Das Recht auf diskriminierungsfreie Lehrmaterialien in der juristischen Ausbildung

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Das Recht auf diskriminierungsfreie Lehrmaterialien
              in der juristischen Ausbildung

                 Thi My Duyen Nguyen / Stella Gaumert

                    WORKING PAPER NR. 17

                               2019

betreut durch PD Dr. Anna Katharina Mangold, LL.M. (Cambridge) und
 Dr. Tim Wihl für die Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte

       in Kooperation mit Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb)
Druck und Weiterverarbeitung:
Hausdruckerei der Humboldt-Universität zu Berlin
Technische Abteilung
Unverkäufliches Exemplar

Das vorliegende Working Paper ist Ergebnis der Projektarbeit der Autor_innen im 9.
Zyklus der Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte (HLCMR) im
Wintersemester 2017/18 und Sommersemester 2018.

In den Working Paper werden Schriftstücke veröffentlicht, die im Rahmen und in
Absprache mit der HLCMR entstanden sind. Die Verantwortung für den Inhalt obliegt
den jeweiligen Autor_innen und gibt nicht notwendigerweise die Position der HLCMR
oder der Kooperationspartner_innen wieder.

Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte
Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin
Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien
Unter den Linden 9
10099 Berlin
www.hlcmr.de
www.grundundmenschenrechtsblog.de
Inhalt

A. EINLEITUNG: DISKRIMINIERENDES LEHRMATERIAL IN DER JURISTISCHEN AUSBILDUNG
ALS PROBLEM. KONTEXT UND GANG DER UNTERSUCHUNG.............................................................. 2

B. VERFASSUNGSRECHTLICHE UNTERSUCHUNG ................................................................................... 6

    I. ANSPRUCH AUS ART. 3 III GG ...................................................................................................................................... 6
        1. Hoheitliche Maßnahme....................................................................................................................................................... 6
             a) Studium .................................................................................................................................................................................. 6
                  (1) Studien- und Prüfungsordnung ............................................................................................................................. 7
                  (2) Universitäres Lehrmaterial ..................................................................................................................................... 8
                  (3) Universitäre Prüfungsmaterialien ..................................................................................................................... 10
             b) Staatsprüfungen und Referendariat ......................................................................................................................... 11
             c) Zwischenergebnis ............................................................................................................................................................ 11
        2. Ungleichbehandlung: Feststellung einer rechtlichen Ungleichbehandlung „wegen” eines der in
        Art. 3 III GG genannten Kriterien..................................................................................................................................... 11
        3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung: die Lehrfreiheit, Art. 5 III 1 GG .................................................. 15
             a) Abwägung auf abstrakter Ebene ............................................................................................................................... 17
             b) Abwägung im Einzelfall ................................................................................................................................................ 19
        4. Zwischenergebnis................................................................................................................................................................ 19
    II. ANSPRUCH AUS ART. 12 I GG, BERUFSFREIHEIT .................................................................................................... 20
        1. Schutzbereich........................................................................................................................................................................ 20
             a) Sachlicher Schutzbereich .............................................................................................................................................. 20
                  (1) Universitäres Lehrmaterial .................................................................................................................................. 20
                  (2) Universitäre Prüfungen und Staatsexamen.................................................................................................... 21
                  (3) Referendariat............................................................................................................................................................. 22
                  (4) Zwischenergebnis .................................................................................................................................................... 22
             b) Persönlicher Schutzbereich ......................................................................................................................................... 22
                  (1) Studierende aus Deutschland .............................................................................................................................. 22
                  (2) Studierende aus der Europäischen Union....................................................................................................... 23
                  (3) Studierende aus Drittländern .............................................................................................................................. 23
             c) Zwischenergebnis ............................................................................................................................................................ 24
        2. Eingriff...................................................................................................................................................................................... 24
        3. Zwischenergebnis................................................................................................................................................................ 25

C. FAZIT ........................................................................................................................................................... 26

LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS ............................................................................................. 28

                                                                                                                                                                                                         1
A. Einleitung: Diskriminierendes Lehrmaterial in der juristischen Ausbil-
dung als Problem. Kontext und Gang der Untersuchung

„In kaum einem Fachgebiet hängt der berufliche Weg so sehr von der Abschluss-
note ab wie in Jura. Ein Prädikatsexamen1 ist auch heute noch in vielen juristischen
Berufsfeldern Voraussetzung für die Einstellung. Diese Aussagekraft der Abschluss-
note ist zu hinterfragen, wenn die Note von Geschlecht oder Herkunft beeinflusst
ist.“2

So fasst Prof. Dr. Maria Wersig, Präsidentin des Deutschen Juristinnenbund e.V. (djb)
und Hochschulprofessorin, das Spannungsfeld zwischen diskriminierendem Unter-
richtsmaterial, Abschlussnoten im juristischen Staatsexamen und Karrierechancen
für Juristinnen treffend zusammen. Insofern ist es nicht fernliegend, der Frage nach-
zugehen, inwiefern die juristische Ausbildung ihren Teil dazu beiträgt, dass weibliche
Prüflinge schlechtere Noten schreiben, sind sie doch zu Beginn des Studiums gleich
gut und starten mit besseren Abiturnoten als ihre männlichen Kommilitonen.3

Ein Erklärungsansatz für diesen Effekt konzentriert sich auf die im Studium einge-
setzten Unterrichtsmaterialien, konkreter die Fälle und dazugehörigen Lösungen, an
denen beispielhaft juristische Fragestellungen erklärt werden. Dana-Sophia Valenti-
ner hat Geschlechterrollenstereotype in juristischen Ausbildungsfällen untersucht
und dabei u.a. herausgefunden, dass weibliche Fallpersonen nicht nur deutlich selte-
ner vorkommen, sondern auch häufig über ihr Verhältnis zu einem Mann definiert
werden (Ehefrau, Geliebte, Mutter, …)4, eine geringere Berufsvielfalt aufweisen5 und
geschlechtergerechte Sprache so gut wie nie verwendet wird6. Inwiefern das in einem
Kausalzusammenhang mit den Ergebnissen einer Studie von Glöckner, Towfigh und
Draxler zu setzen ist, muss zunächst dahinstehen: Die Autoren haben im Nachgang
zu einer 2014 durchgeführten Studie, die bereits auf die Notenunterschiede im ersten

1
  Als Prädikatsexamen werden solche Abschlüsse bezeichnet, die mit 9 Punkten oder besser
auf einer Notenskala von 18 bewertet wurden. Zur Relevanz der Notenschwellen: Eine empi-
rischen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hat aufgezeigt, dass
bereits in den ersten Jahren nach dem Studium ein Gehaltsunterschied von nahezu 15% zwi-
schen Personen mit einem Prädikatsexamen und solchen, die kein Prädikat erreichen konn-
ten, auftritt. (Freier/Schubert/Schumann/Siedler, Jura-Prädikat hat eine stark positive Sig-
nalwirkung auf das Einkommen, 2016, 567)
2
  Deutscher Juristinnenbund e.V. - Pressemitteilung 18-16 / Diskriminierung in der juristi-
schen Ausbildung systematisch in den Blick nehmen: Geschlecht und Herkunft folgenreich für
Examensnote. Abgerufen unter: https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/AS/pm18-16/
(26.05.2018).
3
 Chebout/Gather/Valentiner, Sexismus in der juristischen Ausbildung. Ein #Aufschrei dreier
Nachwuchsjuristinnen, 2016, 190.
4
    Valentiner, (Geschlechter)rollenstereotype in juristischen Ausbildungsfällen, 2017, 23.
5
    Ebd., 23 f.
6
    Ebd., 14 f.

