Das Attentat William Mastrosimone - F 841 (Cat's Paw) Deutsch von PETER JACOBI

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William Mastrosimone

Das Attentat
(Cat’s Paw)

Deutsch von PETER JACOBI

F 841
Bestimmungen über das Aufführungsrecht des Stückes

                               Das Attentat (F 841)

Dieses Bühnenwerk ist als Manuskript gedruckt und nur für den Vertrieb an
Nichtberufsbühnen für deren Aufführungszwecke bestimmt. Nichtberufsbühnen
erwerben das Aufführungsrecht aufgrund eines schriftlichen Aufführungsvertrages mit
dem Deutschen Theaterverlag, Postfach 20 02 63, D-69 459 Weinheim, und durch
den Kauf der vom Verlag vorgeschriebenen Rollenbücher sowie die Zahlung einer
Gebühr bzw. einer Tantieme.
Diese Bestimmungen gelten auch für Wohltätigkeitsveranstaltungen und Aufführungen
in geschlossenen Kreisen ohne Einnahmen.
Unerlaubtes Aufführen, Abschreiben, Vervielfältigen, Fotokopieren oder Verleihen der
Rollen ist verboten. Eine Verletzung dieser Bestimmungen verstößt gegen das
Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich.
Über die Aufführungsrechte für Berufsbühnen sowie über alle sonstigen Urheberrechte
verfügt der S. Fischer Verlag, Hedderichstr. 114, 60596 Frankfurt/Main
"Das Zeitalter erforderte ein Abbild seiner beschleunigten Grimasse."
Ezra Pound

Dieses Stück ist Dan Sullivan gewidmet.

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PERSONEN

VIKTOR

DAVID DARLING

CATHY

JESSICA LYONS

ZEIT

Jetzt

ORT

Washington D.C.

BÜHNE

Ein Lagerhaus. Eine Laufplanke. Oben, ein separater Raum, vielleicht der Verschlag
des Vorarbeiters. Eine eiserne Leiter führt hinauf. An einer Wand ein riesiger
Stadtplan von Washington D.C. mit all den bekannten Sehenswürdigkeiten (z. B. das
Weiße Haus). Unterhalb des Stadtplanes stehen Munitionskisten, liegen Granaten
etc. Dort werden die verschiedensten Waffen ausgestellt: Uzis, M-16'er, Ak-47'er, ein
raketenbetriebener Granatwerfer, Gasmasken, Bombenzubehör. Stapelweise
Lebensmittelkisten, Plastikflaschen mit Wasser

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I. AKT

Rasch geht das Licht an. VIKTOR gießt Wasser in eine Tasse. DARLING sitzt am
Tisch, in Trainingshosen und einem T-Shirt. Eine Tür ist angelehnt. Man hört das
Geräusch mehrerer Fernsehgeräte auf verschiedenen Kanälen. VIKTOR greift sich
ein Glas mit Suppenwürfeln, nimmt einen heraus.

DARLING Entschuldigen Sie.

          VIKTOR dreht sich zu DARLING um.

     Ist das Rind?

          VIKTOR schüttelt seinen Kopf: Nein.

     Wenn es Ihnen egal ist, könnte ich bitte Rind haben?

          VIKTOR bedenkt die Frage, als hätte sie eine tiefgründige, philosophische
          Bedeutung, pausiert, tut sie als erledigt ab, nimmt einen Rindsbrühwürfel.

     Danke schön.

          VIKTOR öffnet den Rindsbrühwürfel und wirft ihn in das heiße Wasser.

     Mir steht Huhn echt bis da. Danke schön.

          VIKTOR trägt DARLING das Essen auf. DARLING isst mit Appetit. Er hält
          inne, blickt auf die Pistole.

DARLING Das macht mich ziemlich nervös.

VIKTOR Was?

DARLING Dass Sie die Waffe rumliegen lassen.

VIKTOR Weshalb?

DARLING Wollen Sie mich auf die Probe stellen?

VIKTOR Wie denn?

DARLING Um zu sehen, ob ich sie mir schnappen werde.

VIKTOR War das Ihre Absicht?

DARLING Nein.

VIKTOR Was ist dann das Problem?

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DARLING Mir wäre nur lieber... Sie würden sie nicht so offen... rumliegen lassen.

VIKTOR Es verlockt Sie?

DARLING Nein... Ich weiß nicht, irgendwie... Aber ich könnte es ja nicht mal, selbst
   wenn ich... Oder ist sie gar nicht geladen?

VIKTOR Schauen Sie doch selber nach.

DARLING Ich möchte lieber nicht.

VIKTOR Warum denken Sie dann dauernd dran?

DARLING Ich werde damit aufhören.

VIKTOR Weshalb haben Sie sich heute nicht rasiert?

DARLING Ich habe mich rasiert.

VIKTOR Da haben Sie aber einiges übersehen.

DARLING Tut mir leid. Es ist schwierig ohne Spiegel.

VIKTOR Sie sollten langsam fertig werden.

DARLING Cathy und Martin geben mir gewöhnlich auch noch Vitamine.

          VIKTOR geht, um die Vitamine zu holen.

DARLING Und was ist mit meiner Zigarette?

VIKTOR Die hatten Sie bereits.

DARLING Wann?

VIKTOR Heute morgen.

DARLING Wirklich?

VIKTOR Nach Ihrem ersten Toilettenprivileg.

DARLING War das nicht gestern?

VIKTOR Nein.

DARLING Ich bin mir sicher.

VIKTOR Da liegen Sie falsch. Essen Sie Ihre Suppe auf.

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DARLING Könnte ich die morgige Zigarette heute kriegen?

VIKTOR Ich würde doch meinen, dass Sie bei der Riesenmenge an nutzloser Zeit,
    die Ihnen zur Verfügung steht, von ihrem Hang zu diesen krankhaften
    Angewohnheiten loskommen sollten.

DARLING Das ist hart nach fünfundzwanzig Jahren.

VIKTOR Es ist eine totale Vergeudung von Gütern, kostet Geld, ruiniert die
    Gesundheit, beeinträchtigt das Denken...

DARLING Das ist eine der kleinen Schwächen, die ich mir erlaube.

VIKTOR Es ist irrationales Verhalten, gemessen an dem Wissen, das wir haben...
    Sie jedoch haben sich entschieden, es zu ignorieren... Sehen Sie denn nicht,
    wie das auf andere Bereiche des Geisteslebens übergreift?

DARLING Ich habe mit dem Leben eine kleine Extra-Abmachung getroffen... Lass
   du mir meine kleine Schwäche, und ich gebe dir ein paar nutzlose Jahre vom
   hinteren Ende.

VIKTOR Wenn Sie nicht in der Lage sind, Ihre eigenen Entscheidungen zu treffen,
    werde ich es für Sie tun. Nein.

DARLING Heißt das, ich kann heute nicht die morgige Zigarette kriegen?

VIKTOR Ganz recht.

DARLING Aber ich kann die morgige Zigarette morgen kriegen?

VIKTOR Wenn Ihre Packung zu Ende ist, ist Schluss.

DARLING Falls es die Kosten sind, die Ihnen Kopfzerbrechen machen – -

VIKTOR Der Zigarettenrauch im Raum ist für mich zehnmal schlimmer, als der
    Rauch, den Sie inhalieren. Nach dieser Packung, keine mehr.

