Das G.I.F.-Drittmittelprojekt über die Arbeit des Menschenrechtsaus-schusses der Vereinten Nationen
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Kaspers/Ludewig: G.I.F.-Drittmittelprojekt Menschenrechtsausschuss 83 Das G.I.F.-Drittmittelprojekt über die Arbeit des Menschenrechtsaus- schusses der Vereinten Nationen Birte Kaspers/Manuela Ludewig Inhaltsübersicht technologische und wissenschaftliche Zu- I. Einführung sammenarbeit zwischen Israel und II. Der Drittmittelgeber G.I.F. Deutschland zu stärken. Von der gegensei- III. Die Projektleiter und ihre Mitarbeiter tigen Kooperation im wissenschaftlichen IV. Der Menschenrechtsausschuss Bereich sollen sowohl das freundschaftli- che Verständnis zwischen dem deutschen V. Projekttätigkeiten und israelischen Volk als auch Wissen- VI. Ausblick schaft und Forschung in beiden Staaten profitieren. Die Besonderheit der G.I.F.- Idee besteht darin, dass beide Ministerien I. Einführung in Bezug auf Finanzen, Management und Seit Januar 2009 wird im MenschenRechts- Entscheidungsprozesse gemeinsam betei- Zentrum der Universität Potsdam (MRZ) ligt und gleichberechtigt verantwortlich ein auf drei Jahre angelegtes internationa- sind. Die Forschungsvorhaben müssen den les Forschungsprojekt mit dem Titel „The wissenschaftlichen und administrativen UN Human Rights Committee. Its Role in Vorgaben der Stiftung entsprechen. Insbe- the German and Israeli Legal Systems and sondere ist es das Ziel der G.I.F., For- in International Protection of Human schungsprojekte zu fördern, die einen Rights” bearbeitet. Bei diesem Projekt han- friedlichen Zweck in beiden Ländern ver- delt es sich um ein Drittmittelprojekt. folgen.1 Drittmittelprojekte sind Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, die von Mitglie- III. Die Projektleiter und ihre Mitarbeiter dern der Hochschule im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben durchgeführt und Das Projekt beschäftigt sich mit der Arbeit nicht aus Haushaltsmitteln, sondern mit des Menschenrechtsausschusses der Ver- Beiträgen Dritter finanziert werden. Vor- einten Nationen (Ausschuss, MRA). Die liegend handelt es sich um ein deutsch- beiden Leiter des Projekts, Prof. Eckart israelisches Kooperationsprojekt zwischen Klein und Prof. David Kretzmer, waren lang- dem MRZ und dem Minerva-Zentrum für jährige Mitglieder dieses bedeutenden Menschenrechte der Hebräischen Universi- Gremiums des universellen Menschen- tät Jerusalem. rechtsschutzes. Ihre gemeinsame Aus- schusszeit war in der Zeit von 1995 bis 2002. Überdies war Prof. Kretzmer von 2001 II. Der Drittmittelgeber G.I.F. bis 2002 stellvertretender Vorsitzender und Das Forschungsprojekt wird von der Ger- Prof. Klein Rapporteur des Ausschusses. man-Israeli Foundation for Scientific Re- Die akademischen Biographien der beiden search and Development (G.I.F.) finanziert. Projektleiter sind geprägt von gemeinsa- Die Stiftung wurde 1986 vom Bundesmi- men Arbeitsbereichen und Interessengebie- nisterium für Bildung und Forschung und dem israelischen Wissenschafts- und Tech- 1 http://www.gifres.org.il/index_files/ nikministerium ins Leben gerufen, um die pae0001.htm.
