Ein Jahr mit Dilma Rousseff - Analysen & Kommentare

Die Seite wird erstellt Dominik Friedrich
 
WEITER LESEN
FOCUS
                      BRASILIEN
Dr. Thomas Knirsch
     Gregory Ryan
                      Analysen & Kommentare
     Kathrin Zeller
      Februar 2012

                      Ein Jahr mit Dilma Rousseff

                      Die brasilianische Staatspräsidentin            Verfassung nicht drei Amtsperioden am
                      Dilma Rousseff, seit etwas mehr als ei-         Stück ausüben darf. Sie galt, als sie am 1.
                      nem Jahr im Amt, reist Anfang März zur          Januar 2011 ins Präsidentenamt einge-
                      Computer- und Technologiemesse CE-              schworen wurde, als kühle Technokratin der
                      BIT nach Deutschland. Deutschland               es an Charisma fehlt.
                      stellt für Brasilien den fünftgrößten Ex-
                      portmarkt und die viertgrößte Bezugs-           Ihre Prioritäten in den ersten Monaten gal-
                      quelle für Importe dar. Wie fällt die bis-      ten (fast) erwartungsgemäß der Konsolidie-
                      herige Bilanz der Regierung Dilma               rung des Staatshaushalts. Rasch schaffte
                      Rousseff aus, was ist noch zu erwar-            sie es allerdings, aus dem Schatten Lulas
                      ten?                                            herauszutreten und ein eigenes politisches
                                                                      Profil zu entwickeln. In den ersten 14 Mona-
                      Dilma, wie sie in ihrem Heimatland genannt      ten an der Spitze des Staates, entließ Dilma
                      wird, repräsentiert einen Staat, der heute      Rousseff bereits sieben Minister, deren In-
                      mehr denn je als einer der großen neuen         tegrität nach wiederholten Korruptionsvor-
                      Akteure auf der Weltbühne wahrgenommen          würfen in den Medien stark beschädigt wur-
                      und umworben wird. Brasilien ist Mitglied       de. Obwohl die Präsidentin sich zunächst
                      der G-20, der BRICS-Gruppe und seit kur-        jeweils vor die Minister stellte, und dann
                      zem sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt.      wiederum jene nur zögerlich gehen ließ,
                      Während die meisten westlichen Industrie-       stellt diese Entwicklung einen Neubeginn für
                      länder in den letzten Jahren schwer unter       Brasilien dar. Das Land befindet sich auf
                      Wirtschafts- und Finanzkrisen litten, segelte   dem aktuellen „Corruption Perception In-
                      Brasilien beinahe unversehrt durch den          dex“ von „Transparency International“ auf
                      Sturm. Die Arbeitslosigkeit befindet sich auf   Platz 73, in einer Reihe mit Staaten wie
                      einem Rekordtief von 5 Prozent, das Wirt-       Samoa, Tunesien, Ghana und Italien.
                      schaftswachstum fiel nicht unter 3 Prozent.
                      Es fragt sich jedoch, ob Dilma Rousseff die-    Profil und Popularität gestiegen
                      se neu gefundene Wirtschaftskraft dazu ver-
                      wenden kann, einerseits die Lebensqualität      Dilma Rousseff hat nach Analystenmeinung
                      der Bevölkerung nachhaltig anzuheben und        bislang großes politisches Geschick im kom-
                      andererseits Brasilien langfristig als Welt-    plexen System der Machtstrukturen in der
                      macht zu etablieren.                            Hauptstadt Brasilia bewiesen. Auch konnte
                                                                      sie den Rückhalt in ihrer eigenen Arbeiter-
                      Als Wunschnachfolgerin des charismati-          Partei (PT) ausbauen, in der sie bislang kein
                      schen Lula da Silva stand Dilma Rousseff,       gewähltes Amt bekleidet hatte, sowie ihre
                      die zuvor das Präsidentenamt geleitet hatte,    Popularität bei der Bevölkerung eindrucks-
                      lange im Verdacht nur eine „Platzhalterin“      voll sichern: Kürzlich durchgeführte Umfra-
                      für den Ex-Präsidenten zu sein, der laut        gen attestieren der brasilianischen Präsiden-
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.                                                                                                   2