DARLING Na schön. Ich weiß nicht, was das für Auswirkungen haben wird.

          VIKTOR wirft ihm einen Blick zu.

DARLING Aber ich schaff's schon. (Pause.) Hoffe ich. Ich habe zwei Packungen
   geraucht. Vierzig pro Tag. Runter auf eine pro Tag.

VIKTOR Immer müssen zwei von meinen Leuten um Sie sein, Tag und Nacht.

DARLING Ich habe gelesen, es sei leichter von Heroin loszukommen als von Tabak.

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VIKTOR Nur weiter so. Verstärken Sie nur Ihren Irrationalismus.

DARLING Ich werde es schon schaffen. (Pause.) Irgendwie.

VIKTOR Ziehen Sie Ihren Anzug an und essen Sie später auf.

DARLING Na schön. Haben Sie ihn reinigen lassen?

VIKTOR Werfen Sie Ihre Kleider weg. Alles.

DARLING Na schön.

VIKTOR Jetzt ist eine gute Gelegenheit dazu.

          DARLING fängt an, sich umzuziehen.

DARLING Werde ich freigelassen?

          VIKTOR erwägt, die Frage zu beantworten, tut es aber nicht.

DARLING Darf ich fragen, was los ist? Ich habe weder Cathy noch Martin gesehen,
   den ganzen Tag.

          Schweigen.

     Ich nehme nicht an, dass Sie mich die Nachrichten anschauen lassen?

VIKTOR Nein.

DARLING Na schön. Ich würde, um sie anzusehen, gerne eines meiner
   Toilettenprivilegien dafür eintauschen.

VIKTOR Sie wissen doch, dass Sie in der Hinsicht keine Selbstkontrolle haben.

          Geräusch eines über sie hinwegfliegenden Hubschraubers.

DARLING Hat sich was getan?

VIKTOR Wir müssen los.

DARLING Heh, meine Hosen sind zu weit! Mann, wenn meine Frau sieht, dass ich
   meinen Rettungsring verloren habe! Ich wünschte, ich wüsste, was das alles
   soll.

VIKTOR Vielleicht kommt ein Reporter vorbei.

DARLING Wegen was denn?

VIKTOR Interview.

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DARLING Um mich zu interviewen?

VIKTOR Ja.

          Schweigen.

DARLING Wo sind denn meine Schuhe?

VIKTOR Nicht nötig. Man wird Sie von der Hüfte ab aufnehmen.

DARLING Oho, sie haben Kameras dabei? Lokal oder bundesweit? Hat man Ihren
   Forderungen nachgegeben?

          Schweigen.

     Was immer auch geschieht, ich möchte Ihnen meine Anerkennung für die vielen
     kleinen Dinge ausdrücken, die Sie für mich getan haben. Die Gespräche. Die
     Orangen.

          Schweigen.

     Ich weiß, Ihnen geht jetzt sicher eine Menge durch den Kopf.

VIKTOR Halten Sie die Klappe.

DARLING T'schuldigung.

VIKTOR Nützen Sie meine Großzügigkeit nicht aus.

DARLING Entschuldigung. – Ich wollte nicht – das war nicht meine Absicht.

          VIKTOR macht ihm Zeichen, dass er aufhören soll, sich zu entschuldigen.

VIKTOR Da wäre noch was. Wir werden Ihnen eine Dosis Scopolamin verabreichen.

DARLING Was ist das?

          VIKTOR zieht die Spritze auf.

VIKTOR Ein Beruhigungsmittel und eine Wahrheitsdroge. Es hat keine besonderen
    Nebenwirkungen, außer einer Art angenehmer Müdigkeit, wie nach einem
    tüchtigen Fitnesstraining, und sie werden sich für kurze Zeit leicht wirr im Kopf
    fühlen, wie nach einem Bier zu viel. Es dauert ungefähr dreieinhalb Stunden
    und führt möglicherweise zu einem tiefen Schlaf.

          VIKTOR gibt DARLING ein Taschentuch.

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VIKTOR Das einzig Schlechte daran ist, dass Sie ganz schön ins Schwitzen
    kommen werden.

DARLING Ich habe nichts zu verbergen.

VIKTOR Das Scopolamin wird sie eine Menge reden lassen, endlos, aber Sie
    werden nicht die Kontrolle über sich verlieren. Ihnen wird lediglich nach Reden
    zumute sein, also plappern Sie nicht drauf los, und beantworten Sie
    ausschließlich die Fragen. Verstanden?

DARLING Ja, ja, aber ich verstehe nicht, weshalb ich dem Einfluss einer Droge
   unterworfen werden soll, die vielleicht gefährlich ist.

VIKTOR Es ist absolut sicher, Mr. Darling. Krempeln Sie Ihren Ärmel hoch.

DARLING Wenn ich nur verstehen könnte, warum.

VIKTOR Ich möchte das Interview besonders wahrheitsgetreu haben.

DARLING Ich weiß nichts, was der Öffentlichkeit nicht schon bekannt wäre.

VIKTOR Ist das wahr?

DARLING Ich glaube wirklich, Sie haben mich mit jemand anderem verwechselt.

VIKTOR Setzen Sie sich. Bitte.

DARLING Ich meine, mein Gott, Sie praktizieren da irgendeine fremde Substanz in
   meine Venen -

VIKTOR Habe ich Ihnen gegenüber je mein Wort gebrochen?

DARLING Nein.

          VIKTOR tupft Baumwolle auf die Alkoholflasche, dann auf DARLINGS
          Arm.

     Oh, Junge, Junge. Oh, Junge, Junge, Junge. Ich habe seit weiß Gott wie lang
     keine Nadel mehr gesehen. Und die da wollte ich auch nicht verpasst kriegen.
     Oh, Junge, Junge.

          VIKTOR verabreicht DARLING die Spritze.

     Oh, Junge, Junge, Junge.

VIKTOR Wirkt es schon?

DARLING Ich fühle keinerlei Unterschied.

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VIKTOR Es wirkt je nach Stoffwechsel verschieden.

DARLING Was ist das erste, das man fühlt?

VIKTOR Ihr Kopf wird frei... Ein Gefühl des Wohlseins...

DARLING Ich fühle jetzt, wie es wirkt.

VIKTOR Wie lautet Ihre Sozialversicherungsnummer?

DARLING 138 42 9834

VIKTOR Der Geburtstag Ihres Sohnes Ricky?

DARLING Juli, der -

VIKTOR Juli, der wievielte?

DARLING Das weiß ich nicht mal ohne Wahrheitsdroge.

VIKTOR Was sagt Ihnen Crystal River?

DARLING Crystal River? - - Crystal River... Ich war für dieses Projekt verantwortlich
   - - Weshalb fragen Sie?

VIKTOR Wann?

DARLING Ich habe keine Ahnung.

VIKTOR Kämpfen Sie nicht gegen die Droge an. Sie schaden sich nur selbst.

DARLING Vor zehn Jahren... ich kann jetzt wirklich die Wirkung spüren... Wie heißt
   die Droge?

VIKTOR Scopolamin. Souvenir.

          VIKTOR gibt DARLING die Ampulle.

DARLING Weshalb fragen Sie mich ausgerechnet über Crystal River?

          Geräusch: ein Fabrikglockenton eines Garagentores.