                                                                                              2
Staatsexamen aufmerksam gemacht hat7, in Kooperation mit dem Ministerium der
Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) eine groß angelegte Studie initiiert, in
der etwa 20.000 Ergebnisse der ersten und der zweiten juristischen Staatsprüfung in
NRW aus den Jahren 2006 bis 2016 verglichen wurden. Die Ergebnisse bestätigen
ein insgesamt um 0,3 Notenpunkte schlechteres Abschneiden von Frauen im Ver-
gleich zu ihren männlichen Kommilitonen. Bei den Prädikatsexamen zeigt sich der
Unterschied noch deutlicher: Frauen erreichen diese im ersten Staatsexamen um 5,3
Prozent seltener als Männer (Männer: 31,5% Frauen: 26,2%)8. Dieser Geschlechter-
effekt verstärkt sich, wenn das Geschlecht als einzige Variable bei zwei ansonsten in
den Parametern „Alter“, „Abiturnote“ und „Prüfungszeitraum“ identischen statisti-
schen Zwillingen verändert wird, und lässt sich in den mündlichen Prüfungen noch
intensiver nachweisen.9

Auch wenn ein Zusammenhang zwischen den Erkenntnissen aus beiden Studien noch
zu beweisen ist, scheint es intuitiv durchaus plausibel, dass sich stereotype Fallge-
staltungen auf den Lernprozess der Jurastudentinnen auswirken und zwar in Form
des stereotype threats (Stereotypenbedrohung). Der stereotype threat beschreibt
den Effekt, dass das Selbstbild und die Leistung betroffener Gruppenmitglieder durch
Stereotype negativ beeinflusst und so auch bedroht werden.10 Dieser Effekt ist zu-
mindest im Bereich der Naturwissenschaften erwiesenermaßen ein Faktor für
schlechte Leistungen von Schülerinnen und Studentinnen.11

Vor diesem Hintergrund soll im folgenden Gutachten der Frage nachgegangen wer-
den, ob in der Ausgabe von diskriminierendem Lehrmaterial ein Verstoß gegen das
Grundgesetz zu sehen ist. Der Fokus des juristischen Gutachtens liegt dabei auf einer
abwägenden Gesamtbetrachtung, mit dem Ziel, eine möglichst auch in der Praxis
verwendbare Argumentationsgrundlage zu schaffen. Prüfungsmaßstab ist der verfas-
sungsrechtliche Verstoß, der bei einer Bejahung zu einer allgemeinen Handlungs-
pflicht des Staates führt und insofern Spielraum für politische Gestaltung lässt.12

7
 Towfigh/Traxler/Glöckner, Zur Benotung in der Examensvorbereitung und im ersten Exa-
men, 2014.
8
  Glöckner/Towfigh/Traxler, Empirische Untersuchung zur Benotung in der staatlichen Pflicht-
fachprüfung und in der zweiten juristischen Staatsprüfung in Nordrhein-Westfalen von 2006
bis 2016,12.
9
    Ebd., 16.
10
  Vertiefend Spencer/Steele/Quinn, Stereotype threat and women’s math performance,
1999, 4.
11
  Steele, A Threat in the Air How Stereotypes Shape Intellectual Identity and Performance,
1997, 613.
12
  Inwiefern ein konkreter Anspruch auf diskriminierungsfreien Rechtsunterricht besteht, ist
hier nicht Thema, da ein solcher Anspruch auf Tätigwerden des Staates nur dann besteht,
wenn dem Staat kein anderes Handeln mehr möglich ist, sich also der grundsätzlich immer
                                                                                              3
Relevant ist dieser Beitrag zur Debatte, weil es naheliegend erscheint, in einer De-
batte um das Jurastudium auch nach einer juristischen Lösung zu suchen. Die empi-
rischen Studien und journalistischen Beiträge generieren zwar den enorm wichtigen
faktischen Unterbau bzw. die unentbehrliche gesellschaftliche Aufmerksamkeit, ent-
falten jedoch nicht die gleiche Wirkmacht wie eine gesetzliche Verpflichtung. Sinn
und Zweck dieser Arbeit ist insofern, einen ersten Beitrag zu der Debatte aus explizit
juristischer Sicht zu liefern, um so eine Grundlage zu schaffen, auf der eine juristische
Durchsetzung des Rechts auf diskriminierungsfreie Ausbildung diskutierbar wird.

Konkret wird dabei an das Kriterium Geschlecht angeknüpft, denn um die im Jura-
studium erfahrbare Diskriminierung aufgrund von Geschlecht hat sich eine breite De-
batte in Wissenschaft13, Politik14 und der interessierten Öffentlichkeit entfaltet, an die
hier angeknüpft werden kann: Die Studien von Valentiner und Glöckner et al. sind
als besonders aussagekräftig hervorzuheben.15 Während sich die öffentliche Diskus-
sion zu Beginn auf ein juristisch/ wissenschaftliches Fachpublikum beschränkte16, hat
sie mittlerweile auch Einzug in die mediale Öffentlichkeit gehalten17. Bei Glöckner et
al. werden neben dem Geschlecht auch sogenannte Herkunftseffekte18 untersucht.19
Allerdings liegen betreffend dieser Kategorie oder den intersektionalen Verknüpfun-
gen zum Beispiel zwischen Herkunft und Geschlecht, keine in Quantität und Qualität

bestehende Einschätzungsspielraum so verengt hat, dass nur mehr eine Handlungsoption üb-
riggeblieben ist.
13
   Glöckner/Towfigh/Traxler, Empirische Untersuchung zur Benotung in der staatlichen
Pflichtfachprüfung und in der zweiten juristischen Staatsprüfung in Nordrhein-Westfalen von
2006 bis 2016; Hellwege/Dorfschmidt/Scharrer/Benecke, Frauen in den Rechtswissenschaf-
ten – Ergebnisse einer Augsburger Studie, 2015; Hinz/Christian Röhl, Geschlechterunter-
schiede in der Ersten juristischen Prüfung, JuristenZeitung 2016; Towfigh/Traxler/Glöckner,
Zur Benotung in der Examensvorbereitung und im ersten Examen, 2014; Valentiner, (Ge-
schlechter)rollenstereotype in juristischen Ausbildungsfällen, 2017.
14
  Frauenbild in der bayerischen Justizausbildung Schriftliche Anfrage der SPD, 2014; ange-
stoßen durch: Schweigler, Das Frauenbild in der bayerischen Justizausbildung, DRiZ
02/2014. Außerdem: Ringelstein, Juristenausbildung: Sexismus wird der Kampf angesagt,
Der Tagesspiegel Online v. 04.05.2018.
15
  Die Situation von Transpersonen und nichtbinären Personen ist nicht explizit Teil dieser
Studien und auch nicht der vorliegenden Begutachtung. Transfrauen sind wie auch Cisfrauen
von Sexismus betroffen, so dass die vorliegenden Ergebnisse auch für sie gelten. Für spezifi-
sche Diskriminierungen von Transfrauen, sowie anderen Trans- und nichtbinären Personen
sehen wir jedoch weitergehenden Forschungsbedarf.
16
  Chebout/Gather/Valentiner, Sexismus in der juristischen Ausbildung, 2016; Schweigler,
Frauen unter Generalverdacht, 2014.
17
  Breitinger, Ungerechte Notenvergabe in der Juraprüfung, Zeit online v. 25.04.2018; Rin-
gelstein, Juristenausbildung: Sexismus wird der Kampf angesagt, Der Tagesspiegel Online v.
04.05.2018.
18
  Gemeint ist damit der Zusammenhang zwischen “weichen Faktoren” wie onomastischen
Indikatoren zur Namensherkunft sowie harten Faktoren wie Geburtsort, Staatsbürgerschaft
und der Notenvergabe in den juristischen Staatsprüfungen.
19
   Glöckner/Towfigh/Traxler, Empirische Untersuchung zur Benotung in der staatlichen
Pflichtfachprüfung und in der zweiten juristischen Staatsprüfung in Nordrhein-Westfalen von
2006 bis 2016, 22 ff.

