Das Vergabesystem von Domain-Namen: entspricht es den Bedürfnissen der Internet-User und der Zeicheninhaber?
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Seite 1 von 6 Das Vergabesystem von Domain-Namen: entspricht es den Bedürfnissen der Internet-User und der Zeicheninhaber? Patentanwalt Konrad T. Winter, Rechtsanwältin Dr. Dydra Donath1 Mit der stürmischen Expansion des Internets und seiner zunehmenden Bedeutung im Geschäftsverkehr häufen sich auch die Auseinandersetzungen zwischen Inhabern von Firmenrechten und den Inhabern von registrierten Domain-Namen. Anfangs betrafen diese Streitigkeiten – soweit sie öffentlich bekannt wurden - überwiegend Fälle, in denen sich berühmte Firmen gegen besonders „eifrige“ Kleinunternehmen und Privatleute zur Wehr setzen mussten, die sich diese vermeintlich lukrativen Domain-Namen registrieren ließen (deutsche-bank.com; mcdonalds.com; apple.com; lufthansa.com2). Diese Fälle wurden als klassische Fälle des „domain-grabbing“ bekannt. Bereits wenig später wurden Fälle entschieden, in denen selbst ein gutgläubig als Domain-Name registrierter Familienname einem Firmenrecht weichen musste (shell.de3; krupp.de4). In diesen Urteilen wurde festgestellt, dass die betreffenden Firmen aufgrund der überragenden Verkehrsgeltung (KRUPP) bzw. aufgrund der Berühmtheit der Marke (SHELL) in ihren geschäftlichen Bereichen behindert würden. Beide angerufenen Gerichte kommen bei der Interessensabwägung im Rahmen des §12 BGB zu dem Ergebnis, dass es eher dem Privatmann zuzumuten sei, sich hinsichtlich seines Domain-Namens von den bekannten Unternehmenskennzeichen abzugrenzen. Diese Begründung leuchtet ein, da es ja in der Tat nicht von der Hand zu weisen ist, dass die 1 WINTER BRANDL FÜRNISS HÜBNER RÖSS KAISER POLTE – Partnerschaft, München 2 Nachweis bei Torsten Bettinger: Kennzeichenrecht im Cyberspace: Der Kampf um die Domain-Namen; GRURint1997, S. 402ff 3 Urteil des OLG München vom 25.3.1999; Az. 6 U 4557/98 4 Urteil des OLG Hamm vom 13.1.1998; Az. 4 U 135/97
Seite 2 von 6 Internet-User, die ein berühmtes Unternehmenskennzeichen als web-Adresse in ihren Browser eingeben, in den allermeisten Fällen die Homepage des bekannten Unternehmens erreichen möchten. Würde man anders entscheiden und dem berühmten Unternehmen die nachrangige web-Adresse mit abgrenzendem Zusatz aufzwingen, so würde man einer Kanalisierung des Kundenstroms Vorschub leisten, was letztlich einer unberechtigten Rufausnutzung zu Lasten des berühmten Unternehmens gleichkäme. Mittlerweile werden jedoch vor den Zivilgerichten der ersten und zweiten Instanz immer häufiger Verfahren anhängig, in denen entschieden werden muss, ob ältere Kennzeichen- und Namensrechte normaler Kennzeichnungskraft die Freigabe und/oder Übertragung eines Domain-Namens rechtfertigen können. Hintergrund dieser Auseinandersetzungen ist, dass in Deutschland unter der Top Level Domain (TLD) „.de“ jeder Domain-Name von der Vergabestelle DENIC e.G. nur einmal vergeben werden kann. Da bereits frühzeitig entschieden wurde, dass die Verwendung eines Domain- Namens regelmäßig eine kollisionsbegründende kennzeichen- bzw. namensmäßige Benutzung darstellt5, bleibt den Inhabern von älteren Kennzeichen- und Namensrechten, wie z.B. Markenrechten, zur Wahrung ihrer Rechtsposition, insbesondere zur Erhaltung der Kennzeichnungskraft der eigenen Rechte gar nichts anderes übrig, als gegen den betreffenden Inhaber des Domain-Namens vorzugehen. Solange zwischen den sich gegenüberstehenden Kennzeichen entweder aufgrund der Branchennähe oder der Ähnlichkeit der unter dem Kennzeichen angebotenen Waren und Dienstleistungen Verwechslungsgefahr besteht, bewegen sich diese Streitigkeiten auf rechtlich gesichertem Terrain. Die Gerichte können hier auf die gefestigte 5 Beschluss des LG Düsseldorf vom 20.4.1999 „infoshop.de“; Az. 4 O 101/99 m.w.N.
