Biden geht mit Kamala Harris ins Ren- nen - Auslandsbüro USA, Washington D.C - Konrad ...

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Biden geht mit Kamala Harris ins Ren- nen - Auslandsbüro USA, Washington D.C - Konrad ...
August 2020

Auslandsbüro USA, Washington D.C.

Biden geht mit Kamala Harris ins Ren-
nen

Erste Reaktionen und Kommentare in den U.S.-Medien

Paul Linnarz
Am Dienstag hat Joe Biden, designierter Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei, Kamala
Harris für das Amt der Vizepräsidentin nominiert. Bei einem Wahlsieg wäre sie in der Geschichte der
USA die erste schwarze Frau auf diesem Posten. Der Auswahlprozess war über Wochen hinweg mit
Spannung verfolgt worden.

Zur Person                                           amerikanische Senatorin in der Geschichte be-
                                                     reits eine Reihe historischer Meilensteine er-
Die meisten US-Kommentatoren sind sich in ers-       reicht“ habe. „Sie war auch die erste Afroameri-
ten Reaktionen auf die Nominierung in einem          kanerin und die erste Frau, die als Generalstaats-
Punkt einig: Die Entscheidung für Kamala Harris      anwältin Kaliforniens diente.“ ABC News verweist
wird nahezu durchgängig als „historisch“ bewer-      auf „ein Band zwischen Harris und den Bidens“.
tet. Die Senatorin aus Kalifornien sei, schreibt     Denn während ihrer Zeit als Generalstaatsanwäl-
Perry Bacon Jr. auf FiveThirtyEight, „die erste      tin in Kalifornien war Harris mit Beau Biden be-
asiatische Amerikanerin („Asian American“) und       freundet. Der vor fünf Jahren verstorbene Sohn
die erste schwarze Frau in der amerikanischen        von Joe Biden war damals Generalstaatsanwalt
Geschichte, die bei den allgemeinen Wahlen für       im US-Bundesstaat Delaware.
das Amt des Präsidenten oder Vizepräsidenten
einer der beiden großen politischen Parteien         Chris Cillizza konstatiert auf CNN, dass Kamala
kandidiert hat.“ In den USA gilt Harris als          Harris für die Nominierung „monatelang die Spit-
„Schwarze“ mit asiatisch-amerikanischer Ab-          zenkandidatin“ gewesen sei, „weil sie einfach Sinn
stammung, weil ihre Mutter in Indien, und ihr        machte“. Da sie zunächst selbst als Präsident-
Vater in Jamaika geboren wurden. Bacon erinnert      schaftskandidatin der Demokraten angetreten
daran, dass nach Barack Obama mit Kamala Har-        war, sei Harris „auf nationaler Ebene überprüft“
ris erst zum zweiten Mal in der US-                  und von den Medien getestet worden. „Sie hat
amerikanischen Geschichte eine Angehörige der        Erfahrung in der Regierung - sowohl als kaliforni-
schwarzen Bevölkerungsminderheit von einer           sche Generalstaatsanwältin als auch als US-
der beiden großen Parteien für das Amt des Prä-      Senatorin seit 2017. Mit 55 Jahren repräsentiert
sidenten oder Vizepräsidenten nominiert wurde.       sie eine jüngere Generation von Führungspersön-
Sie ist nach Geraldine Ferraro (1984), Sarah Palin   lichkeiten - etwas, das Biden, der am Tag der
(2008) und Hillary Clinton (2016) auch erst die      Amtseinführung 2021 78 Jahre alt sein wird, als
vierte Frau, die aus den Reihen der Demokraten       einen wichtigen Faktor für seine Wahl nannte.“
und der Republikaner für eines der beiden Ämter      Harris sei, fährt Cillizza fort, „eine historische
kandidiert.                                          Wahl als erste schwarze und südasiatische Frau
                                                     (…) auf der nationalen Wahlliste einer großen
Alisa Wiersema und Libby Cathey weisen auf ABC       Partei“. „Sie kommt aus Kalifornien, einer riesigen
News darauf hin, dass Harris „als zweite afro-       Schatzkammer sowohl demokratischer Stimmen
amerikanische Frau und erste südasiatisch-           als auch demokratischer Spender.“ Und nach
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Länderbericht                                                                                August 2020    2