                                                                                             4
vergleichbaren Datenerhebungen vor, sodass es sich, insbesondere auch wegen der
herausgehobenen Position von Frauen in Art. 3 II GG, anbietet, eine Anspruchsprü-
fung zunächst exemplarisch anhand der Diskriminierung von Studentinnen durchzu-
führen. Gegenstand der Analyse sind die inhaltliche Ausgestaltung des Rechtsunter-
richts und der zum Erlangen des Grades „Volljurist” erforderlichen Prüfungen. For-
melle Bedingungen, zum Beispiel Besetzungen von Lehrstühlen oder Prüfungskom-
missionen werden nicht in die Betrachtung einbezogen. Dabei ist zunächst zu unter-
suchen, inwiefern stereotype Fallgestaltungen dem Staat überhaupt zurechenbar
sind, denn die Grundrechte binden gemäß Art. 1 III GG grundsätzlich nur die Staats-
gewalt. In diesem Kontext ist zudem zu fragen, inwiefern die juristische Ausbildung
als staatlich monopolisiert bezeichnet werden kann, da teilweise auch private Hoch-
schulen den Studiengang Rechtswissenschaft anbieten.

Der Fokus des Gutachtens liegt auf dem speziellen Gleichheitssatz aus Art. 3 III 1
GG, welcher gewährleistet, dass niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt
oder bevorzugt werden darf. Zu prüfen ist zudem die Berufsfreiheit, die in Art. 12 GG
geschützt wird. Sie könnte verletzt sein, weil Frauen im Gegensatz zu Männern in der
juristischen Ausbildung weiteren Hürden ausgesetzt sind und ihnen so der Zugang zu
juristischen Berufen erschwert wird. Aufgrund der in dieser Fallkonstellation als höher
eingeschätzten Relevanz des Gleichheitsrechts wird dieses, entgegen dem klassi-
schen Aufbau, vor dem Freiheitsgrundrecht geprüft.

Weiterhin soll der Frage nachgegangen werden, welche juristischen Gegenargumente
es gibt. Einem eventuellen verfassungsrechtlichen Anspruch auf diskriminierungs-
freies Lehrmaterial könnte die in Art. 5 III 1 GG geschützte Lehrfreiheit entgegenste-
hen. Schließlich könnte argumentiert werden, dass dieses Grundrecht auch die Frei-
heit schützt, sich keine Gedanken über die Inklusivität von Lehrinhalten machen zu
müssen. In einem abschließenden Ausblick wird auf die Möglichkeiten der Rechts-
durchsetzung eingegangen, und es werden Ansätze für weiterführende Forschungs-
arbeiten formuliert.

                                                                                     5
B. Verfassungsrechtliche Untersuchung

I. Anspruch aus Art. 3 III GG

In Betracht kommt ein Verstoß gegen den besonderen Gleichheitssatz des Art. 3 III
GG durch die Ausgabe diskriminierenden Lehrmaterials während der juristischen Aus-
bildung.

1. Hoheitliche Maßnahme

Dazu müsste das Handeln zunächst dem Staat zurechenbar sein, denn die Grund-
rechte binden alle öffentliche, vom Staat abgeleitete Gewalt. Nach unbestrittener
Auffassung besteht wegen Art. 1 Abs. 3 GG eine Bindung an die Grundrechte immer
dann, wenn öffentliche Gewalt ausgeübt wird,20 wobei unter öffentlicher Gewalt die
Ausübung einer Staatsfunktion zu verstehen ist.21 Vom Begriff der öffentlichen Ge-
walt sind alle staatlichen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Kompetenzträger um-
fasst, die zu Regelungen und Maßnahmen ermächtigt sind.22 Darunter fällt auch die
öffentliche Gewalt der von Bund und Ländern eingerichteten öffentlich-rechtlichen
Körperschaften, Anstalten und Stiftungen.23 Hochschulen sind klassischerweise der-
artige öffentlich-rechtliche Körperschaften und somit grundsätzlich an die Grund-
rechte gebunden, jedoch nur dann, wenn sie auch tatsächlich öffentliche Gewalt aus-
üben. Diese Einschränkung ergibt sich daraus, dass die Universität trotz ihrer Eigen-
schaft als öffentlich-rechtliche Körperschaft ausnahmsweise auch selbst Trägerin von
Grundrechten sein kann.24 In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Wissen-
schaftsfreiheit zu nennen (Art. 5 III 1 GG), auf die sich Universitäten ihrerseits ge-
genüber dem Staat berufen können. Bei der juristischen Ausbildung sollte zur Be-
stimmung, ob die in der juristischen Ausbildung tätigen Hochschulen öffentliche Ge-
walt ausüben, nach den verschiedenen Phasen des Ausbildungsganges differenziert
werden.

a) Studium

Während des Studiums der Rechtswissenschaft findet die Ausbildung an Universitä-
ten statt, welche für diesen Studiengang – weit überwiegend25 – staatlich sind. Als

20
     Starck in v. Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 1 III Rn. 421.
21
     Bumke; Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 2015, S. 11 Rn. 36.
22
     Starck in v. Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 1 Abs. 1 Rn. 37.
23
     Starck in v. Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 1 Abs. 3 Rn. 221.
24
     Hillgruber in BeckOK GG, Art. 1 Rn. 65-68.
25
   In Deutschland gibt es zwei private Hochschulen, an denen Rechtswissenschaft studiert
werden kann: Bucerius Law School Hamburg und European Business School Wiesbaden. Vor-
liegend wird vom Jurastudium als einem staatlich monopolisierten Ausbildungsgang ausge-
gangen, da auch die privaten Hochschulen eng an die staatlichen Inhalte gebunden sind, ins-
besondere soweit sie auf das Staatsexamen vorbereiten und nicht auf eine universitäre
                                                                                         6
staatliche Institutionen sind die Universitäten Grundrechtsverpflichtete im eben dar-
gestellten Sinne. Zugleich sind sie durch die Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 III 1 GG
mit beschränkter Autonomie ausgestattet und als Selbstorganisation der Wissen-
schaft gegenüber dem Staat grundrechtsberechtigt.26 In diesem Spannungsfeld zwi-
schen Grundrechtsberechtigung und -verpflichtung ist die Ausübung öffentlicher Ge-
walt unterschiedlich zu beurteilen, je nachdem, ob es sich um Unterrichts- oder um
Prüfungssituationen handelt. Während die Gestaltung des Unterrichts grundsätzlich
von der Lehr- und Forschungsfreiheit gegenüber dem Staat geschützt wird, sich die
Unterrichtenden also auf Freiheit gegen Einflussnahme durch den Staat berufen kön-
nen, tritt in Prüfungssituationen die Ausübung öffentlicher Gewalt gegenüber den
Prüflingen in den Vordergrund.