VIKTOR Rauf. Auf Ihren Platz. Gehen wir. Los!

          DARLING steigt die Leiter zu dem Verschlag des Vorarbeiters hinauf.
          VIKTOR folgt ihm.

DARLING Findet das Interview in meinem Zimmer statt?

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VIKTOR Nein. Rauf, rauf.

DARLING Da unten?

VIKTOR Ja. Na los.

DARLING Warum steige ich dann da rauf?

VIKTOR Weil ich es gesagt habe.

DARLING Verstehe. Erwägen Sie, mich das Interview sehen zu lassen, wenn es
   gesendet wird?

VIKTOR Wir werden sehen.

DARLING Oh, Junge, die Droge da haut ganz schön rein.

VIKTOR Gehen wir.

DARLING Wiedersehen.

          VIKTOR bringt DARLING in das Zimmer, steht mit der Uzi auf die untere
          Türe zielend da. Die Tür geht auf. CATHY tritt auf in Bürokleidung,
          Perücke, Brille, Regenmantel.

CATHY Wir haben es getan!

VIKTOR Ist sie da draußen?

CATHY Sie ist in der Garage. Sie hat uns eine Menge dummer Fragen gestellt. Ich
   musste ihr sagen, dass sie die Klappe halten soll. Ich weiß nicht, warum wir sie
   brauchen.

VIKTOR Themawechsel.

CATHY Du solltest es sehen da draußen. Armeeeinheiten halten an jeder größeren
   Kreuzung die Autos an. Fragen nach dem Personalausweis, Panzer rund ums
   Weiße Haus. Hubschrauber mit Suchscheinwerfern schwirren überall herum.
   Hervorragend.

VIKTOR Cathy...

CATHY Das Radio sagte, siebenundzwanzig Leute hat's erwischt.

VIKTOR Achtundzwanzig. Martin hat gesagt, ich sollte es dir beibringen. Er hat
    gesagt, jetzt stünde es eins zu Null für ihn.

CATHY Von was sprichst du?

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VIKTOR Er hat ein Selbstmordkommando ausgeführt.

CATHY Was?

VIKTOR Martin hat mich gebeten, die Autobombe so einzustellen, dass er sie selber
    zur Detonation bringen könnte.

CATHY Ich verstehe nicht.

VIKTOR Er hat gesagt, es sei eine persönliche Angelegenheit.

CATHY Ich kann es nicht glauben.

VIKTOR Es stimmt.

CATHY Warum hast du mir das gesagt?

VIKTOR Er hat sich entschieden, nachdem du gegangen warst.

CATHY Falls einer von uns dreien fahren müsste, sollte ich es doch sein.

VIKTOR Martin war da anderer Meinung. Gehen wir.

CATHY Dieser Teufelskerl, dieser wundervolle Teufelskerl.

VIKTOR Ich bin genauso aufgeregt wie du, aber wir müssen weitermachen.

CATHY Man isst, man schläft und arbeitet zusammen, man kann doch von
   jemandem erwarten, dass er zumindest 'Wiedersehen' sagt.

VIKTOR Wir haben jetzt nicht die Zeit. In 'ner Stunde sind wir schon der Schnee von
    gestern.

CATHY War es schmerzhaft für ihn?

VIKTOR Lass die rührselige, sentimentale Scheiße und geh auf deinen Posten.

          CATHY will hinausgehen.

VIKTOR Cathy? Er hat nicht das mindeste gespürt.

          CATHY geht ab. VIKTOR öffnet die Tür. JESSICA LYONS tritt auf,
          Kamera, Videorekorder in einem Bündel hereintragend.

     Na, da sind wir ja.

JESSICA Sind Sie der, der mich angerufen hat?

          VIKTOR nickt.

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VIKTOR Danke, dass Sie gekommen sind.

JESSICA Danke, dass Sie mich Ihre Story erzählen lassen.

VIKTOR Sie sind der einzige Menschen, der das kann. Wie war die Fahrt?

JESSICA Hart. Mit verbundenen Augen auf der Ladefläche eines Lieferwagens.

VIKTOR Das ist zu Ihrem eigenen Schutz. Das FBI wird Sie auffordern, sich einer
    Hypnose zu unterwerfen, um herauszukriegen, wo wir sind. Was Sie nicht
    wissen, können Sie ihnen nicht erzählen.

JESSICA Ich würde es ablehnen, mit denen zu kooperieren.

VIKTOR Mit welcher Begründung?

JESSICA Ich gebe meine Informationsquellen nicht preis.

VIKTOR Es ist eine Angelegenheit der nationalen Sicherheit.

JESSICA Wie die verfassungsmäßig garantierte Pressefreiheit.

VIKTOR Man wird Sie anschuldigen, eine Bedrohung für die Gesellschaft in Schutz
    zu nehmen.

JESSICA Das wäre nicht das erste Mal.

VIKTOR Sie werden brummen.

JESSICA Berufsrisiko.

VIKTOR Heißt das aus Prinzip oder aus Karrieregründen?

JESSICA Ein bisschen Beides. Ich möchte das hier um elf auf Sendung haben.

VIKTOR Haben Sie einen Sender bei sich?

JESSICA Nein... Kontrollieren Sie, wenn Sie möchten.

          Sie streckt ihre Arme hoch und bietet ihren Körper seinen Händen dar.
          VIKTOR tritt dicht an sie heran. Er führt seine Hände dicht an sie heran,
          hält jedoch inne, blickt einen langen Augenblick in ihre Augen und
          entscheidet, sie nicht zu durchsuchen.

VIKTOR Wanzen in der Kamera?

JESSICA Nein.

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VIKTOR Wer weiß, dass Sie hier sind?

JESSICA Keiner.

VIKTOR Nicht einmal Ihr Produzent?

JESSICA Keiner.

VIKTOR Nehmen Sie immer nach der Arbeit eine Kamera mit nach Hause?

JESSICA Nein.

VIKTOR Sie wollen mir erzählen, dass Ihnen niemand Fragen stellte, als Sie mit
    einer Kamera aus dem Studio spazierten?

JESSICA Ich habe es nur meinem Produzenten erzählt.

VIKTOR Wir hatten eine Abmachung. Sie haben unsere Abmachung verletzt.

JESSICA Ich wollte sicher gehen.

VIKTOR Ich gab Ihnen mein Wort, dass Sie hier sicher wären. Für wie viel sicherer
    halten Sie sich jetzt, da Ihr Produzent Bescheid weiß?

JESSICA Nicht sicherer.

VIKTOR Ich hätte zu anderen gehen können, aber ich wollte Sie haben, aber jetzt
    denke ich, ich habe wahrscheinlich einen Fehler gemacht.

JESSICA Ich weiß es zu würdigen, dass – –

VIKTOR Sie haben mich hintergangen.

JESSICA Sie haben mein Wort.

VIKTOR Sie h a b e n jetzt kein Wort mehr. – – Sie wollen mich glauben machen,
    dass Sie Ihr Produzent nicht vom FBI verfolgen lässt – – – zu Ihrer Sicherheit?

JESSICA Er ist ebenso scharf auf die Story, wie ich es bin.

VIKTOR Falls man Sie verfolgt hat und versucht, mich zu ergreifen, werden eine
    Menge Menschen sterben. Sie zuerst.

JESSICA Den Punkt haben Sie bereits am Telefon hinreichend geklärt.