dem Tod von George Floyd im Mai und während           ausgesucht hat“. Cillizza ist sogar davon über-
der anschließenden Proteste gegen Polizeigewalt       zeugt, dass Harris im Gegensatz zu dem knappen
und die Benachteiligung von Minderheiten habe         Dutzend anderer möglicher Kandidatinnen, die
sich Harris als „eine freimütige Stimme in Sachen     für die Nominierung in den vergangenen Wochen
Rassismus - und der Notwendigkeit einer Reform        in den Medien besonders heiß diskutiert wurden,
der Polizei“ positioniert. „Niemand sonst stand       „keine offensichtliche Schwäche“ habe, „die die
auf Bidens VP-Kurzliste, der so viele Kästchen        Trump-Kampagne ausnutzen“ könne.
angekreuzt hatte“, resümiert Cillizza.
                                                      Michael A. Cohen sekundiert in einem Beitrag für
Zum Führungsgespann                                   den Boston Globe geradezu euphorisch: „Sie hat
                                                      ein nationales politisches Profil. Nachdem sie
Andrea Mitchell, Korrespondentin von NBC News         bereits für die Präsidentschaft kandidiert hat, ist
in Washington D.C., argumentiert: "Sie macht vor      sie weitgehend überprüft worden, und mit 55
allem deshalb Sinn, weil er (Biden) glaubt, dass      Jahren bietet sie einen Kontrast zum 77-jährigen
sie ein guter Regierungspartner sein wird. Sie hat    Biden. Sie ist auch eine geschliffene Kämpferin,
Charisma, sie ist 55 Jahre alt, mehr als zwei Jahr-   die Spannung und Charisma in die nationale
zehnte jünger als er. Sie ist die Zukunft, sie wird   Wahlliste bringt. Vor allem hat sie die Erfahrung,
als die Zukunft der demokratischen Partei be-         glaubwürdig zu argumentieren, dass sie am ers-
zeichnet. (...) Sie ist jemand, von der er (Biden)    ten Tag das Amt des Präsidenten übernehmen
glaubt, dass sie eine Menge Energie in die Wahl-      könnte. Da Biden in den Umfragen mit zweistelli-
liste einbringen kann".                               gen Zahlen an der Spitze liegt, gab es für ihn
                                                      keinen guten Grund, bei seiner Wahl zum Vize-
Der Umstand, dass sich Joe Biden am Dienstag          präsidenten ein Risiko einzugehen. Die Tatsache,
für einen „running mate“ entschieden hat, der ihn     dass die Person, die die logische Wahl war, auch
vor einigen Monaten, damals noch als Kandidatin       die sicherste war, machte diese Wahl zu einem
für die U.S.-Präsidentschaft, öffentlich scharf       Kinderspiel.“
attackiert hatte, wird von den Kommentatoren
unterschiedlich bewertet. So fragt Howard Kurtz       Zur Partei
auf Fox News: „Wie hat sich Biden für sie ent-
schieden, wo er doch angesichts seiner Erfahrung      Demgegenüber kritisiert Andy Puzder in seiner
mit Barack Obama so viel Wert auf Kompatibilität      Reaktion auf FOX Business: „Wie von den ameri-
legte? Biden sagt, er sei nicht nachtragend, und      kanischen Arbeitnehmern befürchtet, hat der
Kamala stand seinem verstorbenen Sohn Beau            mutmaßliche Präsidentschaftskandidat der De-
nahe.“ Aber, fragt Kurtz weiter: „Was bringt sie      mokraten, Joe Biden, eine radikale Kandidatin
über ihre telegene Präsenz hinaus mit ins Spiel?      gewählt.“ Die Nominierung sei ein „Vorstoß des
Biden war bereits im Begriff, Kalifornien zu ge-      Präsidentschaftskandidaten der Demokraten
winnen. Sicherlich wird es mehr Aufregung in der      nach ganz links. (…) Nach Monaten der Spekulati-
schwarzen Gemeinschaft geben.“ Überdies,              on wissen wir jetzt genau, wohin Biden Amerika
mutmaßt Kurtz, werde Harris als Kandidatin für        führen will. (…) Das Ticket der Demokratischen
das Amt des Vizepräsidenten mit ihren Äußerun-        Partei ist endlich komplett - und unserer Wirt-
gen jetzt einem „strengeren Drehbuch“ folgen          schaft zu helfen, sich von der verheerenden
müssen als während ihrer Präsidentschaftskan-         Coronavirus-Pandemie zu erholen, steht nicht auf
didatur. „Da Biden in den Umfragen führend ist,       ihrer radikalen Agenda“, meint Puzder. Noch
suchte er vielleicht nach jemandem, der bestän-       weiter geht die Kritik von Kevin D. Williamson auf
dig genug ist, dass sie seine Chancen einfach         der Internetseite von National Review: „Joe Biden
nicht verschlechtern würde.“ Demgegenüber             hat seinen running mate für 2020 benannt: Auto-
glaubt CNN-Kommentator Chris Cillizza, es sei         ritarismus.“ Williamson wirft Kamala Harris für
„schwer zu erkennen“, dass die damalige Attacke       ihre Zeit als Generalstaatsanwältin in Kalifornien
von Kamala Harris gegen Joe Biden „viel Schaden       “Machtmissbrauch“ vor. „Mit der Wahl dieser
angerichtet hat, wenn man bedenkt, dass Biden         korrupten Staatsanwältin zu seiner Vizepräsi-
Geschichte gemacht hat, indem er sich Harris          dentschaftskandidatin hat Joe Biden einen
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Länderbericht                                                                                 August 2020    3

