Das Selbstbestimmungsrecht geistig behinderter Volljähriger mit besonderem Augenmerk auf die Eltern-Kind-Beziehung

 
WEITER LESEN
Das Selbstbestimmungsrecht geistig
behinderter Volljähriger mit besonderem
Augenmerk auf die Eltern-Kind-
Beziehung

Diplomarbeit

eingereicht
bei Univ. Prof. Dr. Michael Ganner
von Andrea Helene Weiler

zur Erlangung eines Mag. iur.
an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät
der Leopold – Franzens – Universität Innsbruck

Kirchberg in Tirol, im Februar 2021
Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit an Eides statt durch meine eigenhändige Unterschrift, dass ich die
vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen
Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Alle Stellen, die wörtlich oder inhaltlich den
angegebenen Quellen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht.

Die vorliegende Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form noch nicht als
Magister-/Master-/Diplomarbeit/Dissertation eingereicht.1

            Datum                                                        Unterschrift

1
  als Pflichtbestandteil einer Diplomarbeit heruntergeladen von der Website der Leopold-Franzens-
Universität      Innsbruck,       Eidesstattliche    Erklaerung     wissenschaftliche     Arbeiten,
https://www.uibk.ac.at/studium/angebot/d-rechtswissenschaften/ (aufgerufen am 03.10.2020).

                                                                                                 1
Inhaltsverzeichnis
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ............................................................................................................................ 4
I.          VORWORT ............................................................................................................................................. 5
II.         EINFÜHRUNG ........................................................................................................................................ 7
       MENSCHEN MIT BEHINDERUNG ................................................................................................................................. 7
III.        UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION .............................................................................................. 10
       1.           STAATENBERICHTSVERFAHREN UND MONITORING DER UN-BRK ..................................................................... 15
       2.           STAATENPRÜFUNG ÖSTERREICHS ............................................................................................................... 16
IV.         RECHTSLAGE IN ÖSTERREICH ............................................................................................................... 17
       1.           ABGRENZUNG SOZIALE FÜRSORGE UND UNTERHALT ...................................................................................... 17
       2.           VERSORGUNGSLEISTUNGEN ...................................................................................................................... 18
            a.      Pflegevorsorge ................................................................................................................................... 18
            b.      Sozialhilfe/Bedarfsorientierte Mindestsicherung............................................................................... 19
       3.           UNTERHALT ........................................................................................................................................... 22
            a.      Gesetzlicher Unterhaltsanspruch ....................................................................................................... 22
            b.      Begriff ................................................................................................................................................ 22
            c.      Unterhaltsleistung ............................................................................................................................. 23
       4.           ZWISCHENFAZIT ...................................................................................................................................... 24
       5.           2. ERWACHSENENSCHUTZGESETZ DES ABGB ............................................................................................... 24
V.          GRUNDSÄTZE DES ERWACHSENENSCHUTZSCHUTZGESETZES ............................................................... 26
       1.           FAMILIENAUTONOMIE ............................................................................................................................. 26
       2.           SELBSTBESTIMMUNG ............................................................................................................................... 28
       3.           FÜRSORGE............................................................................................................................................. 29
       4.           ENTSCHEIDUNGS- UND HANDLUNGSFÄHIGKEIT ............................................................................................. 29
            a.      Entscheidungsfähigkeit ...................................................................................................................... 29
            b.      Handlungsfähigkeit ............................................................................................................................ 31
       5.           GENEHMIGUNGSVORBEHALT ..................................................................................................................... 32
       6.           NACHRANG DER STELLVERTRETUNG............................................................................................................ 34
       7.           ERWACHSENENVERTRETER-VERFÜGUNG ..................................................................................................... 35
       8.           „CLEARING-VERFAHREN“ ......................................................................................................................... 35
       9.           VERTRETUNGSARTEN ............................................................................................................................... 36
          a.        Vorsorgevollmacht ............................................................................................................................. 37
          b.        Gewählte Erwachsenenvertretung .................................................................................................... 37
          c.        Gesetzliche Erwachsenenvertretung .................................................................................................. 39
          d.        Gerichtliche Erwachsenenvertretung ................................................................................................. 40
       10.          RECHTSSTELLUNG VON ANGEHÖRIGEN IM GERICHTLICHEN BESTELLUNGSVERFAHREN ........................................... 41
VI. RECHTE UND PFLICHTEN IM ZUSAMMENHANG MIT PERSONEN- UND FAMILIENRECHTLICHEN
ANGELEGENHEITEN ...................................................................................................................................... 42
       1.           WUNSCHERMITTLUNGSPFLICHT ................................................................................................................. 43
       2.           BETREUUNG UND KONTAKT ZUM ERWACHSENENVERTRETER ........................................................................... 43
       3.           VERSCHWIEGENHEITSPFLICHT .................................................................................................................... 44
       4.           LEBENSSITUATIONSBERICHT UND RECHNUNGSLEGUNGSPFLICHT ....................................................................... 45
       5.           KONTAKTRECHT UND SCHRIFTVERKEHR MIT DRITTEN ..................................................................................... 46
       6.           EHE UND PARTNERSCHAFT ........................................................................................................................ 46
       7.           OBSORGEANGELEGENHEITEN .................................................................................................................... 47
       8.           ABSTAMMUNGSANGELEGENHEITEN ............................................................................................................ 47
       9.           ADOPTIONSANGELEGENHEITEN .................................................................................................................. 48
       10.          NAMENSÄNDERUNG ................................................................................................................................ 48
       11.          ERBRECHTLICHE ANGELEGENHEITEN ........................................................................................................... 49
       12.          WOHNORTÄNDERUNG ............................................................................................................................. 50

                                                                                                                                                                            2
13.          MEDIZINISCHE BEHANDLUNG .................................................................................................................... 50
      14.          HAFTUNG UND ENTSCHÄDIGUNG BZW AUFWANDERSATZ ............................................................................... 51
      15.          AUSKUNFTSPFLICHT................................................................................................................................. 52
VII.            EINKOMMENS- UND VERMÖGENSVERWALTUNG ............................................................................ 53
      1.           RECHTSGESCHÄFTLICHE HANDLUNGEN ........................................................................................................ 56
      2.           RECHTSGESCHÄFTLICHES HANDELN VON BESCHRÄNKT BZW NICHT GESCHÄFTSFÄHIGEN VOLLJÄHRIGEN .................... 56
           a.      Fall 1: volle Geschäftsfähigkeit .......................................................................................................... 57
           b.      Fall 2: partielle Geschäftsfähigkeit, ausreichende Entscheidungs-fähigkeit ...................................... 57
           c.      Fall 3: partielle Geschäftsfähigkeit, unzureichende Entscheidungs-fähigkeit, kein gesetzlicher
                   Vertreter ............................................................................................................................................ 57
           d.      Fall 4: partielle Geschäftsfähigkeit, ausreichende Entscheidungs-fähigkeit, bestellter gesetzlicher
                   Vertreter ............................................................................................................................................ 58
           e.      Fall 5: partielle Geschäftsfähigkeit, unzureichende Entscheidungs-fähigkeit, bestellter gesetzlicher
                   Vertreter ............................................................................................................................................ 58
           f.      Bloß zum Vorteil gemachte Versprechen ........................................................................................... 58
           g.      Geschäfte des täglichen Lebens ......................................................................................................... 59
      3.           RECHTSGESCHÄFTLICHES HANDELN VON MINDERJÄHRIGEN ............................................................................. 59
VIII.           KONFLIKT(BE)REICHE ELTERN-KIND-BEZIEHUNG .............................................................................. 60
      1.           EMOTIONALE/SOZIALE ABHÄNGIGKEIT ........................................................................................................ 61
           a.      Persönliche Verbundenheit ................................................................................................................ 61
           b.      Teilhabe am gesellschaftlichen Leben................................................................................................ 62
      2.           FINANZIELLE ABHÄNGIGKEIT ..................................................................................................................... 64
           a.      „Ohne Arbeit kein Geld“..................................................................................................................... 64
           b.      Fehlende Sozialversicherung .............................................................................................................. 65
           c.      Kürzung des Pflegegelds .................................................................................................................... 66
           d.      Unterhaltseinforderung ..................................................................................................................... 66
IX.        RESÜMEE............................................................................................................................................. 68
LITERATURVERZEICHNIS ............................................................................................................................... 72