(1) Studien- und Prüfungsordnung

Nicht leicht zu beantworten ist in dieser Konstellation, inwiefern (möglicherweise dis-
kriminierendes) Unterrichtsmaterial überhaupt dem Staat zuzurechnen ist, die Uni-
versität also nicht nur grundrechtsberechtigt, sondern auch grundrechtsverpflichtet
gegenüber den Studierenden ist. Die Erstellung von Unterrichtsmaterial unterliegt in
Studien- und Prüfungsordnungen27 festgeschriebenen Rahmenbedingungen. Da Bil-
dung primär Ländersache ist (Art. 30, 70, 104a I GG) und verschiedene Hochschulen
unterschiedliche Organisationsstrukturen aufweisen, existiert kein einheitliches Ver-
fahren zum Erlass von Studien- und Prüfungsordnungen. Eine differenzierte Übersicht
über Formalia und Kompetenzzuweisungen an den einzelnen Universitäten zu erstel-
len, wäre der vorliegenden Fragestellung allerdings nicht angemessen, lassen sich
doch sachdienliche Beobachtungen auch ohne eine solche Einzelanalyse anstellen:
Studien- und Prüfungsordnungen werden von universitären Gremien erlassen, wel-
che ihre Legitimation vom Staat ableiten und zumindest dann, wenn ihre Handlungen
Außenwirkung entfalten (so beim Erlass von Ordnungen), auch hoheitliche Gewalt im
hier relevanten Sinne ausüben. Sie sind beim Erlass der Ordnungen jedenfalls auch
grundrechtsverpflichtet. Darüber hinaus sind die Studien- und Prüfungsordnungen im
Bereich         Rechtswissenschaften       immer        auch      an       die     jeweiligen

Abschlussprüfung. Weiterhin ist anzunehmen, dass die private Hochschule als Teilnehmerin
im öffentlichen Bildungswesen ebenfalls an die Grundrechte gebunden ist, zumindest im
Sinne einer Grundrechtsobliegenheit. Vertiefend zur Problematik der Grundrechtsbindung pri-
vater Universitäten: Battis/ Grigoleit, Die Wissenschaftsfreiheit an der privaten Universität,
in: Kötz/ Rawert/ Schmidt/ Walz und Bucerius Law School : Institut für Stiftungsrecht. Non
Profit Law Yearbook 2005, 1-14, insb. 7-8.
26
     Ebd., 2.
27
   Beispielhaft ist die Studien- und Prüfungsordnung (2015) für den Studiengang Rechtswis-
senschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin einsehbar unter: https://gremien.hu-ber-
lin.de/de/amb/2015/111/111_2015_AMB_Rechtswissenschaften_DRUCK.pdf (02.06.2018).

                                                                                             7
Justizausbildungsordnungen der Länder28 gekoppelt, da das rechtswissenschaftliche
Studium auf die Absolvierung der Ersten Staatsprüfung hinführt. Sie weisen somit
eine sogar noch stärkere Bindung an staatliche Vorgaben auf als die Ordnungen an-
derer (rein universitärer) Studiengänge. Studien- und Prüfungsordnungen entfalten
auf der Grundlage staatlicher Delegation solcher Entscheidungsmacht nach außen
Wirksamkeit für die Studierenden sowie für dritte Stellen, die an die Bewertungen
der Universitäten bzw. Fachbereiche und Fakultäten gebunden sind. Deswegen han-
delt es sich um die Ausübung öffentlicher Gewalt.

Allerdings kann diese Frage insofern dahinstehen, als die Ordnungen formal derart
schematisch sind und die Vorgaben für Lehrende bezüglich der Ausgestaltung ihres
Unterrichts in einem solchen Maße abstrakt bleiben, dass der Nachweis diskriminie-
render Vorgaben bereits durch die Studien- und Prüfungsordnungen selbst nicht ge-
lingen wird.

(2) Universitäres Lehrmaterial

Zielführender erscheint die Untersuchung der von den Lehrenden verwendeten Un-
terrichtsmaterialien selbst, insbesondere mit Blick auf die von Dana Valentiner erho-
benen Ergebnisse. Die inhaltliche Ausgestaltung ist nicht unmittelbar der Institution
„Universität” zuzurechnen, sondern den einzelnen Lehrenden. So findet zwar durch
die eben beschriebenen Studien- und Prüfungsordnungen eine grobe Einrahmung des
Lehrinhaltes statt, diese geht jedoch inhaltlich nicht in die Tiefe. Illustrativ lässt sich
hier die Vorlesung „Familien- und Erbrecht” an der Humboldt-Universität zu Berlin
(HU) heranziehen, zu welcher lediglich vorgegeben wird: „Im Familienrecht liegt der
Schwerpunkt bei den Vorschriften über die Eingehung und Beendigung der Ehe, das
Güterrecht, die Verwandtschaft, den Unterhalt und die elterliche Sorge.”29 Wie diese
Inhalte allerdings vermittelt werden – ob durch seit Jahrzehnten unveränderte Fall-
konstellationen30 mit „reichem Ehemann/ attraktiver Geliebter und habgieriger Ehe-
frau” oder eben gerade nicht in solch stereotypisierter Weise – liegt in der Verant-
wortung der zuständigen Lehrperson.

Denkbar ist dabei einerseits, dass die Lehrperson als Privatperson handelt und folg-
lich nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist. Denkbar ist aber auch, dass

28
   Für Berlin z.B. Gesetz über die Ausbildung von Juristinnen und Juristen im Land Berlin
(Berliner Juristenausbildungsgesetz – JAG) und Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juris-
tinnen und Juristen im Land Berlin (Berliner Juristenausbildungsordnung – JAO).
29
  Studien- und Prüfungsordnung (2015) für den Studiengang Rechtswissenschaft an der
Humboldt-Universität zu Berlin, 9.
30
   Bereits in den 1970er Jahren führten Pabst und Slupik eine Analyse der rechtswissen-
schaftlichen Ausbildungsfälle durch, deren Ergebnisse sich gar nicht so sehr von den aktuel-
len unterscheiden. Stereotype Ausbildungsfälle scheinen Tradition zu haben. Pabst/Slupik,
Das Frauenbild im zivilrechtlichen Schulfall - Eine empirische Untersuchung, zugleich ein Bei-
trag zur Kritik gegenwärtiger Rechtsdidaktik, 242-256.

                                                                                             8
die Lehrperson als ausführende Akteurin der öffentlich-rechtlichen Körperschaft Uni-
versität ihrerseits öffentliche Gewalt ausübt und somit unmittelbar an die Grund-
rechte gebunden ist. Dies ist am Maßstab des Grundrechts auf Lehrfreiheit aus Art.
5 III 1 GG zu bestimmen. Regelmäßig sind die zur Vermittlung insbesondere theore-
tischer und methodischer Konstrukte benötigten Erläuterungen, Beispiele und Übun-
gen von der Lehrfreiheit geschützt.31 Kaufhold argumentiert: „Das Grundrecht könnte
seine Schutzwirkung kaum entfalten, nähme man sie [scil. die Unterrichtsmateria-
lien] aus dem Schutzbereich aus.”32 Unstreitig ist, dass Lehrende bei der Ausgestal-
tung der zu Lehrzwecken eingesetzten Materialien (in der Rechtswissenschaft weit
überwiegend Beispielfälle) durch das Grundrecht auf Lehrfreiheit gegen staatliche
Einflussnahme geschützt werden. Allein, weil der Schutzbereich des Art. 5 III 1 GG
dem Grunde nach eröffnet ist, lässt sich aus der Sonderkonstellation der Universität
mit ihrer Janusköpfigkeit als gleichzeitig Grundrechtsberechtigter und -verpflichteter
freilich noch nicht ableiten, dass nun Art. 3 III 1 GG nicht mehr einschlägig wäre. Es
ist vielmehr die Lehrfreiheit in ein ausgewogenes Verhältnis zum Anspruch auf Dis-
kriminierungsfreiheit aus Art. 3 III 1 GG zu setzen.