schwerwiegenden Fehler begangen, der“, so Wil-         cken werden“, begründet er im Wall Street Jour-
liamson weiter, „seine ohnehin schon erhebli-          nal. „Mr. Biden wird wahrscheinlich keinen gro-
chen Mängel im Urteilsvermögen deutlich                ßen Auftrieb von einer Kandidatin erhalten, die in
macht."                                                erster Linie gewählt wurde, um die älteren
                                                       schwarzen Wähler anzusprechen, die sich ohne-
Ob und wie weit die Nominierung von Kamala             hin für ihn (entschieden) hätten. Er (Biden) hat
Harris die demokratische Partei nach links führt,      sicherlich die Progressiven entfremdet.“
ist unter den Kommentatoren ebenfalls umstrit-
ten. Perry Bacon Jr. bilanziert auf FiveThirtyEight:   Währenddessen argumentiert Chryl Laird in ih-
“Nachdem Bernie Sanders und Elizabeth Warren           rem Beitrag für die New York Times: „(…) die Be-
den Nominierungswettbewerb verloren hatten,            deutung dieser Entscheidung und ihre Bedeu-
drängten viele liberale Aktivisten Biden, Warren       tung für schwarze Frauen, die treuesten Mitglie-
als seinen Vizekandidaten zu wählen. Sie waren         der der Demokratischen Partei, kann nicht hoch
erfolglos. Harris hat eine ziemlich liberale Stimm-    genug eingeschätzt werden. Das Engagement
bilanz im Senat, aber sie ist nicht annähernd so       schwarzer Frauen in der Partei ist oft nicht aner-
weit links wie Warren. Harris hat zum Beispiel         kannt worden, aber sie sind seit Generationen
nicht die Auflösung von Facebook gefordert oder        unermüdlich loyal gegenüber der Demokrati-
eine Vermögenssteuer unterstützt.” Bacon               schen Partei.“
glaubt, dass „liberale Aktivisten“ es „schwer ha-
ben (könnten), ihre wichtigsten politischen Ziele      Ed O'Keefe, Korrespondent für CBS News, beton-
durchzusetzen, selbst wenn die Demokraten im           te in seiner ersten Reaktion auf die Nominierung,
nächsten Jahr das Repräsentantenhaus, den              dass viele Wähler unter den Bevölkerungsmin-
Senat und die Präsidentschaft kontrollieren“. Von      derheiten unter Umständen sogar abgeschreckt
den im Falle eines Wahlsiegs für die Zeit ab 2021      worden wären, hätte sich Biden nicht für eine
absehbaren Führungspersönlichkeiten der De-            schwarze Kandidatin entschieden. „Denken Sie
mokraten in Washington D.C. hätten „alle eine          daran, dass dies vor vier Jahren ein echtes Prob-
gewisse Distanz zum linken Flügel der Partei           lem für Hillary Clinton war, vor allem in den gro-
gehalten“. Ted Rall schreibt für das Wall Street       ßen Staaten des mittleren Westens wie Michigan
Journal sogar: “Mit der Wahl von Senatorin Kama-       und Wisconsin und bis zu einem gewissen Grad
la Harris zu seiner Kandidatin sendet Joe Biden        auch in Pennsylvania. Und seit der Wahlnacht
eine Botschaft an die progressive linke Basis der      2016 ist man sich einig, dass viel mehr getan
Demokratischen Partei: Fall tot um.“                   werden muss, um Wähler unter den Minderhei-
                                                       ten, (und) jüngere Wähler, die einen solchen mu-
Zu den Wählern                                         tigen Schritt wünschen, zu motivieren und her-
                                                       vorzulocken. Und es ist ein mutiger Schritt.“
Mit Biden und Harris würden die Demokraten US-
Präsident Donald Trump „genauso herausfor-             Perry Bacon hingegen glaubt, es sei „unwahr-
dern, wie sie 2016 gegen ihn verloren haben“,          scheinlich, dass Harris selbst die schwarzen Wäh-
meint Rall. Trump habe bewiesen, „dass es bei          ler besonders begeistert“. Dies sei, fährt er fort,
den Präsidentschaftswahlen jetzt darum geht, die       „keine zufällige Vermutung - Harris kandidierte
Basis zu energetisieren, um die Wahlbeteiligung        während eines Großteils des letzten Jahres für
zu erhöhen. Der Präsident hat sich wie üblich          das Präsidentenamt und war nicht der bevorzug-
dem Kongress widersetzt und die Art und Weise          te Kandidat älterer schwarzer Wähler in der Vor-
seines Wahlkampfes bestimmt“, wobei seine              wahl der Demokraten (das war Biden) oder jün-
Politik und Rhetorik den Demokraten wohl kaum          gerer schwarzer Wähler (das war Sanders oder
gefallen würden. Für Biden und Harris hingegen         Warren in früheren Phasen des Rennens)“. Über-
bezweifelt Rall vergleichbare Mobilisierungseffek-     dies sei es, so Bacon, „wirklich schwer, so viel
te. „Es ist kaum zu glauben, dass jüngere schwar-      mehr Unterstützung von den schwarzen Wählern
ze Wähler über die Bilanz von Ms. Harris als Be-       zu bekommen, die selbst bei Wahlen wie 2004
zirksstaatsanwältin von San Francisco und als          oder 2016 mit recht hohen Raten (deutlich höher
Generalstaatsanwältin von Kalifornien hinwegbli-       als asiatisch-amerikanische oder hispanische
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
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Wähler) wählen und mit überwältigender Mehr-
heit die demokratischen Kandidaten unterstüt-
zen“.