                                                                                                                                                                         3
Abkürzungsverzeichnis

ABGB             Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
Abs              Absatz
aF               alte Fassung
Art              Artikel
AußStrG          Außerstreitgesetz
BMSGPK           Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und
                 Konsumentenschutz
BPGG             Bundespflegegeldgesetz
bspw             beispielsweise
BVG              Bundesverfassungsgesetz
B-VG             Bundes-Verfassungsgesetz
bzw              beziehungsweise
EheG             Ehegesetz
EinstVO          Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz
EMRK             Europäische Menschenrechtskonvention
EPG              Eingetragene Partnerschaft-Gesetz
ErbRÄG 2015      Erbrechts-Änderungsgesetz 2015
ErwSchG          Erwachsenenschutzgesetz
ErwSchVG         Erwachsenenschutzvereinsgesetz
EWR              Europäischer Wirtschaftsraum
gem              gemäß
HeimAufG         Heimaufenthaltsgesetz
iSd              im Sinne des
iVm              in Verbindung mit
KindRÄG 2001     Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001
KJHT             Kinder- und Jugendhilfeträger
Kfz              Kraftfahrzeug
NÄG              Namensänderungsgesetz
NÖ               Niederösterreich
nF               neue Fassung
ÖZVV             Österreichisches Zentrales Vertretungsverzeichnis
PersFrG          Bundesverfassungsgesetz zum Schutz der persönlichen
                 Freiheit
Rsp              Rechtsprechung
SH-GG            Sozialhilfegrundsatzgesetz
StGB             Strafgesetzbuch
UN-BRK           UN-Behindertenrechtskonvention
vgl              vergleiche
WHO              World Health Organization
zB               zum Beispiel
Z                Ziffer
ZPO              Zivilprozessordnung

                                                                          4
I.     Vorwort

Jedes Jahr am 3. Dezember findet der Internationale Tag der Menschen mit
Behinderung statt. Jetzt stellt sich einem die Frage, warum bedarf es einen eigenen
internationalen Gedenk- und Aktionstag für Menschen mit Behinderung und warum
gibt es keinen expliziten Internationalen Tag für Menschen ohne Behinderung? Die
Vereinten Nationen haben diesen speziellen auserkoren um auf das Schwierigkeiten
und Problemen, welchen sich Menschen mit besonderen Bedürfnissen immer wieder
zu stellen haben, aufmerksam zu machen.2 Hierzu gehören im Besonderen rechtliche
Eingriffe, wie zB Freiheitsbeschränkungen, aber auch gesellschaftsbezogene
Einschränkungen, wie zB dem Ausschluss aus der allgemeinen Schulbildung.
Insbesondere geistig behinderte Volljährige werden immer wieder mit Eingriffen in ihr
Selbstbestimmungsrecht konfrontiert. Selbstbestimmung ist sowohl personenzentriert
als auch personenbegleitend und umfasst die Prinzipien der Freiheit, Autorität,
Autonomie und Eigenverantwortung.3 Der Wunsch eines Menschen mit geistiger
Behinderung auf ein selbstbestimmtes Leben bedeutet aber oftmals ein besonderes
Spannungsfeld in der Eltern-Kind-Beziehung.

Der erste Teil dieser Diplomarbeit soll einen kurzen Überblick über die internationalen
und nationalen Rechtsquellen, welche für Menschen mit Behinderung besonders
relevant sind, geben.

Im Besonderen soll der Wandel von der Fremdbestimmung zur Selbstbestimmung
dargestellt werden. Diese Neuerung ist so besonders, da in Österreich bislang die
Familienautonomie als einer der wichtigsten Grundsätze des ABGB galt und auch
andere Rechtsmaterien, wie zB das Unterhaltsrecht, darauf aufbauen. Es stellt sich
somit die Frage, ob das erst vor ein paar Jahren beschlossene Erwachsenen-
schutzrecht mit den bisher anzuwendenden Rechtsquellen, wie dem Unterhaltsrecht
harmoniert oder ob hierzu noch Handlungsbedarf besteht.

Auch stellt sich die Frage, ob das von der UN-BRK vorgesehene Recht auf
Selbstbestimmung mit dem Unterhaltsrecht kompatibel ist oder ob dies durch die
finanzielle Abhängigkeit der behinderten Person von den unterhaltspflichtigen Eltern
verhindert wird. Besonders konfliktreich sind natürlich auch Entscheidungseingriffe
bzw Mitbestimmungsrechte von Eltern als Vertreter ihrer volljährigen Kinder mit
geistiger Behinderung hinsichtlich deren Lebensführung. Problematisiert werden somit
auch die Beeinträchtigung der Eltern-Kind-Beziehung und das mögliche
Konfliktpotential der bestehenden Rechtslage. Dies kann jedoch nur ansatzweise
erörtert werden, da es vor allem von den unterschiedlichen Beteiligten und deren
individuellen Wünschen stark abhängt. Eine für alle passende Lösung kann
wahrscheinlich aufgrund der Vielfältigkeit der betroffenen Menschen nie gefunden
werden, jedoch können sicherlich gewisse gesetzliche Standards insoweit angepasst
werden, als dass für alle beteiligten Personen ein lebenswertes Dasein ermöglicht
wird.

2
  Kleiner Kalender, Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung 2021, http://www.kleiner-
kalender.de/event/tag-der-menschen-mit-behinderung/0130c.html (aufgerufen am 17.02.2021).
3
  Kennedy/Lewin, Was ist Selbstbestimmung und was nicht, http://bidok.uibk.ac.at/library/kennedy-
selbstbestimmung.html (aufgerufen am 16.02.2021).

                                                                                               5
Beginnen darf ich den vorliegenden Rechtsaufsatz somit mit einer kurzen Einführung
in das Behindertenrecht und der verwendeten Begriffe. Anschließend werden die
wichtigsten internationalen und nationalen Rechtsquellen benannt und beschrieben.