FOCUS
BRASILIEN                        tin einen Beliebtheitsgrad von 59% im ers-      Der wirtschaftliche Erfolg der letzten Deka-
FEBRUAR 2012                     ten Regierungsjahr (Lula hatte zu diesem        den sowie die politische Stabilität des Lan-
                                 Zeitpunkt seiner ersten Amtsperiode 42%         des haben Brasilien zu einer regionalen Füh-
www.kas.de/brasilien             Zustimmung).                                    rungsmacht avancieren lassen. Brasilien
                                                                                 wird umworben, sein Einfluss auf die Orga-
                                 Schon während des Wahlkampfes ließ Dilma        ne und Institutionen der internationalen Si-
                                 Rousseff die Absicht erkennen, die außen-       cherheits- und Finanzarchitektur wächst
                                 politische Linie ihres Vorgängers fortzuset-    kontinuierlich. Das Werben für einen ständi-
                                 zen. Dieser wiederum hatte sich auf das         gen Sitz im UN-Sicherheitsrat ist Abbild die-
                                 Modell berufen, welches noch in den letzten     ses neuen Selbstverständnisses. Der Aus-
                                 Jahren von Fernando Henrique Cardoso,           bau der Streitkräfte schreitet weiter voran,
                                 Präsident von 1995 bis 2002, artikuliert        neben einem atomgetriebenen U-Boot ste-
                                 wurde. Es wird in der brasilianischen Fachli-   hen neue Kampfflugzeuge auf der Wunsch-
                                 teratur als „Estado Logistico“ (frei über-      liste der Militärs. Der Süd-Atlantik wird von
                                 setzt: logistischer Staat) beschrieben. Hier-   brasilianischen Militärstrategen neuerdings
                                 nach arbeitet das Außenministerium mit na-      als „Sicherheitsgebiet“ definiert. Es öffnet
                                 tionalen Akteuren zusammen - staatlichen        sich der Raum für neue strategische Allian-
                                 wie privaten - um die brasilianische Wirt-      zen mit Brasilien unter der Regierung Dilma
                                 schaft zu internationalisieren und um Türen     Rousseff.
                                 zu ausländischen Märkten zu öffnen. Priori-
                                 tät bei diesem Modell haben die wirtschaftli-   Wirtschaftspolitik vorangetrieben
                                 chen Interessen.
                                                                                 Das sichtbarste Zeichen der neuen Stärke
                                 Neue Akzente in der Außenpolitik                Brasiliens bleibt dennoch vorderst dessen
                                                                                 Wirtschaft. Nach einer raschen Überwindung
                                 Nach ihrer Wahl kündigte Dilma Rousseff         der Krise von 2008 schrieb Brasilien 2010
                                 jedoch an, ihre Regierung werde den Men-        wieder Wachstumszahlen von 7,5% des BIP
                                 schenrechten mehr Bedeutung einräumen           und 2011 trotz globaler Finanzmarktkrise
                                 und Brasilien werde dementsprechend sein        noch 3,5% Wachstum erreicht. Der positive
                                 Abstimmungsverhalten bei den Vereinten          Trend ließ Brasilien zur Nummer 6 der Welt-
                                 Nationen anpassen. Als die Präsidentin dann     wirtschaft avancieren, und löste das Verei-
                                 auch gleich zu Beginn ihres Mandats eine        nigte Königreich auf dieser Position ab.
                                 entschlossene Haltung gegenüber den re-
                                 gierenden Geistlichen im Iran und deren Po-     Dennoch ist die weitere Entwicklung des
                                 litik gegenüber den Frauen zeigte, schien       Wirtschaftspotentials Brasiliens noch immer
                                 sich die neue Richtung zu bestätigen und        durch zahlreiche Faktoren gehemmt. Brasi-
                                 Menschenrechtsaktivisten zeigten sich be-       lien liegt beim Index der Weltbank zur Mes-
                                 geistert. Doch während des „Arabischen          sung der ökonomischen Rahmenbedingun-
                                 Frühlings“ und insbesondere in Bezug auf        gen eines Landes, Doing Business, im Jahr
                                 das internationale diplomatische „Tauzie-       2012 auf Platz 126 von 186. Besonders fällt
                                 hen“ um Libyen - und nun auch Syrien -          die ausgeprägte Bürokratie ins Gewicht. Zur
                                 scheint die Regierung wieder auf das Modell     Eröffnung eines Geschäftes sind beispiels-
                                 des „Estado Logistico“ und damit zur Politik    weise 119 Tage nötig. Der OECD-
                                 der Nichteinmischung zurückzukehren. Die-       Durchschnitt liegt bei 12 Tagen. Dilma
                                 se Haltung wurde durch ihren jüngsten Be-       Rousseff initiierte bisher zurückhaltende Re-
                                 such in Kuba Anfang Februar unterstrichen,      formen für vereinfachte Wirtschaftstätigkei-
                                 wo sie sich weigerte, Menschenrechtsfragen      ten mit dem Programm „Brasil Maior“. So
                                 zu erörtern, und hingegen klarstellte, dass     wurde beispielsweise für kleine und mittlere
                                 ihre Reise die Förderung von Wirtschaftsin-     Unternehmen des Exportsektors ein Fonds
                                 teressen zum Ziel hatte.                        zur vereinfachten Finanzierung geschaffen.
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.                                                                                                    3

