DAS WUNDER AN DER WEICHSEL - Polen ist Europas am schnellsten wachsende Volkswirtschaft
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A N A LYSE Polen ist die Volkswirtschaft Eu- W I RT SCH A F T U N D FI N A N ZEN ropas, die in den letzten dreißig Jahren am stärksten gewachsen ist. Kaufkraftbereinigt hat sich DAS WUNDER AN das Prokopf-Einkommen seit 1990 fast verdreifacht. DER WEICHSEL Der Erfolg Polens basiert auf ei- nem gelungenen Management Polen ist Europas am schnellsten wachsende der Transitionsphase, dem Auf- Volkswirtschaft bau leistungsfähiger Institutio- nen, der erfolgreichen Integra tion in internationale Wert- schöpfungsketten und der insti- tutionellen und finanziellen Un- terstützung durch die EU. Marcin Piątkowski Juli 2019 Die polnische Volkswirtschaft ist stärker diversifiziert als die ande- rer mitteleuropäischer Staaten und damit weniger empfindlich gegen sektorielle Schocks, etwa im Automobilbau.
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – Das Wunder an der Weichsel W I RT SCH A F T U N D FI N A N ZEN DAS WUNDER AN DER WEICHSEL Polen ist Europas am schnellsten wachsende Volkswirtschaft
Europas Wachstumschampion: Polens wirtschaftlicher Erfolg und seine Zukunft Europas Wachstumschampion: Polens wirtschaftlicher Erfolg und seine Zukunft Polen war in den letzten 30 Jahren die erfolgreichste Volks- deutschen Durchschnittseinkommens erreichen, einen der wirtschaft Europas. Seit 1989 stieg das Pro-Kopf-Einkommen höchsten relativen Werte in der Geschichte Polens. Wirt- (BIP pro Kopf) um fast 150 %, mehr als in jeder anderen post- schaftlich erlebt Polen tatsächlich ein »Goldenes Zeitalter«.2 kommunistischen Wirtschaft und mehr als in jedem anderen Land Europas. Das BIP Polens wuchs auch deutlich stärker als Auch im globalen Vergleich hat sich Polen exzellent geschla- das Deutschlands, dessen Pro-Kopf-Einkommen im gleichen gen: In den letzten 25 Jahren war es die am schnellsten Zeitraum um rund 40 % zunahm (Abbildung 1). wachsende größere Volkswirtschaft der Welt (unter den Län- dern mit einem ähnlichen Einkommensniveau; Abbildung 3). Kaufkraftbereinigt hat sich das Pro-Kopf-Einkommen Polens Das Land entwickelte sich schneller als Südkorea, Singapur im gleichen Zeitraum fast verdreifacht, von 10.300 $ im Jahr und andere stark wachsende Schwellenländer. 1990 auf fast 30.000 $ im Jahr 2019 (2011 konstante Dollars). Im selben Zeitraum hat sich das Pro-Kopf-Einkommen in Un- Im Gegensatz zu vielen anderen Schwellen- und Industrie- garn – anfänglich die erfolgreichste Transitions-Ökonomie – ländern hat das Wachstum in Polen auch »alle Boote ange- nicht einmal verdoppelt. Das kaufkraftbereinigte deutsche hoben«: Polen war das einzige postkommunistische Land in Pro-Kopf-Einkommen stieg um weniger als die Hälfte.1 der Region, in dem die Einkommen selbst der ärmsten Polen schneller wuchsen als in reichen Ländern (Abbildung 4). Im Aufgrund des beispiellosen Wachstums Polens stieg das Jahr 2019 lag die Einkommensungleichheit Polens gemessen Pro-Kopf-Einkommen im Verhältnis zu Deutschland von we- am Gini-Koeffizienten unter dem Durchschnitt der EU und niger als einem Drittel im Jahr 1990 auf über 60 % im Jahr der OECD. Allerdings ist die Ungleichheit Polens gemessen 2018 an (Abbildung 2). Polen wurde 2015 reicher als Grie- am Anteil der reichsten 10 % der Gesellschaft am BIP höher chenland; in diesem Jahr wird es das Einkommensniveau Por- als anderswo in Europa: Die Top-10 % der Polen erhalten et- tugals übertreffen. Nach den Prognosen des IWF wird Polen wa 38 % des Nationaleinkommens gegenüber 35 % in kaufkraftbereinigt in den nächsten 5 Jahren fast 70 % des Deutschland und nur 27 % in Schweden3. Abbildung 1: Abbildung 2: BIP-Wachstum pro Kopf, 1990–2018, 1989=100 Pro-Kopf-BIP Polens, Spaniens, Portugals und Griechenlands, bezo- gen