Da das Erwachsenenschutzgesetz eine der wichtigsten nationalen Rechtsquellen für
Menschen mit geistiger Behinderung darstellt, erscheint es essenziell, die diesem
Gesetz immanenten Grundsätze vorzustellen. Hierbei wird die Begrifflichkeit der
Selbstbestimmung definiert, sowie thematisiert, ab wann ein Mensch mit Behinderung
seine Entscheidungsfähigkeit verliert und welche Formen der Vertretung in diesem Fall
in Frage kommen.

In weiterer Folge werden dann noch die beiden großen Themenblöcke in Bezug auf
die Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit personen- und familienrechtlichen
Angelegenheiten und der Einkommens- und Vermögensverwaltung erörtert, da in
diesen Bereichen bei Unstimmigkeiten zwischen den Eltern und ihrem behinderten
Kind die meisten Probleme zu finden sind.

Im Vorlauf zum Resümee wird abschließend nochmals konkret auf die emotionale,
soziale und finanzielle Abhängigkeit zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern mit
einer Behinderung eingegangen.

An dieser Stelle ist noch hinzuweisen, dass Teile meiner unveröffentlichten
Seminararbeit mit dem Titel „Mitspracherechte der Eltern von geistig behinderten
Erwachsenen aufgrund ihrer Unterhaltsleistungen“ eingereicht im Wintersemester
2019/2020 bei Herrn Univ. Prof. Dr. Michael Ganner übernommen wurden und
entsprechend überarbeitet bzw ausgebaut in diese Diplomarbeit eingeflossen sind.

In der vorliegenden schriftlichen Arbeit werden auch „veraltete“ Begriffe, welche im
Zusammenhang mit Menschen mit einer Behinderung vor allem noch in diversen
Rechtsquellen gebräuchlich sind, verwendet. Dies soll jedoch keinesfalls als Ausdruck
von Diskriminierung oder Verachtung der betroffenen Personen gewertete werden.
Insofern geschlechtsspezifische Ausdrücke verwendet werden, beziehen sich diese
auf alle anerkannten Geschlechter und sollen zu einer leichteren Lesbarkeit der Arbeit
und einem besseren Textverständnis beitragen.

An dieser Stelle darf ich mich auch noch kurz bei allen, die mich bei der Ausarbeitung
dieser Diplomarbeit unterstützt haben, bedanken. Vielen Dank für eure Geduld, Zeit
und vielen Anmerkungen!

                                                                                     6
II.       Einführung

Voraussichtlich in diesem Jahr4 wird der Bundesstaat Österreich abermals bezüglich
seiner Verpflichtung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und den
dazu im Inland getroffenen Maßnahmen vom zuständigen UN-Ausschuss überprüft.
Dieser völkerrechtlich bindende Vertrag wurde von Österreich bereits im Jahr 2007
unterschrieben.

Entgegen der ursprünglichen Annahme des österreichischen Gesetzgebers wurde bei
der letzten Prüfung durch den UN-Ausschuss im Jahr 2013 gesetzlicher
Verbesserungsbedarf der inländischen Rechtslage für Menschen mit Behinderung
verortet. Daraufhin wurden einige Neuerungen, mit dem Ziel die Autonomie und
Inklusion von körperlich, geistig und psychisch beeinträchtigten Menschen zu fördern
und den Bestimmungen der UN-BRK anzupassen, normiert.5

So kam es zu einer grundlegenden Änderung des Sachwalterrechtes, welches zwar in
seinen Grundzügen übernommen, begrifflich jedoch neu gefasst wurde und die neue
Bezeichnung „Erwachsenenschutzrecht“ bekam. Die heute geltende Fassung des
2. Erwachsenenschutzgesetzes ist schließlich am 1.7.2018 in Kraft getreten.6

Da sich so tiefgreifende Gesetzesänderungen meist auf die bestehende
Rechtsprechung und Rechtsanwendung auswirken, müssen alle Betroffenen auf die
neuen Gegebenheiten reagieren. In diesem Fall betrifft dies insbesondere die
Menschen mit Behinderung, deren Angehörige, die bisher bestellten Vertreter und die
Erwachsenenschutzvereine. So kann es nicht nur zu formellen und materiellen
Anpassungen kommen, wie zB die Änderung von Begriffen oder Rechtsfolgen,
sondern besteht auch die Möglichkeit, dass bestehendes Gesetzesrecht mit der neu
gefassten Rechtsmaterie kollidieren.

                 Menschen mit Behinderung

Primär richtet sich das neue Erwachsenenschutzgesetz und die UN-BRK an
Menschen mit Behinderung, da der Großteil der Regelungen direkten oder indirekten
Einfluss auf deren Leben hat. Konflikte von behinderten Personen und deren Vertreter
bzw unterhaltspflichtigen Eltern sollen durch Erlassung konkreter Normen vermieden
werden. Menschen mit einer rein körperlichen Beeinträchtigung benötigen im
Normalfall keinen gesetzlichen Vertreter, da sie voll entscheidungsfähig sind. Aus
diesem Grund richtet sich das 2. ErwSchG vor allem an geistig oder psychisch
beeinträchtigte Menschen, die das 18. Lebensjahr bereits vollendet haben.

4
 Im Jahr 2021; laut derzeitigen Informationen auf der Website des Bundesministerium für
Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz,
https://www.sozialministerium.at/Themen/Soziales/Menschen-mit-Behinderungen/UN-
Behindertenrechtskonvention.html (aufgerufen am 12.11.2020).
5
 Siehe Scharl, https://www.bizeps.or.at/10-jahre-die-un-konvention-ueber-die-rechte-von-
menschen-mit-behinderungen-in-oesterreich/ (aufgerufen am 30.10.2019).
6
    Vgl Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3 (2019), 11.

                                                                                           7
Bei einer geistigen oder psychischen Beeinträchtigung ist die Entscheidungsfähigkeit
des Volljährigen entweder nur vermindert oder gar nicht gegeben. Unter dem Begriff
der Entscheidungsfähigkeit versteht man, dass die betreffende Person die Bedeutung
und Folgen ihres Handelns versteht und ihren Willen und ihr Verhalten danach richtet.7
Zuallererst ist somit eine Abgrenzung von psychisch kranken oder vergleichbar
beeinträchtigten, sowie körperlich beeinträchtigten Menschen vorzunehmen.

Im Normalfall können Menschen mit Behinderung nicht nur einer Behinderungsart
zugeordnet werden, sondern spielen meistens viele verschiedene Aspekte und
Beeinträchtigungen eine Rolle. Deshalb ist es auch sehr schwierig eine allgemein
gültige Definition der verschiedenen Behinderungstypen zu finden. Typischerweise
würde man die Gehörlosigkeit eines Menschen als körperliche Behinderung aufgrund
eines körperlichen Gebrechens oder einer Erkrankung8 einstufen. Wenn dieser
gehörlose Mensch nun aber auch noch Legasthenie9 hat, muss die Zuordnung bereits
wieder überdacht werden. Sich diesem Problem bewusst, hat die WHO versucht der
Medizin eine Begriffserklärung für die „geistige Behinderung“ zur Verfügung zu stellen,
welche wie folgt lautet:

      „Geistige Behinderung bedeutet eine signifikant verringerte Fähigkeit, neue
      oder komplexe Informationen zu verstehen und neue Fähigkeiten zu
      erlernen und anzuwenden (beeinträchtigte Intelligenz). Dadurch verringert
      sich die Fähigkeit, ein unabhängiges Leben zu führen (beeinträchtigte
      soziale Kompetenz). Dieser Prozess beginnt vor dem Erwachsenenalter
      und hat dauerhafte Auswirkungen auf die Entwicklung.

