kasenbachers Stadtgeschichte: „Ein wesentlicher
fühlte sich die ganze Versammlung, als Se[ine]           Schritt zur Festigung und Repräsentation des Heimat-
gedankens wurde mit der Stiftung des Heimathauses                    Pauer diesen Urstock eines Heimatmuseums mit einer
vollzogen. Das alte Zieglerwirtshaus neben dem Brot-                 beachtlichen Sammlung im Wege von Schenkungen.
hausturm war nach dem Gastgeber Georg Ziegler                        Nachdem die von der Stadt hierfür bereitgestellten
(1691–1712)[7] benannt. […] Die Mutter des früh ver-                 Räume im Rückgebäude des Rathauses die Fülle der
storbenen Architekten und Heimatforschers Josef An-                  Ausstellungsgegenstände nicht mehr aufnehmen
gerer (1882 bis 1918) ver machte das alte Torwirtshaus               konnten, fand das Museum (vor allem dank der Be-
im Sinne ihres Sohnes 1919 als ‚Heimathaus‘ durch                    mühungen Dr. Georg Schierghofers) 1923 im Heimat-
notariellen Vertrag der Stadt. Auch der Buchnachlass                 haus (nach einigen baulichen Veränderungen) eine
Angerers ging als Grundstock der seither laufend er-                 endgültige und passende Unterkunft. […] 1951 brach-
gänzten ‚Chiemgau-Bibliothek‘ in städtischen Besitz                  te die Stadt Heimathaus und Brothausturm mit Biblio-
über. An Josef Angerer, der sich auch um den Geor-                   thek und Museum auf Antrag des Historischen
giritt große Verdienste erwarb, erinnern eine steiner-               Vereins in die staatliche genehmigte öffentliche ‚Stif-
ne Gedenktafel im Laubengang des Hauses und eine                     tung Heimathaus Traunstein‘ ein.“[9]
nach ihm benannte Straße in Neu-Traunstein. Brot-
hausturm und Heimathaus, die mit ihrem starken Ge-                   Wie gesagt, was gäbe es Besseres, als 100 Jahre nach
mäuer allen Stadtbränden standhielten, stellen das                   seiner Eröffnung ein neues Konzept für das vergrö-
wohl älteste architektonische Denkmal Traunsteins                    ßerte Museum vorzustellen? Richtig sammeln, schön
dar. Im Jahr 1888 war es bereits (durch den hiesigen                 gestalten, wahrhaft lebendig machen – was damals zur
Apotheker Joseph Pauer angeregt) zur Gründung ei-                    Maxime erhoben wurde, sollte auch heute die Richt-
nes ‚Städtischen Chiemgaumuseums‘ gekommen.[8]                       schnur sein.
Zusammen mit seinem Freund [Josef] Köchl versah

                                  So sieht der Eingang zum Traunsteiner Stadtmuseum im ehema-
                                  ligen Zieglerwirtsanwesen heute aus.     (Foto: Helmberger)