FOCUS
BRASILIEN                        Der von Dilma eingesetzte Präsident der          Ein weiteres Wahlversprechen, der Bau von
FEBRUAR 2012                     brasilianischen Zentralbank, Alexandre           6427 Kindertagesstätten bis zum Jahr 2014,
                                 Tombini, senkte vor einigen Monaten auch         bleibt bis jetzt weit hinter allen Erwatungen
www.kas.de/brasilien             den Leitzins „Selic“ auf ein im weltweiten       zurück. Bis Januar 2012 konnte noch keine
                                 Vergleich noch immer sehr hohen Wert von         der Stätten eingeweiht werden. Auch der
                                 10,5%. Die Maßnahme wurde zu Anfang als          Ausbau des Netzes öffentlicher Gesund-
                                 Risiko für die Kontrolle der Inflation gewer-    heitsstationen hinkt den Planungen hinter-
                                 tet, die Ende vergangenen Jahres bereits an      her. 2011 konnten gerade einmal 30 der in
                                 die obere Toleranzgrenze von 4,5% pro Jahr       dem Jahr vorgesehenen 99 Gesundheitssta-
                                 gestoßen war. Tombinis Rechtfertigung, der       tionen eingeweiht werden. In diesem Tempo
                                 Markt würde sich mittelfristig abkühlen und      würden die geplanten 500 Gesundheitssta-
                                 eine Senkung des Leitzinses daher positiv        tionen erst 2026 fertig gestellt und nicht,
                                 auf das Wirtschaftswachstum wirken, ohne         wie zu Beginn ihrer Regierungszeit von Dil-
                                 die Toleranzgrenze der Inflation zu über-        ma angekündigt, schon im Jahr 2014.
                                 schreiten, stellte sich bis heute als richtig
                                 heraus. Die Landeswährung, der brasiliani-       Migration große Herausforderung
                                 sche Real, baute seine Aufwertung gegen-
                                 über anderen Währungen wie dem Euro              Der neue „Wirtschaftsriese“ Brasilien wirkt
                                 oder dem Dollar weiter aus.                      wieder zunehmend als Magnet für Arbeits-
                                                                                  suchende weltweit. Große Wellen von euro-
                                 Sozialpolitik weiter ausgebaut                   päischen und japanischen Einwanderer ka-
                                                                                  men bereits im späten 19. und frühen 20.
                                 Dilma Rousseff verfolgt seit ihrem Amtsan-       Jahrhundert. Die riesige Nachfrage nach Ar-
                                 tritt eine sehr starke sozialpolitische Linie.   beitern für die boomenden Kaffeeplantagen
                                 Als Nachfolgerin des ehemaligen Präsiden-        im Süden war dabei ein wichtiger Faktor.
                                 ten Lula, der gerade wegen seines Engage-
                                 ments für die unteren Einkommensklassen          Brasilien, obwohl traditionell ein Land der
                                 hohe Zuspruchsraten der Bevölkerung er-          Einwanderer, ist dennoch heute paradoxer-
                                 fuhr, machte auch Dilma Rousseff die Be-         weise in vielerlei Hinsicht geschlossener als
                                 kämpfung der Armut zu einem ihrer Zug-           so manches europäisches Land. Getulio Var-
                                 pferde. Das Ende der absoluten Armut in-         gas baute die Republik während seiner ers-
                                 nerhalb ihrer Präsidentschaft war daher im       ten Präsidentschaft zwischen 1930 und
                                 Wahlkampf 2010 auch ein Hauptthema.              1945 komplett um. Immigration wurde ge-
                                                                                  kappt, Zwangsassimilierungsprogramme
                                 Als ersten Schritt hatte Dilma angekündigt,      gestartet, und in der neuen Verfassung Ar-
                                 diejenigen Familien in extremer Armut zu         tikel verankert, die in Brasilien geborenen
                                 identifizieren, die noch nicht im nationalen     Brasilianern Privilegien zusicherten, die an-
                                 Programm „Bolsa Familia“, einem Transfer-        deren Brasilianern nicht zustehen, wie etwa
                                 programm für Familien, das unter anderem         eine bevorzugte Behandlung auf dem Ar-
                                 an den Schulbesuch der Kinder gekoppelt          beitsmarkt und die Möglichkeit, bestimmte
                                 ist, registriert sind. Dies sei nach eigenen     öffentliche Ämter bekleiden zu können. Vie-
                                 Angaben bisher gelungen. Zusätzlich sollen       le dieser Artikel bestehen bis heute und
                                 für die Empfänger nun Ausbildungsplätze in       wurden in überarbeiteter Form in die neue
                                 verschiedenen Berufsfeldern in von Fach-         Verfassung von 1988 aufgenommen. Als
                                 kräftemangel betroffenen Sektoren, wie           Folge ist Migration und die erfolgreiche In-
                                 dem Tourismus oder dem Bauwesen, ange-           tegration in Brasilien bis heute mit großen
                                 boten werden. Offizielle Zahlen für die Ent-     bürokratischen Mühen verbunden und er-
                                 wicklung der Armutsraten sowie der Un-           scheint im Kontext einer immer stärker glo-
                                 gleichverteilung des Einkommens werden im        balisierten Welt nicht mehr zeitgemäß.
                                 Laufe des ersten Halbjahres 2012 veröffent-
                                 licht und näheren Aufschluss geben.
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.                                                                                                     4