auf Deutschland=100 %, 1990–2024 260 247.4 90% 240 223.5 80% 76.6% 220 67.6% 207.3 70% 200 186.3 60% 60.8% 181.3 180 50% 164.3 168.9 162.6 160 152.3 40% 142.9 31.6% 140 135.8 139.1 30% 20% 120 116.4 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 100 Greece Poland Portugal Spain atia ance any aria gary enia ania Rep. atvia ania onia Rep. land Cro Fr rm Bulg Hun Slov m L ithu Est vak Po Hinweis: Prognosen für 2019–2024 Ge Ro zech L C Slo Quelle: Berechnungen des Autors, basierend auf der Datenbank World Economic Outlook des Quelle: Berechnung des Autors, basierend auf der Conference Board Total Economy Database. IWF, April 2019 2 Marcin Piątkowski, Poland’s New Golden Age: Shifting from 1 Basierend auf Daten aus der WDI-Datenbank der Weltbank https:// Europe’s Periphery to Its Center, World Bank Policy Research data.worldbank.org/indicator/ny.gdp.pcap.pp.kd sowie eigenen Pro- Paper 6639, 2013, http://documents.worldbank.org/curated/ gnosen für 2018 und 2019. en/285611468107064618/pdf/WPS6639.pdf 1
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – Das Wunder an der Weichsel Abbildung 3: Abbildung 4: Die 10 wichtigsten großen Volkswirtschaften mit mittlerem/hohem Anteil an der Gesamtbevölkerung (in Dezilen), deren Einkommen seit Einkommen in der Wachstumsrate des BIP pro Kopf, 1993–2018. 1989 schneller gestiegen ist als der Durchschnitt der G-7, 1989–2016. 4.5 100 4.2 4.2 4.0 4.0 90 4 3.8 3.9 3.5 3.6 80 3.5 3.3 3.2 70 3 60 2.5 50 40 2 30 1.5 20 1 10 0 0.5 te ne o Hu bia N. nd y ac r z. Cr ia Ru a Es ia a Ro via Lit ania Bu ia Sl ria ak a Be p. Po s nd ru r ti ni ov ni gr on ss an ia nga Re on ai M He oa a la t r to Sl ve la ne La lg Se 0 M Ukr m hu ed o Singa- Malaysia Roma- Belarus Taiwan Trinidad Ire- South Slovak Poland a pore nia & Tobago land Korea Republic sn Bo Quelle: Berechnung des Autors, basierend auf der Conference Board Total Economy Database. Quelle: Berechnungen des Autors, basierend auf Daten der EBWE (2016) ERFOLGSFAKTOREN FÜR POLEN die sich in den Wahlen für Parteien entschied, die Demokra- tie und offene Märkte unterstützen. Und schließlich wäre das Wie ist es Polen, einem Land, das historisch wirtschaftlich im- Wirtschaftswunder Polens ohne die Europäische Union nicht mer hinterherhinkte, plötzlich gelungen, Europas Wachs- möglich gewesen. Diese unterstützte zunächst den Aufbau tumschampion zu werden? Aus Sicht des Autors gibt es eine wichtiger politischer und wirtschaftlicher Institutionen, die Reihe von wirtschaftspolitischen Gründen, die erklären, war- dem Land seit Jahrhunderten gefehlt hatten, und half dann, um Polen nach 1989 zum ersten Mal überhaupt wirtschaft- den Ausbau der Infrastruktur des Landes zu finanzieren. lich reüssierte.4 Gleich zu Beginn des Übergangs hat man tiefgreifende Wirtschaftsreformen durchgeführt. Hierzu ge- hörten eine rasche Liberalisierung des internationalen Han- ZUKÜNFTIGE WACHSTUMSAUSSICHTEN dels, die Beseitigung von Marktmonopolen, die Befreiung von Preisen und die Auferlegung harter Haushaltszwänge für Die polnische Wirtschaft ist wie die deutsche Fußballnatio- staatliche Unternehmen. Die erfolgreiche Restrukturierung nalmannschaft (außer der letzten Weltmeisterschaft!): Sie der Auslandsverschuldung Anfang der 90er Jahre, die die gewinnt immer weiter. Angesichts der hohen Qualität des Auslandsverschuldung Polens im Gegenzug für Wirtschafts- Humankapitals, der steigenden Produktivität bei gleichzeitig reformen um die Hälfte reduzierte, wirkte unterstützend. niedrigen Arbeitskosten, der Verbesserung der Infrastruktur, Später wurde das Wachstum Polens durch schnellen Institu- der makroökonomischen Stabilität, des Unternehmergeistes, tionenaufbau, einen Boom bei Quantität und Qualität der Bil- der offenen Grenzen und der anhaltenden – wenn auch sin- dung und eine gut durchgeführte