Seite 3 von 6 Rechtsprechung zu §§ 14 und 5, 15 MarkenG bzw. § 12 BGB und § 1 UWG zurückgreifen. Kritisch wird die Situation dann, wenn Branchennähe/Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und mithin die Verwechslungsgefahr nicht mehr gegeben ist. Dem LG Düsseldorf lag in diesem Zusammenhang folgender Fall6 zur Entscheidung vor: die Glass GmbH Bauunternehmung ging gegen einen international tätigen Glaskonzern vor, der sich den Domain-Namen glass.de hatte registrieren lassen. Das LG Düsseldorf hat kennzeichenrechtliche Ansprüche aus §§ 14 und 5, 15 MarkenG sowie Ansprüche aus § 1 UWG klar verneint, aber auch festgestellt, dass das Namensrecht aus §12 BGB nicht verletzt sei. Die Begründung wird im wesentlichen von der Feststellung getragen, dass es an einer „Zuordnungsverwirrung“ zwischen den Parteien fehle und somit ein schutzwürdiges Interesse der Antragsstellerin nicht verletzt sei, „...da sich die Tätigkeitsbereiche der Parteien grundlegend voneinander unterscheiden und schon deswegen ein Interessent bei Aufruf der Internet- Domain glass.de der Antragsgegnerin nicht erwartet, Informationen über die Antragsstellerin unter der nunmehr aufzurufenden Homepage zu finden.“ Die Begründung der Kammer deckt sich mit der gängigen Kommentarmeinung7, wonach trotz Verwechslungsfähigkeit oder gar Gleichheit der Bezeichnungen der Schutz nach § 12 BGB dann nicht eingreift, wenn eine Verwechslung der Unternehmen, etwa wegen völliger Branchenverschiedenheit oder Trennung der Absatzbereiche, nicht zu befürchten ist. Es mehren sich allerdings Anzeichen, dass maßgebliche Gerichte dazu übergehen, unter Berücksichtigung der immer größer werdenden Bedeutung des Internets, diesen „klassischen“ Ansatz der Interessensabwägung in Zweifel zu 6 Urteil vom 13.5.1998; Gesch.nummer 34 O 27/98 „glass.de“ 7 Karl-Heinz Fezer: Markenrecht, 2. Auflage; Rdn. 62 zu § 15 MarkenG
Seite 4 von 6 ziehen. Dabei wird in erster Linie auf die Blockadewirkung abgestellt, die der Inhaber eines registrierten Domain-Namens zwangsläufig herbeiführt, weil ein anderer Interessent diesen einmal vergebenen Domain-Namen nicht mehr erlangen kann. Es steht zu befürchten, dass dann, wenn sich diese Meinung durchsetzen sollte, nicht nur die Rechts- und Beratungsunsicherheit erhöht wird, sondern auch viele überflüssige Prozesse geführt werden müssen, mit dem Nebeneffekt, dass unnötig lang eine unzulängliche Vergabepraxis von Domain- Namen gestützt würde. Firmen, die bislang in grundverschiedenen Branchen nebeneinander auf dem Markt frei von Kollisionen präsent waren, sind zukünftig aufgerufen, vor Gericht ihre Prioritätsansprüche auszufechten. Die obsiegende Partei kann sich aber nicht sicher sein, wie lange sie diese „Exklusivität“ des Domain-Namens genießt. Es findet sich höchstwahrscheinlich eine noch ältere Firma in einer noch anderen, unterschiedlichen Branche, die ihr den Rang streitig macht. Die befassten Gerichte bemühen sich zwar, derartige Konfliktfälle dadurch abzufedern, dass den Parteien pragmatische Vergleichsvorschläge – z.B. das Setzen eines „Links“ auf der Homepage der obsiegenden Partei - unterbreitet werden. Eine auf Dauer zufriedenstellende Lösung erzielt man dadurch nicht. Diese kann nur gefunden werden, wenn man die Philosophie, die dem Medium Internet zugrunde liegt, berücksichtigt: Das Internet soll es jedem Interessenten ermöglichen, weltweit und aktuell zu kommunizieren, d.h. Informationen einzuholen und selbst aktiv zu informieren bzw. sich darzustellen. Deshalb hat sich das Internet als Kommunikationsmittel in unglaublich kurzer Zeit dramatisch entwickelt und ist mittlerweile zu einem elementaren Medium der gesamten Geschäftswelt geworden. In der Startphase dieses Mediums konnte man die Schwächen der seinerzeit einzig und allein im Interesse der Vergabestellen gewählten Praxis für die Vergabe von Domain-Namen noch