FOCUS
BRASILIEN                        Angesichts der boomenden Wirtschaft und           Andererseits stellt sie, wie beschrieben, die
FEBRUAR 2012                     dem wachsenden Bedarf an qualifizierten           wirtschaftliche und soziale Entwicklung in
                                 Arbeitskräften, hat Dilma Rousseff vor kur-       den Vordergrund. Beim Weltsozialforum in
www.kas.de/brasilien             zem die Absicht erklärt, diese alten Gesetze      Porto Alegre im Januar 2012 betonte sie
                                 zu überarbeiten, um die Immigration von           abermals die Wichtigkeit des Wirtschafts-
                                 Fachkräften in das Land zu erleichtern.           wachstums als Grundlage für sozialen Fort-
                                 Gleichzeitig hat sie die Zahl der Auslands-       schritt. Dieses Wachstum müsse jedoch in
                                 stipendien erhöht, um Brasilianer fachlich        Einklang mit Umweltschutz erwirtschaftet
                                 im Ausland weiter zu qualifizieren.               werden.

                                 Qualifizierte Arbeitskräfte sind aber nicht die   Aufschlussreich, was sie unter diesem Kon-
                                 einzigen, die es vermehrt nach Brasilien          text versteht, ist die Reform des Wald-
                                 zieht. Aktuell wird stark darüber debattiert,     schutzgesetzes, welche für die faktische
                                 wie das Land mit der Einwanderungsflut aus        Minderung des Waldschutzes kritisiert wird.
                                 Haiti umgehen soll. Die Zuwanderung aus           Als Argument für das neue Gesetz wird von
                                 anderen lateinamerikanischen Ländern stellt       Dilma Wirtschaftlichkeit angeführt. Auch der
                                 generell eine große Herausforderung dar.          Diskriminierung von Kleinbauern, die den
                                 Hierbei sind gerade die illegalen Einwande-       bisherigen Umweltschutzstandards kaum
                                 rer aus den ärmsten Ländern der Region wie        nachkommen konnten, solle mit dieser Ge-
                                 z. B. Bolivien und Paraguay ein zentrales         setzesnovellierung entgegengewirkt werden.
                                 Problemfeld. Für diese meist wenig gebilde-
                                 ten, im Niedriglohnbereich tätigen Migran-        Eine weitere Maßnahme der Verbindung von
                                 ten fehlen Programme, welche eine men-            Sozialpolitik und Umweltschutz ist die „Bol-
                                 schenwürdige Integration in der neuen             sa Verde“, die vergangenen September von
                                 Heimat ermöglichen und unmenschlichen             Dilma Rousseff eingeführt wurde. Das Pro-
                                 Arbeitsverhältnissen entgegenwirken. Viele        gramm bietet Familien in extremer Armut,
                                 andere Migranten, die von außerhalb der           mit einem Monatseinkommen von rund 30
                                 Region stammen, wie etwa aus Pakistan             Euro pro Kopf, eine Zahlung von 130 Euro
                                 oder dem Kongo, werden zumeist kurzer-            pro Trimester. Als Gegenleistung müssen
                                 hand wieder abgeschoben.                          die Familien Aktivitäten im Umweltschutz,
                                                                                   z. B. beim Waldschutz, nachweisen.
                                 Umweltpolitik
                                                                                   Ausblick
                                 Während Brasilien in jüngster Zeit seine An-
                                 sprüche als neue Weltmacht einfordert, fra-       Dilma Rousseff genießt nach dem ersten
                                 gen kritische Stimmen zunehmend, ob das           Jahr ihrer Regierung hohe Zustimmung bei
                                 Land auch bereit sei, die damit einherge-         der Bevölkerung und ein hohes internatio-
                                 hende Verantwortung für den Schutz der            nales Ansehen. Der neue außenpolitische
                                 Umwelt zu übernehmen. Dieser Anspruch             Kurs, eher pragmatisch geprägt und weni-
                                 wird im offiziellen Diskurs der Regierung         ger populistisch als unter ihrem Vorgänger
                                 einerseits bestätigt. Beim letzten Klimagip-      Lula, öffnet neuen politischen Raum für Ver-
                                 fel in Durban war Dilma Rousseff so auch          trauensbildung und ein stärkeres Engage-
                                 für die Erneuerung des Kyoto-Protokolls           ment mit Brasilien, der strategisch genutzt
                                 eingetreten, und bestätigte das Ziel Brasi-       werden sollte.
                                 liens, bis 2020 die Emission der Treibhaus-
                                 gase um 36-39% gegenüber dem „Busi-               Das Wirtschaftwachstum Brasiliens dürfte
                                 ness-as-usual-Ausstoß“ zu senken. Auch            bei hoher Nachfrage von Rohstoffen auf den
                                 während ihres Wahlkampfes kündigte sie            Weltmärkten sowie konstanter Binnennach-
                                 Nulltoleranz gegenüber den Verantwortli-          frage weiter positiv bleiben. Bei Einbruch
                                 chen für die Abholzung des Regenwaldes            der Nachfrage könnte die erneute Abhän-
                                 an.                                               gigkeit von Rohstoffexporten, bei zeitglei-
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.                                                    5

