Das britische Parteiensystem und die vernachlässigte Europafrage - Tories und Labour vor der Zerreißprobe - Konrad-Adenauer-Stiftung
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April 2019 Auslandsbüro London Das britische Parteiensystem und die vernachlässigte Europafrage – Tories und Labour vor der Zerreißprobe Felix Dane, Philipp Burkhardt Das Votum der britischen Bevölkerung für den Austritt aus der Europäischen Union ist nicht nur Ausdruck einer Unzufriedenheit vermeintlich Abgehängter, sondern spiegelt ein Problem britischen, speziell englischen Umgangs mit dem europäischen Kontinent wider. Die in den letzten 40 Jahren vernachlässigte Europafrage liegt quer zu den Konfliktlinien der beiden großen Parteien, weswegen weder Tories noch Labour in der Lage sind, handlungsfähige Mehrheiten zu organisieren. Besonderheiten des politischen Systems, der politischen Kultur und nicht zuletzt historische Prägefaktoren scheinen die momentan zu beobachtende Blockade nicht nur zu verstärken, sondern könnten gar die Einheit des Vereinigten Königreichs gefährden. Dispositionen: Die Insel und das Charles de Gaulle, der Sonderansprüche der Festland Briten fürchtete, zweimal einen Beitritt verhinderte, konnte das Vereinigte Königreich Das Verhältnis Großbritanniens zum Projekt der unter dem konservativen Premier Edward Heath europäischen Integration ist seit jeher von 1973 nach zehn Jahren Wartezeit der EG Zweckrationalität geprägt. Als historischer beitreten. De Gaulles Befürchtungen sollten sich Imperativ, wie in Deutschland und Frankreich, zumindest in Teilen bewahrheiten. Zahlreiche wurde das EU-Projekt nie interpretiert. Die viel Streitigkeiten zwischen Brüssel und London zitierte Züricher Churchill-Rede, in der er die wurden mit dem Scheitern bislang dreier „United States of Europe“ forderte, richtete sich Premiers an der Europafrage (Margaret Thatcher, an die Staaten des Kontinents. Im John Major und David Cameron) und zahlreichen Wahrnehmungshorizont der Entscheidungsträger Demonstrationen des britischen des British Empire, das damals noch den Europaverständnisses, wie dem Fernbleiben des indischen Subkontinent umfasste, schien nichts Labour-Premiers Gordon Brown bei der ferner, als dass sich London einer Idee geteilter Vertragsunterzeichnung von Lissabon, mehr als europäischer Souveränität unterwirft. Erst die deutlich. Enttäuschungen über die Erwartungen an die „special relationship“ zu den USA, das Verpuffen Es wäre jedoch fahrlässig, das Verhältnis der Europäischen Freihandelsassoziation EFTA Großbritanniens zum Kontinent lediglich mit und das mangelnde Kompensationspotential des einer etwas eigensinnigen Selbstwahrnehmung Commonwealth haben dazu geführt, sich mit zu begründen. Zwei Dinge führten dauerhaft zur dem bereits fortgeschrittenen Europaprojekt auf Desynchronisation zwischen London und Brüssel: dem Kontinent zu befassen. Zum einen die Doktrin der absoluten Insofern war die Entscheidung Großbritanniens, Parlamentssouveränität, die im Widerspruch zu der Europäischen Gemeinschaft beizutreten, rein einem übergeordneten europäischen Recht ökonomisch-pragmatischer Natur. Nachdem steht. Zum anderen passen die angelsächsische
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht April 2019 2 Tradition des Gewohnheitsrechts, die eine oder gegen EU entschieden. Die nationalistische schriftliche Verfassung obsolet macht und der Sinn Féin positioniert sich in Europafragen als kontinentaleuropäische Kodifizierungsusus nicht (vorsichtiger) Befürworter der Europäischen wirklich zueinander. Die nahezu bruchlose Union, wohingegen die Democratic Unionist Party Evolution dieser beiden essentiellen Prinzipien (DUP) im Vorfeld des Referendums den Brexit und die jahrhundertelange Funktionsfähigkeit in unterstützte. der politischen Entscheidungsfindung können Die stets regierenden Parteien in Westminster, nicht einfach von Erwartungen an eine bessere, Tories und Labour, haben es hingegen nicht gemeinsame europäische Entscheidungsfindung geschafft, eine eindeutige Position zur EU-Frage abgelöst werden. zu beziehen. Somit steht keine der beiden Parteien eindeutig für oder gegen die Die Kontinuität britischer