KEINE SOZIALE HANDSCHRIFT: DAS BRINGT DAS TÜRKIS-GRÜNE REGIERUNGSPROGRAMM FÜR WIEN
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KEINE SOZIALE HANDSCHRIFT: DAS BRINGT DAS TÜRKIS-GRÜNE REGIERUNGSPROGRAMM FÜR WIEN Die neue Bundesregierung ist angelobt worden. Zum ersten Mal sind die Grünen in Österreich in einer Bundesregierung, als Juniorpartner der Kurz-ÖVP. Im Regierungsprogramm ist davon nicht viel zu spüren. Vielmehr drängt sich der Eindruck einer türkisen Alleinregierung auf, der jegliche soziale Handschrift vermissen lässt. Grün ist im Regierungsprogramm lediglich der Klimaschutz. Viel Neues ist jedoch auch hier nicht dabei, vielmehr sind die meisten dieser Maßnahmen in Wien bereits seit Jahren gang und gäbe. Der Sozialbereich wird im neuen Regierungsbereich zu großen Teilen ver- nachlässigt ebenso wie die wichtigen Bereiche Arbeitsmarkt und leistbares Wohnen. „Der soziale Zusammenhalt in Österreich wird auch durch Türkis-Grün in keiner Weise gestärkt“, befürchtet Bür- germeister Michael Ludwig. Es folgt eine Einschätzung der Maßnahmen aus Wiener Sicht. 1) STAAT, GESELLSCHAFT & TRANSPARENZ Bekenntnis zur kommunalen Grundversorgung Positiv, aber in Wien schon seit Jahren gelebte Realität. Bekämpfung von illegalem Glücksspiel In Wien längst Realität. Vergabe von Wohnbauförderungsmittel unter In Wien längst Realität. Voraussetzung, dass umweltschonend gebaut wird und Überarbeitung der Bauordnungen, wonach sozialer und geförderter Wohnbau ökologisch und leistbar sein muss Reform des Wohnrechts mit den Zielen sozialer Aus- Hier wäre es wünschenswert, dass die gleich und ökologische Effizienz soziale Komponente gestärkt wird. Novellierung des Mietrechts mit den Zielen leistba- Auch hier muss die soziale Komponente re Mietpreise, Wirtschaftlichkeit von Investitionen, mehr gestärkt werden. Nachverdichtung, Ökologisierung und Sanierung 1
Kein eigenes Kulturministerium Der in der öffentlichen Wahrnehmung bereits sehr stiefmütterlich behandel- te Kulturbereich wird noch weiter in den Hintergrund gedrängt. Der Finanzminister hat die Hand am Kulturbudget, das macht wenig Hoffnung für die notwendige Erhö- hung des Kulturbudgets. 2) WIRTSCHAFT UND FINANZEN Unternehmenssteuern werden von 25 auf 21 Prozent Hierdurch entfallen dem Staat wich- gesenkt. tige Einnahmen, die Frage der Kom- pensation bleibt offen. Unternehmen werden deutlich entlastet. Es werden zwar auch die Einkommenssteuern ge- senkt, aber bei weitem nicht in diesem Ausmaß. Die Unternehmenssteuern entsprechen dem Einstiegsteuersatz (!) für ArbeitnehmerInnen. Erhöhung des Familienbonus Davon profitieren vor allem Besser- verdienende. Wer unter 1.700 Euro im Monat verdient, geht komplett leer aus. Keine Erneuerung der 2020 auslaufenden Millionärs- Millionäre werden entlastet, anstatt steuer (Spitzensteuersatz von 55 Prozent auf Ein- dass sie ihren fairen Beitrag zur Ge- kommen über einer Million) sellschaft leisten. Senkung der Wertpapierzuwachssteuer. Ein weiteres Steuergeschenk an die obersten 10 Prozent. Abschaffung der Schaumweinsteuer Finanziell fällt sie nicht stark ins Ge- wicht (jährlich gut 20 Mio), hat aber eine hohe Symbolwirkung. Eingeführt wurde sie 1922 auf Initiative des Sozialdemokraten Hugo Breitner: „Die in Saus und Braus Lebenden sollten einen Beitrag zur Finanzierung der Linderung der Not Armer und Kranker leisten.“ 2
