Architekturfilmtage - Bayerische Architektenkammer

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20. Architekturfilmtage

                                                                                                                        Architekturfilmtage
Häuser als Gehäuse, nicht unbedingt als Lebens-, son-          Bernadette Fox wohnt auch an diesem Hang, am
dern als Erinnerungsräume, als Gedächtnisspeicher.         Rande von Seattle, mit ihrem Mann, der bei Microsoft
Wo gesammelt ist, was vom Leben übrigbleibt. Eine          ein Meister der neuen Medien ist, und der Tochter Bee,
Kultur der Überreste. Man muss sich in diese Häuser        im Haus nebenan, das einst ein katholisches Mädchen-
hineinschrauben, sie Schicht für Schicht erforschen.       heim war. Bernadette war einst Architektin, von vielen
                                                                                                                          59
Manchmal auch: sie entsorgen. Häuser sind allemal die      Kollegen hoch geschätzt, sie hat sich viele Gedanken
besseren Geschichtenerzähler. Und man kommt, wenn          gemacht zu ihren Projekten, zu ihrem Metier. Sie ver-
man Räume filmt, unmittelbar an den Ursprung des Kinos.    suchte eine Verbindung herzustellen zwischen dem
                                                           Bau, dem Ort, wo er platziert wird, und den Menschen,
Eindringlichkeit der Natur                                 für die er geschaffen wird. Ein präpotenter Medien-
Die Stimmung ist prächtig, viele Gäste, ein nachmittäg-    mann hat dann ihr Haus gekauft und zerstört und Ber-
liches Kinderfest. Die Kleinen performen, mit Ernst und    nadette traumatisiert und als Architektin vernichtet. Sie
Andacht. Seit Tagen strömender Regen. Ein Haus am          lebt nun in einer Schieflage, ihr Haus am Hang ist ein
Hang. Schlamm drückt plötzlich zur Tür herein. Verwir-     Gehäuse der Depression. Richard Linklaters Film bohrt
rung, Entsetzen, ein Erdrutsch. Eine Invasion der Natur.   sich in ihren Kopf, ihre Vorstellungswelt, er ist die Psy-
The party is over, in Richard Linklaters neuem Film        chopathologie einer Architektin.
WHERE’D YOU GO, BERNADETTE. Die Büsche, die sol-
che Erdmassen hätten bändigen können, wurden abge-         Die Männer brauchen zu lang ...
holzt. Verflixte Gartenarchitektur.                        Frauen, die Akzente setzen, in Baukultur und Bauge-
    Bauen im Zeitalter der Katastrophen, der natürli-      schichte ... Bernadette Fox, Victoria Ocampo, Jill Magid:
chen wie der sozialen, angesichts der Zerstörung von       eine Figur aus einem erfolgreichen amerikanischen
Biotopen und der Verschärfung der Klassenunterschie-       Roman von Maria Semple, eine große Intellektuelle des
de, zwischen Arm und Reich. Architektur für eine neue      20.Jahrhunderts in Buenos Aires, eine New Yorker Per-
Welt, mit dem Anspruch, sich als soziales Medium zu        formerin, die eine eigentümliche Beziehung zum ver-
bewähren, Ausgleich und Zusammengehörigkeit zu             ehrten großen mexikanischen Architekten Luis Bar-
schaffen, Kommunikation mit den anderen Menschen           ragán entwickelt. Akzente setzen, das ist das Gegenteil
und mit der Natur.                                         zum Schaffen von einem Nullpunkt her, zu kreativer
Allmacht, männlichem Powerplay. Heißt mit und an den          Genie droht
                                                                       Materialien arbeiten, Stoffe verwandeln, im Team tätig        Ein Haus der Vernetzung, würde man heute von der
                                                                       sein. Den eigenen kreativen Prozess immer neu reflek-         Casa sagen, dagegen schneidet Bernadette in Seattle
                                                                       tieren. 20 Mile House heißt eins der beiden Bauwerke,         alle Verbindungen zur Umwelt radikal ab. Richard Link-
                                                                       die Bernadette Fox geschaffen hat, ein Haus gebaut nur        later glaubt an die inneren Beziehungen von Architektur