          VIKTOR behält JESSICA im Auge, geht um sie herum. Bleibt stehen.
          Pause.

VIKTOR Wache!

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CATHY tritt auf.

VIKTOR Bring diese Ausrüstung zurück in den Lieferwagen.

JESSICA Ich bin nicht verfolgt worden. Das versichere ich Ihnen.

VIKTOR Sie können mir gar nichts versichern, denn so wie Sie u n s e r e
    Abmachung verletzt haben, wird Ihr Produzent I h r e Abmachung verletzen.
    Raus.

JESSICA Mein Mann wird nichts unternehmen, das mich in Gefahr bringt.

VIKTOR Sie haben es auch Ihrem Mann erzählt?

JESSICA Mein Produzent ist mein Mann.

          Pause. Auf eine Kopfbewegung von VIKTOR hin geht CATHY ab.

JESSICA Danke schön. (JESSICA beginnt, die Kamera auf ein Stativ zu
    montieren.) Ist das dieselbe Frau, die mich abgeholt hat?

VIKTOR Nein. Wir führen das Interview am Tisch.

JESSICA Schön.

VIKTOR Ich möchte die Hardware im Hintergrund haben.

JESSICA Gut.

VIKTOR Sie meinen, es wird gut aussehen?

JESSICA Ich glaube ja.

VIKTOR Gut. Angenommen, mir gefällt während des Interviews eine meiner
    Antworten nicht?

JESSICA Hören Sie einfach auf, machen Sie eine Pause, wiederholen Sie den Satz,
    und der Redakteur wird diesen Teil rausschneiden.

VIKTOR Außer es gefällt dem Redakteur.

JESSICA Meine Sachen werden auch geschnitten...

VIKTOR Was haben Sie für Fragen?

JESSICA Ich dachte, wir spielen das gleich mündlich durch.

VIKTOR Warum haben Sie dann Kärtchen vorbereitet?

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JESSICA Leitlinien. Geht das in Ordnung? (Sie ist gerade dabei, die Kamera
    einzustecken.)

VIKTOR Wirft das Ding da Funken?

JESSICA Nein. Warum?

VIKTOR Es könnte uns beide in die Luft jagen.

JESSICA Ist es auch sicher, das Interview hier zu führen?

VIKTOR Seit wann macht sich Jessica Lyons Sorgen, wenn es gefährlich wird? Ich
    möchte, dass das hier so aussieht wie die Wilde-Hunde-Story.

JESSICA Was für eine Story?

VIKTOR "Die wilden Hunde der Großstadt". Eine Story, die Sie mal gemacht haben.

JESSICA Wir haben alle unsere Vergangenheit, nicht wahr?

VIKTOR Es war in einer unbeleuchteten Straße... Sie sprachen gerade Ihren
    Kommentar... Es war kalt, Sie hielten Ihr Mikrophon mit Ihrem Ärmel fest. Hinter
    Ihnen wühlte sich ein Rudel wilder Großstadthunde durch die Müllsäcke
    hindurch.

JESSICA Was für ein Gedächtnis.

VIKTOR Sie standen so nah dran, dass wir hören konnten, wie sie Hühnerknochen
    zerknackten und knurrten... Sie haben ihnen Ihren Rücken zugekehrt, wie ein
    siegessicherer Stierkämpfer.

JESSICA Im 'Off' beauftragte ich einen aus dem Kamerateam, sie mit einem Stock
    zu bedrohen – damit sie knurren würden. Jesus! In dem Beruf kannst du nicht
    mal Kaffeepause machen, schon ändern sie was an den Geräten. Es hat sich
    alles verändert, seitdem ich mein eigenes Zeug gedreht habe. Ich muss Ihnen
    ein Mikrophon verpassen.

          Sie geht mit dem Mikrophon auf ihn zu. Er heißt sie stehen bleiben. Sie
          zeigt ihm das Mikrophon, befestigt es an seinem Aufschlag.

     Haben Sie eine Innentasche? Reden Sie mal was, dass ich einen Soundcheck
     machen kann. Reden Sie einfach über irgendwas. Was ist das alles?

VIKTOR Was is' was?

JESSICA Der ganze Mist.

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VIKTOR Die nächste Autobombe. Und das ist ein Red-Eye-Missile. Wird von der
    Schulter abgefeuert. Neunundzwanzig Pfund. General Dynamics.
    Spitzenprodukt. Von einem in der Constitution Avenue geparktem Auto aus
    könnte ein Mann den Hubschrauber des Präsidenten ausschalten, wenn er auf
    der Südwiese des Weißen Hauses abhebt. (Er stellt dar, wie jemand auf einen
    abhebenden Hubschrauber zielt.)

JESSICA Ist das Ihre Absicht?

VIKTOR Das ist ein kleiner Ausschnitt des Gesamtplans.

JESSICA Wie viele dieser Dinge haben Sie?

VIKTOR So viel wie die an Hubschraubern und Flugzeugen.

JESSICA Vielleicht sollten wir diese Sachen für die Kamera aufsparen. Warum
    fangen wir nicht an? Setzen Sie sich, damit ich die Brennweite einstellen kann,
    bitte. Jetzt werde ich ein paar einleitende Bemerkungen machen, und da ich
    keinen Kameramann habe, kann es sein, dass ich hin und wieder aufstehen
    muss, um eine neue Einstellung zu machen oder die Brennweite neu
    einzustellen oder das Band zu wechseln. Haben Sie daher bitte Geduld mit mir.
    Und nachdem wir uns unterhalten haben, werde ich dann Mr. Darling
    interviewen.

VIKTOR Das ist nicht mit inbegriffen.

JESSICA Als ich in dieses Interview hier einwilligte, ging ich von der Annahme aus,
    dass Mr. Darling miteinbezogen wäre.

VIKTOR Die Annahme ist die Mutter aller Enttäuschungen.

JESSICA Ist alles in Ordnung mit ihm?

VIKTOR Weshalb?

JESSICA Dass er nicht zu sehen ist, könnte Zweifel an seiner Gesundheit
    aufkommen lassen.

VIKTOR Er hätte schon vor fünfunddreißig Tagen tot sein müssen, als man meinen
    Forderungen nicht nachgekommen ist.

JESSICA Er i s t also am Leben.

VIKTOR Das Interview findet zwischen Ihnen und mir statt.

JESSICA Er ist eine heiße Meldung.

VIKTOR Ist das der Grund, weshalb ihn 'The Post' heute auf Seite dreiundzwanzig
    platzierte?

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JESSICA Und wie wäre es, wenn ich ihn bloß filme?

VIKTOR Das diskutieren wir später.

JESSICA Alles klar. Wie nenne ich Sie?

VIKTOR Gar nicht.

JESSICA Kein Vorname?

VIKTOR Ich bin der Sprecher der Organisation.

JESSICA Haben Sie einen 'nom de guerre'?

VIKTOR Sprecher reicht doch.

JESSICA Schön. (Sie streicht über ihre Frisur und ihr Make up.)

VIKTOR Wie werden Sie es zurechtfrisieren?

JESSICA Ich habe nicht die Absicht, irgendwas zurechtzufrisieren.

VIKTOR Was ist Ihre Absicht?

JESSICA Die Wahrheit rauszukriegen.

VIKTOR Wie wollen Sie die erkennen?

