Das Vergabesystem von Domain-Namen: entspricht es den Bedürfnissen der Internet-User und der Zeicheninhaber?

Die Seite wird erstellt Peter König
 
WEITER LESEN
Seite 1 von 6

    Das Vergabesystem von Domain-Namen: entspricht es den Bedürfnissen der
                          Internet-User und der Zeicheninhaber?

                    Patentanwalt Konrad T. Winter, Rechtsanwältin Dr. Dydra Donath1

Mit der stürmischen Expansion des Internets und seiner zunehmenden
Bedeutung im Geschäftsverkehr häufen sich auch die Auseinandersetzungen
zwischen Inhabern von Firmenrechten und den Inhabern von registrierten
Domain-Namen. Anfangs betrafen diese Streitigkeiten – soweit sie öffentlich
bekannt wurden - überwiegend Fälle, in denen sich berühmte Firmen gegen
besonders „eifrige“ Kleinunternehmen und Privatleute zur Wehr setzen mussten,
die sich diese vermeintlich lukrativen Domain-Namen registrieren ließen
(deutsche-bank.com; mcdonalds.com; apple.com; lufthansa.com2). Diese Fälle
wurden als klassische Fälle des „domain-grabbing“ bekannt.

Bereits wenig später wurden Fälle entschieden, in denen selbst ein gutgläubig
als Domain-Name             registrierter Familienname einem Firmenrecht weichen
musste (shell.de3; krupp.de4). In diesen Urteilen wurde festgestellt, dass die
betreffenden Firmen aufgrund der überragenden Verkehrsgeltung (KRUPP)
bzw. aufgrund der Berühmtheit der Marke (SHELL) in ihren geschäftlichen
Bereichen behindert würden. Beide angerufenen Gerichte kommen bei der
Interessensabwägung im Rahmen des §12 BGB zu dem Ergebnis, dass es eher
dem Privatmann zuzumuten sei, sich hinsichtlich seines Domain-Namens von
den bekannten Unternehmenskennzeichen abzugrenzen. Diese Begründung
leuchtet ein, da es ja in der Tat nicht von der Hand zu weisen ist, dass die

1
  WINTER BRANDL FÜRNISS HÜBNER RÖSS KAISER POLTE – Partnerschaft, München
2
  Nachweis bei Torsten Bettinger: Kennzeichenrecht im Cyberspace: Der Kampf um die Domain-Namen;
GRURint1997, S. 402ff
3
  Urteil des OLG München vom 25.3.1999; Az. 6 U 4557/98
4
  Urteil des OLG Hamm vom 13.1.1998; Az. 4 U 135/97
Seite 2 von 6

Internet-User, die ein berühmtes Unternehmenskennzeichen als web-Adresse in
ihren Browser eingeben, in den allermeisten Fällen die Homepage des
bekannten Unternehmens erreichen möchten. Würde man anders entscheiden
und dem berühmten Unternehmen die nachrangige web-Adresse mit
abgrenzendem Zusatz aufzwingen, so würde man einer Kanalisierung des
Kundenstroms             Vorschub        leisten,     was      letztlich      einer    unberechtigten
Rufausnutzung zu Lasten des berühmten Unternehmens gleichkäme.

Mittlerweile werden jedoch vor den Zivilgerichten der ersten und zweiten
Instanz immer häufiger Verfahren anhängig, in denen entschieden werden muss,
ob ältere Kennzeichen- und Namensrechte normaler Kennzeichnungskraft die
Freigabe und/oder Übertragung eines Domain-Namens rechtfertigen können.
Hintergrund dieser Auseinandersetzungen ist, dass in Deutschland unter der Top
Level Domain (TLD) „.de“ jeder Domain-Name von der Vergabestelle DENIC
e.G. nur einmal vergeben werden kann.

Da bereits frühzeitig entschieden wurde, dass die Verwendung eines Domain-
Namens           regelmäßig         eine      kollisionsbegründende            kennzeichen-       bzw.
namensmäßige Benutzung darstellt5, bleibt den Inhabern von älteren
Kennzeichen- und Namensrechten, wie z.B. Markenrechten, zur Wahrung ihrer
Rechtsposition, insbesondere zur Erhaltung der Kennzeichnungskraft der
eigenen Rechte gar nichts anderes übrig, als gegen den betreffenden Inhaber des
Domain-Namens vorzugehen. Solange zwischen den sich gegenüberstehenden
Kennzeichen entweder aufgrund der Branchennähe oder der Ähnlichkeit der
unter        dem      Kennzeichen          angebotenen          Waren         und     Dienstleistungen
Verwechslungsgefahr besteht, bewegen sich diese Streitigkeiten auf rechtlich
gesichertem          Terrain.      Die     Gerichte       können       hier    auf     die   gefestigte

5
    Beschluss des LG Düsseldorf vom 20.4.1999 „infoshop.de“; Az. 4 O 101/99 m.w.N.
Seite 3 von 6

Rechtsprechung zu §§ 14 und 5, 15 MarkenG bzw. § 12 BGB und § 1 UWG
zurückgreifen.