Seite 5 von 6 nicht übersehen. Das neue Medium wurde zunächst nur von einer überschaubaren Zahl von Unternehmen genutzt. Mit der extrem gestiegenen Zahl der Internet-User und Interessenten an Domain-Namen ist diese Vergabepraxis heute zu einem Risiko für die Akzeptanz des Internets geworden. Denn es hat neben anderen Aspekten die Funktion einer Werbeplattform, wie sie in vergleichbarer Weise von herkömmlichen Medien, wie z.B. von Fernsehen oder einer großen Fach- oder Tageszeitung zur Verfügung gestellt wird. Wer würde aber beispielsweise einen Zeitungsverlag ernst nehmen, der einen Inserenten, welcher für sein Bauunternehmen mit dem Firmenschlagwort BWL eine Annonce aufgeben will, mit der Begründung zurückweist, dass bereits eine Anzeige der Universität G. für den Fachbereich BWL geschaltet ist? Für das Bauunternehmen wäre wohl auch der dem Setzen eines „Links“ vergleichbare „Kompromissvorschlag“ eines angerufenen Gerichts schwerlich akzeptabel, auf dem Inserat des BWL-Fachbereichs der Universität G. einen Hinweis etwa wie folgt abzudrucken: „Näheres über das Bauunternehmen BWL GmbH finden Sie auf der Seite ...... unter der Bezeichnung BWL-online“ Wenn sich der Zeitungsverlag in einem gesunden Wettbewerb zu einer anderen Zeitung befinden würde, wäre es für das Bauunternehmen naheliegend, auf diese andere Zeitung auszuweichen. Das Internet ist aber ohne Konkurrenz. Deshalb kann eine Lösung für derartige Fallgestaltungen nur darin gesehen werden, dass neue Ansätze für die Vergabe von Domain-Namen gefunden werden. Es ist beispielsweise nicht verständlich, weshalb in Deutschland nur eine einzige Top Level Domain TLD „de“ zur Verfügung steht. Selbst die von anderen Vergabestellen angebotenen TLDs wie etwa „.com“, „.org“, „.int“, „.edu“,
Seite 6 von 6 „.gov“ oder „.net“ sind nicht ausreichend, auch dann nicht, wenn sie – wie mittlerweile diskutiert8 - um eine Handvoll weiterer TLDs, wie z.B. .firm, .shop, .web, .arts, .rec, .info oder .nom ergänzt werden. Es ist nicht einzusehen, weshalb nicht eine Vielzahl von TLDs für verschiedene Branchen vergeben werden können, um auf diese Weise die oben angesprochenen Konflikte von Anfang an auszuschließen. Es wäre gleichermaßen denkbar, ein und denselben Domain-Namen unter derselben TLD zu registrieren und geeignete technische Vorkehrungen zu treffen, damit der Internet-Nutzer bei Eingabe des Domain-Namens eine Übersicht über die einschlägigen Domain-Namen-Inhaber mit näheren Spezifikationen erhält. Technisch erscheint dies unproblematisch, da ohnehin hinter jedem Domain-Namen ein von einem Rechner lesbarer Code steht. Diese Praxis hätte den Vorteil, dass damit gleichzeitig die Probleme gelöst werden könnten, die inzwischen durch die Vergabe von glatt beschreibenden Domain-Namen aufgetreten sind und die Gerichte – bedauerlicherweise mit konträrem Ergebnis - beschäftigt haben9. Würde man die Registrierung einer Vielzahl von derartigen beschreibenden Domain-Namen nebeneinander zulassen, so würden sich die Inhaber dieser Domain-Namen im Zuge des Wettbewerbs früher oder später zwangsläufig darum bemühen, sich durch kennzeichnungskräftige Zusätze voneinander abzugrenzen. Ein Stück Rechtssicherheit könnte auf diesem Weg ohne gerichtliche Hilfe zurückgewonnen werden. 8 Vorschlag des International Ad Hoc Committee der Internet Assigned Numbers Authority (IANA) vom Dezember 1996 9 Urteil des OLG Hamburg vom 13.7.1999 „mitwohnzentrale.de“; Gesch.Nr. 3 U 58/98 und Urteil des LG Braunschweig vom 24.2.1999 „stadtinfo“; Gesch. Nr. 9 O 328/98
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