Das Konzept "Grünordnung": ein vernetztes, multi funktionales Grünsystem - Qualifizierung, Rückgewinnung und ...
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26 Urbane Freiräume Münster, Nordrhein-Westfalen Das Konzept „Grünordnung“: ein vernetztes, multifunktionales Grünsystem Seit 1966 entwickelt die Stadt Münster ihr gesamtstädtisches Grün- und Freiraumsystem kontinuierlich weiter. Die „Grünordnung“ ist eine erprobte Grundlage, aus der sich die Entwicklung und Nutzung der strategisch wichtigen Grün- und Freiflächen ableiten lässt. Kontext Die Stadt Münster ist Oberzentrum für eine Region Erholungsanlagen und Naturräume durch ein ge- mit 1,5 Millionen Einwohnern und Universitätsstadt schlossenes Netz von Fahrrad- und Wanderwegen mit über 50.000 Studierenden. Bis zum Jahr 2030 miteinander verbunden sind. werden bis zu 30.000 neue Einwohner mit einem Dennoch erfordern das anhaltende Stadtwachstum Flächenbedarf an 160 ha Grundfläche für Wohnge- und der hohe Druck auf das vorhandene Straßen- biete prognostiziert. Der steigende Wohnflächen- system, das für die steigende Zahl an Ein- und Aus- verbrauch, zunehmende Einwohnerzahlen und die pendlern nicht ausgelegt ist, die Weiterentwicklung notwendige Anpassung und Erweiterung der Inf- der Grünordnung. Gesamtstädtisches Ziel ist die rastrukturen stellen die Stadt vor große Heraus- städtebauliche Nachverdichtung in verträglichen forderungen der Freiraumentwicklung. Neben der Räumen und eine Verflechtung der Innenstadtge- ausreichenden Freiraumversorgung zählen hierzu biete mit dem grünen Rand. Um die Fachinteressen die Biodiversität, Klimaanpassung und die Nach- in die gesamtstädtische Perspektive einzubringen, haltigkeit der Stadtentwicklung insgesamt. hat die Stadt in der jüngeren Vergangenheit ver- Münster hat bereits 1966 als erste deutsche Stadt schiedene Aktivitäten und Maßnahmen durchge- ein umfassendes ökologisches Konzept eingeführt führt. Hierzu zählen ein Klimaanpassungskonzept, – die Grünordnung Münster. Seitdem wurde die Grü- die Einführung der Planungswerkstatt, der Master- nordnung kontinuierlich weiterentwickelt, so dass plan „100 % Klimaschutz“, das Modellprojekt „Glo- Münster heute ein Grünsystem aufweist, das für bal nachhaltige Kommune“ und der Zukunftsprozess frische Luft in der ganzen Stadt sorgt und dessen „Münsters Zukünfte 2020, 2030, 2050“. Projektbeschreibung Das Leitbild von Münster ist das einer urbanen, kompakten und grünen Stadt. Dies ist v.a. auf das differenzierte Freiraumsystem aus Ringen, Grün- zügen und quartiersbezogenen Freiräumen und Grünstrukturen zurückzuführen. Die eng bebaute Altstadt ist heute noch von einer grünen Promenade umgeben, da die Stadtplaner ab dem 18. Jahrhun- dert aus kluger Voraussicht die Fläche der ehema- ligen Stadtmauer mit Wallanlagen und Gräben von einer Bebauung freigehalten haben. Mit den wei- teren Stadtentwicklungsetappen sind zwei weitere grüne Ringe hinzugekommen. Der zweite Grünring setzt sich im Kern aus größeren Freiräumen zusam- men, die der Stadtgliederung und Versorgung der Bevölkerung mit wohnungsnahem Erholungsgrün Blick auf die Altstadt mit dem 1. Grünen Ring (Presseamt Münster / Bernhard Fischer) dienen. Lineare Grünverbindungen bzw. „grüne u. a. Promenaden, Parks, Stadt/Stadtteil Münster Freiraumtypen Grünzüge, quartiersbezogen Freiräume Stadt Münster, Amt für Grün- Einwohner (Stadt) 302.178 Projektträger flächen, Umwelt und Nachhal- tigkeit Entwicklungsdynamik wachsend Projektlaufzeit ab 1996 bis heute weiterlaufend Raumbezug/Quartierstyp Gesamtstadt Status beschlossenes Konzept 09/2017