      Behinderung ist nicht nur von der individuellen Gesundheit oder den
      Beeinträchtigungen eines Kindes abhängig, sondern hängt auch
      entscheidend davon ab, in welchem Maße die vorhandenen
      Rahmenbedingungen seine vollständige Beteiligung am gesellschaftlichen
      Leben begünstigen.

7
 Vgl Kathrein, Das neue Erwachsenenschutzrecht - eine Einführung, in Deixler-Hübner/Schauer
(Hrsg), Erwachsenenschutzrecht (2018), 8.
8
 Beispiele des Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz,
Hörbehinderung:Gehörlosigkeit | Gesundheitsportal
https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/behinderung/taubheit (aufgerufen am 07.02.2021);
Lärmschwerhörigkeit, Altersschwerhörigkeit, angeborene Hörschädigung, Sauerstoffmangel um
den Zeitpunkt der Geburt, Meningitis, Hörsturz, Otosklerose oder eine Verletzung.
9
  Definition des IFLW – Institut für integrative Lerntherapie und Weiterbildung, Falk-Frühbrodt, Was ist
Legasthenie?, https://www.iflw.de/blog/lrs-legasthenie-leserechtschreibschwaeche/was-ist-
legasthenie/ (aufgerufen am 07.02.2021).
„Legasthenie bzw. Lese- und Rechtschreibstörung bezeichnet eine umschriebene Störung im
Erlernen der Schriftsprache, die nicht durch eine allgemeine Beeinträchtigung der geistigen
Entwicklungs-, Milieu- oder Unterrichtsbedingungen erklärt werden kann. Vielmehr ist die
Legasthenie das Ergebnis von Teilleistungsschwächen der Wahrnehmung, Motorik und/oder
der sensorischen Integration, bei denen es sich um anlagebedingte und/oder durch äußere
schädigende Einwirkungen entstandene Entwicklungsstörungen von Teilfunktionen des zentralen
Nervensystems handelt.“

                                                                                                       8
Im Kontext der WHO-Initiative „Bessere Gesundheit, besseres Leben“
      schließt der Begriff „geistige Behinderung“ auch Kinder mit autistischen
      Störungen ein, die geistige Beeinträchtigungen aufweisen. Er schließt aber
      auch Kinder ein, die aufgrund vermeintlicher Behinderungen oder einer
      Ablehnung durch ihre Familie in Institutionen eingewiesen wurden und
      deshalb     Entwicklungsstörungen     und    psychologische     Probleme
                  10
      aufweisen.“

Auch die psychische Krankheit ist ein Rechtsbegriff, der aus der Medizin kommt.
Dieser sollte aber, wie der Begriff der geistigen Behinderung nicht unreflektiert
übernommen werden.

Unter psychischer Krankheit versteht man, die Beeinträchtigung der Fähigkeit zu
autonomer     Willensbildung.   Bespiele  hierfür  sind     die  verschiedenen
Erscheinungsformen der Demenz, Schizophrenie und körperlich begründete
Psychosen. In neueren Gesetzestexten und der Literatur wird nun vermehrt von
Menschen mit psychischen Krankheiten und vergleichbaren Beeinträchtigungen
anstelle von Behinderten gesprochen.

Unter der vergleichbaren Beeinträchtigung versteht man alle Formen der geistigen
Behinderungen, also im medizinischen Sinne typischerweise unterdurchschnittliche
Intelligenz und Leistungsfähigkeit des Gehirns bei gleichzeitig gestörter oder
eingeschränkter Anpassungsfähigkeit im sozialen Umgang. Auch Koma und
Bewusstlosigkeit zählen zu den vergleichbaren Beeinträchtigungen.11

Unter das Tatbestandsmerkmal vergleichbare Beeinträchtigung nicht subsumierbar,
sind jedenfalls körperlich beeinträchtigte Menschen. Auch Personen, welche nur
aufgrund eines Ausnahmezustandes kurzfristig geistig beeinträchtigt sind, wie zB
Alkoholisierte, zählen nicht dazu. Konkret bedeutet dies, dass nur langfristige und
geistige Behinderungen zu den vergleichbaren Beeinträchtigungen zählen.

Eine medizinische Diagnose unter welche Art von Behinderung der einzelne Mensch
mit besonderen Bedürfnissen zu subsumieren ist, ist besonders relevant für unser
Sozialsystem, denn nur wenn festgestellt wird, dass die betroffene Person mit
gewissen Einschränkungen zu leben hat und Unterstützung benötigt, werden ihr
hierfür finanzielle Zuschüsse bereitgestellt. Eine medizinische Diagnose hat jedoch
nicht nur finanzielle Auswirkungen, sondern beeinflusst immer auch den gesamten
Lebenslauf des beeinträchtigten Menschen. Ursache für dieses Sozialsystem und die
entsprechenden gesetzlichen Regelungen ist der Leistungsdruck unseres
Gesellschaftssystems, weshalb leistungsfähige Personen keine zusätzlichen
finanzielle Mittel durch den Staat erhalten sollen.12

10
   WHO-Regionalbüro für Europa, http://www.euro.who.int/de/health-topics/noncommunicable-
diseases/mental-health/news/news/2010/15/childrens-right-to-family-life/definition-intellectual-
disability (aufgerufen am: 22.12.2019).
11
      Schauer,  Erwachsenenvertreter,      in    Deixler-Hübner/Schauer  (Hrsg),   HB
Erwachsenenschutzrecht (2018), 82f; Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts,
32ff.
12
   Powell/Pfahl, Disability and Inequality in Educational Opportunities in Life Course Perspective,
in Becker (Hrsg), Research Handbook on Sociology of Education (2019).

                                                                                                      9
Das neue Erwachsenenschutzrecht kennt den Begriff der geistigen Behinderung,
welcher schwer fassbar und negativ belastet ist, nicht mehr. Die betroffenen Personen
werden nunmehr als „volljährige Personen, die aufgrund einer psychischen Krankheit
oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung in ihrer Entscheidungsfähigkeit
eingeschränkt sind“ definiert.13 Auch im ABGB werden Menschen anstatt
„Pflegebefohlene“ nun „schutzberechtigte Personen“ genannt. Aufgrund der vielen
anzuwendenden Gesetzestexte konnten diese als negativ empfundenen Wörter
jedoch nicht zur Gänze eliminiert werden, weshalb sie auch jetzt noch je nach
Sachgebiet und Fragestellung zur Anwendung kommen. Auch hilft die Verwendung
der „alten“ Begriffe in der Schrift teilweise, um Wortwiederholungen zu vermeiden.