                                                                       aus Materialien, die sich im Umkreis von zwanzig Mei-         und Kino: »Jeder Architekt, der ein Gebäude entwirft,
                                                                       len um seinen Bauplatz finden lassen.                         glaubt, dieses würde für immer stehen. Sie müssen so
                                                                           Akzente setzen, das hat auch nichts zu tun mit Ver-       empfinden, und auch die Filmemacher müssen so
                                                                       zierung, Verschnörkelung, Ornament – was man weib-            empfinden: Oh, ich habe diesen Film gemacht, und nun
                                                                       licher Kreativität gern zuschreibt, im Gegensatz zur          ist er da. Nun, womöglich ist er das nicht. Man verliert
                                                                       Gradlinigkeit der Männer. Die berühmte Casa Victoria          das Negativ irgendwo oder vergisst es einfach. Aber du
                                                                       Ocampo wurde 1929 nach Vorstellungen der Schrift-             musst einfach so denken ...« »Leute wie du müssen
                                                                       stellerin gebaut. Le Corbusier, den sie angefragt hatte,      schaffen«, sagt ein Architektenfreund zu Bernadette.
                                                                       brauchte zu lang, um sich zu entscheiden. Alejandro           »Wenn ihr das nicht tut, werdet ihr eine Bedrohung für
                                                                       Bustillo, der den Bau dann als Architekt betreute, wollte     die Gesellschaft.«
                                                                       ihn nicht mit seinem Namen zeichnen, weil er stärker              Im Schatten einer Katastrophe: NOTRE DAME von
                                                                       dem europäischen Neoklassizismus anhing und ihm               Valérie Donzelli. Sie spielt eine Architektin, die auf wun-
                                                                       der rationalistische, unaufdringliche Gleichmut fehlte,       dersame Weise – der Wind weht, wo er will – zu dem
                                                                       den Ocampo entwickelte. Die schöne Statik der Villa           Auftrag kommt, die Anlagen vor Notre Dame neu zu
                                                                       steht im Kontrast zur Erinnerungsarbeit des Films, zur        gestalten. Als sich die Männer mit ihren phallischen Vi-
                                                                       Abfolge der Fotografien der Menschen in Victoria              sionen einmischen, kommt es zu öffentlichem Protest,
Architekturfilmtage

                                                                       Ocampos Leben, die nebeneinander platziert und ver-           Mahnwachen mit Gebet vor der Kathedrale. Am Tag, da
                                                                       schoben werden. Das erste moderne Haus in Buenos              die Montage des Films fertig war, kam die Nachricht
                                                                       Aires, später von Le Corbusier, als er sich endlich von       vom Brand von Notre Dame, erzählt Donzelli. Kann Ar-
                                                                       Ocampo herbeilocken ließ, explizit gerühmt. Die Nach-         chitektur jemals wieder so leicht und spielerisch und
                                                                       barn waren not amused, der Bau mindere doch sehr,             schwerelos werden wie ein Lego-Bau oder eine Jac-
                                                                       empfanden sie, die Wohnqualität ihres Viertels. Ocam-         ques-Demy-Phantasie?