Materialband: Steckbriefe der Fallstudien 27 Trittsteine“ in Form von Grün- und Freiflächen und Wegen verknüpfen diese größeren Freiräume. Der dritte Grünring umfasst die bis zur Stadtgrenze rei- chende freie Landschaft im Bereich der äußeren Stadtteile. Außerdem laufen sieben Grünzüge von der freien Landschaft radial auf die Innenstadt zu und der Dortmund-Ems-Kanal durchzieht das Stadt- gebiet und bietet durch seine Nähe zum Stadtzent- rum ein besonderes „maritimes“ Potenzial. In die- ses Grünsystem eingebunden sind die öffentlichen Grünflächen mit Parkanlagen, Spielplätzen, Klein- gärten und Friedhöfen. Das Konzept der Grünordnung erfasst die Freiräu- me der Stadt mit ihren jeweiligen Funktionen und Wertigkeiten als ein Gesamtsystem und untersetzt diese fachlich. Die Münsteraner Grünordnung ist dabei nicht zu verwechseln mit der rechtlich ver- ankerten Grünordnungsplanung. In Münster steht sie für die Ordnung des Stadtgrüns als ein informel- les Planungsinstrument auf der gesamtstädtischen Maßstabsebene. Die Grünordnung Münster setzt sich aus verschie- denen thematischen Leitplänen und einem Maß- nahmenplan zusammen. Die Karte „Grünsystem. Freiraumkonzept. Vorrangflächen Freiraumsiche- rung“ führt das Konzept räumlich zusammen und weist zwei Typen von Vorrangflächen zur Freiraum- Grünsystem Freiraumkonzept Stadt Münster (Amt für Grünflächen, Umwelt und Nachhaltig- sicherung aus: keit der Stadt Münster) • Freiflächen, die zur Sicherung der Freiraum- funktionen grundsätzlich keine bauliche Ent- wicklung zulassen, und Aktuell werden die Anforderungen der Stadtent- wicklung mit der Perspektive 2030 insbesondere • Freiflächen, in denen stadtökologische und / in der Planungswerkstatt ausgehandelt. Die Pla- oder grünstrukturelle Anforderungen Vorrang nungswerkstatt bereitet größere Projekte vor, wo- haben. bei trotz des steigenden Drucks auf die Freiflächen Durch die Aufnahme in den FNP 2020 sind diese vorrangig nach Lösungen in der Innenentwicklung Vorrangflächen zu behördenverbindlichen Zielen gesucht wird. So werden beispielsweise zwei grö- geworden und können als formell gesichert ange- ßere Kasernenstandorte zu neuen Wohngebieten sehen werden. Mit Hilfe unterschiedlicher Instru- entwickelt. mente verfeinert die Stadt die gesamtstädtische Eine weitere wichtige Komponente des Konzeptes Konzeption in teilräumlichen Konzepten und Pla- „Grünunordnung“ ist ein aktives Marketing für das nungen. So wurden beispielsweise grünordneri- Stadtgrün, das die Stadt schon seit längerem aktiv sche Konzepte für den Grünzug Westlicher Aasee betreibt („Werbung lohnt sich!“). Den Impuls gab und die Entwicklung von Grünflächen aus der Grü- der Beitrag im Rahmen der Entente Florale „Eine nordnung für den Park Kinderbachtal, den „Grünen Stadt blüht auf“ (der damalige Bürgermeister wollte Finger“ Gievenbeck und Park Sentmaring erarbeitet Münster als grüne Stadt bekannter machen). Hie- und größtenteils bereits umgesetzt. ran anknüpfend wirbt die Stadt mit den Slogans Da der FNP 2020 nicht mehr den aktuellen Anforde- „Münster bekennt Farbe“ und „Industrie bekennt rungen der wachsenden Stadt gerecht wird, konkur- Farbe“ für aktive Patenschaften bei der Gestaltung rieren zunehmend Flächenansprüche bereits heu- und Pflege des Stadtgrüns. Erfolgreich könnten so te mit den Zielen der Grünordnung. „Ungeschützte 107 Spielplatzpaten mit Vertrag und zahlreiche wei- Grünflächen“, die als Wachstumsreserven zur Dis- tere Bürgerprojekte entwickelt werden, die auf der kussion stehen, sind dabei v. a. die Flächen, die Internetseite der Stadt dokumentiert sind. nicht im öffentlichen Eigentum sind. 09/2017