All diese bereits zuvor beschriebenen Anpassungen und Änderungen der
österreichischen Rechtslage, wären vermutlich jedoch nicht bereits zu diesem
Zeitpunkt erfolgt, gäbe es nicht die UN-Behindertenrechtskonvention.

III.      UN-Behindertenrechtskonvention

Obwohl es Behinderung und behinderte Menschen bereits seit Menschengedenken
gibt, proklamierten die Vereinten Nationen 1981 erstmals das Jahr der Behinderten.
Behinderung wurde bis zu diesem Zeitpunkt lediglich als medizinisches oder
sozialpolitisches Thema verstanden. Dieses Umdenken führte auch dazu das ab dem
Ende der 1980er-Jahre internationale Behindertenorganisationen begannen sich als
Menschenrechtsorganisationen zu bezeichnen.

Ausschlaggebend waren diese Entwicklungen besonders für den deutschen
Sprachraum, da dies zur Bildung von nationalen Behindertenbewegungen führte.
Einen wesentlichen Beitrag hierzu leistete auch die emanzipatorische
Behindertenbewegung der 1960er-Jahre, welche sich in vielen Ländern gegen die
Bevormundung und Benachteiligung von Menschen mit Behinderung einsetzten.
Durch diese Bewegungen war auch ein Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik
– weg von der Fürsorge, hin zur Teilhabe – möglich.14 Ab diesem Zeitpunkt wurde
auch besonderes Augenmerk auf die Unterbringung behinderter Menschen und damit
einhergehender Menschenrechtsverletzungen gelegt wurde.

Die UN-Behindertenkonvention entstand im Jahre 2006 und geht auf die Initiative von
vielen Behinderten- und Nichtregierungsorganisationen zurück. Sie gilt als Meilenstein
im Hinblick auf die Manifestierung und Durchsetzbarkeit der Menschenrechte für
(geschätzt) 650 Millionen behinderte Menschen weltweit. Als erster Völkerrechts-
vertrag, der eine verbindliche Menschenrechtsquelle für behinderte Menschen
geschafften hat, ist dessen Hauptzweck vor allem die Rechte und Rechtsstellung von
Menschen mit Behinderung zu stärken.15

Menschenrechte gelten als angeborene Rechte und stehen somit jedem Menschen
vom Zeitpunkt seiner Geburt zu. Abgeschlossen werden sie zur Beseitigung von

13
     So auch Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts, 21.
14
     Köbsell/Pfahl, Was sind eigentlich Disability Studies, Forschung und Lehre, 554.
15
  Cattacin/Domenig/Schäfer, Selbstbestimmt mitgestalten! Behinderung im Fokus individueller
und gesellschaftlicher Emanzipation (2019), 59; iVm Degener, Menschenrechte und
Behinderung, in Dederich/Jantzen (Hrsg), Behinderung und Anerkennung. (2009), 162.

                                                                                              10
strukturellem oder systematischem Unrecht. In der UN-Behindertenkonvention wird
somit folgerichtig kein neues Sonderrecht für Menschen mit Behinderung geschaffen,
sondern die allgemeinen bestehenden Menschenrechte bekräftigt und für diese
Personengruppe konkretisiert. Menschenrechte werden weltweit jedoch leider trotz
allem weiterhin verletzt und nicht umgesetzt, weshalb in der Realität eine breite Kluft
zwischen Anspruch und Durchsetzbarkeit besteht.

Es stellt sich nun die Frage, warum überhaupt für Menschen mit Behinderung eine
eigene Konvention verfasst wurde, wenn für diese sowieso die bereits bestehenden
Menschenrechtkonventionen gelten. Als entscheidend wurde erachtet, dass ein sehr
hoher Anteil der Behinderten in Institutionen untergebracht ist und somit deren Leben
oft stark fremdbestimmt wird.

Bereits in den 1970er-Jahren wurde dies von der Independent-Living-Bewegung
untersucht und anschließend kritisiert, dass Sondereinrichtungen für Menschen mit
Behinderung sehr oft in deren Selbstbestimmungsrecht eingreifen und deren
Menschenrechte verletzen.16

Die UN-BRK selbst beschreibt ihren Zweck in Art 1 Abs 1 UN-BRK, wie folgt:

        Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten
        Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit
        Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die
        Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.17

Der dem österreichischen Recht unbekannte Begriff der Menschenwürde hat dabei
eine sehr zentrale Rolle inne, unter welchen sich auch die Aspekte Selbstbestimmung
und Autonomie als Teil davon einordnen lassen.

Auch eine Definition des Personenkreises, für welchen diese Konvention gelten soll,
bleibt der Vertragstext nicht schuldig, wobei sich jedoch die besondere Schwierigkeit
der Begriffsbestimmung von Behinderung für die Vertragsersteller dartat. So ist die
folgende Definition des Art 1 Abs 2 UN-BRK nicht vollständig, sondern stellt lediglich
eine demonstrative Aufzählung des möglichen Personenkreises dar18:

        Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige
        körperliche, psychische, intellektuelle oder Sinnesbeeinträchtigungen
        haben, die sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen
        und wirksamen Teilhabe, gleichberechtigt mit anderen, an der Gesellschaft
        hindern können.19

16
  Cattacin/Domenig/Schäfer, Selbstbestimmt mitgestalten! Behinderung im Fokus individueller
und gesellschaftlicher Emanzipation, 61-62; iVm Christian/Udo, Der lange Weg zur
Selbstbestimmung. Ein historischer Abriss., in Degener/Diehl (Hrsg), Handbuch der
Behindertenrechtskonvention. Teilhabe als Menschenrecht – Inklusion als gesellschaftliche
Aufgabe. (2015), 32f.
17
  BMSGPK, UN-Behindertenrechtskonvention Deutsche Übersetzung der Konvention und des
Fakultativprotokolls (2016), 6.
18
  Cattacin/Domenig/Schäfer, Selbstbestimmt mitgestalten! Behinderung im Fokus individueller
und gesellschaftlicher Emanzipation, 63; iVm Degener in Dederich/Jantzen, 164.
19
     BMSGPK, UN-Behindertenrechtskonvention, 6.

                                                                                              11
Als ebenfalls geläufige und bereits zuvor zitierte Definition wird oftmals auch jene der
WHO herangezogen.

Abgekoppelt von dieser medizinischen Definition haben die Sozialwissenschaft im
Zuge ihrer Disability Studies den Begriff gesellschaftsbezogener geprägt:

      Behinderung ist kein Ergebnis medizinischer Pathologie, sondern das
      Produkt sozialer Organisationen.20

Hierbei wird Behinderung somit nicht als etwas medizinisch klassifizier-, und
behandelbares, sondern als etwas von der Gesellschaft produziertes und somit nur
durch die Veränderung des sozialen Umfelds „heilbares“ gesehen. Da auch diese
Begriffsbestimmung seine Tücken hat und somit oft kritisiert wird, kann von einer einzig
wahren Definition auch hierbei nicht die Rede sein.