84 MRM —MenschenRechtsMagazin Heft 1/2011 ten. So gehören die Perspektiven des inter- Exekutivausschusses der HaMoked – dem nationalen Menschenrechtsschutzes genau- Zentrum für die Verteidigung des Indivi- so wie Frieden und Sicherheit durch inter- duums.3 nationale Zusammenarbeit zu den gemein- Unterstützt wird das Projekt auf deutscher samen Forschungsschwerpunkten der Pro- Seite von Frau Ass. iur. Birte Kaspers und fessoren. Frau Manuela Ludewig. Den beiden Mitar- Prof. Eckart Klein war von 1981 bis 1994 an beiterinnen obliegen die Recherchearbeiten der Universität Mainz und von 1994 bis für die einzelnen Buchkapitel, und sie hel- 2008 an der Universität Potsdam Inhaber fen bei der Organisation der übrigen Pro- des Lehrstuhls für Staatsrecht, Völkerrecht jekttätigkeiten. Birte Kaspers ist Volljuristin. und Europarecht. Er ist Gründungsdirektor Sie hat an der Universität Potsdam und an des seit 1994 bestehenden MRZ. Außerdem der Universität von Nijmegen in den Nie- liest Prof. Klein regelmäßig an der St. Tho- derlanden Rechtswissenschaften studiert mas University School of Law in Miami, und ist seit Projektbeginn dabei. Darüber Florida im Rahmen des LL.M. Programms hinaus promoviert sie zum Thema „Die "Intercultural Human Rights." Darüber Auslegungsmethoden des Menschen- hinaus ist Prof. Klein vielfältig im internati- rechtsausschusses im Vergleich mit denen onalen Bereich tätig. Von 1995 bis 2002 war des Europäischen Gerichtshofs für Men- er Mitglied des VN-politischen Beirats des schenrechte“. Ihr Dissertationsvorhaben Auswärtigen Amtes und seit 1997 ist er wird von Prof. Klein betreut.4 Manuela Lu- Mitglied des Rats der Deutschen Gesell- dewig unterstützt seit Oktober 2010 als wis- schaft für Völkerrecht (DGVR). Zudem ist senschaftliche Hilfskraft das G.I.F.-Projekt. Prof. Klein seit 1998 mehrmals als Ad-hoc- Sie hat an der Universität Potsdam und an Richter am Europäischen Gerichtshof für der Universität von Newcastle in Australi- Menschenrechte tätig gewesen.2 en Rechtswissenschaften studiert und 2010 ihre Erste Juristische Prüfung abgelegt. Prof. David Kretzmer ist emeritierter Profes- Auch ihre Dissertation wird von Prof. Klein sor für internationales Recht an der Hebrä- betreut.5 ischen Universität Jerusalem und war Pro- fessor für Rechtswissenschaften am Auf israelischer Seite wird das Projekt von Transitional Justice Institute der Universi- Frau Michal Netanyahu unterstützt. Frau tät von Ulster. 1993 gründete er das Miner- Netanyahu kommt aus Haifa und studiert va-Zentrum für Menschenrechte der Heb- seit drei Jahren Rechtswissenschaften an räischen Universität Jerusalem und war in der Hebräischen Universität in Jerusalem. der Zeit von 1997 bis 2000 der erste aka- Ein Semester studierte sie am Center for demische Direktor dieses Gemeinschafts- Transnational Legal Studies in London. zentrums der Hebräischen Universität von Außerdem schreibt Frau Netanyahu für das Jerusalem und der Universität von Tel Hukim Law Journal, welches von der juris- Aviv. Neben seinen akademischen Tätig- tischen Fakultät der Hebräischen Universi- keiten ist Prof. Kretzmer aktiv in mehreren tät herausgegeben wird und ist teaching Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Er assistant für Jüdisches Recht. war Gründungmitglied der Gesellschaft für Bürgerrechte in Israel und deren Vor- standsvorsitzender in der Zeit von 1985 bis 1996 und 1988 bis 1989. Er war im Grün- dungsrat der B'Tselem – dem israelischen 3 http://www.icj.org/getStaffDetails.asp? Informationszentrum für Menschenrechte usersID=61; http://transitionaljustice.ulster.ac.uk/staff_pro in den besetzten Gebieten. Außerdem files/david_kretzmer.html. stand Prof. Kretzmer im Dienste des ersten 4 http://www.uni-potsdam.de/mrz/mitarbeiter- innen/ass-iur-birte-kaspers.html. 2 http://www.uni-potsdam.de/ls- 5 http://www.uni-potsdam.de/mrz/mitarbeiter- zimmermann/klein/cv.html. innen/manuela-ludewig.html.