                                                                       po, aus einer finanziell und kulturell potenten Familie,          Wie ein Musical kommt einem auch vor, was in der
                                                                       war die intellektuelle grande dame der argentinischen         Tradition von Palladio gebaut wurde. Eine unerhörte
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                                                                       Kultur, in der Villa hatte die legendäre Zeitschrift »Sur«,   Schwerelosigkeit, der erste Moderne, sagt einer, der
                                                                       die sie gründete und herausgab, lange ihre Redaktion,         befragt wird im Film von Giacomo Gatti. Immer wieder
                                                                       Chef war Jorge Luis Borges.                                   staunt man, wenn vor der Kamera Palladios Skizzen
                      HISTORIA DE UNA CASA (GESCHICHTE EINES HAUSES)
durchgeblättert werden, über die Vollkommenheit die-       gefilmt. Ich bin ein survivor, sagt sie mal, und die Ka-
ser Bauten, schon auf dem Papier. Wie im Kino: Bei         drierung, mit zwei strengen Türpfosten, sperrt sie hart
Palladio ist wichtig, was man nicht sieht, die Imagina-    in ihr eigenes Leben ein. Lebendiger als diese Aufnah-
tion, die – wenn man es in Worte zu fassen versucht,       men ist allemal, was die alte Frau hinterlassen hat,
wird es immer schwerfällig – »verborgene Hermeneutik       messiehaft. Briefe, Artikel aus Glamourmagazinen,
der Idealität in der Architektur«.                         Fotos. Es wird geschreddert, Vergangenheit, die sich
                                                           kräuselt.
Zwischen Himmel und Hölle                                      Häuser, die abschirmen, sich abschließen, und doch
Noch eine Invasion, eine Intrusion von Regen und           Brüche, Ritzen, Lücken haben, in denen die Außenwelt
Dreck, im Film PARASITE von Bong Joon Ho, der im           sichtbar wird, bereit zum Eindringen. Das Haus will er-
vergangenen Jahr die Goldene Palme in Cannes ge-           obert, angeeignet, angepasst werden. Es ist Territorium,
wann und jetzt auch bei den Oscars in Hollywood kräftig    terrain vague. Im Haus, das Bernadette Fox bewohnt,
mitgemischt hat. Als die Familie Kim eines Nachts in       kann man einzelne Räume gar nicht mehr direkt errei-
ihre Wohnung zurückkehrt, ist die unter Wasser gesetzt,    chen, man muss von hintenherum, von außen einstei-
auch hier tagelanger Regen. Die Kims leben im Souter-      gen. Einmal streift Cate Blanchett durch das Wohnzim-
rain, armselig eng, wo man durchs Fenster exklusiven       mer, holt fast geistesabwesend ein Teppichmesser
Erste-Reihe-Blick auf eine Gasse hat, in der die Leute     heraus und schneidet ein Stück Teppichboden auf, zieht
sich gern entleeren. Wohliges Spektakel.                   die Ecken hoch und gibt so einem Pflänzchen Raum,
    Aber die Kims kommen raus, es geht aufwärts mit        sich zu strecken.
ihnen, sie kommen bei der reichen Familie Park unter,          Das alte »Die da unten, die da oben«-Modell, das
die über der Stadt wohnt. Alle vier finden dort Beschäf-   die Gesellschaft so lange definierte und auch die neue

                                                                                                                        Architekturfilmtage
tigung, in Funktionen vom Nachhilfelehrer bis zum          Wissenschaft, die Psychoanalyse noch, ist in diesen
Chauffeur, aber ohne dass sie sich outen würden als        Filmen außer Kraft gesetzt. Der Unterbau, die Unterwelt
eine zusammengehörige Familie. Sie sind die Parasi-        hat keine Kraft mehr, in die uns die Filme von Fritz Lang,
ten, die der Titel suggeriert, doch der Film weicht die    Jean Cocteau oder Carol Reed einführten. Und wo das
Eindimensionalität der Parabel lustvoll auf, so wie es     Leben, die Interaktion zwischendrin, sich ereignen
auch in Kurosawas TENGOKU TO JIGOKU (HIMMEL                könnte, herrscht Leere, das bringt das Erzählen in
UND HÖLLE) ist, dem Thriller, den Bong selbst in eine      Bongs Film an sein Ende. Die Annäherung ans Haus ist
Linie stellt mit seinem eigenen Film. Die Parasiten sind   wie bei Hitchcock, Schritt für Schritt, wie das Ende von
                                                                                                                          61
lebenstüchtig und -wichtig, sie bringen die Mitglieder     PSYCHO, und auch der messerscharfe Schluss erinnert
der reichen Familie mit dem Leben zusammen. Und            an diesen Film.