Kritisch wird die Situation dann, wenn Branchennähe/Ähnlichkeit der Waren
und Dienstleistungen und mithin die Verwechslungsgefahr nicht mehr gegeben
ist. Dem LG Düsseldorf lag in diesem Zusammenhang folgender Fall6 zur
Entscheidung vor: die Glass GmbH Bauunternehmung ging gegen einen
international tätigen Glaskonzern vor, der sich den Domain-Namen glass.de
hatte registrieren lassen. Das LG Düsseldorf hat kennzeichenrechtliche
Ansprüche aus §§ 14 und 5, 15 MarkenG sowie Ansprüche aus § 1 UWG klar
verneint, aber auch festgestellt, dass das Namensrecht aus §12 BGB nicht
verletzt sei. Die Begründung wird im wesentlichen von der Feststellung
getragen, dass es an einer „Zuordnungsverwirrung“ zwischen den Parteien fehle
und somit ein schutzwürdiges Interesse der Antragsstellerin nicht verletzt sei,
„...da sich die Tätigkeitsbereiche der Parteien grundlegend voneinander
unterscheiden und schon deswegen ein Interessent bei Aufruf der Internet-
Domain glass.de der Antragsgegnerin nicht erwartet, Informationen über die
Antragsstellerin unter der nunmehr aufzurufenden Homepage zu finden.“

Die Begründung der Kammer deckt sich mit der gängigen Kommentarmeinung7,
wonach trotz Verwechslungsfähigkeit oder gar Gleichheit der Bezeichnungen
der Schutz nach § 12 BGB dann nicht eingreift, wenn eine Verwechslung der
Unternehmen, etwa wegen völliger Branchenverschiedenheit oder Trennung der
Absatzbereiche, nicht zu befürchten ist.

Es mehren sich allerdings Anzeichen, dass maßgebliche Gerichte dazu
übergehen, unter Berücksichtigung der immer größer werdenden Bedeutung des
Internets, diesen „klassischen“ Ansatz der Interessensabwägung in Zweifel zu

6
    Urteil vom 13.5.1998; Gesch.nummer 34 O 27/98 „glass.de“
7
    Karl-Heinz Fezer: Markenrecht, 2. Auflage; Rdn. 62 zu § 15 MarkenG
Seite 4 von 6

ziehen. Dabei wird in erster Linie auf die Blockadewirkung abgestellt, die der
Inhaber eines registrierten Domain-Namens zwangsläufig herbeiführt, weil ein
anderer Interessent diesen einmal vergebenen Domain-Namen nicht mehr
erlangen kann. Es steht zu befürchten, dass dann, wenn sich diese Meinung
durchsetzen sollte, nicht nur die Rechts- und Beratungsunsicherheit erhöht wird,
sondern auch viele überflüssige Prozesse geführt werden müssen, mit dem
Nebeneffekt, dass unnötig lang eine unzulängliche Vergabepraxis von Domain-
Namen gestützt würde.

Firmen, die bislang in grundverschiedenen Branchen nebeneinander auf dem
Markt frei von Kollisionen präsent waren, sind zukünftig aufgerufen, vor
Gericht ihre Prioritätsansprüche auszufechten. Die obsiegende Partei kann sich
aber nicht sicher sein, wie lange sie diese „Exklusivität“ des Domain-Namens
genießt. Es findet sich höchstwahrscheinlich eine noch ältere Firma in einer
noch anderen, unterschiedlichen Branche, die ihr den Rang streitig macht.

Die befassten Gerichte bemühen sich zwar, derartige Konfliktfälle dadurch
abzufedern, dass den Parteien pragmatische Vergleichsvorschläge – z.B. das
Setzen eines „Links“ auf der Homepage der obsiegenden Partei - unterbreitet
werden. Eine auf Dauer zufriedenstellende Lösung erzielt man dadurch nicht.
Diese kann nur gefunden werden, wenn man die Philosophie, die dem Medium
Internet zugrunde liegt, berücksichtigt: Das Internet soll es jedem Interessenten
ermöglichen, weltweit und aktuell zu kommunizieren, d.h. Informationen
einzuholen und selbst aktiv zu informieren bzw. sich darzustellen. Deshalb hat
sich das Internet als Kommunikationsmittel in unglaublich kurzer Zeit
dramatisch entwickelt und ist mittlerweile zu einem elementaren Medium der
gesamten Geschäftswelt geworden. In der Startphase dieses Mediums konnte
man die Schwächen der seinerzeit einzig und allein im Interesse der
Vergabestellen gewählten Praxis für die Vergabe von Domain-Namen noch
Seite 5 von 6