FOCUS
BRASILIEN                         cher Abnahme der Industrieleistung, zu ei-
FEBRUAR 2012                      nem Problem für Brasilien werden: Es wür-
                                  den die Staatseinnahmen zum Abbau von
www.kas.de/brasilien              Armut und dem Ausbau eines tragfähigen
                                  Mittelstands fehlen, die Binnennachfrage
                                  könnte mangels Kaufkraftverlusten sinken.
                                  Eine negative Kettenreaktion, die auch die
                                  politische Stabilität des Landes beeinträch-
                                  tigen könnte, würde ausgelöst werde. Dilma
                                  Rousseffs Popularität und Autorität würden
                                  wahrscheinlich sinken.

                                  Für Dilma Rousseff bleiben trotz des gelun-
                                  genen Auftakts große politische „Baustel-
                                  len“, die für die politische Stabilität und
                                  wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Brasi-
                                  liens langfristig entscheidend sein könnten.
                                  Hierzu zählen: Bürokratieabbau, Korrupti-
                                  onsbekämpfung, Umbau des Erziehungssys-
                                  tems, Förderung von Industrie und Dienst-
                                  leistung, Ausbau der sozialen und physi-
                                  schen Infrastruktur, Reform der Rentensys-
                                  teme, Anpassung des Wahlsystems, Trans-
                                  parenz- und Effizienzsteigerung des Rechts-
                                  systems – um nur einige wichtige Themen-
                                  felder zu nennen.

                                  Dilma Rousseff hat bis zur nächsten Wahl
                                  noch beinahe drei Jahre vor sich. Die Zei-
                                  chen stehen gut, dass es drei erfolgreiche
                                  Jahre für Brasilien werden. Es bleibt zu hof-
                                  fen, dass sie die günstigen Voraussetzungen
                                  nutzt, um das Land für alle Teile seiner Ge-
                                  sellschaft nach vorne zu bringen. Im Jahr
                                  2014 startet sie dann mit dem Bonus einer
                                  hoffentlich erfolgreichen Fußballweltmeis-
 AUTOREN:                         terschaft in den nächsten Wahlkampf. Es
                                  bleibt ihr viel Glück auf diesem Weg zu
 Dr. Thomas Knirsch leitet        wünschen!
 das Büro der Konrad-
 Adenauer-Stiftung e.V. in Rio
 de Janeiro.

 Gregory Ryan und Kathrin
 Zeller sind als Projektkoordi-
 natoren bei der Konrad-
 Adenauer-Stiftung e.V. in Rio
 de Janeiro tätig.
Sie können auch lesen