Kaspers/Ludewig: G.I.F.-Drittmittelprojekt Menschenrechtsausschuss 85 IV. Der Menschenrechtsausschuss stimmungen, so dass es auch nach ihrer Ausschusszeit im Jahre 2005 zu einem ge- Der Menschenrechtsausschuss (Ausschuss, meinsamen Treffen im Max-Planck-Institut MRA) der Vereinten Nationen ist eines der für ausländisches öffentliches Recht und acht Vertragsüberwachungsorgane der Völkerrecht in Heidelberg kam. Die beiden Vereinten Nationen.6 Er ist ein aus 18 un- Projektleiter arbeiteten während ihres Tref- abhängigen Experten mit hohen morali- fens an einem Aufsatz über das Staatenbe- schen Standards und anerkannten Kompe- richtverfahren gem. Art. 40 IPbpR und tenzen auf dem Gebiet der Menschenrechte stellten fest, dass sie sich ausführlicher mit bestehendes Quasi-Justizorgan, welches der Arbeit des Ausschusses befassen wol- die Überwachung der Einhaltung des In- len. Zunächst fehlte jedoch die Zeit dafür. ternationalen Pakts über bürgerliche und Die Idee, die Arbeit des Ausschusses, seine politische Rechte (IPbpR, Zivilpakt) wahr- Rolle im deutschen und israelischen nimmt. Er trifft sich dreimal pro Jahr für je Rechtssystem sowie im internationalen drei Wochen in Genf oder New York. Eine Menschenrechtsschutz im Rahmen eines seiner Aufgaben besteht in der Prüfung der Buchprojektes zu untersuchen und zu be- Staatenberichte der Vertragsstaaten, welche leuchten, sollte jedoch einige Jahre später diese dem Ausschuss periodisch vorzule- umgesetzt werden können. gen haben. In Bezug auf Staaten, die das Zusatzprotokoll vom 16. Dezember 1966 unterzeichnet haben, ist der Ausschuss V. Projekttätigkeiten auch befugt, Individualbeschwerden von Bürgern des jeweiligen Staates zu verhan- Zu den Hauptkapiteln über die General deln, die sich in ihren bürgerlichen oder Comments, die Individual Communicati- politischen Rechten verletzt sehen. Bis heu- ons und das Staatenberichtsverfahren lie- te sind weit über 1000 Beschwerden regis- gen bereits ausführliche Ausarbeitungen triert worden. Der Ausschuss veröffentlicht vor. Der folgende Abschnitt erläutert nun ebenfalls General Comments. In diesen einzelne Teile der Projektarbeit. Hierbei Allgemeinen Bemerkungen setzt er sich mit sollen beispielhaft positive Aspekte, aber konkreten Themen wie den Inhalten von auch im Laufe der bisherigen Arbeit aufge- Menschenrechtsgarantien oder seinen ei- tretene Schwierigkeiten dargestellt werden. genen Arbeitsmethoden auseinander.7 Aufgrund der Anfangsbuchstaben ihrer 1. Workshop 2009 in Jerusalem Nachnamen saßen die beiden Projektleiter im Rahmen ihrer Tätigkeit für den Aus- In dem G.I.F.-Projekt soll kritisch unter- schuss nebeneinander. Über die Jahre ent- sucht werden, welche Rolle der MRA im wickelte sich eine Freundschaft geprägt internationalen Menschenrechtsschutzsys- von persönlichen und fachlichen Überein- tem spielt oder spielen sollte. Damit die Projektmitarbeiter in dieser Fra- 6 Die anderen Vertragsorgane sind der Ausschuss ge einen Eindruck von unterschiedlichen zur Überwachung des Internationalen Paktes Standpunkten zu Grundlage und Grenzen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle der Ausschussarbeit aus wissenschaftlicher Rechte (ICESCR), der Ausschuss zur Beseiti- und praktischer Perspektive erhalten, ent- gung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD), der Ausschuss für die Beseitigung der schlossen sie sich, mit unterschiedlichen Diskriminierung der Frau (CEDAW), der Aus- Menschenrechtsexperten über verschiede- schuss gegen Folter (CAT), der Ausschuss für ne Aspekte der Ausschussarbeit zu disku- die Rechte des Kindes (CRC), der Ausschuss tieren. Das Minerva-Zentrum für Men- zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitneh- mer und ihrer Familienangehörigen (CMW), schenrechte der Hebräischen Universität der Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Jerusalem sowie die dortige Juristische Fa- Behinderung (CRPD). kultät führten in Kooperation mit dem 7 http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrc/ MRZ am 13. und 14. Dezember 2009 in Je- index.htm. rusalem einen Expertenworkshop durch.