Privatisierung unterstützt, kenden – Zuflüsse von EU-Mitteln dürfte die polnische Wirt- die keine Oligarchen hervorbrachte. schaft so bald nicht aufhören zu wachsen. Was erklärt diese erfolgreiche Wirtschaftspolitik nach 1989? Eine relative Diversität der Wirtschaft wird das Wachstum zu- Auch hierfür gibt es eine Reihe von erklärenden Faktoren. sätzlich stützen und dazu beitragen, externe Schocks abzufe- Erstens wurde der polnische Erfolg, etwas paradoxerweise, dern. Die Exportstruktur Polens ist die am stärksten diversifi- durch ein positives Erbe des Kommunismus getrieben. Dieser zierte in der Region. Keine einzige Branche macht mehr als planierte früh die alten, auf einer rein extraktiven Wirtschaft 15 % der Gesamtausfuhren aus (Transportdienstleistungen, basierenden Sozialstrukturen, die Polen jahrhundertelang die größte Außenhandelsbranche, macht 14 % der Gesamt- wirtschaftlich rückständig gehalten hatten, und hinterließ ausfuhren aus, siehe Abbildung 5). In der Slowakischen Re- am Ende eine egalitäre, integrative und sozial mobile Gesell- publik dagegen macht die Automobilindustrie mehr als 30 % schaft. Zweitens war sich die polnische Gesellschaft in ihrem der Exporte aus (und viel mehr, wenn man auch die Zuliefer- Willen, »nach Europa zurückzukehren« und dabei westliche betriebe berücksichtigt). Jeder Schock für die deutsche Auto- Werte und Institutionen zu übernehmen, weitestgehend ei- mobilindustrie – wie ein abrupt steigender Bedarf an Elektro- nig. Drittens wurde das Land von einer professionellen, ver- autos, produziert von Tesla, den Chinesen und anderen, oder westlichten und (meist) ethisch engagierten Elite regiert, die ein Einbruch der Nachfrage nach Dieselautos – würde für die Polens Erfolge wirklich wollte. Viertens wurde der Erfolg meisten Länder der Region extrem negative Folgen haben. durch die Entstehung einer neuen Mittelschicht gefördert, Polen wäre jedoch weniger betroffen als andere. Die Exportstruktur zeigt auch den kontinuierlichen technolo- 3 How Unequal Is Europe? Evidence from Distributional National Ac- gischen und industriellen Aufholprozess Polens: 1997 gehör- counts, 1980–2017 Thomas Blanchet Lucas Chancel Amory Gethin, ten natürliche Ressourcen (Kohle, Eisen und Kupfer) und April 2019, WID WORKING PAPER N° 2019/06, https://wid.world/ document/bcg2019-full-paper/ Branchen mit geringer Wertschöpfung (wie die Textilindus 4 Marcin Piatkowski, Europe‹s Growth Champion – Insights from the trie mit einem Anteil von fast 30 % an den Gesamtexporten) Economic Rise of Poland, Oxford University Press, 2018 2
Europas Wachstumschampion: Polens wirtschaftlicher Erfolg und seine Zukunft Abbildung 5: Abbildung 6: Struktur der polnischen Exporte im Jahr 2017 nach wichtigen Produk- Anteil der Weltimporte, 2012Q4=100 ten und Branchen 135 Machines Metals Plastics Animal Products 130 and... 125 9.8% 120 Chemical Products 6.8% 4.5% 115 Paper Textiles Mineral Products Goods 110 7.2% 24% Foodstuffs 3.2%2.9%2.7% 105 100 Transportation 7.1% Vegetable Products Stone and... Instruments Czech Republic Hungary 95 2.3% Poland Slovak Republic Miscellaneous 2.0% 1.9% 90 Wood 14% Products Precious Footwear and 7.0% 85 Metals Headwear 2.0% Animal Hides 0.67% Mar-13 Dec-13 Sep-14 Jun-15 Mar-16 Dec-16 Sep-17 Jun-18 Quelle: https://atlas.media.mit.edu/en/profile/country/pol/ Quelle: IWF, Artikel IV für die Tschechische Republik, Juni 2019 zu den dominierenden Exportindustrien;5 heute existieren sie nisse, eine starke Aufsicht über den Finanzsektor und die Ur- kaum noch. Dank der kontinuierlichen Modernisierung, die banisierung. Sie konzentriert sich auch auf die Notwendig- weitgehend innerhalb von globalen, oft von deutschen Fir- keit, sicherzustellen, dass das Wachstum integrativ ist und men dominierten Wertschöpfungsketten stattfindet, ist der das Wohlbefinden