3) KLIMASCHUTZ, INFRASTRUKTUR, UMWELT & LANDWIRTSCHAFT Ausbau des öffentlichen Verkehrs Geschieht in Wien laufend – derzeit wird etwa an der Verlängerung der U2 und am Bau der U5 gearbeitet. Thermische Wohnsanierung, Ausbau der Fernwärme, In Wien längst Realität. Hier geht Verbot von Kohle- und Heizölheizungen aus dem Regierungsprogramm nicht hervor, ob sie auch sozial abgefedert werden, oder ob sie zu Lasten der MieterInnen umgesetzt werden. Die Umweltschutzmaßnahmen treffen in erster Linie private Haushalte und nicht Großunternehmen und Indus- trie, die die Hauptverursacher von CO2-Ausstößen sind. Gespräche über die Einführung einer CO2-Steuer auf CO2-Steuer war eine Hauptforderung 2022 verschoben der Grünen im Wahlkampf. Ob eine solche sozial gestaffelt sein wird, geht nicht hervor. 4) EUROPA, INTEGRATION, MIGRATION & SICHERHEIT Asyl ist koalitionsfreier Raum Die Grünen überlassen der ÖVP kom- plett das Feld, indem sie zugelassen haben, dass sich in diesem Bereich die ÖVP im Parlament eigene Mehrheiten – zum Beispiel mit der FPÖ – suchen und gegen die Grünen stimmen darf. Präventive Sicherungshaft kommt Das bedeutet Gefängnis ohne Straftat und ist in Österreich verfassungs- rechtlich nicht zulässig! Umsetzung der Bundesagentur für Betreuungs- und Das BBU untersteht dem Innenminis- Unterstützungsleistungen (BBU) mit den Tätig- terium. Fraglich, ob die Rechtsbera- keitsfeldern Grundversorgung, Rechtsberatung, tung unabhängig sein wird. Rückkehrberatung, Dolmetschleistungen, Menschen- rechtsbeobachtung Keine zusätzlichen Mittel für Integration Massive Kürzung bereits unter schwarz-blau 3
5) SOZIALE SICHERHEIT, NEUE GERECHTIGKEIT & ARMUTSBEKÄMPFUNG Keine Rücknahme des 12-Stunden-Tages und der Das türkis-blaue Gesetz wird nicht 60-Stunden-Woche zurückgenommen und bedeutet einen massiven Angriff auf ArbeitnehmerIn- nen. Keine Rücknahme der Zerschlagung der Krankenkas- Die Türkis-blaue „Reform“ bleibt – sen und ihrer Selbstverwaltung durch die Arbeitneh- Arbeitgeber geben in der Krankenver- merInnen sicherung der ArbeitnehmerInnen den Ton an. Keine Rücknahme des umstrittenen Ältere Arbeitslose und Frauen werden AMS-Algorithmus am Arbeitsamt diskriminiert. Wo im Bund nichts passiert, muss Kein Ersatz für die unter Schwarz-Blau gestrichene Wien eingreifen. Mit der seit 2019 Aktion 20.000, die älteren Langzeitarbeitslosen laufenden Joboffensive 50+ gleicht hilft, wieder am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. die Stadt Wien die Versäumnisse der Bundespolitik aus. 6) BILDUNG, WISSENSCHAFT, FORSCHUNG & DIGITALISIERUNG Getrennte Deutschförderklassen werden Erwiesenermaßen werden sowohl weitergeführt. Sprachkenntnisse als auch Integra- tion am besten durch den Umgang mit Gleichaltrigen gefördert. Gibt es in Wien mit dem Bildungsser- Digitale Endgeräte für alle SchülerInnen ab der 5. Schulstufe und ein Serviceportal Digitale Schule. ver längst. Chancenindex: Pilotprojekt für Schulen mit besonde- Was in Wien längst Realität ist, ist im ren Herausforderungen. Bund vorerst nur an 100 Schulen als Pilotprojekt geplant. Zugangsbeschränkungen an Unis werden verschärft, Bildung wird weiterhin vererbt. Große Studienbeitrag wird beibehalten. Hürden für Menschen aus ärmeren Familien. 4
WAS WIEN VON DER BUNDESREGIERUNG FORDERT: →→ Keine weitere Absiedelung wichtiger Verwaltungsstellen aus Wien. →→ Eine spürbare Entlastung für arbeitende Menschen, statt Steuerzuckerl für Großunternehmen und Millionäre. →→ Unterstützung bei wichtigen Infrastrukturprojekten wie dem Lobau-Tunnel oder oder der Nordost-Umfahrung. →→ Eine Rücknahme der Zerschlagung der Krankenkassen und ihrer Selbstverwaltung durch ArbeitnehmerInnen. →→ Eine einheitliche Lösung zur Mindestsicherung, nachdem das türkis-blaue Gesetz zur „Sozialhilfe neu“, das seit 1.1.2020 gilt, vom Verfassungsgerichtshof in mehreren Punkten als verfassungswidrig erklärt wurde. →→ Eine Flugticketabgabe, bei der VielfliegerInnen zur Kasse gebeten und nicht Familien, die einmal im Jahr in Urlaub fliegen, dafür bestraft werden. →→ Erhöhung des Kunst- und Kulturbudgets und keine Degradierung des Ressorts zum Staatssekretariat. →→ Klare Angaben zur Finanzierung der Maßnahmen im Bildungsbereich. 5
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