lassen die Ebenen durcheinander purzeln, auf denen
sich alles abspielt.                                       Der Diamant aus Notwehr
    Das Haus scheint eher zum Rückzug, gar zur Evasi-      Noch einmal Architektur und Subversion. Die New Yor-
on gedacht als zum Aufeinandertreffen. Der Film als        ker Künstlerin Jill Magid auf den Spuren des von ihr
Versteckspiel. Bong und sein Produktionsdesigner ha-       verehrten Luis Barragán – was immer auch und vor
ben das Haus von den Blickwinkeln her entworfen,           allem eine fantastische Selbstdarstellung ist, ein Ego-
auch solchen, die den Garten und das Draußen reflek-       trip. Auch: ein Akt von Notwehr.
tieren. Dem Produktionsdesigner geht es – er ist nie           Barragáns Werk, so wie es in Mexiko zu sehen ist,
Konstruktivist – mehr darum, den Blick zu blockieren.      ist nicht wirklich frei zugänglich. Federica Zanco, seine
Frieda Grafe schrieb, wie sich im Kino die alte bühnen-    letzte Freundin, hat die Barragan Foundation in der
zentrierte Vorstellung vom Dekor auflöste, durch die       Schweiz gegründet und den künstlerischen Nachlass
neue Vielfalt der Perspektiven, die die Natur des Kinos    erworben. Sie beharrt auf der Exklusivität der Foundati-
ausmacht: Architektur der Blicke. In PARASITE geben        on, alle Bitten um Mitarbeit und Zurverfügungstellung
die Tageszeiten den Rhythmus und die Balance vor.          lehnt sie ab, in kühl resoluter Förmlichkeit, auch die der
                                                           Performerin Jill Magid. Die Foundation hält auch die
Sperrig und eingesperrt                                    Rechte an allen Abbildungen der Bauten des Architek-
Invasion, Intrusion … Im Film 306 HOLLYWOOD ge-            ten. Dem Filmemacher Heinz Emigholz haben sie, als er
schieht sie nach dem Tod der Großmutter der Filmema-       wegen eines Kapitels seiner legendären »Photography
cher Elan und Jonathan Bogarín. Zehn Jahre haben sie       and beyond«-Serie anfragte, eine Absage erteilt. Zensur
immer wieder die alte Frau vor ihre Kamera gesetzt und     durch Kapitalismus, nennt er das.
Um den Nachlass wieder nach Mexiko zurückzu-             Architekturhistoriker erläutern Palladios Nachwirkung
                                 bringen, als nationales Erbe, fasst Magid einen bizarren      auf die moderne Architektur, Architekturstudenten in
                                 Plan der Annäherung, auch eine Art Infiltration, und          Yale diskutieren über die Widersprüche des amerikani-
                                 bietet Zanco einen Deal an, ein egozentrisches Projekt,       schen »Palladianismus« – ein Symbol von Demokratie
                                 das in der simplen Nacherzählung absurd und obszön            und Sklaverei. (Der amerikanische Kongress hatte Pal-
                                 klingen würde, bei dem die Asche des Toten im Zen-            ladio 2010 zum »Vater der amerikanischen Architektur«
                                 trum steht. Man muss den pathetischen Ernst Magids            erklärt.) Der Film folgt verschiedenen Aspekten von
                                 erleben, die naive Selbstverständlichkeit, mit der sie        Palladios Architektur: von den Einflüssen des antiken
                                 sich in dem Bett streckt, wo Barragán in seinem Haus          Rom zu den sozialen und politischen Konnotationen der
                                 einst seine Freundinnen einquartierte, um zu erfassen,        Villen in der späten Renaissance, von der Analyse der
                                 was das Projekt für sie bedeuten muss.                        Proportionen zu den verwendeten Baumaterialien. Er
                                      Bauen im Zeitalter der Katastrophen. Als sie die         erzählt auch von Bewahrung und Restaurierung, und
                                 Barragan Foundation ins Leben rief, hat Federica Zanco        davon, wie es ist, heute in einer Palladio-Villa zu leben.