fördert. Aber es bleibt in der Nähe der Anteil Polens auch an den weltweiten Importen in den letz- grundlegenden wirtschaftlichen Grundlagen, die auch der ten fünf Jahren überdurchschnittlich gestiegen (Abbildung 6). »Washington Consensus« teilt: die Notwendigkeit, den Wechselkurs wettbewerbsfähig zu halten, Bildung zu fördern All diese Stärken werden auch mittel- und langfristig weiteres und die Märkte für den Wettbewerb offenzuhalten.6 Wachstum ermöglichen. Der IWF prognostiziert für die nächsten fünf Jahre ein durchschnittliches BIP-Wachstum Wie können die Institutionen gestärkt werden, die für den Er- von rund 3 %. Allerdings erscheint wahrscheinlich, dass Po- folg Polens bei der Überwindung der Armut und der Erzie- len diese Prognosen wie in der Vergangenheit eher übertref- lung eines hohen Einkommens während des Lebens einer fen wird: 2019 wird es eher mit einem Tempo von 5 % als mit einzigen Generation entscheidend waren? Der Schlüssel wird den vom IMF erwarteten 3,8 % wachsen. Wenn sich diese darin bestehen, offene und wettbewerbsorientierte Märkte Trends fortsetzen – und es gibt keinen wesentlichen Grund, zu erhalten, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken – im Gegensatz warum dies nicht passieren sollte – könnte Polen bis 2030 zu dem, was die derzeitige Regierung in den letzten Jahren fast so wohlhabend werden wie Spanien. getan hat –, westliche Werte, soziale Normen und Kultur zu fördern und eine stärkere Integration der EU zu unterstützen. EIN NEUES WACHSTUMSMODELL Die zweite wichtige Säule ist die Erhöhung der Inlandserspar- nisse, da Polen bislang nicht genug spart, um hohe Investiti- Allerdings wird die Konvergenzgeschwindigkeit Polens im onen zu unterstützen. Die Spar- und Investitionsquote des Laufe des nächsten Jahrzehnts langsam abnehmen. Das Landes schwankte in den letzten zwei Jahrzehnten unter Wachstumspotenzial des Landes wird zunehmend durch ei- 20 % des BIP. Sie lag damit weit unter dem Durchschnitt der nen alterungsbedingten Arbeitskräftemangel, ein ungenü- weltweit leistungsfähigsten Volkswirtschaften, die Investiti- gendes Innovationsniveau und geringe inländische Ersparnis- onsquoten von über 30 % des BIP pro Jahr aufrechterhielten. se gebremst werden. Die Politik muss entsprechend ange- Der Rückgang der Zuflüsse von EU-Mitteln nach 2020 – die passt werden, idealerweise im Einklang mit einem neuen bisher Investitionen in Höhe von rund 2–2,5 % des BIP pro Wachstumsmodell – eine Art »Warsaw Consensus« – das Jahr finanziert haben – wird das Wachstum zusätzlich belas- dazu beitragen soll, Wachstumshemmnisse zu reduzieren ten. Wenn Polen jedes Jahr rund 25 % des BIP sparen und in- und Entwicklungspotenziale zu maximieren. vestieren würde, könnte es das Pro-Kopf-Wachstum bis 2030 bei rund 3,5 % halten, deutlich über der Wachstumsrate von Ein solcher »Warsaw Consensus« wäre eine reformierte Ver- 2,8 % in den Berechnungen auf Basis der bestehenden Inves- sion des (un)rühmlichen »Washington Consensus«, den Viele titionsquote. für das, was seit 1989 in der Weltwirtschaft und in Mittel- und Osteuropa geschah, in die eine oder die andere Richtung Ein wichtiger Weg zur Erhöhung der Sparquote würde über verantwortlich machen. Der »Warsaw Consensus« betont eine europäische Steuerpolitik führen, die das öffentliche die kritische Rolle der Institutionen – das fehlende Schlüssel- Haushaltsdefizit reduziert. Der Schlüssel ist eine Harmonisie- element des »Washington Konsenses« – hohe Inlandserspar- rung der Steuerpolitik der EU und die Einführung eines 6 Siehe hierzu im Detail Marcin Piatkowski, Europe‹s Growth Cham- 5 Von: https://atlas.media.mit.edu/en/visualize/tree_map/hs92/export/ pion – Insights from the Economic Rise of Poland, Oxford University pol/all/show/1997/show/ Press, 2018 3