Art. 1 III GG verfolgt das historisch begründete Ziel, eine umfassende Bindung aller
öffentlichen Gewalt an die Grundrechte sicherzustellen. Das lässt sich u.a. daraus
ableiten, dass die Formulierung der „vollziehenden Gewalt” erst 1956 durch verfas-
sungsänderndes Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes die zuvor deutlich enger
gefasste Formulierung der „Verwaltung” abgelöst hat.33 Die umfassende Grund-
rechtsbindung aller öffentlichen Gewalt liegt auch den Entscheidungen des Bundes-
verfassungsgerichts (BVerfG) zu den sog. „besonderen Gewaltverhältnissen” bzw.
(moderner) „Sonderstatusverhältnissen“ zugrunde, in welcher das Gericht sich gegen
gänzlich grundrechtsfreie Bereiche ausgesprochen und demgegenüber die Verpflich-
tung zu grundrechtstreuem Handeln des Staates betont hat.34 Grundsätzlich ist dem-
nach der Begriff der „öffentlichen Gewalt” weit zu verstehen, um eine möglichst um-
fassende Grundrechtsbindung zu gewährleisten, wie sie Art. 1 III GG aus historischen
Gründen bezweckt.

Als weiteres Argument für eine Bindung der Lehrpersonen an Art. 3 III GG ist die
Unausweichlichkeit des Lehrangebots. Zum einen handelt es sich beim Studium der
Rechtswissenschaft um einen im Wesentlichen staatlich monopolisierten Studien-
gang. Darüber hinaus ist das Studium streng modularisiert: Die Studierenden sind
verpflichtet,     das   Studium     nach    Studienverlaufsplan     in   Regelstudienzeit   zu

31
     Kaufhold, Die Lehrfreiheit - ein verlorenes Grundrecht?, 2017, 191 f.
32
     Ebd., 192.
33
     Hillgruber in BeckOK GG, Art,. 1 Rn. 65-68.
34
     BVerfGE 33, 1, 11 = NJW 1972, 811, 812.

                                                                                            9
absolvieren, da sie andernfalls sanktioniert werden, zum Beispiel indem sie die Mög-
lichkeit des „Freiversuchs”35 verlieren. Um noch einmal das Beispiel der Familien-
rechtsvorlesung aufzugreifen: Wird diese in einem bestimmten Semester von einer
bestimmten Lehrperson unter Verwendung sexistischen oder anders diskriminieren-
den Lehrmaterials abgehalten, können Studierende nur entscheiden, auf die Lehrver-
anstaltung zu verzichten und sich den Stoff im Selbststudium zu erarbeiten. Alterna-
tiv besteht womöglich – und dies nur an größeren Fakultäten – die Hoffnung, ein Jahr
später werde eine andere Person die Vorlesung abhalten; dann jedoch droht die Über-
schreitung der Regelstudienzeit, an die nicht nur der Verlust des Freiversuchs ge-
knüpft ist, sondern möglicherweise auch der Bafög-Förderung.

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass eine Grundrechtsbindung der
Lehrenden bei der Auswahl des Lehrmaterials besteht. Diese begründet sich gerade
nicht nur durch das Anstellungsverhältnis zwischen Lehrenden und Staat36, sondern
aus der hervorgehobenen Bedeutung der Grundrechtsbindung aller staatlichen Ge-
walt nach Art. 1 III GG und dem hierarchischen Verhältnis von Lehrenden zu Ler-
nenden. Die Grundrechtsbindung erstreckt sich deswegen auf alle Lehrkräfte von der
Honorarkraft bis zur Professorin.

(3) Universitäre Prüfungsmaterialien

Ähnlich verhält es sich mit der Ausgestaltung universitärer Prüfungsmaterialien. Wie-
derum ist zu begründen, inwiefern diese als Entscheidung von einzelnen Lehrenden
dem Staat zuzurechnen sind. Allerdings gilt gerade für Prüfungen noch mehr, dass
Prüflinge ihnen in keinem Fall ausweichen können. Selbst wenn Studierende sich also
wegen diskriminierender Lehrmaterialien entscheiden, nicht am Unterricht teilzuneh-
men, so können sie diskriminierenden Prüfungsinhalten gar nicht mehr entgehen. In
der Ausgestaltung der Prüfungen ist das hierarchische Verhältnis zwischen Lehrenden
und Lernenden noch deutlicher ausgeprägt als in der Ausgestaltung des universitären
Lehrmaterials. Auch in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts ist anerkannt, dass die Prüfungsbedingungen der grundrechtlichen Kontrolle,

35
  Die Freischuss-Regelung gewährt als Belohnung für den Studienabschluss in Regelstudien-
zeit zwei Verbesserungsversuche beim Ersten Staatsexamen. Wer nach Ablauf der Regelstu-
dienzeit erstmals zum Staatsexamen antritt, hat lediglich einen Verbesserungsversuch.
Exemplarisch § 13 JAO Bln: „Meldet sich ein Prüfling nach ununterbrochenem rechtswissen-
schaftlichem Studium spätestens zu der auf den Vorlesungsschluss des achten Fachsemes-
ters folgenden Prüfungskampagne zur Prüfung und besteht er in dieser Prüfungskampagne
die Prüfung nicht, so gilt sie als nicht unternommen (Freiversuch).”
36
  An den deutschen Hochschulen existieren sehr diverse Anstellungsverhältnisse, die sich
zudem an den einzelnen Institutionen unterscheiden können. Während viele Angestellte im
akademischen Mittelbau befristet und z.T. prekär beschäftigt sind, sind Professuren häufig
mit Verbeamtung auf Lebenszeit verbunden. Aus der Verbeamtung könnten zusätzlich zu den
dargestellten Gründen weitere, hier nicht ausgeführte Argumente für eine Grundrechtsge-
bundenheit der Lehrpersonen resultieren.

                                                                                       10
insbesondere der Chancengleichheit des Art. 3 GG, unterliegen.37 Dies setzt implizit
voraus, dass die Ausgestaltung der Prüfungen dem Staat zuzurechnen ist und des-
wegen eine Grundrechtsbindung besteht. Die Prüfungsbedingungen, für die der Staat
also Verantwortung trägt, umfassen auch die Prüfungsmaterialien, die den Geprüften
ausgehändigt werden und auf deren Basis sie ihre Prüfung ablegen müssen.

b) Staatsprüfungen und Referendariat

Unstrittig besteht nach alledem bei beiden Staatsexamina und dem Referendariat
eine Grundrechtsbindung. Gerade die Vergabe der Noten in den Staatsexamina kann
als besonders deutliche Ausprägung hoheitlichen Handelns dem Staat zugeordnet
werden. Ansonsten gilt auch hier, wie bei universitären Prüfungen, dass die Prüfungs-
bedingungen an einem grundrechtlichen Maßstab gemessen werden können und
müssen. Diese umfassen nicht nur das Prüfungsmaterial, sondern auch die Räum-
lichkeiten, zeitlichen Gegebenheiten und die Zusammensetzung des Prüfungsaus-
schusses.38

c) Zwischenergebnis

Sowohl die Ausgestaltung des Lehrmaterials als auch der Prüfungen (universitär und
im Staatsexamen) sowie des Referendariats sind dem Staat zuzurechnen. Sie sind
daher am Maßstab der Grundrechte zu messen, hier insbesondere an Art. 3 III 1 GG.