Dennoch sind die Disability Studies und ihre Erkenntnisse nicht zu unterschätzen. Als
multidisziplinäres Lehr- und Forschungsgebiet untersucht es auf Grundlage einer Sicht
von Behinderung soziale Konstruktionen und Prozesse, aufgrund welcher Menschen
mit Beeinträchtigungen gesellschaftlich ausgeschlossen und somit „behindert“
werden. Neu ist auch, dass nicht über Menschen mit Behinderung geforscht wird,
sondern mit ihnen gemeinsam Forschungsarbeit betrieben wird.21

Besonders thematisiert wird auch die Entstehung und Zuschreibung, was in der
Vergangenheit und Gegenwart unter dem Begriff Behinderung zu verstehen war bzw
ist. Neben der Erforschung der Begriffe Behinderung und Normalität ist in diesem
Fachbereich, auch das Erfassen der tatsächlichen Lebenssituation und Erfahrungen
von behinderten Menschen besonders wichtig. Im Speziellen soll aufgezeigt werden,
dass Behinderung kein Schicksal oder eine Folge einer chronischen Krankheit oder
Beeinträchtigung darstellt, sondern durch bauliche, institutionelle, kulturelle und
ideologische Barrieren entsteht. Im Rahmen der Disability Studies spricht man hierbei
von einer Einschränkung der Teilhabe an einem gesellschaftlichen Leben. Im
Zusammenhang mit dem Menschen mit Behinderung spricht Schönwiese von
Barrieren. Menschen werden somit behindert aufgrund physischer Barrieren, wie zB
tatsächlichen bestehenden baulichen Umständen, oder psychischer Barrieren, dies
sind gedankliche Hürden, welche die Gesellschaft nur durch das Überdenken
gesellschaftlicher Normen bspw gewisser baulicher Konzepte oder dem
Raummanagement, überwinden könnten.22

Von den Disability Studies wurde auch das Konzept des Abelismus entwickelt.
Abelismus leitet sich vom englischen Wort „able“ (ins Deutsche übersetzt mit: „fähig“)
ab und bezeichnet die Bewertung von Menschen anhand ihrer Fähigkeiten. Hierbei
wird neben der strukturellen Benachteiligung von Menschen mit Behinderung auch
eine generelle behindertenfeindliche Einstellung verstanden. Konkret stellt es

20
  Cattacin/Domenig/Schäfer, Selbstbestimmt mitgestalten! Behinderung im Fokus individueller
und gesellschaftlicher Emanzipation, 63; Waldschmidt, Disability Studies, in Grevin (Hrsg),
Kompendium der Heilpädagogik (2007), 164.
21
  Köbsell/Pfahl, Forschung und Lehre , 554.
22
  Schönwiese, Behinderung und Identität: Inszenierungen des Alltags, in Mürner/Sierck (Hrsg),
Behinderte Indentät (2011), 143; Köbsell/Pfahl, Forschung und Lehre, 554.

                                                                                                12
Überzeugungen, Prozesse oder Praktiken dar, welche einen speziellen körperlichen
Standard, eine bestimmte Selbstwahrnehmung konstruieren, anhand welcher jeder
Mensch bewertet wird. Der Bewertungsmaßstab orientiert sich an einem nicht
existenten perfekten, arten-typischen und vollständigen Menschen. Behinderung wird
in diesem Zusammenhang als ein verminderter Zustand des Menschseins gewertet.23

Als Fortentwicklung dieser sozialwissenschaftlichen Erklärung kann das von der
UN-BRK favorisierte menschenrechtliche Modell gesehen werden. Es wird also eine
Definition des Worts „Behinderung“ oder „behinderte Menschen“ als nicht unbedingt
notwendig erachtet, da die Nichterfüllung dieses Tatbestandsmerkmals bzw seiner
Begriffsbestimmung nicht Grund dafür sein soll, dass jemanden aufgrund dessen das
Menschenrecht versagt bleibt. Kurz gesagt, es werden jedenfalls möglichst viele
Menschen in den Personenkreis miteinbezogen. Eine genaue Umschreibung des
Begriffes könnte dazu führen, dass wiederum Menschen aufgrund dieser Definition
ausgeschlossen werden könnten, was jedenfalls nicht gewollt ist.24

Neben der Zweckbestimmung des Art 1 UN-BRK und den Begriffsbestimmungen des
Art 2 UN-BRK stellt der Art 3 UN-BRK allgemeine wichtige Grundsätze auf, anhand
derer jede Handlung „mit, gegen oder für“ behinderte Menschen zu messen ist.

Die Allgemeinen Grundsätze des Art 3 UN-BRK stellen sich folgendermaßen dar:

        Die Grundsätze dieses Übereinkommens sind:
        a) die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde, seiner
        individuellen Autonomie, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen
        zu treffen, sowie seiner Selbstbestimmung;
        b) die Nichtdiskriminierung;
        c) die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Inklusion in die
        Gesellschaft;
        d) die Achtung der Unterschiedlichkeit und die Akzeptanz von Menschen
        mit
        Behinderungen als Teil der menschlichen Vielfalt und der Menschheit;
        e) die Chancengleichheit;
        f) die Barrierefreiheit;
        g) die Gleichberechtigung von Mann und Frau;
        h) die Achtung vor den sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern mit
        Behinderungen und die Achtung ihres Rechts auf Wahrung ihrer Identität.25

23
                Wolbring,            The              politics             of            Ableism,
https://www.researchgate.net/publication/5219934_The_Politics_of_Ableis m (aufgerufen am
10.08.2019); Campbell, Inciting Legal Fictions: „Disability’s“ Date with Ontology and Ableist Body
of Law, Griffith Law Review Jg. 10, Nr 1, 44, Köbsell/Pfahl, Forschung und Lehre, 555.
24
   Cattacin/Domenig/Schäfer, Selbstbestimmt mitgestalten! Behinderung im Fokus individueller
und gesellschaftlicher Emanzipation, 64; iVm Degener, Die UN-Behindertenrechtskonvention –
ein neues Verständnis von Behinderung, in Degener/Diehl (Hrsg), Handbuch der
Behindertenrechtskonvention. Teilhabe als Menschenrecht – Inklusion als gesellschaftliche
Aufgabe (2015), 64.
25
     BMSGPK, UN-Behindertenrechtskonvention, 8.

                                                                                                     13
Bei der Auslegung dieser Grundsätze sollte auch nicht außer Acht gelassen werden,
dass Menschen mit einer Behinderung ein selbstbestimmtes Leben mit dem
notwendigen Maß an Assistenz ermöglicht werden soll.

Die Begriffe der Nichtdiskriminierung und Achtung der Unterschiedlichkeiten machen
ebenfalls nochmals darauf aufmerksam, dass die betroffenen Personen
unterschiedliche Bedürfnisse und Einschränkungen haben und somit nicht alle in eine
Kategorie gesteckt werden können. Folglich findet Diskriminierung auch dann statt,
wenn alle Menschen mit Behinderung gleichbehandelt werden und keine
Unterscheidungen gemacht werden.