                                 den Namen des großen Mannes, um ihn international              Freitag, 24. April 2020, 18.30 Uhr
                                 zu generalisieren, leicht verändert. THE PROPOSAL von
                                 Jill Magid ist als Film ein Antrag, der Versuch, Barragán     Gisaengchung (Parasite) | Südkorea 2019 | R: Bong
                                 seinen Akzent wieder zu verschaffen.                          Joon Ho | B: Bong Joon Ho, Han Jin Won | K: Hong
                                                                               Fritz Göttler   Kyung Pyo | M: Jung Jae Il | D: Song Kang Ho, Lee Sun
                                                                                               Kyun, Chang Hyae Jin, Cho Yeo Jeong, Choi Woo Shik,
                                 Ein Programm der Bayerischen Architektenkammer in Zusammen-
                                 arbeit mit dem Filmmuseum München. Konzeption: Stephanie
                                                                                               Park So Dam, Lee Jung Eun | 132 min | OmU | Szenen
                                 Hausmann, Klaus Volkmer.                                      aus dem Parallelleben in Seoul, zwei Familien, mindes-
Architekturfilmtage

                                                                                               tens, die in einem zentimetergenau designten Haus le-
                                 Palladio | Italien 2019 | R: Giacomo Gatti | B: Giacomo       ben wollen, eine wohlhabende und eine arme, die raus
                                 Gatti, Elia Gonella | K: Massimiliano Gatti, Marco Sgor-      will aus dem Dreck. Eine soziale Groteske, inspiriert von
                                 bati | M: Diego Ronzio | 98 min | OmeU | Eine Reise von       den extremen Klassenunterschieden in Südkorea, aber
                                 der Villa Malcontenta und anderen ikonischen Palla-           am Ende scheint es, als habe das Haus alle seine Be-
                                 dio-Bauten im Veneto nach Amerika. Architekten und            wohner fest im Griff. Bong hat ausgerechnet, wie viele

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                      PALLADIO
Jahre ein Angestellter arbeiten müsste, um sich dieses      The Proposal (Der Antrag) | USA 2018 | R+B: Jill Ma-
Haus leisten zu können: 547 Jahre. Aber die moderne         gid | K: Jarred Alterman | M: T. Griffin | 84 min | OF | Der
Architektur bewirkt, dass die Klassenkämpfe ins Leere       Film ist Teil einer Multimedia-Arbeit von Jill Magid, die
laufen.                                                     um das Erbe des mexikanischen Architekten und Pritz-
 Freitag, 24. April 2020, 21.00 Uhr | Einführung:          ker-Preisträgers Luis Barragán (1902–1988) kreist.
Klaus Volkmer                                               Das Projekt stellt radikale Fragen zu den Formen von
                                                            Macht, Copyright, finanziellem und symbolischem Wert
Historia de una casa (Geschichte eines Hauses) |            und dem Zugang zum Nachlass eines Künstlers. Das
Argentinien 2019 | R: Ignacio Masllorens | B: Ignacio       persönliche Archiv wird in seinem Haus in Mexico City
Masllorens, José Luis Cancio | K: Eduardo Turri, Diego      verwahrt, der Casa Barragán, die zum UNESCO-Welt-
Olmos | M: Marcelo Bragagnolo | 20 min | OmeU | Die         kulturerbe zählt. Das professionelle Archiv ist seit 1995
Geschichte eines ikonischen Bauwerks, des ersten Bei-       in der Barragan Foundation in der Schweiz verschlos-
spiels »rationalistischer« Architektur in Buenos Aires.     sen. Jill Magids »Antrag« an Federica Zanco, die Direk-
Ein Haus der »reinen und logischen Linien«, gebaut          torin der Foundation, ist ein zweikarätiger Diamantring,
nach den strikten Vorgaben der Bauherrin Victoria           gewonnen aus Barragáns Asche, im Austausch gegen
Ocampo. »Sie werden erkennen, dass die Pyramiden            die Rückgabe des Archivs an Mexiko.