Verfassungswirklichkeit, Mitgliedschaft zur Europäischen Union, sondern das Selbstverständnis immer wieder es finden sich zahlreiche EU-freundliche und - stabilisierend in die Konflikte Kontinentaleuropas skeptische bis -ablehnende politische Ansätze in interveniert zu haben und die wirtschaftliche beiden Parteien. Die quer liegende Europafrage Räson, die zum EG-Beitritt führte, begründen ein wurde in beiden Parteien zu wenig bearbeitet historisch besonderes Verhältnis zwischen Insel und kann dementsprechend nur schwer und Festland. Diese Spannungen wurden nie mehrheitsfähig in das politische gelöst, sondern schwelten untergründig Entscheidungssystem übersetzt werden. permanent weiter und wirken somit in die Gegenwart hinein. Ein Blick auf die beiden Auf Seiten der Tories hat Europaskepsis eine großen Parteien zeigt, dass sowohl Tories als lange Tradition. Die Tory-Brexiteers führen im auch Labour nicht in der Lage waren, eine Kern vier Argumente an, die Europäische Union konsistente Position zum EU-Projekt zu zu verlassen. Zum einen befürchtet man erarbeiten, sodass sich in beiden Parteien Souveränitätsverluste und beharrt auf die eigene Befürworter und Gegner finden. Identität. Zweitens möchte man die Überregulierung der „Eurokraten“, wie sie bereits Auflösungserscheinungen: Tories, Thatcher nannte, beenden, um drittens eine Labour und die Europafrage deregulierte Handelspolitik mit niedrigen Zöllen in die Praxis umsetzen zu können, was in der Häufig wird Großbritannien als ein Konsequenz zu einem höheren Zweiparteiensystem bezeichnet. Das britische Wirtschaftswachstum führe. „Singapore-upon- Mehrheitswahlrecht begünstigt die Dominanz Thames“ ist ein Schlagwort der zweier Parteien, sodass die jüngste Geschichte wirtschaftsliberalen Brexiteers, die sich ähnlich geprägt ist von Regierungswechseln zwischen der wie Singapur von Regulierungen und Zöllen Conservative Party (Tories) und der Labour Party. weitgehend befreien wollen. Viertens, so die Ein genauerer Blick auf die Parteienlandschaft Argumentation, könnte man außerhalb der EU zeigt jedoch, dass sich der englisch-walisische Teil endlich wieder eigene migrationspolitische vom schottischen und nordirischen Teil des Entscheidungen treffen. Uneingeschränkte Vereinigten Königreiches unterscheidet. Sowohl europäische Migration kombiniert mit der Tories als auch Labour erreichen ihre Mandate Inklusion in die Sozialsysteme wandelte sich in hauptsächlich in England und Wales, wohingegen den Augen der Tory-Brexiteers zu einem in Schottland die Scottish National Party (SNP) Schreckgespenst. Zudem dürften die in mit einer klar pro-europäischen Ausrichtung an Großbritannien kontrovers diskutierten Bilder Dominanz gewonnen hat. In Nordirland richten von Migrantenströmen auf dem Höhepunkt der sich die Parteien hingegen vornehmlich am Flüchtlingskrise den in Teilen der Bevölkerung gesellschaftlichen Großkonflikt zwischen irischen vertretenen Standpunkt, die EU sei ohnmächtig Nationalisten und Unionisten, den größtenteils gegenüber dem Migrationsproblem geworden, protestantischen Befürwortern des Vereinigten verstärkt haben. Obwohl Großbritannien nicht Königreichs, aus. Die dort dominierenden Teil des Schengen-Raums ist, nutzte die Leave- Parteien haben sich klar für eine Position für
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht April 2019 3 Kampagne jene Bilder, um das propagierte Unvermögen Brüssels zu unterstreichen. Die Probleme der konservativen Partei beschränken sich nicht lediglich auf den Druck Diese Ideen sind nicht allein einer radikalen von einigen Hardlinern, sondern die von der ERG Minderheit zuzuordnen, sondern sind in den vertretenen Positionen sind sowohl in Partei als politischen Standpunkten der Conservative Party auch in der Wählerschaft aufgrund der speziellen tief verwurzelt. Trotzdem tritt derzeit eine Beziehungen zwischen Großbritannien und Gruppe besonders unter den Befürwortern eines Kontinentaleuropa anschlussfähig. Dies zeigt sich harten Brexits hervor: Die European Research im Verhalten Mays und David Camerons Group (ERG) unter Führung von Jacob Rees-Mogg unmittelbar vor dem Brexit-Referendum. Beide umfasst derzeit etwa 90 der 314 