Schwieriger zu begreifen, ist bereits der Begriff Teilhabe. Dieser Begriff hat eine lange
Tradition in der Sonderpädagogik und rückt seit der Verabschiedung der ICF26 immer
mehr ins Bewusstsein der Wissenschaftler. In dieser wird der Begriff der Teilhabe als
gesundheitswissenschaftlicher Behinderungsbegriff gebildet und definiert, weshalb
Teilhabe und Behinderungen in einem engen Kontext stehen. Laut ICF stellt
Behinderung eine Einschränkung der Teilhabe dar. Teilhabe wiederum steht in einem
engen Zusammenhang mit der jeweiligen Umwelt und Person. Dennoch wird keiner
der Begriffe in der ICF genauer spezifiziert, weshalb auch dieses Verzeichnis nur
beschränkt zum Verständnis beiträgt. Michael Schuntermann sieht Teilhabe als
Konzept des Vorhandenseins von Zugangsmöglichkeiten und lenkt somit den
kritischen Diskurs auch immer auf die Menschenrechte. Eine Begriffserweiterung der
ICF um die Ermöglichung eines selbstbestimmten und gleichberechtigten Lebens wird
von ihm gefordert, wobei für diese Aspekte der Wille zur Teilhabe entscheidend ist.27

Besonders interessant in diesem Zusammenhang ist auch der Aspekt der
Anerkennung. Axel Honneth, welcher besonders im Zusammenhang mit dem
gegenwärtigen philosophischen Anerkennungsdiskurs bekannt ist, beschreibt das
hochkomplexe Zusammenspiel der Gesellschaft, indem er zwischen der emotionalen,
solidarischen und rechtlichen Ebene unterscheidet.

Auf der emotionalen Ebene findet man als zentrale Elemente, die personalen
Eigenschaften der Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit des Individuums. Ob eine
individuelle Leistung für die Gesellschaft von Bedeutung ist, wird hingegen auf der
solidarischen Ebene gemessen. Im Zusammenhang mit den rechtlichen Beziehungen
sind insbesondere die liberalen Freiheitsrechte, politischen Teilhaberechte und
sozialen Wohlfahrtsrechte entscheidend. Diese drei Ebenen stehen in einem
Wechselspiel zueinander. So muss man die Autonomie, welche man für sich selbst in
Anspruch nimmt, auch dem Gegenüber gewähren.28

Ein ebenfalls wichtiger Teilaspekt zur Förderung eines selbstbestimmten Lebens ist
die Barrierefreiheit. Darunter versteht man nicht nur, dass zB ein Bankomat für einen
Rollstuhlfahrer erreichbar ist, sondern auch die Übersetzung der UN-BRK in Leichte

26
     ICF = Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit
27
    Vgl Cattacin/Domenig/Schäfer, Selbstbestimmt mitgestalten! Behinderung im Fokus
individueller und gesellschaftlicher Emanzipation, 65–66; und Schuntermann, Einführung in die
ICF. Grundkurs, Übungen, offene Fragen (2007), 181ff.
28
  Cattacin/Domenig/Schäfer, Selbstbestimmt mitgestalten!, 66; Honneth, Anerkennung und
moralische Verpflichtung, Zeitschrift für philosophische Forschung (1997), 51 (1), 25-41.

                                                                                                14
Sprache29. Diese Übersetzung ist für Menschen mit Lernschwierigkeiten besonders
wichtig und unterstützt diese dabei ihre Rechte besser kennen zu lernen. Die Leichte
Sprache zeichnet sich spezielle dadurch aus, dass die Sätze kurz sind, auf Fach- oder
Fremdwörter verzichtet wird und die Schrift, sowie gegebenenfalls Bilder größer sind
als üblich.30

          1.      Staatenberichtsverfahren und Monitoring der UN-BRK

Die UN-BRK richtet sich als völkerrechtlicher Vertrag in erster Linie an die
Nationalstaaten. Diese verpflichten sich im Vertrag die Menschenrechte zu Achten und
für deren Umsetzung und Einhaltung Sorge zu tragen. Dies geschieht nicht nur durch
die Beachtung der Menschenrechte bei der nationalen Gesetzgebung, sondern auch
durch Ahndung drohender Rechtsverletzungen Dritter. Des Weiteren sind die National-
staaten verpflichtet die notwendigen strukturellen Maßnahmen für die Rechtswahr-
nehmung und Durchsetzung zu schaffen.31

Hierzu wurden in den Vertragsstaaten sogenannten Focal Points, also staatliche
Anlaufstellen eingerichtet, zu deren besonderer Aufgabe die Überwachung, Einhaltung
und Umsetzung der UN-BRK gehört. In Österreich wurde hierzu entsprechend dem
§°33 UN-BRK der sogenannte Monitoringausschuss installiert.32

Auf internationaler Ebene wurde ebenfalls ein Überwachungsausschuss, der
sogenannte UN-Ausschuss, ins Leben gerufen. Dessen Mitglieder sind Expertinnen
und Experten für Menschenrechte und Behindertenpolitik. Sie verfügen oftmals selbst
über eigene Behinderungserfahrungen und tagen jährlich in Genf.

Als wichtigstes Instrument des UN-Behindertenausschusses gilt der Staatenbericht,
welcher erstmals zwei Jahre nach Ratifizierung und anschließend alle vier Jahre
einzureichen ist. Es gibt auch noch weitere Verfahren und Rechtsmittel, welche an
dieser Stelle jedoch nicht näher ausgeführt werden.33

Der UN-Behindertenausschuss ist weltweit tätig und hat so gegen die
unterschiedlichsten Probleme und Diskriminierungen zu kämpfen. Während im
Globalen Norden vor allem das Schulwesen hinterfragt wird und Sonderschulen
abgeschafft werden sollen, werden vermehrt Hinweise auf eine Nichtbeschulung
behinderter Kinder in Ländern des Globalen Südens an den Ausschuss
herangetragen. In weiten Teilen Afrikas sind Menschen mit kognitiven Beeinträchtig-

29
  Dieser Begriff wurde erstmals Ende der 1990er-Jahre von Menschen mit Lernschwierigkeiten
selbst geprägt.
30
     Cattacin/Domenig/Schäfer, Selbstbestimmt mitgestalten!, 67–68.
31
   Bielefeldt, Inklusion als Menschenrechtsprinzip: Perspektiven der UN-Behindertenkonvention,
in Moser/Horster (Hrsg), Ethik der Behindertenpädagogik. Menschenrechte, Menschenwürde,
Behinderung. Eine Grundlegung. (2012), 163; Cattacin/Domenig/Schäfer, Selbstbestimmt
mitgestalten!, 74f.
32
   Aichele, Die unabhängige Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention in
Deutschland: Hintergrund, Ausrichtung, Wirkungszusammenhang, Zeitschrift für Inklusion 4/2
SE-Artikel.
33
     Cattacin/Domenig/Schäfer, Selbstbestimmt mitgestalten!, 74–75.

                                                                                                 15
ungen überhaupt ihr Leben lang auf ihre Familien angewiesen, da es keine
entsprechenden ambulanten Dienste gibt.34

Jedes Land und jede Zeit hat somit sicher seine eigenen Aufgaben und Probleme,
welche noch zu erfüllen sind, bevor behinderte Personen im gesellschaftlichen Gefüge
wirkliche Teilhabe und Inklusion erfahren können.