28 Urbane Freiräume Ziele • Sicherung des zusammenhängenden Systems der städtischen Grünzüge und Grünringe • Entwicklung möglichst großer zusammenhän- gender Grünflächen • Sicherstellung der Erreichbarkeit und Vernet- zung von Grünflächen • Ausstattung aller Stadtteile mit qualitativ hochwertigen, bedarfsgerechten Grünflächen Park Sentmaring (Stadt Münster) Instrumente und Maßnahmen Gesamtstädtische / übergeordnete Instrumente ßenbereich) mit Festsetzungen zu ökologisch • Grünordnung Münster mit den Leitplänen wertvollen Gebieten, zur Aufwertung des Grünsystem, Naturraum, Freizeit und Erholung, Landschaftsbildes sowie zur Optimierung des Spielflächen, Kleingärten und Friedhöfe und Biotopverbundes und der Biodiversität dem Maßnahmenplan Quartiers- und projektbezogene Instrumente • Klimaanpassungskonzept • Grünrahmenpläne • Rechtsverbindliche Landschaftspläne (Au- • Grünordnungsplan zum Bebauungsplan (für große Bebauungspläne) „Münster setzt auf die Doppelte Innenentwicklung, allerdings sind Kommunikation und Kooperation die Flächenreserven in der inneren Stadt endlich. Es muss auch über • Kampagnen „Münster bekennt Farbe“ und eine Außenentwicklung nachgedacht werden, da das weiterhin an- „Industrie bekennt Farbe“ haltende Bevölkerungswachstum in Münster ohne Stadterweiterung auf längere Sicht nicht zu organisieren sein wird.“ Finanzierung • Der Grün-Etat beträgt rund 12 Mio. €/Jahr, aus Heinrich Bruns, Amtsleiter für Grünflächen, Umwelt und Nachhaltigkeit Münster dem i.d.R alle Maßnahmen bedient werden Herausforderungen und Handlungsempfehlungen Umsetzung der Grünordnung auf lokaler Ebene Planungskultur Münster arbeitet nur bei Spielplätzen und Klein- Neben der formal geregelten Zusammenarbeit bei gärten mit Richtwerten für die Freiraumversorgung. verbindlichen Planungen hat sich in Münster als Ansonsten werden die Erfordernisse der Freirau- Format der Arbeitskreis Stadtentwicklung (Pla- mentwicklung jeweils aus dem strukturellen und nungswerkstatt) bewährt, der die strategischen örtlichen Zusammenhang abgeleitet. Auf der Stadt- Planungsprojekte und -ansätze vorbereitet. Ein teilebene konkretesieren z. B. Grünrahmenpläne weiterer Schlüssel für die gute Zusammenarbeit das „Wunschbild“ der Landschafts- und Freirau- und Planungsabstimmung ist die Einführung von mentwicklung und formulieren damit die Belange gemeinsamen Startergesprächen für alle größeren des Stadtgrüns bei verbindlichen Planungen. Ein Projekte und Planungen (Bebauungspläne, Land- Beispiel ist der Grünrahmenplan Grünzug Gieven- schaftspläne, Umgestaltung Bahnhofumfeld). Die Fe- beck Südwest „Grüner Finger“. Mit ihm konzipiert derführung übernimmt die jeweils planende Behörde. die Stadtverwaltung die Funktionen und Zuordnun- Bauen im Bestand gen der Grünflächen. Die Flächensicherung und Vor- bereitung der Realisierung erfolgt dann z. B. durch Etwa 50 % der baulichen Entwicklungen bis 2020 Verankerung in der verbindlichen Bauleitplanung. werden voraussichtlich im Bestand realisiert, häu- Flächen mit der Funktion einer ökologischen Aus- fig auf der Grundlage von § 34 BauGB, da für die gleichsfläche werden über die naturschutzrechtli- Münsteraner Innenstadt nur teilweise Bebauungs- che Eingriffsbewertung bestimmten Eingriffsflächen pläne vorliegen und erstellt werden können. Bislang zugeordnet. Grünflächen mit vorrangiger Erholungs- konnte eine verträgliche bauliche Entwicklung in und Freizeitfunktion werden den Bedarfen aus den den Bestandsgebieten durch eine fachliche Bera- festgesetzten Baugebieten zugerechnet. Die Grün- tung durch das Grünflächenamt erreicht werden. rahmenpläne sind somit wichtige vorbereitende Allerdings kann der enorme Entwicklungsdruck mit Planungen, um beispielsweise eine strategische den vorhandenen Ressourcen kaum mehr ausrei- Liegenschaftspolitik zu betreiben. chend bewältigt werden. Daher plädiert das Grün- 09/2017