konservativen vermieden es, sich frühzeitig für eine Seite zu Abgeordneten und pflegt eine offene entscheiden, um ihre Führungsansprüche nicht Gegnerschaft zur Brexit-Politik Theresa Mays. So zu gefährden. Dieses Verhalten kann man genannte „pressure groups“ sind der britischen kritisieren, es ist allerdings Symptom, nicht Politik nicht fremd. Dennoch sprechen Ursache, der Probleme der Tories. Beobachter von der ERG als einer „Partei innerhalb der Partei“. Die ERG hält regelmäßige Die Euroskepsis der Labour Party hat andere Treffen ab, hat mit Mark Francois einen eigenen Gründe als eine zugrunde liegende Party Whip, nach deutschem Verständnis eine Wirtschaftsliberalität. Dennoch ist eine kritische Mischung aus parlamentarischem Haltung gegenüber der EU auch hier verankert. Geschäftsführer und Fraktionsvorsitzenden, und Erst in den 1980er Jahren schloss der damalige teilt Downing Street 10 regelmäßig Positionen Labour-Vorsitzende Neil Kinnock die Trotzkisten und Grenzen mit. Jacob Rees-Mogg war es auch, aus der Partei aus und überdachte die engen der im Dezember letzten Jahres Theresa May mit Verquickungen der Partei mit den sozialistischen einem parteiinternen Misstrauensvotum zu Gewerkschaften. Tony Blair löste die Partei in den stürzen versuchte. Die Niederlagen Mays bei den 1990er und 2000er Jahren mit „New Labour“ von Abstimmungen über das Austrittsabkommen mit originär sozialistischen der EU sind maßgeblich auf die ERG Verstaatlichungsforderungen. Vorher dominierte zurückzuführen. Gleichzeitig verfügt die Gruppe die Europaskepsis in der Partei. Einer klassisch auch über gute Kontakte zu linken Argumentation folgend, befürchtete man Regierungsmitgliedern. Sie kann jene als in der Labour Party durch europäischen Scharnier mit den „Rebellen“ der hinteren Freihandel einen erhöhten Wettbewerbsdruck Bankreihen verbinden. Gemäßigtere Gruppen, auf den industriellen Sektor, der in Konsequenz wie die Brexit Delivery Group (BDG), die ein entweder zum Verlust von Arbeitsplätzen oder Austrittsabkommen befürworten, oder gar aber zum Abbau des Sozialstaats führen würde. Remainer gehen wegen der guten Vernetzung Unter Kinnock entwickelte man in der Partei eine der ERG beinahe unter, sodass diese sich zu vorsichtig pro-europäische Position; Tony Blair einem der entscheidenden Vetospieler unterzeichnete zwar die europäische aufschwingen konnte. Grund der ablehnenden Sozialcharta, diente sich Brüssel allerdings nur so Haltung der ERG zu Mays Abkommen ist die lange an, wie es im nationalen Interesse Befürchtung, die Integrität des Vereinigten Großbritanniens lag, und trat als Gegner Königreichs werde durch eine Sonderrolle weitergehender Integrationsbemühungen auf. Nordirlands gefährdet. Diese Position teilt man mit den zehn DUP-Abgeordneten, den Insofern kam es auch in der Labour Party nie zu Mehrheitsbeschaffern der Minderheitsregierung einem klaren Bekenntnis zur EU. Der derzeitige May. In der Folge führt die Inkonsistenz der Vorsitzende Jeremy Corbyn bildet quasi in Regierungsfraktion zu Blockaden, Instabilität und persona die Zerrissenheit seiner Partei ab. auch Misstrauen in der Bevölkerung. Somit sind Corbyn gilt als langjähriger EU-Skeptiker und ist nicht die Positionen der ERG an sich, sondern die dem alten, sozialistischen Flügel der Partei Inkonsistenz der Regierungsfraktion ein zuzurechnen. Die EU bezeichnete er einst als strukturelles Problem. „capitalist club“ und lehnte den Beitritt
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht April 2019 4 Großbritanniens seinerzeit ab. Auch der innere EU-Austritts teilweise mancher Tory-Position Kreis seiner Mitarbeiter gilt als EU-skeptisch. Die näher als ihrer eigenen Partei. Ablehnung der Gruppe um Corbyn entzündet sich konkret vor allem am EU-Beihilferecht, das Zusammenfassend kann man also feststellen, den stark von Staatssubventionen abhängigen dass die Notwendigkeit, das Europaverhältnis Sozialismusvorstellungen der Gruppe von Corbyn nach dem Referendum zu verhandeln, die im Weg steht. Öffentlich akzeptiert Corbyn das verschiedenen, widersprüchlichen Positionen Ergebnis des Austrittsreferendums, allerdings innerhalb der beiden großen Parteien zutage fehlt