Jennifer Rubin erinnert in der Washington Post an
das Sprichwort, „dass ein Vizepräsident eine Wahl
nicht gewinnen, sondern nur verlieren kann“.
Nach Meinung der Kolumnistin liege „die Ironie
darin, dass die Frau, die als „zu riskant“ für die
Präsidentschaftskandidatur gilt, tatsächlich die
sichere Wahl für die Vizepräsidentschaft ist“. Für
Rubin kommt Harris „ohne Überraschungen. Sie
ist versiert in der Außenpolitik. Sie kandidiert
nicht zum ersten Mal für ein Amt“. Kamala Harris
werde deshalb auf die kommenden Debatten
vorbereitet sein. „Wir wissen, dass sie einen
Schlag nach dem anderen austeilen kann. (Fragen
Sie einfach Generalstaatsanwalt William P. Barr
und Richter Brett M. Kavanaugh.) Die Medien
haben sie während ihrer Präsidentschaftskandi-
datur ein Jahr lang überprüft. Sie ist Expertin und
effektiv im Fernsehen. Es ist unwahrscheinlich,
dass sie von einem aggressiven Interviewer oder
einem Zwischenrufer gestört wird.“ Im Ergebnis
geht Rubin deshalb nicht davon aus, dass die
Demokraten mit Kamala Harris als Kandidatin für
das Amt des Vizepräsidenten Wählerstimmen
verlieren werden.

Kaum ist die Entscheidung über die Kandidatur
gefallen, läutet Lindsay M. Chervinsky in einem
Kommentar für USA Today die nächste Diskussi-
on mit der Frage ein, welche Persönlichkeiten Joe
Biden bei einem Wahlsieg als Minister vorsehen
könnte. Chervinsky empfiehlt, dem Beispiel
früherer Präsidenten, darunter Barack Obama,
Abraham Lincoln und George Washington, zu
folgen und Kandidaten „mit unterschiedlichen
Perspektiven“ aufzustellen. „Erfolgreiche Präsi-
denten haben ihre Entscheidungsfindung verbes-
sert, wenn ihre engsten Berater“, so Chervinsky,
„ihre Positionen in Frage gestellt haben.“
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
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Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.

Paul Linnarz
Leiter Auslandsbüro USA, Washington D.C.
Europäische und Internationale Zusammenarbeit
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