2. Ungleichbehandlung: Feststellung einer rechtlichen Ungleichbehandlung
„wegen” eines der in Art. 3 III GG genannten Kriterien

Lehrmaterial und Prüfungsunterlagen sind nach Art. 3 III 1 GG zu beanstanden, wenn
die stereotype Darstellung von Frauen in juristischen Fallgestaltungen zugleich eine
Diskriminierung im Sinne des Art. 3 III 1 GG ist. Der Wortlaut des Art. 3 III 1 GG
verbietet lediglich Benachteiligungen und Bevorzugungen, jedoch keine bloßen Dif-
ferenzierungen.39 Laut Heun geht jedoch jede Differenzierung letztlich auch mit einer
Benachteiligung oder Bevorzugung einher, daher sei es unproblematisch, dennoch
von einem Differenzierungsverbot zu sprechen.40 Dagegen wenden Baer/Markard ein,
dass schlichte Differenzierungen dann nicht erfasst werden sollen, wenn mit ihnen
kein Nachteil einhergeht.41 Ob eine solche Differenzierung vorliegt, wird, wie bei Art.
3 I GG, dadurch ermittelt, dass die Lage der von der Benachteiligung oder

37
     BVerwG, NVwZ 2016, 541.
38
     BVerwG, 14.12.1990 - BVerwG 7 C 17.90.
39
     Wieland in Dreier GG, Art. 3 Rn. 119.
40
     Heun in Dreier GG, Art. 3 Rn. 119.
41
     Baer/Markard in v. Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 3 III Rn. 419.

                                                                                    11
Bevorzugung Betroffenen mit derjenigen der Nichtbetroffenen verglichen wird.42 Da-
bei sollen auch geringfügige Benachteiligungen erfasst werden.43 Eine Benachteili-
gung im Sinne des Art. 3 III ist also eine Schädigung, die eine in Absatz 3 benannte
strukturelle gesellschaftliche Ungleichheit aktualisiert.44 Erfasst sind alle Maßnahmen
oder Regelungen, die Menschen nur wegen eines Diskriminierungsmerkmals als “an-
ders” ausgrenzen und stigmatisieren.45 Dabei kommt es nicht darauf an, ob Nachteile
sich im engeren Sinne materiell, zum Beispiel wirtschaftlich manifestieren, oder ob
sie ideell, zum Beispiel emotional verletzend wirken.46 Auch kennt das Diskriminie-
rungsverbot keine Bagatellgrenze, da es sich gleichermaßen gegen die „alltäglichen”
Formen sozialer Missachtung richtet.47 Es sind nicht nur Fälle der direkten und un-
mittelbaren Ungleichbehandlung anerkannt, sondern auch Fälle mittelbarer Beein-
trächtigungen der Gleichheit.48

Um im Lichte des Art. 3 III 1 GG relevant zu sein, muss die Benachteiligung oder
Bevorzugung „wegen“ eines der in Art. 3 III 1 GG genannten Kriterien geschehen, so
der Wortlaut der Verfassung. Dabei stellt der Begriff „wegen“ den Zusammenhang
zwischen der „Benachteiligung” und dem Diskriminierungsmerkmal, aufgrund dessen
die Benachteiligung erfolgt, dar. Die Auslegung des Begriffes „wegen“ – und die damit
einhergehende Bestimmung der Reichweite des speziellen Gleichheitssatzes – ist
höchst umstritten.

Der Wortlaut legt eine Ursächlichkeit staatlichen Verhaltens für die Benachteiligung
nahe (Kausalitätsmodell). Dabei ist umstritten, inwiefern Art. 3 III 1 GG ein Anknüp-
fungsverbot49 oder ein Begründungsverbot50 enthält. Nach der ersten Ansicht soll es
verboten sein, mit einer Regelung konkret tatbestandlich an eines der verpönten
Merkmale anzuknüpfen, nach zweiter Meinung muss (mittelbare oder unmittelbare)
Ungleichbehandlung begründet werden können, ohne auf das Merkmal zu rekurrie-
ren.51 Nach beiden Ansichten ist lediglich die unmittelbare Differenzierung, jedoch
nicht die mittelbare Benachteiligung umfasst. Nach diesem Modell stehen Fördermaß-
nahmen unter dem gleichen Rechtfertigungsdruck wie Benachteiligungen.

42
     Heun in Dreier GG, Art. 3 Rn. 119.
43
     Ebd.
44
     Baer/Markard in v. Mangoldt/ Klein/ Starck Art. 3 III Rn. 420.
45
     Ebd.
46
     Ebd.
47
     Ebd.
48
     Hufen, Staatsrecht II, 2017, § 39 Rn. 12.
49
     Jarass in Jarass/Pieroth GG, Art. 3 Rn. 114.
50
     Baer/Markard in v. Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 3 III Rn. 426.
51
     Ebd.

                                                                                    12
Anders argumentieren Baer/ Markard: Sie knüpfen an die Rechtsfigur der „mittelba-
ren Diskriminierung” an, die, aus dem US-amerikanischen Recht kommend, mittler-
weile europa- und völkerrechtlich anerkannt ist,52 so auch in Deutschland.53 Unstrei-
tig ist die Anerkennung dieser dogmatischen Rechtsfigur durch das BVerfG jedenfalls
hinsichtlich des Merkmals „Geschlecht”.54 Eine mittelbare Beeinträchtigung ist eine
oft unbeabsichtigte und weit ab vom eigentlichen geregelten Gegenstand entste-
hende       faktische   Benachteiligung     einer   Gruppe     oder    eines   Dritten.55   Nach
Baer/Markard soll es nun nicht darauf ankommen, ob eine Regelung vermeintlich
neutral scheint, sondern ob eine tatsächliche Bevorzugung oder Benachteiligung
i.S.d. Art. Art. 3 III S. 1 GG vorliegt.56 Tatbestandlich diskriminiert eine Maßnahme
„wegen” eines der genannten Merkmale jedenfalls dann, wenn sie sich auf die durch
ein Merkmal markierten Menschen mehrheitlich oder typischerweise negativ aus-
wirkt.57

Fraglich ist nun, ob es sich bei der stereotypen (Unter-)Repräsentation von Frauen
in juristischen Ausbildungs- und Prüfungsmaterialien um eine unmittelbar an das Ge-
schlecht anknüpfende Benachteiligung oder alternativ, um eine mehrheitlich Frauen
negativ betreffende Maßnahme handelt. Zentrales Ergebnis der Studie von Valentiner
ist, dass lediglich 18 Prozent aller in juristischen Übungsklausuren auftretenden na-
türlichen Personen als weiblich bezeichnet werden. Diese wenigen weiblichen Perso-
nen werden häufig über einen Mann definiert und üben selten und wenn überhaupt
einen als „typisch weiblich” markierten Beruf aus.58 Männer hingegen machen einen
Großteil der Fallpersonen aus und beanspruchen gegenüber den weiblichen Fallper-
sonen ein deutlich vielfältigeres Berufsspektrum. So lässt sich hier zunächst festhal-
ten, dass Frauen im Vergleich zu Männern tatsächlich deutlich unterrepräsentiert
sind.