Behinderung führt durch dessen Komplexität und Heterogenität immer zu einer
Strapazierung der sozialen Systeme. Eine besondere Schwierigkeit stellt oftmals auch
dar, dass die Kommunikation auf verschiedenen Ebenen stattzufinden hat. Geistig
behinderte Personen mit stark eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten stellen hierbei
sicherlich die am problemträchtigste Gruppe dar, da Kommunikation in der Form von
Sprache und Schrift oftmals kaum und nur sehr schwer möglich ist. Diese
Kommunikationserschwernisse können teilweise durch soziale Systeme und
Methoden verbessert werden, haben jedoch immer die Tendenz eine Exklusion von in
den gängigen Kommunikationsformen, wie zB Schrift oder Sprache, beschränkten
Person zu bewirken.

Auch die UN-BRK bewirkt an sich keine Inklusion von geistig behinderten Menschen,
kann jedoch durch dessen Bestehen und der damit einhergehender Diskussionen das
Thema Menschen mit Behinderung in den Vordergrund stellen und ermöglich so einen
öffentlichen und fachlichen Diskurs, sowie eine Sensibilisierung der Gesellschaft für
dieses Problemfeld.35

       2.      Staatenprüfung Österreichs

Das Prüfungskomitee der UNO („Committee on the Rights of Persons with
Disabilities”) hat am 2. und 3.9.2013 die österreichische Rechtsordnung auf die
Einhaltung der UN-BRK geprüft. Das Resumee der Staatenprüfung fiel ernüchternd
aus, denn das österreichische Sachwalterrecht wurde als veraltet („oldfashioned“) und
diskriminierend bewertet. Kritisiert wurde insbesondere, dass mit der Bestellung eines
Sachwalters die betroffene Person jedenfalls ihre Geschäftsfähigkeit verlor und dem
Vertreter oftmals ein zu umfangreicher Wirkungsbereich eingeräumt wurde.

Daraufhin hat das Bundesministerium für Justiz noch im selben Jahr gehandelt und
ein Reformprojekt gestartet, zu welchem nicht nur Wissenschaftler, Fachkräfte,
Politiker und die bisherigen gesetzlichen Vertreter zu einer Stellungnahme
aufgefordert wurden, sondern auch Selbstvertreter, also Menschen, die bislang selbst
unter Sachwalterschaft standen, zur Mitwirkung eingeladen wurden.

Im Zuge dieses Reformprojekts wurde ein neuer Gesetzestext ausgearbeitet, welcher
dann im Sommer 2016 als Begutachtungsentwurf der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Nach Einlangen zahlreicher Stellungnahmen zum Entwurf wurde dieser dann

34
   Lachwitz, Auswirkungen der UN-Behindertenrechtskonvention und der UN-Agenda 2030 auf
die Lebensbedingungen von Menschen mit einer geistigen Behinderung in den Ländern des
Globalen Südens (2017), 5; und Cattacin/Domenig/Schäfer, Selbstbestimmt mitgestalten!, 78.
35
  Cattacin/Domenig/Schäfer, Selbstbestimmt mitgestalten!, 79; Fuchs, Behinderung und soziale
Systeme. Anmerkungen zu einem schier unlösbaren Problem (2002).

                                                                                               16
gleichzeitig mit den Novellen zum HeimAufG als neues Erwachsenenschutzgesetz
beschlossen.36

IV.    Rechtslage in Österreich

Neben der UN-BRK sind für Menschen mit einer geistigen Behinderung grundsätzlich
mehrere nationale Rechtsquellen, also insbesondere das gesatzte Recht relevant. Vor
allem Kodifikationen, in welchen Schutzrechte von körperlich, geistig oder psychisch
beeinträchtigten Personen normiert sind, spielen hierbei eine wichtige Rolle.

Der Großteil der Bestimmungen findet sich im ABGB, nämlich im Ersten Theil. („Von
dem Personen-Rechte.“). Im 6. Hauptstück des Ersten Teils („Von der
Vorsorgevollmacht und der Erwachsenenvertretung“) finden sich dann die wichtigsten
Bestimmungen hinsichtlich der Vertretung behinderter Menschen.37 Die
verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Erwachsenenschutzgesetzes findet man im
9. Abschnitt des AußStrG (§§ 116 a ff AußStrG).38

Grundsätzlich muss ein Mensch mit Behinderung, bzw dessen Vertreter, immer viele
verschiedene Rechtsquellen beachten, da es nicht ein „Behinderten-Gesetz“ gibt.
Aufgrund der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung werden manche
gesetzlichen Bestimmungen in Bereichen, welche für Menschen mit Behinderung
besonders relevant sind, wie zB die Erwerbstätigkeit und das Pflegegeld, alleine vom
Bundesgesetzgeber erlassen und vollzogen, während für andere Aspekte, wie zB
Pflegeplätze und -betreuung sowie die Sozialhilfe, hinsichtlich der Gesetzgebung und
Vollziehung das jeweilige Bundesland zuständig ist. Da das Behindertenrecht viele
Lebensbereiche umfasst, ist es nicht möglich ein Gesetz zu erlassen, weshalb es auch
zu den Querschnittsmaterien zählt.39

Es lohnt sich dennoch einen kurzen Blick auf die vorhandenen insbesondere für geistig
behinderte Menschen relevanten Rechtsgrundlagen zu werfen. Da behinderte
Menschen meistens einen erhöhten Bedarf an finanziellen Mitteln haben, stehen
ihnen, bzw ihren Vertretern, mehrere Möglichkeiten offen, um diesen Bedarf zu
decken. Hierbei wird zwischen der sozialrechtlich geprägten sozialen Fürsorge (auch
Versorgungsleistungen genannt) und dem privatrechtlich geregelten Unterhalt
unterschieden.

       1.      Abgrenzung soziale Fürsorge und Unterhalt

Je nachdem wer die finanziellen Mittel zur Verfügung stellt, spricht man entweder von
Unterhalts-, und Versorgungsleistungen. So entsteht der Anspruch auf Unterhalt

36
  Hagen/Niedermoser/Rott, Das neue Erwachsenenschutzrecht aus Sicht der Vereine, in
Deixler-Hübner/Schauer (Hrsg), HB Erwachsenenschutzrecht (2018), 469ff; Barth/Ganner,
Handbuch des Erwachsenenschutzrechts, 9.
37
  Schauer in Deixler-Hübner/Schauer, 78–79; Barth/Ganner, 1. Regelungsorte und Struktur, in
Barth/Ganner (Hrsg), Handbuch des Erwachsenenschutzrechts, 12.
38
  Deixler-Hübner, Bestellungsverfahren nach dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz, in Deixler-
Hübner/Schauer (Hrsg), HB Erwachsenenschutzrecht (2010), 137.
39
  Vgl Zarfl, Nationaler Aktionsplan Behinderung 2012-2020 (2012), 16; Zapletal, Die Eine ist
immer arm, der Andere nur vorübergehend, Juridicum 2/2019 (2019), 1.

                                                                                               17
Sie können auch lesen