ein klares Bekenntnis für oder gegen die EU. gefördert hat. Von völlig unterschiedlichen Seiten Seine Position zum von Teilen seiner Partei wird am Europathema „gezerrt“, ohne, dass so geforderten zweiten EU-Referendum bleibt eine mehrheitsfähige Position erarbeitet werden weiterhin unklar. Er versucht damit einen kann. Jede Regierung, unabhängig davon, welche unmöglichen Spagat zwischen den vornehmlich Partei unter welcher personellen Führung sie für den Brexit votierenden ländlichen Regionen stellt, wird sich die Frage stellen müssen, ob und Kleinstädten und den urbanen, EU- Entscheidungen für das Gesamtwohl des Landes befürwortenden Metropolen. Seine politischen oder aber die Einheit der Partei getroffen Initiativen rund um die Verhandlungen über den werden. Beides ist in der aktuellen Gemengelage EU-Austritt sind daher in erster Linie als taktische nur schwer zu vereinen. Maßnahmen zu verstehen, einen „Tory-Brexit“ zu verhindern. Konsequenzen: Systemblockade, mögliche Profiteure und zentrifugale Gleichzeitig sind viele Parlamentsabgeordnete Kräfte mit der Führung Corbyns unzufrieden. Einerseits gehen ihnen die auf dem radikal linken Die Besonderheiten im politischen System des politischen Spektrum zu verordnenden Vereinigten Königreichs verstärken den Cross- Forderungen Corbyns zu weit. Andererseits Party-Konflikt, anstatt eine Lösung desselben finden sich unter ihnen viele Remainer, die der aufzuzeigen. Mehrere Faktoren bremsen eine europaskeptischen Führungsgruppe misstrauen. konsensuale Mehrheitsfindung aus, sodass man Die Abspaltung der mittlerweile zur Partei Theresa May im Einzelnen wohl Führungsfehler („Change UK“) avancierten Independent Group, diagnostizieren, nicht aber die zugrunde der neben acht Labour-Abgeordneten auch drei liegenden strukturellen Umstände ausblenden ehemalige Tories angehören, fordert ein zweites kann. Referendum und kann – vorerst – einem gemäßigten sozialdemokratischen Spektrum Wo beispielsweise das politische System der zugeordnet werden. Die Unzufriedenheit mit der Bundesrepublik Deutschland auf Labour-Führung wurde kürzlich durch einen Kompromissfindung angelegt ist, wird in Antisemitismusskandal befeuert und treibt viele Großbritannien die eindeutige Zuordnung Mitglieder in die Arme der gemäßigteren Future politischer Entscheidungen zu einer Partei Britain Group um Tom Watson. Dieser versucht, konsensualen Mechanismen übergeordnet. So Labour erneut an der Mitte des linken Spektrums zieht das britische reine Mehrheitswahlrecht (first zu orientieren. Gleichzeitig fürchten viele Labour- past the post voting) vornehmlich darauf ab, den Abgeordnete ein zweites Referendum, weil ihre Wählerwillen – äußert er sich auch noch so knapp Wahlkreise in jenen ländlichen Regionen liegen, – direkt in Regierungsverantwortung umzusetzen, die mehrheitlich für den Brexit gestimmt haben. anstatt die Wählerpräferenzen verhältnismäßig Die öffentliche Forderung nach einem zweiten darzustellen. Deswegen gibt es bei britischen Referendum würde, so die Befürchtung, von der Unterhauswahlen entweder Gewinner oder Wählerschaft als Verrat gewertet und somit Verlierer. Koalitionen sind nahezu undenkbar, Parlamentssitze kosten. Zudem gibt es auch Parteiloyalität und Fraktionsdisziplin spielen eine innerhalb der Labour Party Brexiteers. Deren große Rolle. Falls eine Partei nicht mit absoluter Anzahl ist zwar geringer als in der Conservative Mehrheit regieren kann, so wird mit den dann Party. Dennoch stehen diese in Kernfragen des üblichen Minderheitsregierungen die eindeutige
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht April 2019 5 Zurechenbarkeit der Entscheidungen Mitgliedschaft in der EU beendet sein wird. sichergestellt. Dementsprechend ist eine Insofern wird es interessant, wie Tories und „deutsche“ Lösung einer parteiübergreifenden Labours die widerstreitenden Positionen Koalitionsbildung mit dem Ziel, einen Brexit- innerhalb ihrer Parteien zu vereinen suchen Kompromiss zu finden, für Großbritannien nicht werden. Es besteht die Gefahr, dass eine oder gar realistisch. Vor diesem Hintergrund bleibt es beide Parteien an der Europafrage zerrieben abzuwarten, wie sich die historischen