Nun könnte angenommen werden, dass möglicherweise auch Männer von einer ste-
reotypen Darstellung nachteilig betroffen sind, da auch sie häufig in geschlechterste-
reotypen, also „typisch männlichen” Berufen dargestellt werden. So sind zum Beispiel
alle im handwerklichen und technischen Bereich tätigen dargestellten Fallpersonen
männlich. Dagegen lässt sich jedoch anführen, dass die Diversität der Berufsbilder
bei den männlichen Fallpersonen erheblich höher ausfällt. Viel häufiger als Frauen

52
     Ebd.
53
     Bspw. in BVerfGE 97, 35, 43; 109, 64, 89.
54
  Baer/Markard in v. Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 3 III Rn. 429; Kischel, in: BeckOK GG,
Rn. 165-169.1.
55
     Hufen, Staatsrecht II, 2017, § 39 Rn. 12.
56
     Baer/Markard in v. Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 3 III Rn. 429.
57
     Ebd., Rn. 431.
58
     Valentiner, (Geschlechter)Rollenstereotype in juristischen Ausbildungsfällen, 21 f.

                                                                                              13
werden in den untersuchten juristischen Übungsfällen Männer als Selbstständige, Ge-
schäftsführer und generell in Führungspositionen dargestellt. Frauen machen dage-
gen nur 6 Prozent der selbstständig Berufstätigen aus, eine der insgesamt drei selb-
ständigen Frauen ist ausgerechnet Geschäftsführerin eines Schönheitssalons.59

Ein Erklärungsansatz für Auswirkungen dieser Art von Repräsentation findet sich im
sozialwissenschaftlichen Modell des sogenannten „stereotype threats”. Mit dieser Fi-
gur wird beschrieben, wie das Selbstbild und dadurch auch die Leistung von Men-
schen beeinflusst und bedroht werden, wenn sie von Stereotypen betroffen sind. In
der Studie „A threat in the Air - How Stereotypes Shape Intellectual Identity and
Performance” beschäftigt sich der Autor Claude Steele mit der Frage, inwiefern ge-
sellschaftliche Stereotype gegenüber einer Gruppe die intellektuelle Leistungsfähig-
keit und die Persönlichkeitsentwicklung der Individuen dieser Gruppe beeinflussen.60
Die Studie beginnt mit der Vermutung, dass die Lernenden sich mit dem angestreb-
ten Erfolg identifizieren können müssen, um ihn erreichen zu können. Dazu müssen
sie selbst davon überzeugt sein, dass sie das nötige Interesse, die Fähigkeiten, die
Ressourcen und auch gute Chancen haben, um in dem angestrebten Bereich erfolg-
reich zu sein.61 Weiterhin müssen sich die Lernenden akzeptiert und respektiert füh-
len, um gute Ergebnisse zu erzielen.62 Scheitert die Bildung einer solchen Identifika-
tion oder geht sie während des Lernprozesses verloren, leiden die Leistungen darun-
ter.63 Als Beispiel führte Steele die Leistungen von Mädchen in mathematischen Fä-
chern in der Schule an. Ihnen wird gegenüber Jungen oft schlechteres mathemati-
sches Verständnis nachgesagt. Wenn Mädchen also eine Laufbahn in einem mathe-
matischen Fach anstreben, müssen sie sich zunächst den niedrigen Erwartungen von
Lehrenden, der Familie und dem Freundeskreis und der Vorstellung widersetzen, dass
Mathematik “unweiblich” sei und gleichzeitig mit dem Bewusstsein leben, dass sie in
Zukunft in einem von Männern dominierten Umfeld arbeiten werden.64 Diese Um-
stände, die durch soziale Strukturen entstehen, können dazu führen, dass Mädchen
den Eindruck erlangen, sie könnten in mathematischen Bereichen ohnehin nicht so
erfolgreich sein wie ihre männlichen Klassenkameraden, und dadurch verhindern,
dass sie eine Identifikation mit dem Fach Mathematik aufbauen. Die fehlende Iden-
tifikation führt schlussendlich zu schlechteren Leistungen. Stereotype wirken in den
Fällen des stereotype threat wie eine selbsterfüllende Prophezeiung: Wird einer

59
     Ebd., 24.
60
  Steele, A Threat in the Air How Stereotypes Shape Intellectual Identity and Performance,
1997, 613.
61
     Ebd.
62
     Ebd.
63
     Ebd.
64
     Ebd.

                                                                                         14
bestimmten Gruppe von Menschen nachgesagt, sie würden ohnehin schlechtere Er-
gebnisse erzielen, so wird dies auch mit erhöhter Wahrscheinlichkeit eintreten.

Für die Ausgestaltung von juristischen Ausbildungsfällen bedeutet dies folgendes:
Wenn in juristischen Ausbildungsfällen Frauen weniger häufig auftauchen und die
dargestellten Frauen stereotyp in abhängigen Positionen und wirtschaftlich nicht er-
folgreich charakterisiert werden, so wirkt sich dies auf das Selbstbild von Studentin-
nen aus. Durch die fehlende Repräsentation wird suggeriert, dass Frauen seltener als
Männer am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Dass die dargestellten Frauen häufig
in untergeordneten Rollen als Ehefrauen, Geliebte und Hausfrauen auftreten, seltener
berufstätig sind und ihre Berufe weniger divers sind und oft Stereotype bedienen,
kreiert ein problematisches Frauenbild: dass nämlich Frauen in unserer Gesellschaft
den Männern untergeordnet sind und auch beruflich weniger Möglichkeiten haben.
Dieses Frauenbild kann dazu führen, dass Frauen (bewusst oder unterbewusst) den
Eindruck erlangen, im Beruf und generell in der Gesellschaft nicht den gleichen Erfolg
haben zu können, was im Endeffekt dazu führt, dass sie ihre Identifikation mit diesen
Bereichen verlieren und weniger Erfolge erzielen. Somit trägt die stereotype Unter-
repräsentation von Frauen dazu bei, die strukturelle Benachteiligung von Frauen wei-
ter zu verstärken und aktualisiert damit zugleich die ebenfalls strukturelle gesell-
schaftliche Ungleichheit.

Der Zusammenhang zwischen der Benachteiligung und dem verpönten Merkmal ist
hier evident: Die Stereotypisierungen haben gerade die Rolle der Frau im beruflichen
und gesellschaftlichen Leben zum Gegenstand und knüpfen somit unmittelbar an das
Geschlecht an. Auch lässt sich die Stereotypisierung nicht begründen, ohne auf eben
dieses Merkmal Bezug zu nehmen. Es kann daher dahinstehen, ob es sich hier um
ein Anknüpfungsverbot oder ein Begründungsverbot handelt, da vorliegend die Vo-
raussetzungen beider verfassungsrechtlicher Ansichten erfüllt sind.

Somit lässt sich zusammenfassen: Die stereotype und unterrepräsentative Darstel-
lung von Frauen in juristischen Ausbildungsfällen stellt eine unmittelbare Diskrimi-
nierung dar und knüpft im Sinne des Art. 3 III GG an das Merkmal “Geschlecht” an.