nur unbedeutende Bagatellen sein werden neben die-           Sonntag, 26. April 2020, 18.30 Uhr
sem Haus« schrieb sie ihrem Architekten. – 306 Hol-
lywood | USA 2018 | R+B+K: Elan & Jonathan Bogarín
| B: Nyneve Laura Minnear | K: Alejandro Mejía | M: Troy
Herion | 94 min | OF | Wer war Großmutter Annette? Ihr

                                                                                                                           Architekturfilmtage
weißes schindelgedecktes Haus öffnet sich zu einer
magisch-realistischen Schatztruhe. Eine archäologi-
sche Grabung: Die Geschwister Bogarín katalogisieren
jahrzehntelang vergessene Kostbarkeiten, Tand und
Nippes, ordnen sie zu exquisiten Pastiches und suchen
nach Sinn und Bedeutung in den Mustern der Erinne-
rung. Ein Haus ist ein Universum.
 Samstag, 25. April 2020, 18.30 Uhr                        Notre Dame | Frankreich 2019 | R: Valérie Donzelli | B:
                                                                                                                             63
                                                            Valérie Donzelli, Benjamin Charbit | K: Lazare Pedron |
Where’d You Go, Bernadette (Bernadette) | USA               M: Philippe Jakko | D: Valérie Donzelli, Pierre Deladon-
2019 | R: Richard Linklater | B: Richard Linklater, Holly   champs, Thomas Scimeca, Bouli Lanners, Virginie Le-
Gent, Vince Palmo, nach dem Roman von Maria Semp-           doyen, Isabelle Candelier | 88 min | OmU | Wie bei
le | K: Shane F. Kelly | M: Graham Reynolds | D: Cate       Bernadette, der Traum von einer lässigen, leichten Ar-
Blanchett, Billy Crudup, Kristen Wiig, Emma Nelson,         chitektur. Maud Crayon heißt die Architektin im Film von
Laurence Fishburne, Judy Greer | 110 min | OmU |            Valérie Donzelli, die von der Regisseurin selbst gespielt
»Wohin bist du verschwunden, Bernadette?« fragt der         wird. »Ich mag Filme nicht«, sagt sie, »in denen die Fi-
Titel des Romans, den Richard Linklater hier verfilmte.     guren nicht sozial festgeschrieben sind«. In Paris fil-
Sie verschwand, verkörpert von Cate Blanchett, ins Po-      men, das heißt auch in Rechnung stellen, was die Leu-
largebiet, und man sieht sie mit Hingabe zwischen Eis-      te an Miete zahlen. Die Ideen fliegen Maud nur so zu,
bergen paddeln, denn hier ist noch Freiheit für eine        auch ein früherer Geliebter kommt zurück, sodass alles
Architektin, die ihren Job ernst nimmt, Nullpunkt und       manchmal aussieht, als wären wir in einem Film von
Neubeginn, tabula rasa. Für Linklater, den Filmemacher      Jacques Demy. Das Muster all ihrer Kleider – farbiges
aus Austin/ Texas, ist Anarchie ein natürlicher Zustand,    Schottenmuster auf dunklem Untergrund – garantiert
er erzählt gern von Menschen, die permanent im Über-        alles andere als Ordnung in ihrem Leben. Die Anarchie,
gang sind, ein Dauerzustand. Bei Cate Blanchett und         die sie sucht, kommt von den Männern. Ihr Ex bringt in
Bernadette fremdelte er ein wenig, es ist die erste gro-    seinem Namen zwei subversive Figuren zusammen:
ße Frauenfigur in seinem Werk. Eine unkalkulierbare         den Bacchus und den Fuchs. Das eigentliche Happy
Kreativität.                                                End schreibt die Wirklichkeit: Notre Dame brennt, aber
 Samstag, 25. April 2020, 21.00 Uhr | Einführung:          überlebt.
Klaus Volkmer                                                Sonntag, 26. April 2020, 21.00 Uhr
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