JESSICA Instinkt. Natürlich ist ein gewisser Grad an Subjektivität dabei, aber die
    Kamera lügt nicht.

VIKTOR Platzwechsel.

JESSICA Ich würde gerne auf dieser Seite sitzen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.

VIKTOR Warum?

JESSICA Es ist meine beste Seite. Danke schön. Fertig?

          Pause.

VIKTOR Was ist meine beste Seite?

JESSICA Ich werde Sie mir mal daraufhin ansehen. – – Fertig?

VIKTOR Ja.

          Sie schaltet die Kamera an.

19
JESSICA (in die Kamera) Ich befinde mich hier in einem Lagerhaus, irgendwo in der
    Nähe von Washington D.C., ich wurde mit verbundenen Augen in das
    Hauptquartier der Volksfront, einer bislang unbekannten
    Untergrundorganisation, gebracht, die vor zwei Wochen David Darling, einen
    kleinen Beamten der Bundesumweltbehörde, entführte. Zu jener Zeit wurde an
    zwölf bedeutende Zeitungen der USA die Forderung gerichtet, auf der Titelseite
    eine weit ausholende Abhandlung, die sich mit dem Übel der
    Gewässerverschmutzung auseinandersetzte, zu veröffentlichen. Keine der
    Zeitungen ging darauf ein. Die Volksfront antwortete heute morgen mit einem
    Selbstmordfahrer in einem mit Sprengstoff voll gepackten Auto, das in der Nähe
    des Gebäudes der Umweltbehörde auf der Hauptstraße detonierte. An dem
    Tag, an dem sich die Kirschblüten zu voller, unglaublicher Blüte öffneten,
    wurden siebenundzwanzig Personen von der Druckwelle getötet, hundert
    weitere verletzt und verstümmelt. Das FBI wusste nicht mehr ein noch aus. Die
    Stadt ist in ihren Grundfesten erschüttert. Zum ersten Mal seit den dreißiger
    Jahren wurden Truppen der Dritten Infanterie nach Washington D.C. gebracht.
    Neun verschiedene Untergrundgruppen haben sich dafür verantwortlich erklärt.
    Die Volksfront ist mit mir in Kontakt getreten, um ihre Story zu erzählen. Hier ist
    Jessica Lyons, und ich sitze hier dem Terroristenführer – –

VIKTOR Nein.

JESSICA Verzeihen Sie?

VIKTOR Aufhören.

JESSICA Was ist denn los?

VIKTOR Der Ausdruck 'Terrorist' ist out.

JESSICA Sie wissen, dass ich darüber keine Kontrolle habe.

VIKTOR Sie schreiben Ihre eigene Fassung.

JESSICA Ich passe es meinem eigenen Stil an.

VIKTOR Sie haben auch die Macht, redaktionelle Entscheidungen zu treffen.

JESSICA Der Ausdruck 'Terrorist' ist eine Direktionsentscheidung – –

VIKTOR Die Sie ändern werden – – -

JESSICA Ich wünschte, ich hätte die Macht, die Sie mir u n t e r s t e l l e n.

VIKTOR Das Interview ist zu Ende. (VIKTOR steht vom Tisch auf.)

JESSICA Weshalb äußern Sie das alles nicht vor der Kamera?

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VIKTOR Packen Sie zusammen. Ich hätte jemand mit mehr Macht herholen sollen.

JESSICA Ich werde all meinen Einfluss geltend machen – –

VIKTOR Ich bin kein Terrorist! Ich werde nicht als Terrorist bezeichnet werden!

JESSICA Was sind Sie dann?

VIKTOR Ich bin kein Terrorist, laut Definition.

JESSICA Welcher Definition?

VIKTOR Laut Uno-Resolution sind unterdrückte Menschen, die gewaltsame
    Handlungen begehen, keine Terroristen.

JESSICA Wenn das, was Sie tun, k e i n Terrorismus ist, was ist es dann?

VIKTOR Die Experten des Verteidigungsministeriums nennen es stellvertretende
    Partisanenkriegsführung mit geringem Einsatz.

JESSICA Journalisten nennen so was Großeinsatz von absoluter Scheiße.

VIKTOR Suchen Sie sich was raus: Guerilla, Kommando, Befreier, Freiheitskämpfer.

JESSICA Ich habe nicht die Absicht, einen Werbespot für Ihre Marke von
    Gewalttaten, wie immer man sie auch bezeichnen mag, zu drehen, mein Herr.

VIKTOR Ich will eine Garantie, dass niemals 'Terrorist' gebraucht wird, weder in
    Ihren Fragen, noch in irgendwelchen Kommentaren, vor, während oder
    nachdem das Band gelaufen ist.

JESSICA Sie wissen, dass ich dafür keine Garantie abgeben kann.

VIKTOR Ihr Sender hat die Selbstmordfahrer aus Beirut als "Kommandos"
    bezeichnet. Das gleiche möchte ich auch. Und lassen Sie den Scheiß von
    wegen keine Macht und so. Ihr Kissen liegt gleich neben dem vom Boss.

          Pause.

JESSICA Alles klar. Aber ich bekomme die Exklusivrechte. Keine anderen Reporter.

VIKTOR Das schränkt mich ein.

JESSICA Es garantiert Ihnen eine ständige Stimme.

VIKTOR Angenommen, mir gefällt es nicht, wie es rüberkommt?

JESSICA Sie haben gesagt: kein Kamerateam, jetzt kritisieren Sie aber auch nicht
    die Kameraarbeit.

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VIKTOR Ich rede hier nicht über Ästhetik. Ich rede über Wirkung.

JESSICA Hängt das nicht davon ab, wie viel Sie willens sind, hier reinzustecken?
    Ich stehe Ihnen hundertprozentig zur Verfügung. Mein Sender ist bereit, Ihnen
    die gesamte halbstündige Nachrichtensendung zu widmen.

VIKTOR Abzüglich der Werbung – – zweiundzwanzig Minuten.

JESSICA Wenn das, was wir hier heute machen, gut wird, werfen die den
    Sendeplan über den Haufen.

VIKTOR Müssen Sie dafür nicht eine Vollmacht des Vorstands haben?

JESSICA Die haben wir.

VIKTOR Wie haben Sie die nur gekriegt? Hat also Ihr Herr Boss und Gatte den
    Vorstand angerufen. Die wissen also auch, dass Sie hier sind.

JESSICA Es war ein hypothetisches Telefongespräch – –. "Falls Jessica das
    Interview kriegen sollte, etcetera, würde der Vorstand zustimmen."

VIKTOR Ich hoffe, Sie enttäuschen mich nicht.

JESSICA Morgen um diese Zeit wird Ihr Gesicht in jedem amerikanischen und
    europäischen Wohnzimmer bekannt sein.

VIKTOR Fangen wir an.

          Pause.

JESSICA Also, was ist unsere Abmachung? Terrorist ist out. Ich kriege die
    Exklusivrechte. Und das Darling-Interview.

VIKTOR Ich habe nichts vom Darling-Interview gesagt.

JESSICA Können Sie es nicht gratis dazugeben?

VIKTOR Darüber reden wir noch.

JESSICA Wann?

VIKTOR Später.

JESSICA Aber Sie stehen der Sache aufgeschlossen gegenüber.

VIKTOR Darüber reden wir später.