werden, weil Wähler nun nach konsistenten parteiübergreifenden Gespräche zwischen Antworten auf die Europafrage suchen. Die Theresa May und Jeremy Corbyn entwickeln. Liberal Democrats konnten in der Vergangenheit Zweifel scheinen angebracht, ob der Brexit der immer wieder als gemäßigte Alternative sowohl richtige Anlass ist, eine politische Kultur, die bis Tories als auch Labour Wähler abringen. In der zu den Anfängen des Parlamentarismus Europafrage bilden sie den klar EU- überhaupt zurückreicht, entscheidend zu ändern. befürwortenden Pol ab. Der Gegenpol bestünde Das Wahlrecht koppelt zudem die Mandatsträger demnach in Bewegungen wie der ERG oder ihr an ihre Wahlkreise, sodass Abgeordnete aus nahestehenden Gruppen. Insofern wird dieser Brexit-Wahlkreisen im Eigeninteresse schlecht als Konflikt beide Parteien künftig fordern. Kompromissagenten auftreten können und Schließlich kann ein englisch-walisisches Ringen umgekehrt. In der Vergangenheit waren es vor um die Europafrage die zentrifugalen Kräfte allem solche Hinterbänkler, die aus Sorge ihre innerhalb des Vereinigten Königreichs fördern. Es Wahlkreise zu verlieren, ihre eigenen ist denkbar, dass die schottischen Regierungen unter Druck setzten oder gar Unabhängigkeitsbestrebungen erneut an stürzten. Zuspruch gewinnen. Das Unabhängigkeitsreferendum von 2014 ist nur Außerdem ist die Rolle des Unterhauses in der äußerst knapp gescheitert. Die schottische Entscheidungsfindung zu schwach, um Position in der EU-Frage ist klar befürwortend gestalterisch großen Einfluss zu nehmen. Seine und die SNP ist mittlerweile ausreichend Hauptfunktion besteht im Kampf um öffentliche institutionalisiert, um solche Forderungen auch Meinung. So sitzen sich Regierung und erfolgsversprechend zu kanalisieren. Indes Opposition konfrontativ gegenüber, die befürchten nicht wenige Beobachter ein Opposition unterhält ein Schattenkabinett und ist Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts. Eine somit Regierung im Wartezustand. Zwar harte Grenze zwischen dem Norden und Süden existieren auch im Unterhaus Ausschüsse, diese der irischen Insel könnte die noch nicht werden jedoch meist ad-hoc einberufen, sodass ausgeheilten Wunden der „Troubles“ wieder das Parlament kaum starke Kontrollinstrumente aufreißen. Der mit dem Karfreitagsabkommen ausbilden konnte. Die daraus folgende von 1998 lediglich beruhigte Antagonismus dominante Stellung der Regierung wird zwischen nordirischen Unionisten und irischen problematisch, wenn, wie im Falle der Nationalisten könnte mit ungewissem Ausgang Europafrage, die Regierung selbst uneins ist. erneut die Schwelle zur Gewalt überschreiten. Die Chancen, dass personelle Neubesetzungen in Das politische System Großbritanniens hat sich der Führung einer der beiden oder beider jahrhundertelang als äußerst funktions- und Parteien die zugrunde liegenden lernfähig erwiesen. Dennoch treten mit der Strukturprobleme lösen können, sind gering. Es Europafrage offensichtliche Schwächen zutage. ist daher davon auszugehen, dass die Frage, wie Diese werden jedoch nur zu einem Teil von sich Großbritannien zu Europa, insbesondere zur institutionellen Rahmenbedingungen EU, positioniert, auf unbestimmte Zeit den hervorgerufen. Der in der Gesellschaft lange Zeit politischen Kampf im Vereinigten Königreich nur schwelende und somit nicht ausreichend bestimmen wird – unabhängig davon, ob und ausgetragene Europakonflikt lähmt nun das unter welchen Bedingungen Großbritannien gesamte Land. Es wird sich zeigen, wie die beiden ausscheidet. Schließlich wird Großbritannien ein großen Parteien mit den Herausforderungen der Teil des Systems Europa bleiben, auch wenn die Zukunft umgehen.
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht April 2019 6 Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Felix Dane Leiter Länderprojekt Großbritannien / Irland Europäische und Internationale Zusammenarbeit www.kas.de felix.dane@kas.de Der Text dieses Werkes ist lizenziert unter den Bedingungen von „Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international”, CC BY-SA 4.0 (abrufbar unter: https://creativecom www.kas.de
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