86 MRM —MenschenRechtsMagazin Heft 1/2011 Beteiligte Fachkräfte waren unter anderem besserungsvorschläge für die Erfüllung Dr. Almut Wittling-Vogel8 und Prof. Chris- sämtlicher Ziele und Aufgaben des MRA tian Tomuschat9 auf deutscher Seite, Prof. zu machen, wo dies sinnvoll und notwen- Frances Raday,10 Prof. Ruth Halperin- dig erscheint. Allerdings sollen sich diese Kaddari11 und Prof. Ruth Gavison12 auf israe- Vorschläge im realisierbaren Rahmen hal- lischer Seite und Dr. Markus Schmidt13 aus ten, also zum Beispiel verfahrenstechnische Genf. Die Fachkräfte berichteten unter an- Veränderungen anregen, aber weniger derem von ihren persönlichen Erfahrungen Überlegungen zur Veränderung des Zivil- mit dem MRA sowie weiteren Fachaus- paktes selbst beinhalten, die schwer um- schüssen und debattierten rege die weit setzbar wären. gefächerten Workshopthemen. Es wurden Durch den Gedankenaustausch zwischen grundsätzliche Fragen zu Hauptaufgaben Wissenschaft und Praxis konnte das gegen- des MRA (Concluding Observations, Gene- seitige Verständnis für die jeweiligen Ver- ral Comments, Views) diskutiert, aber auch haltensweisen verbessert werden, was sich speziellere Themen wie das Verhältnis des zum Beispiel bei der Debatte über Sinn und MRA zu anderen UN-Organen, insbeson- Zweck des ‘constructive dialogue’15 zeigte. dere dem Menschenrechtsrat untersucht. So erhielten nicht nur die Mitarbeiter des So stellte Markus Schmidt unter anderem Projektes zahlreiche Anregungen für ihre fest, dass seit Etablierung des UPR- Arbeit. Verfahrens14 vor dem Menschenrechtsrat die Anzahl der Berichtseingänge im Rah- men des Staatenberichtsverfahrens vor 2. Questionnaires dem MRA gestiegen sei. Auch die Rolle der NGOs im Berichtsverfahren war Thema Die Ziele des Zivilpaktes können nur er- wie verschiedene Ideen für Veränderun- reicht werden, wenn der Ausschuss juristi- gen, zum Beispiel Änderungen bezüglich sche und politische Entscheidungen auf des Formats und Umfangs der Staatenbe- nationaler Ebene beeinflussen kann. Um richte. Hierbei wurde stets im Blick behal- seinen Einfluss bewerten zu können, ist es ten, dass das Projekt zwar bezweckt, Ver- notwendig zu untersuchen, wie Concluding Observations, Views und Ge- neral Comments von den verschiedenen 8 Almut Wittling-Vogel ist Beauftragte der Bun- Organen und Institutionen der Vertrags- desregierung für Menschenrechtsfragen im parteien wahrgenommen und behandelt Bundesministerium der Justiz. werden. 9 Christian Tomuschat ist emeritierter Professor für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht an Wir entwickelten entsprechende Fragebö- der Humboldt-Universität zu Berlin, zudem u. gen, die über den Einfluss der Ausschuss- a. ehemaliges Mitglied des MRA. arbeit auf die nationale Menschenrechts- 10 Frances Raday ist emeritierte Professorin der Hebräischen Universität Jerusalem und ehema- praxis der einzelnen Vertragsstaaten Auf- liges Mitglied des Frauenrechtsausschusses. schluss geben sollten. Aufgrund mangeln- 11 Ruth Halperin-Kaddari ist derzeitiges Mitglied der Kapazitäten stand eine umfangreiche des Frauenrechtsausschusses. persönliche/telefonische Befragung außer 12 Ruth Gavison ist Professorin für Menschenrechte Frage. Diese Questionnaires – je einer für an der Hebräischen Universität Jerusalem. Staatenvertreter, NGOs und nationale 13 Markus Schmidt, damals Leiter des Petition Menschenrechtsinstitute (NHRI/s) – muss- Teams im Büro des Hochkommissariats für Menschenrechte, seit 1. Januar 2010 im Büro der Vereinten Nationen in Genf tätig. Zu seinen 15 Als ‘constructive dialogue’ bezeichnet man den Veröffentlichungen zählt Individual Human mehrstündigen Austausch der Ausschussmit- Rights Complaints Procedures Based On United glieder mit den einzelnen Staatendelegationen, Nations Treaties And The Need For Reform, in: in dem über einzelne Aspekte des aktuellen The International And Comparative Law Quar- Staatenberichts gesprochen und zum Beispiel terly, 1992, S. 645-659. Fragen gestellt, Unklarheiten beseitigt und die jeweiligen Standpunkte deutlich gemacht wer- 14 UPR steht für Universal Periodic Review. den.