          JESSICA schaltet die Kamera an.

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JESSICA Wo war ich stehen geblieben?

VIKTOR Hier ist Jessica Lyons.

JESSICA Ich sitze hier dem Freiheitskämpfer... Schneidet das raus. Ich sitze hier
    dem Kommando gegenüber, dem Gehirn der... Schneidet das raus. Könnten wir
    vielleicht einen Kompromissausdruck finden, der Sie repräsentieren könnte und
    die davon abhält, mich zu lynchen?

VIKTOR Stadtguerillaführer.

JESSICA (Pause. Murmelt die Worte vor sich hin) Das haut hin. – – Ich sitze hier
    dem Mann gegenüber, der sich als Führer der als Volksfront bekannt
    gewordenen Stadtguerilla bezeichnet. Lassen Sie uns also über die Volksfront
    sprechen. Was wollen die?

VIKTOR H2O. Die elektrostatische Anziehung von zwei Wasserstoffatomen auf ein
    einsames Sauerstoffatom resultierte in einem Wunder – – ein Molekül, das
    Leben auf der Erde möglich machte. Die Wassermenge auf der Erde ist
    begrenzt. Es fällt nicht einfach vom Himmel runter, so wie wir es brauchen. Es
    fällt herab als Niederschlag, verdunstet, kondensiert und fällt wieder herab. Dies
    ist ein geschlossenes System. Dasselbe Wasser wird gebraucht und abermals
    gebraucht. – – Mir gefällt das nicht. Fragen Sie mich noch mal.

JESSICA Klar. Entspannen Sie sich.

VIKTOR Bin soweit.

JESSICA Geht's wieder?

VIKTOR Danke.

JESSICA Lassen Sie uns also über die Volksfront sprechen. Was wollen die?

VIKTOR Sauberes Wasser. Nichts weiter. Sie halten Geiselnahme und Autobomben
    auf öffentlichen Plätzen für Terror? Ich werde Ihnen sagen, was Terror ist.
    Terror ist, wenn Sie den Wasserhahn aufdrehen und wissen, dass der Hahn
    von einer Leitung gespeist wird, einer Hauptleitung, einem Sammelbecken, eine
    Filtrieranlage, einem Fluss... einem Fluss, in dem es gärt und schäumt mit
    fäulniserregenden, industriellen Miasmen, dem Blei, dem Zink, dem Kupfer, den
    Phenolen und Polychlorbiphenolen, Sulfiden, Salzen, Säuren,
    Kohlenwasserstoffen, Ammoniak, Arsen, Selensäure, ungefilterter Kloake,
    Schlieren, dickflüssig wie Teer, den ausgewaschenen Pestiziden der Farmer
    und den Abwässern der Atomkraft, Radionukliden... Wie ich sehe, sind Ihnen
    diese Begriffe unbekannt... Ebenso geht es den Leuten, die so etwas
    verarbeiten, so etwas in Umlauf bringen, so etwas befürworten, so etwas
    kontrollieren... Aber Sie und ich, wir trinken so etwas...

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Pause.

JESSICA Sie sind also im Grunde eine Umweltgruppe.

VIKTOR Wir reden hier nicht über Vögel und Blumen. Wir reden über ein
    Weiterleben des Menschen auf dem Planeten Erde.

JESSICA Und weiterleben bedeutet Entführungen und Autobomben.

VIKTOR Ho Chi Minh sagte: "Die mit Schwertern gebrauchen Schwerter." Nächste
    Frage.

JESSICA Edle Ziele rechtfertigen für Sie also brutale Mittel -

VIKTOR Ist das eine Frage?

JESSICA Das ist eine Feststellung. Es steht Ihnen frei, darauf zu antworten.

VIKTOR Sie sind nicht hier, um Feststellungen zu treffen wie so'n beschissenes
    Delphisches Orakel. Sie fragen die Fragen. Ich gebe die Statements.

JESSICA Gut.

VIKTOR Darauf war ich nicht vorbereitet.

JESSICA Sind Sie wieder in Ordnung?

VIKTOR Gut.

JESSICA Gut. Abgesehen von Ho Chi Minh, wer sind Ihre Lehrmeister?

VIKTOR Ich habe nicht gesagt, dass Ho Chi Minh mein Lehrmeister war. Ich habe
    ihn lediglich zitiert.

JESSICA Aber wer s i n d nun Ihre Lehrmeister?

VIKTOR Ich bewundere einen großenteils missverstandenen Revolutionär, der
    sagte, und ich zitiere: "So jemand zu mir kommt und hasset nicht seinen Vater,
    Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigenes Leben, der
    kann nicht mein Jünger sein."

JESSICA Und der ist?

VIKTOR Das sagen Sie mir?

JESSICA Hitler?

VIKTOR Der Schreiner aus Nazareth. Lukas, 14, Vers 16. Nächste Frage.

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JESSICA Könnten wir nicht auf diese 'nächste Frage' verzichten?

VIKTOR Zensieren Sie mich nicht.

JESSICA Es wird ohnehin nur rausgeschnitten werden. Danke schön. Mal 'Off'-
    Kamera, warum machen Sie das hier unvermummt?

VIKTOR Kamera 'On', warum sagen Sie 'Off-Kamera', wenn die Kamera hier alles
    abfilmt?

JESSICA Ich fasse das so auf, dass Sie diese Frage lieber nicht beantworten?

VIKTOR Niemand kann mir was anhaben.

JESSICA Wollen Sie sich im Untergrund verstecken oder außer Landes fliehen?

VIKTOR Ich hatte eigentlich nicht vor, dem FBI meine Postadresse zu hinterlassen.

JESSICA Sie sind doch offensichtlich ein intelligenter Mann mit Hochschulbildung.
    Sie hätten alles werden können, was Sie wollten. Was war der Punkt in Ihrem
    Leben, der Sie zu dem machte, der Sie heute sind?

VIKTOR Sollen wir über meinen Carlos-Komplex diskutieren? Oder wie lang mein
    Schwanz ist? Keine persönlichen Fragen.

JESSICA Gut. Wissenschaftler des Georgetown-Centers für Strategische und
    Internationale Studien haben gesagt, die Volksfront sei nur der Deckname einer
    Geheimorganisation, wie der Islamischen Fundamentalisten oder der – –

VIKTOR Falls Sie eine Frage haben, stellen Sie sie.

JESSICA Wer finanziert die Volksfront?

VIKTOR Wir haben eine Unzahl von Wohltätern, die es aus Bescheidenheit vorzieht,
    anonym zu bleiben.

JESSICA Andere Wissenschaftler sagten, die Autobomben wiesen auf eine
    Verwandtschaft mit den russischen Nihilisten um 1860 hin, wo man zwar über
    keine offenkundige Ideologie verfügte, jeder Art von sozialer und politischer
    Stabilität gegenüber aber Verachtung zeigte. Ist es das, worum es der
    Volksfront geht?

VIKTOR Nein.

JESSICA Könnten Sie vielleicht etwas mitteilsamer sein?

VIKTOR Ich finde Sie zwar ausgesprochen unterhaltsam, doch weder besonders
    sorgfältig, noch konstruktiv. Es wäre ein Heimspiel für mich, Bakunins

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Pandestruktionismusthese zu diskutieren, die, da bin ich mir sicher, Sie erst seit
     vierundzwanzig Stunden kennen.