nicht übersehen. Das neue Medium wurde zunächst nur von einer
überschaubaren Zahl von Unternehmen genutzt. Mit der extrem gestiegenen
Zahl der Internet-User und Interessenten an Domain-Namen ist diese
Vergabepraxis heute zu einem Risiko für die Akzeptanz des Internets geworden.
Denn es hat neben anderen Aspekten die Funktion einer Werbeplattform, wie sie
in vergleichbarer Weise von herkömmlichen Medien, wie z.B. von Fernsehen
oder einer großen Fach- oder Tageszeitung zur Verfügung gestellt wird. Wer
würde aber beispielsweise einen Zeitungsverlag ernst nehmen, der einen
Inserenten, welcher für sein Bauunternehmen mit dem Firmenschlagwort BWL
eine Annonce aufgeben will, mit der Begründung zurückweist, dass bereits eine
Anzeige der Universität G. für den Fachbereich BWL geschaltet ist? Für das
Bauunternehmen wäre wohl auch der dem Setzen eines „Links“ vergleichbare
„Kompromissvorschlag“ eines angerufenen Gerichts schwerlich akzeptabel, auf
dem Inserat des BWL-Fachbereichs der Universität G. einen Hinweis etwa wie
folgt abzudrucken:

                „Näheres über das Bauunternehmen BWL GmbH
                finden Sie auf der Seite ...... unter der
                Bezeichnung BWL-online“

Wenn sich der Zeitungsverlag in einem gesunden Wettbewerb zu einer anderen
Zeitung befinden würde, wäre es für das Bauunternehmen naheliegend, auf diese
andere Zeitung auszuweichen. Das Internet ist aber ohne Konkurrenz. Deshalb
kann eine Lösung für derartige Fallgestaltungen nur darin gesehen werden, dass
neue Ansätze für die Vergabe von Domain-Namen gefunden werden.

Es ist beispielsweise nicht verständlich, weshalb in Deutschland nur eine einzige
Top Level Domain TLD „de“ zur Verfügung steht. Selbst die von anderen
Vergabestellen angebotenen     TLDs wie etwa „.com“, „.org“, „.int“, „.edu“,
Seite 6 von 6

„.gov“ oder „.net“ sind nicht ausreichend, auch dann nicht, wenn sie – wie
mittlerweile diskutiert8 - um eine Handvoll weiterer TLDs, wie z.B. .firm, .shop,
.web, .arts, .rec, .info oder .nom ergänzt werden. Es ist nicht einzusehen,
weshalb nicht eine Vielzahl von TLDs für verschiedene Branchen vergeben
werden können, um auf diese Weise die oben angesprochenen Konflikte von
Anfang an auszuschließen.

Es wäre gleichermaßen denkbar, ein und denselben Domain-Namen unter
derselben TLD zu registrieren und geeignete technische Vorkehrungen zu
treffen, damit der Internet-Nutzer bei Eingabe des Domain-Namens eine
Übersicht über die einschlägigen Domain-Namen-Inhaber mit näheren
Spezifikationen erhält. Technisch erscheint dies unproblematisch, da ohnehin
hinter jedem Domain-Namen ein von einem Rechner lesbarer Code steht.

Diese Praxis hätte den Vorteil, dass damit gleichzeitig die Probleme gelöst
werden könnten, die inzwischen durch die Vergabe von glatt beschreibenden
Domain-Namen aufgetreten sind und die Gerichte – bedauerlicherweise mit
konträrem Ergebnis - beschäftigt haben9. Würde man die Registrierung einer
Vielzahl von derartigen beschreibenden Domain-Namen nebeneinander
zulassen, so würden sich die Inhaber dieser Domain-Namen im Zuge des
Wettbewerbs früher oder später zwangsläufig darum bemühen, sich durch
kennzeichnungskräftige            Zusätze       voneinander         abzugrenzen.         Ein     Stück
Rechtssicherheit         könnte      auf     diesem       Weg       ohne      gerichtliche           Hilfe
zurückgewonnen werden.

8
  Vorschlag des International Ad Hoc Committee der Internet Assigned Numbers Authority (IANA) vom
Dezember 1996
9
  Urteil des OLG Hamburg vom 13.7.1999 „mitwohnzentrale.de“; Gesch.Nr. 3 U 58/98 und Urteil des LG
Braunschweig vom 24.2.1999 „stadtinfo“; Gesch. Nr. 9 O 328/98
Sie können auch lesen