Kaspers/Ludewig: G.I.F.-Drittmittelprojekt Menschenrechtsausschuss 87 ten individuell zugeschnitten werden, weil lediglich 15 ausgefüllt und an uns zurück- wir den genannten Organen und Instituti- geschickt wurden. Hierbei erfolgte eine onen mit ihren unterschiedlichen Funktio- gleichmäßige Verteilung zwischen Antwor- nen im System gerecht werden und ein ten von Ministerien, NGOs und NHRIs. umfassendes Bild erhalten wollten. So Eine Handvoll weiterer Adressaten, insbe- wurden beispielsweise die Kenntnisse sondere NGOs, hat zumindest reagiert und über die Ausschussarbeit, das interne Pro- mangelnde Zeit oder Kapazitäten sowie zedere zur Erstellung des Staatenberichts fehlende (spezifische) Befassung mit der oder auch der Umgang mit den Entschei- Ausschussarbeit als Gründe angegeben, dungen des Ausschusses abgefragt. nicht weiterhelfen zu können. So hat zum Beispiel eine internationale NGO, die Glo- Anstatt die Unterlagen an sämtliche Ver- bal Initiative to End All Corporal tragsstaaten16 zu schicken, entschieden wir Punishment of Children, lediglich einen uns, eine repräsentative Anzahl von 34 allgemein gehaltenen Kommentar abgege- Staaten auszuwählen, in der Aspekte wie ben. Auch die Antworten der Internationa- die geographische Lage, Größe, Religion len Gesellschaft für Menschenrechte etc. berücksichtigt wurden und gleichmä- (IGFM) - Deutsche Sektion e.V. waren be- ßig verteilt waren. Deutschland und Israel dingt hilfreich, da sie nicht auf deutsche waren ebenso Teil der Liste wie die ständi- Fragen fokussiert sind und daher keine gen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates spezifischeren Informationen liefern konn- (ausgenommen China, das keine Vertrags- ten. partei des Zivilpaktes ist). Weitere Beispie- le sind Chile, Kroatien, Senegal und Un- Gleichwohl war die Aktion insofern erfolg- garn. Anschließend wurden die reich als einige Antworten sehr ausführlich Questionnaires in jedem ausgewählten waren und die jeweilige Sichtweise zu Fra- Staat an das zuständige Ministerium,17 eine gestellungen hinsichtlich der Ausschussar- Handvoll NGOs, die ihren Arbeitsschwer- beit deutlich machten. Hervorzuheben sind punkt im Bereich der bürgerlichen und an dieser Stelle besonders die Ausführun- politischen Rechte haben, sowie an das gen der deutschen und israelischen Staa- jeweilige NHRI geschickt, falls dieses die tenvertreter sowie die mexikanische NGO‚ Pariser Prinzipien erfüllt.18 Centro de Derechos Humanos Miguel Agustín Pro Juárez‘ (Centro Prodh). In der Hoffnung, möglichst viele Adressa- ten zu erreichen, wurden die Fragebögen Doch soll nicht unerwähnt bleiben, dass vom englischen Original zudem ins Fran- der Lernprozess ein gegenseitiger war. So zösische und Spanische übersetzt. schrieb zum Beispiel der Vertreter einer nigerianischen NGO, dass er nun Kenntnis Leider mussten wir die Erfahrung machen, von den General Comments habe, welche dass von den 270 verschickten Fragebögen er sich im Rahmen der Beantwortung unse- rer Fragen verschafft hatte. Eventuell wird 16 Derzeit gehören dem Zivilpakt 167 Staaten an (Stand: 31. Januar 2011). diese NGO in Zukunft die General Com- 17 Ob das Justiz- oder Außenministerium primär ments als Argumentationshilfe für ihre zuständig ist, ist in den einzelnen Vertragsstaa- Ansichten verwenden. Auch ist es möglich, ten unterschiedlich geregelt. dass diejenigen NGOs, die sich mit dem 18 Die 1993 von der UN-Generalversammlung Fragebogen befasst haben, versuchen wer- verabschiedeten Pariser Prinzipien enthalten ei- den, zukünftig mehr Einfluss auf den Pro- ne Reihe von Grundsätzen für die Ausgestal- zess bei der Erstellung des Staatenberichts tung von NHRIs. Diese sollen über eine juristi- sche Grundlage, einen klaren Auftrag sowie ei- oder der anschließenden Umsetzung der ne ausreichende Infrastruktur und Finanzie- Ausschussempfehlungen zu nehmen und rung verfügen, gegenüber der Regierung unab- den Staatenvertretern und/oder dem Aus- hängig sowie pluralistisch zusammengesetzt schuss ihre Perspektive der nationalen und für besonders schwache Gruppen zugäng- lich sein. Nähere Informationen unter Menschenrechtslage darzulegen. www.nhri.net.