3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung: die Lehrfreiheit, Art. 5 III 1 GG

Wie dem Wortlaut des Art. 3 III 1 GG zu entnehmen ist, wird das Grundrecht zunächst
schrankenlos gewährt. Entsprechend der Systematik des deutschen Grundgesetzes
kann nach dem sogenannten Prinzip der praktischen Konkordanz bei Kollision mit
einem anderen Gut von Verfassungsrang auch ein zunächst „schrankenlos”

                                                                                   15
gewährtes Grundrecht verfassungsrechtlich zulässig eingeschränkt werden.65 Dabei
muss stets eine Abwägung der betroffenen Verfassungsgüter stattfinden.66

Wenn Art. 3 III 1 GG betroffen ist, kann die unmittelbare Anknüpfung an eines der
verpönten Merkmale des Art. 3 GG nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt werden.67
Nach dem hierfür geltenden strengen Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsge-
richts sind geschlechtsbezogene Differenzierungen nur mit den Gleichheitssätzen
vereinbar, wenn sie der Gleichberechtigung dienen (Abs. 2) oder „soweit sie zur Lö-
sung von Problemen, die ihrer Natur nach nur bei Männern oder bei Frauen auftreten
können, zwingend erforderlich sind.”68 Wie gezeigt, dient die stereotype Darstellung
von Frauen keineswegs der Gleichstellung; vielmehr schadet die Reproduktion von
veralteten Rollenbildern gerade dem Ziel der Gleichberechtigung. Es ist also bereits
kein legitimes Ziel ersichtlich, dass mit der diskriminierenden Ausgestaltung von
Lehr- und Prüfungsmaterial verfolgt würde. Konsequenterweise ist kein Grund er-
sichtlich, weshalb eine derartige Ausgestaltung gar erforderlich sein sollte. Ein Aus-
nahmefall, der die diskriminierende Anknüpfung an das weibliche Geschlecht hier
rechtfertigen könnte, liegt nicht vor.

In Fällen, in denen es wie hier an zwingenden Gründen für eine Ungleichbehandlung
fehlt, lässt sich eine Ungleichbehandlung nur noch durch kollidierendes Verfassungs-
recht rechtfertigen.69 Als kollidierendes Verfassungsrecht oder verfassungsimma-
nente Schranke kommt hier vor allem die Lehrfreiheit aus Art. 5 III 1 GG in Betracht.
Als Bestandteil der Wissenschaftsfreiheit garantiert die Lehrfreiheit die wissenschaft-
lich fundierte Übermittlung der durch die Forschung gewonnenen Erkenntnisse.70 Da-
bei ist es nicht relevant, ob die Erkenntnisse aus eigener oder fremder Forschung
stammen.71 Von dem Schutzbereich umfasst ist dabei das Recht, Gegenstand, Form,
Inhalt, methodischen Ansatz und das zu verwendende Material für die Lehrveranstal-
tung frei zu wählen.72 Starck/Paulus spezifizieren dies noch weiter: Demnach soll
durch Art. 5 III 1 GG die Lehre durch mündlichen Vortrag, auch gegenüber dem
einzelnen Lernendem, durch Lehrbücher, Lehrbriefe, Skripten innerhalb und

65
     Sachs in Sachs GG, Vor Art. 1, Rn. 120.
66
     Ebd., Rn. 124.
67
  Baer/Markard in v. Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 3 III Rn. 433. Bezüglich mittelbarer Diskri-
minierung ist der Maßstab der Rechtfertigung umstritten, Baer/Markard in v. Mangoldt/ Klein/
Starck, Art. 3 III Rn. 434, dieser Streit kann, da eine unmittelbare Diskriminierung vorliegt,
hier jedoch dahinstehen.
68
     BVerfGE 85, 191 (207).
69
     Baer/Markard in v. Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 3 III Rn. 461.
70
     Britz in Dreier GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 29.
71
     Starck; Paulus in v. Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 5 III Rn. 480.
72
     Britz in Dreier GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 29.

                                                                                            16
außerhalb der Universität, also auch durch Zeitschriften (Ausbildungszeitschriften)
und im Rundfunk und Internet sowie Prüfungen geschützt sein.73

Dabei sind Hochschullehrer*innen unstrittig Berechtigte des Grundrechts, sie sind
„geborene Rechtssubjekte der Wissenschaftsfreiheit”.74 Auch wissenschaftliche As-
sistent*innen sind in diesem Sinne berechtigt, wenn sie Aufgaben im Bereich der
wissenschaftlichen Lehre übernehmen.75 Insofern ist vorliegend abzuwägen, inwie-
fern die den Lehrpersonen zustehende Lehrfreiheit der Durchsetzung eines gleich-
heitsrechtlichen Anspruchs auf diskriminierungsfreien Rechtsunterricht entgegen-
steht. Allerdings ist stets die Doppelsinnigkeit der Grundrechtsposition der Lehrenden
zu beachten, denn vergleichbar mit der janusköpfigen Position der Universität sind
auch die Lehrenden häufig gleichzeitig Berechtigte und Verpflichtete der Grund-
rechte.76 Um den Schutzbereich der Lehrfreiheit zu bestimmen, muss zunächst die
abstrakte Wertigkeit der beeinträchtigten Rechtsgüter zueinander in Beziehung ge-
setzt werden. Im Anschluss daran kann die Abwägung im konkreten Einzelfall erfol-
gen.

a) Abwägung auf abstrakter Ebene

Gegenüberzustellen sind der abstrakte Wertgehalt des besonderen Gleichheitsrechts
aus Art. 3 III 1 GG und der Lehrfreiheit aus Art. 5 III 1 GG. Dabei ist die Wissen-
schaftsfreiheit insofern ein Grundrecht von besonderer Bedeutung, als sie im klassi-
schen Sinne ein Abwehrrecht gegen den Staat darstellt. Vergleichbar mit der Mei-
nungs- und Kunstfreiheit gewährt die Wissenschaftsfreiheit die Freiheit des Aus-
drucks frei vom staatlichen Einfluss. Über diesen abwehrrechtlichen Charakter hinaus
beinhaltet sie auch einen freiheitsrechtlichen Kern, der individuell den im wissen-
schaftlichen Bereich tätigen Personen zusteht.77 Der Wissenschaftsfreiheit kommt
also eine elementare Bedeutung für das Bestehen der vom GG vorgesehenen frei-
heitlich demokratischen Grundordnung zu.78 Die in Art. 5 III 2 GG gesondert heraus-
gestellte Bindung der Lehre an die Treue zur Verfassung stellt nun keine zusätzliche
Schranke dar, denn es sind selbstverständlich auch kritische Äußerungen gegenüber
dem GG zulässig; ihre Grenzen findet die Lehrfreiheit vielmehr allenfalls in verfas-
sungsimmanenten Schranken.79 Häufig ist insbesondere an Hochschulen eine Kolli-
sion mit dem Grundrecht der Studierenden aus Art. 12 I GG denkbar, wobei in der

73
     Starck; Paulus in v. Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 5 III Rn. 491.
74
     Bethge in Sachs GG, Art 5 Rn. 207.
75
     Britz in Dreier GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 67.
76
     Starck; Paulus in v. Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 5 III Rn. 496, 497.
77
     Bethge in Sachs GG, Art 5 Rn. 201.
78
     Ebd. Rn. 200, 201.
79
     Britz in Dreier GG, Art. 5 III Rn. 50; Bethge in Sachs GG, Art 5 Rn. 226, 227.

                                                                                      17
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