Materialband: Steckbriefe der Fallstudien 29 flächenamt dafür, das Personal zur fachlichen Be- gleitung von Bauvorhaben aufzustocken, um die verbleibenden Spielräume für die Innenentwick- lung aktiv mitgestalten zu können. Bedeutsam ist auch, dass die vorhandenen Instru- mente nur begrenzte Spielräume der Bestandsent- wicklung zulassen. Hilfreich wäre aus der Sicht der Stadt die genauere Definition des Begriffs „gesun- de Wohn- und Arbeitsverhältnisse“ im BauGB (z. B. Erweiterung um Klima und Erholung). Gleichzeitig müsste die Grenze genauer definiert werden, wann eine Aufweitung der öffentlichen Planungsbelange die Aufstellung eines Bebauungsplans rechtfertigt, beispielsweise durch die Einführung eines Verän- derungsquotienten: Wenn ein bestimmter Wert erreicht wird, dann muss ein koordinierender Be- bauungsplan aufgestellt werden (evtl. gekoppelt mit dem Instrument „Grünflächenfaktor“). „Grüner Finger“ Gievenbeck (Bernhard Fischer, Presseamt Stadt Münster) Innovation und Vorbildcharakter Eine ganze Reihe von Städten haben bereits ge- Projektchronologie samtstädtische Freiraumkonzepte erarbeitet. Die 1966 Aufstellung der Grünordnung Müns- Besonderheit in Münster ist die Kontinuität der ter mit Fortschreibung in den Jahren Weiterentwicklung der Grünordnung seit der ers- 1980, 1996, 2008 ten Fassung im Jahr 1966. Dadurch liegt eine ver- lässliche und erprobte Grundlage für Politik und 2012 Letzte Fortschreibung der Grünordnung Verwaltung vor, wenn es um Entscheidungen über 12/2015 Klimaanpassungskonzept die Entwicklung und Nutzung von Grünraum geht. Akteure Die wichtigen Vorrangräume haben mit der Übernah- me in den Flächennutzungsplan für die Planungen Projektträger Grünordnung und Klimaanpassungs- der Behörden eine Verbindlichkeit erhalten und die konzept: Amt für Grünflächen, Umwelt und Nach- gesamtstädtische Konzeption wird von der Stadt in haltigkeit der Stadt Münster teilräumliche Konzepte und Planungen verfeinert. Partner im Dezernat für Wohnungsversorgung, Im- Mit jeweils geeigneten Instrumenten werden die mobilien und Nachhaltigkeit: Ämter Immobilien- Erfordernisse der Freiraumentwicklung aus dem management, Wohnungswesen und Quartiersent- strukturellen und örtlichen Zusammenhang abge- wicklung, Grünflächen, Umwelt und Nachhaltigkeit leitet. Gemeinsam mit der Stadtentwicklung und der und die Abfallwirtschaftsbetriebe Münster (AWM). Liegenschaftsabteilung arbeitet das Grünflächen- amt systematisch an der Bereitstellung von Flächen Weitere wichtige Partner: Amt für Stadtentwick- und der Umsetzung von Teilprojekten. lung, Stadtplanung und Verkehrsplanung, Tiefbau- amt und Bauordnungsamt. Eine weitere wichtige Säule ist die gut etablierte Planungskultur mit einer vertrauensvollen und en- gen Zusammenarbeit der Bereiche Grün, Liegen- schaften und Stadtentwicklung und eingespielten Kontakt Formaten der Abstimmung. Zusätzlich zu den for- mell festgelegten Beteiligungsschritten werden Heinrich Bruns und Reimer Stoldt, Stadt Münster, die Formate „Planungswerkstatt“ sowie Starter- Amt für Grünflächen, Umwelt und Nachhaltigkeit gespräche für die kontinuierliche und transparente Albersloher Weg 33, 48155 Münster Bearbeitung aller größeren Projekte und Pläne ge- 0251/492 67 00 nutzt. Mit der Kampagne „Münster bekennt Farbe“ BrunsH@stadt-muenster.de wendet sich die Stadt offensiv auch an die Bürger, StoldtR@stadt-muenster.de um Patenschaften zur Gestaltung und Pflege des Stadtgrüns zu generieren. Weiterführende Informationen http://bit.ly/Muenster_Gruenordnung http://bit.ly/Muenster_bekennt_Farbe 09/2017
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