88 MRM —MenschenRechtsMagazin Heft 1/2011 VI. Ausblick Gerichtsverfahren die General Comments als Auslegungshilfe herangezogen werden. In den vergangenen Projektjahren 2009 und Aufgrund der besonderen Fachkenntnisse 2010 wurden bereits wesentliche Aspekte als Staatsrechtler des jeweiligen Vertrags- der Arbeit des MRA untersucht, erläutert staates, dessen Staatsangehörigkeit sie be- und kommentiert. Es erfolgte ein histori- sitzen, fokussieren sich die Projektleiter scher Blick auf die Ausschusstätigkeiten. hierbei auf die Vertragsstaaten Deutsch- Hierbei wurden sowohl Aufbau als auch land und Israel. Dies ändert nichts daran, Struktur und Arbeitsweisen des Ausschus- dass der Erkenntnisgewinn aus den Ergeb- ses unter die Lupe genommen. So wurde nissen des vorgestellten Projektes nicht beispielsweise untersucht, wie sich die ausschließlich bei den Vertragsstaaten Funktion der General Comments oder das Deutschland und Israel liegen dürfte. Das Consensus-Prinzip entwickelt haben und im Rahmen des Projektes entstehende Buch welchen beruflichen Hintergrund die bis- wird hoffentlich zahlreiche Leser aus Wis- herigen und derzeitigen Ausschussmit- senschaft und Praxis finden. glieder hatten beziehungsweise haben. Jedoch blieb es nicht dabei. Vielmehr wur- den auch die aktuellen Entwicklungen auf- gegriffen und diskutiert, beispielsweise der Entstehungsprozess der Allgemeinen Be- merkung Nr. 3419 zur Meinungsäußerungs- freiheit und die neue Form des Staatenbe- richtsverfahrens.20 Worauf wird nun im letzten Projektjahr der Schwerpunkt gelegt? Auch wenn die Pro- jektleiter in ihrer Untersuchung eine uni- verselle Sicht auf die Grundlagen und Grenzen der Ausschussarbeit haben und diese stets im Blick behalten werden, kon- zentrieren sie sich im abschließenden Pro- jektjahr vor allem auf die Frage, welche Rolle der MRA in den nationalen Rechts- systemen der einzelnen Vertragsstaaten spielt. Hierbei wird unter anderem in Au- genschein genommen, in welchen Verfah- ren auf Entscheidungen des MRA Bezug genommen wird, ob also zum Beispiel in 19 Siehe Draft General Comment No. 34 (upon completion of the first reading by the Human Rights Committee), UN-Dok. CCPR/C/GC/ 34/CRP.5 vom 25. November 2010. 20 Der einzelne Vertragsstaat hat die Möglichkeit, sich durch eine Zusatzerklärung für das neue Berichtsverfahren zu entscheiden, nachdem der Bericht im Wesentlichen auf den Antworten auf die in der „List of issues“ gestellten Fragen ba- siert und sich somit auf aktuelle Kernprobleme des jeweiligen Vertragsstaates fokussiert. Siehe dazu Focused reports based on replies to lists of issues prior to reporting (LOIPR): Implementa- tion of the new optional reporting procedure (LOIPR procedure), UN-Dok. CCPR/C/99/4 vom 29. September 2010.
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