Anmerkungen                                                          stein, hier Nr. 37) präzisieren die Gründungsgeschichte wie folgt:
                                                                     „Das städtische Museum wurde 1882 gegründet und vom Stadt-
1 Traunsteiner Tagblatt, Nr. 40, 18.2.2021, S. 7                     magistrat nach der Vereinbarung zwischen Magistr[ats-]Vorstand
2 Traunsteiner Wochenblatt, Nr. 76, 3.4.1923, S. 1–2.                Hofrat und rechtsk[undigen] Bürgermeister Josef Seufert und
3 Oberbayerische Landeszeitung, Nr. 77–79, 3.–5.4.1923, jew. S. 1.   Apotheker Josef Pauer hier genehmigt l[aut] Sitzungsbericht vom
4 Wie Anm. 3, Nr. 77.                                                3. Juni 1882. Der II. Stock des Rathaus-Rückgebäudes wird ab 1.
5 Georg Hager (1863-1941), Generalkonservator des Bayerischen        Nov[ember] 1888 zur Aufnahme des Museums in Stand gesetzt
Landesamtes für Denkmalpflege von 1908 bis 1928; siehe Egon          l[au]t Sitz[ungs-]Ber[icht] v[om] 23. und 30. Oct[ober 18]88. Bis-
Johannes Greipl, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, pu-        her waren die bis jetzt gesammelten Museumsgegenstände in
bliziert am 26.02.2019; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL:       einem Raum im Rathaus-Rückgebäude untergebracht und seit 1.
https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bayeri-          August [18]88 gegen eine Eintrittsgebühr von 20 d [denarii =
sches_Landesamt_für_Denkmalpflege (17.02.2021).                      Pfennig] der allgemeinen Besichtigung zugänglich; am 1. April
6 Wie Anm. 3, Nr. 79.                                                1889 sollen die neuen Räumlichkeiten eröffnet werden.“ Hier
7 Gemeint ist hier die Zeit, in der Ziegler die Wirtschaft inne-     muss zu gegebener Zeit noch genauer recherchiert werden.
hatte.                                                               9 Kasenbacher, Anton: Traunstein. Chronik einer Stadt in Wort
8 Die Unterlagen des Historischen Vereins (in Stadtarchiv Traun-     und Bild. Grabenstätt 1986, S. 155–156.
Neues aus der Geschichtswerkstatt „Saline Traunstein”
Tiefer Einschnitt im Jahr 1868: Konkurrenz kam auf den Markt – Von Gernot Pültz

Im Fokus der Geschichtswerkstatt Saline Traunstein      Die Saline Traunstein brachte Salz in der "alten Zeit"
steht weiter der Absatz des Betriebes im 19. Jahrhun-   vor 1868 auf zwei Wegen unters Volk: Zum einen ver-
dert. Das Jahr 1868 brachte einen tiefen Einschnitt:    kaufte sie es unmittelbar an den Werkstoren an private
Hatte die Saline Traunstein - beziehungsweise ihr Ei-   Händler. Vor allem Jakob Kreiller und Josef Mayer,
gentümer, der bayerische Staat - bis dato über Jahr-    beide aus Traunstein, kamen oft zum Betrieb und nah-
hunderte Salz uneingeschränkt und ungehindert           men großen Mengen mit, um mit ihnen dann Ge-
verkaufen können, so bekam sie nun Konkurrenz auf       schäfte zu treiben. Abnehmer hatten sie in der nahen
dem Markt. Das Handelsmonopol, das der Staat und        wie auch fernen Umgebung. Zuerst bedienten sie sich
Unternehmer in Bayern seit dem 16. Jahrhundert be-      der Pferdefuhrwerke und dann - ab 1860 - der Eisen-
sessen hatte, ging verloren, auch andere Unternehmer    bahn. Zum anderen brachte die Saline auch viel Salz
durften nun Salz in Bayern anbieten. Wettbewerb kam     zu den staatlichen Verkaufsstationen im Lande. In die-
auf - für die Saline Traunstein begannen neue Zeiten    sem Sinne transportierte sie Säcke und Fässer insbe-
des Handels. Hatte sich Gernot Pültz von der Ge-        sondere auf der alten Salzstraße von Traunstein zur
schichtswerkstatt in mehreren Aufsätzen schon mit       Salzfactorie Altenmarkt. In ihrem Auftrag beförderten
dem Absatz der Saline nach 1868 befasst, so ging er     Fuhrleute - Bauern, die Zugtiere besaßen - dorthin.
nun noch einmal einen Zeitschritt zurück und be-        Bestimmt waren die Fässer und Säcke für das Fernziel
leuchtete den Absatz - wiederum in mehreren Aufsät-     München. Nach 1860 erfolgte die Abgabe mit der Ei-
zen - vor 1868. Auch sie stehen auf der Informations-   senbahn. Die Transporte gingen dann in die Ferne:
und Diskussionsplattform der Geschichtswerkstatt:       nicht nur zum Salzamt München, sondern etwa auch
auf www.saline-traunstein.de.                           zum Salzamt Lindau und zur Salzfactorie Ansbach.
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