          JESSICA schaltet die Kamera ab. Pause.

JESSICA Hören Sie, Sie müssen das Spiel schon ein bisschen mitspielen.

VIKTOR Welches Spiel?

JESSICA Ich habe Ihnen jede Gelegenheit gegeben, sich Luft zu machen.

VIKTOR Nein. Falsch. I c h vergebe die Gelegenheiten hier.

JESSICA Soweit es meine Einladung betrifft, bedanke ich mich. Was das Interview
    betrifft, so bin ich hier keine Geisha, die Ihnen die Fragen serviert, die Ihnen
    gefallen.

VIKTOR Wenn ich Sie erinnern darf: Wichtig hier ist, was ich zu sagen habe.

JESSICA Warum lassen Sie sich dann interviewen. Geben Sie doch ein
    Kommunique heraus.

VIKTOR Das ist eine Stimme. Ich will zwei Stimmen. Meine und die Ihre. Aber Ihre
    Stimme, die ich höre, ist nicht wie sonst. Was ich höre, ist ein Pack Karteikarten
    in der Stimme von irgendeinem Georgetown-Experten, den Sie heute
    Nachmittag angerufen haben. Bei Ihren anderen Stories tragen Sie keine
    Kärtchen mit sich rum.

JESSICA Ich will, dass diese Story besser wird als meine anderen Stories.

VIKTOR Besser kriegen Sie es nicht hin. Ich habe Sie Leuten Sachen aus der Nase
    ziehen sehen, von denen die oft selbst nicht wussten, dass sie sie wussten.

          Pause.

JESSICA Na schön, wollen wir die Kärtchen nicht zwischen uns stehen lassen. (Sie
    legt die Kärtchen weg.)

VIKTOR Vielen Dank.

JESSICA Darf ich Ihnen mal einen Tipp geben. Schauen Sie nicht ins Objektiv. Das
    ist nicht telegen. Schauen Sie mich an. Unterhalten Sie sich mit mir. Ich werde
    Ihnen geben, was Sie brauchen.

VIKTOR Die Story, die Sie über diese Hausbesetzer in diesem verlassenen
    Gebäudekomplex gemacht haben. Die haben in die Kamera geguckt.

JESSICA Bei der Story stand ich hinter der Kamera. Lassen Sie es uns so machen.
    Wie kommt's, dass Sie so viel über meine Karriere wissen?

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VIKTOR Ich habe Ihnen jahrelang zugeguckt. Ich habe zugeguckt, wie sie diese
    atemberaubenden Mannequins über Ihren Kopf hinweg die Stufenleiter
    raufbefördert haben. Wenn Sie nur Ihren Grips zu Hause lassen, eine Neigung
    für Small Talk und witzlose Antworten entwickeln könnten, sich einen besseren
    Coiffeur und Schönheitspfleger besorgen würden, dann wären Sie vielleicht
    mehr als nur die Moderatorin vom Wochenende. Die haben Angst vor Ihnen.
    Deswegen halten die Sie unten. Sie sollten da oben sein. Sie werden da oben
    sein. Nach dem hier werden die Sie nicht mehr aufhalten können.

          Pause.

Sollen wir weitermachen?

          Sie schaltet die Kamera an.

JESSICA Lassen Sie uns mal fünf Wochen zurückgehen. Sie forderten, entweder
    wird Ihre Abhandlung veröffentlicht oder Mr. Darling hingerichtet. Hatten Sie
    nicht das Gefühl, dass Sie etwas verlangten, das man Ihnen unmöglich
    zugestehen würde?

VIKTOR Ich habe im Austausch für ein Menschenleben nach etwas Papier und Tinte
    verlangt. Damit habe ich bewiesen, dass sich die Presse nicht um
    Menschenleben schert.

JESSICA Und was ist mit den Menschen, die Ihre Bombe getötet hat?

VIKTOR Ich bin wie Sie ein Kommunikator. Ich muss zu Leuten sprechen, die
    vernünftigen Argumenten gegenüber taub geworden sind. Die Erde stirbt. Diese
    wunderbare Erde stirbt. Einige sagen, es sei zu spät, das Ökosystem zu retten.
    Ich selbst bin Optimist. Ich sage, wenn wir die Obstruktionspolitiker ausmerzen,
    wenn wir unsere besten Köpfe mit dieser Aufgabe beschäftigen, dann können
    wir uns retten. Wenn wir jetzt handeln.

JESSICA Leute zu töten ist für Sie also eine akzeptable Form der Kommunikation.

VIKTOR Fangen wir schon wieder an, Statements abzugeben? Aber lassen wir das.
    – – Wenn man achtundzwanzig Leben benötigt, um den Planeten zu retten, so
    sei es drum. Ich will nur das Beste für die große Masse. Ich handele für die
    Ohnmächtigen.

JESSICA Über das Bombenattentat ist rund um die Uhr berichtet worden. Ich nehme
    an, Sie haben es gesehen. Was haben Sie gefühlt, wie Sie da saßen? Die
    Schreie der Sterbenden... Sirenen... Tragbahren... Infusionsflaschen., der
    Schmerz in den Gesichtern der Zuschauer... die Polizei wütend... Soldaten,
    denen die Wut abhanden gekommen war... der schwarze Rauch brennender
    Reifen... Eine Szene, die sich in Beirut hätte abspielen können, wäre da nicht
    das Capitol im Hintergrund gewesen.. Was haben Sie da gefühlt?

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Pause.

VIKTOR Erfolg.

JESSICA Was bedeutet das für Sie?

VIKTOR Erfolg ist, wenn sie die Fernsehshows unterbrechen. Erfolg ist, wenn man
    den Feind dazu bringt, das Capitol mit Lastzügen, die Sand geladen haben, und
    Betonabsperrungen zu umgeben und das Weiße Haus mit Flugabwehrraketen
    zu bestücken. Erfolg ist, wenn junge Männer und Frauen in Scharen
    herbeikommen, um sich der Volksfront anzuschließen.

JESSICA Sie haben Leute rekrutiert?

VIKTOR Unsere Aktionen haben Herzen wie Köpfe angesprochen. Wir haben uns
    eine Basis aufgebaut.

JESSICA Ist das nicht das, was man in der klassischen, maoistischen Theorie
    'Vorwärtsverteidigung' nennt?

VIKTOR Netter Ansatz.

JESSICA Sie geben sich wirklich Mühe, einen über Ihre Politik im Unklaren zu
    lassen.

VIKTOR Wasser hat nichts mit Politik zu tun.

JESSICA Eine Autobombe schon.

VIKTOR Das ist Krieg. Im Krieg sterben Menschen.

JESSICA Terrorismus ist beschrieben worden als wahllose Gewaltanwendung
    gegenüber Unschuldigen, um Angst heraufzubeschwören.

VIKTOR Klingt wie die Kriminalserien in Ihrem Sender.

JESSICA Wie heben Sie sich davon ab?

VIKTOR Erstmal bin ich nicht wahllos. Ich suche mir meine Ziele aus. Zweitens, – –

JESSICA Sie haben sich die Kinder da ausgesucht?

VIKTOR Eine Explosion nimmt den Weg des geringsten Widerstands.

JESSICA Ihre Methode heißt also Töten ohne Ansehen der Person.

VIKTOR Zweitens, es gibt keine Unschuldigen mehr. Lesen Sie mal von Clausewitz.
    Totaler Krieg richtet sich gegen feindliche Truppen, Territorium, Eigentum und
    Bürger.

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JESSICA Denken Sie nicht, dass Bomben wie die Ihren in der Öffentlichkeit lediglich
    eine Gegenbewegung auslösen werden?

VIKTOR Ich bin die Gegenbewegung. Wenn wir Bürger nicht mehr die Brühe trinken
    können, die aus dem Wasserhahn tröpfelt, dann werden Sie ein Chaos sehen
    und eine von ganz normalen Leuten angerichtete Barbarei, dass sogar Ihrer
    Kamera die Haare zu Berge stehen werden. Und hiermit gebe ich den
    Moralkrüppeln, die die Macht haben, bekannt: Man braucht nur eine Handvoll
    Leute, um eine Stadt lahm zu legen.

JESSICA Ich darf also annehmen, dass Ihre Armee nur aus einer Handvoll Leuten
    besteht.

VIKTOR Sie dürfen annehmen, was Sie wollen.

JESSICA Wie viele Soldaten haben Sie in Ihrer Armee?

VIKTOR Genug, um diese Stadt in Schutt zu legen.

JESSICA Wie viel sind es in schlichte Zahlen übersetzt?

VIKTOR Zwei Drittel der Bevölkerung waren gegen die Amerikanische Revolution.

JESSICA Haben Sie das Gefühl, dass bei einer Enthüllung Ihrer Zahlenstärke alle
    wissen werden, wie stark oder schwach die Volksfront wirklich ist?

VIKTOR Castro hat Kuba mit siebenundachtzig Männern eingenommen.

JESSICA Ich versuche nur, Klarheit in Ihre Reden über eine 'Armee' zu bringen. Für
    die meisten Leute umfasst der Begriff 'Armee' – –

VIKTOR Sie haben eine sportreporterhafte Vorliebe für Zahlen.

JESSICA Hören Sie, ich bin nicht der Meinung, dass Beschimpfungen einer
    heilsamen Interviewbeziehung förderlich sind, abgesehen davon, dass sie mich
    beleidigen.

          VIKTOR schaltet die Kamera ab.

VIKTOR Wache!

JESSICA Was läuft falsch?

VIKTOR Ich stehe hier nicht vor Gericht!

JESSICA Ich habe Sie nach einer simplen Zahl gefragt.

VIKTOR Ich mag das nicht.

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JESSICA Was denn genau?

VIKTOR Das Arrangement hier.

          Auftritt CATHY.

VIKTOR Da ist nichts von dem, was ich erwartet habe. Bring das Zeug weg. Ich mag
    Ihren Tonfall nicht. Ich mag Ihre Art nicht. Ich mag nicht, wie Sie hier
    rumwieseln.

          VIKTOR schiebt die Kamera weg. CATHY schiebt den Tisch und die
          Stühle weg.

JESSICA Lassen Sie mich das machen.

VIKTOR Ich hätte hier Spitzenjournalisten haben können! Wen immer ich wollte! Ich
    habe es Ihnen überlassen! Aus Großzügigkeit! Alles, was ich dafür will, ist ein
    bisschen Höflichkeit!

JESSICA Ich weiß nicht, was Sie darunter verstehen.

VIKTOR Sie haben einmal ein Mädchen bei einer Demonstration am Crystal River
    interviewt. Kurz bevor sie sich geopfert hat. Vor der Kamera hat sich dieses
    fragile, sommersprossige, sanfte, intelligente, lachende Mädchen mit einem
    Benzinkanister übergossen. Ihre Kamera erwischte genau den Augenblick, als
    sie ein Streichholz über die Anreißfläche eines Streichholz riss... Und der
    Schwefelkopf ist in einer Flamme aufgezischt und sie in einer Stichflamme
    hochgegangen... Sie haben gekeucht und Ihren Mund mit Ihrer Hand bedeckt,
    damit sie niemand hörte, denn Ihre Gefühle waren hier nicht wichtig. Und Sie
    haben die Kamera weiterlaufen lassen. Sie waren dort, um zu berichten. Nicht
    um einzuschreiten. Nicht um dazwischenzureden. Nicht um zu urteilen. Zu
    berichten. Wahrheitsgetreu.

JESSICA Jetzt habe ich verstanden. Das können wir machen.

VIKTOR Schön. Dann wollen wir das auch tun. (Schaltet die Kamera an) Cathy,
    stell dich neben mich.

JESSICA Woher wissen Sie, dass ich meinen Mund bedeckt hielt? Ich stand im 'Off'-
    Kamera-Bereich. Sind Sie dort gewesen?

VIKTOR Das spielt keine Rolle. (VIKTOR schaltet die Kamera an.)

JESSICA Das Mädchen, das sich selbst geopfert hat. Haben Sie sie gekannt?

VIKTOR Niemand hat sie gekannt.

JESSICA Was ist das für ein Mensch, der so was tut?

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VIKTOR Einer, der sich nicht anders wehren kann. Wie der junge Mann, der heute
    morgen sein Leben ließ.

JESSICA Wie war er?

VIKTOR Martin war ein sehr ernsthafter junger Mann. Er war nicht daran interessiert,
    sich in dieser Welt gemütlich einzurichten. Als der entdeckt hatte, was ihm
    wirklich am Herzen lag, ist er vom College abgegangen, hat ein angenehmes
    Leben aufgegeben und ist zu mir gekommen und hat gesagt, er wolle mit
    seinem Leben das stärkstmögliche Zeugnis ablegen.

JESSICA Sind Sie, Sie selbst, bereit, sich an das Steuer eines Selbstmordautos zu
    setzen?

VIKTOR (ohne das geringste Zögern) Wenn ich nicht dazu bereit wäre, könnte ich
    keine anderen entsenden.

JESSICA Unter welchen Umständen würden Sie sich an das Steuer eines
    Selbstmordautos setzen?

VIKTOR Wenn ich das Gefühl hätte, dass es einen fähigeren, disziplinierteren
    Führer gäbe als mich selbst, würde ich als Soldat meinen Dienst verrichten, und
    das Soldatendasein bringt es mit sich, dass man sich zu bestimmten
    Todesmissionen freiwillig meldet. Das einzige, was ich bedaure, ist, dass ich
    meinem Land nur ein einziges Leben zu geben habe.

JESSICA Bei der absolut sicheren Todesmission heute, wie weit wurde der Soldat
    von Ihnen instruiert?

VIKTOR Bis ins letzte Detail.

JESSICA Warum haben Sie ihn dann die Bombe auf offener Straße zur Explosion
    bringen lassen, wodurch die Gesamtwirkung verwässert wurde? Könnte es
    sein, dass der Fahrer die Mission verpfuscht hat? Oder ist die Bombe zu früh
    losgegangen?

VIKTOR Es war eine perfekte Bombe.

JESSICA Wie würden Sie perfekt definieren?

VIKTOR Sie hat drei Spitzenregimenter in die Straßen von Washington D.C. geholt.
    Während wir uns unterhalten, bereitet sich der nächste Selbstmordfahrer der
    Volksfront auf die Attacke in der zweiten Welle vor.

JESSICA Ist er hier?

VIKTOR Wir haben noch nicht begonnen zu kämpfen.

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