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – Das Wunder an der Weichsel EU-weiten Mindeststeuersatz auf Unternehmensgewinne SCHLUSSFOLGERUNGEN von mindestens 15 % sowie die Einführung paneuropäischer Steuern für multinationale Unternehmen, die am meisten Polen hat sich in den letzten 25 Jahren extrem gut geschla- vom EU-Binnenmarkt profitieren, aber am wenigsten dazu gen. Aber der weitere Erfolg in der Zukunft ist noch lange beitragen, ihn zu erhalten. nicht garantiert. Dies umso mehr, als der einfache Weg der Konvergenz – durch niedrige Lohnkosten – zu Ende geht. Polen wird sich stärker für Einwanderung öffnen müssen, um Jetzt beginnt der schwierige Teil, in dem Polen zunehmend die schnelle Alterung der Bevölkerung zu bekämpfen. Es auf Augenhöhe mit den Besten der Welt wie Deutschland wird erwartet, dass die Bevölkerung Polens von derzeit konkurrieren muss. 38 Millionen auf 32,8 Millionen im Jahr 2060 schrumpft. Vie- les wurde bereits erreicht: In den letzten Jahren sind fast Um weiter zu wachsen, sollte sich Polen von einem neuen zwei Millionen ukrainische Arbeitnehmer_innen nach Polen Wachstumsmodell leiten lassen, das auf den politischen Vor- gekommen. Ziel sollte es nun sein, sie in Polen zu halten, in- gaben eines neuen »Warsaw Consensus« basiert. Unter die- dem man die Aufenthaltsgenehmigungen vereinfacht und sen Politiken werden vier Politikbereiche von besonderer Be- einen klaren Weg zur Staatsbürgerschaft gestaltet. Aber deutung sein: weitere Stärkung der Institutionen, Öffnung auch zwei Millionen Ukrainer_innen werden nicht ausrei- für Einwanderung, Förderung von Innovationen und Auf- chen, da die Ukraine selbst ebenfalls altert und die ukraini- rechterhaltung der wirtschaftlichen und sozialen Integration schen Migrant_innen durchaus nach Westen weiterziehen der Gesellschaft. könnten. Polen muss sich auch für die Einwanderung aus an- deren Ländern öffnen. Polen (und der Rest Mittel- und Osteuropas) hat eine in seiner Geschichte einzigartige Gelegenheit, den Westen Europas Schließlich muss Polen mehr tun um die Innovation zu för- einzuholen. Nie waren die Voraussetzungen besser: Noch nie dern. Es muss von der Kopie zum Original, von Kartoffelchips hatte das Land besser ausgebildete Arbeitskräfte, eine stär- zu Mikrochips übergehen. Der Aufstieg neuer Technologien kere Industrie, eine integrativere Gesellschaft und offenere wird eine Innovationsagenda noch wichtiger als bisher ma- Grenzen. Noch nie war sie so tief mit dem Westen verwoben. chen. Die Investitionen in ein qualitativ hochwertiges Bil- Es gibt keine bekannten Faktoren, die Polen und Mittelost dungssystem, insbesondere auf Universitätsebene, sollten europa daran hindern sollten, so reich wie Westeuropa zu gesteigert werden. Polnische Universitäten bieten zwar eine werden – wenn auch nicht so reich wie Deutschland, zumin- solide Ausbildung, hinken aber hinter den europäischen und dest nicht so bald. globalen Spitzenreitern zurück. Schließlich wird es von ent- scheidender Bedeutung sein, das Wachstum inklusiv zu hal- ten und eine hohe soziale Mobilität aufrechtzuerhalten. Es geht darum sicherzustellen, dass alle jungen Polen, unabhän- gig von ihrem Elternhaus, die Chance haben, ihr Potenzial voll auszuschöpfen und die zukünftigen Kopernikus, Marie Sklodowska-Curies und Fryderyk Chopins zu werden. 4
ÜBER DEN AUTOR IMPRESSUM Prof. Marcin Piątkowski, Senior Economist der Weltbank Friedrich-Ebert-Stiftung | Vertretung in Polen mit Sitz in China, Associate Professor an der Kozminski ul. Podwale 11 | 00-252 Warschau | Polen Universität in Warschau. Autor des Buches »Europe’s Growth Champion. Erkenntnisse aus dem wirtschaftlichen Verantwortlich: Aufstieg Polens«, Oxford University Press. Er twittert bei Dr. Ernst Hillebrand | Leiter des Büros der Friedrich-Ebert- @mmpiatkowski. Stiftung in Warschau www.fes-polska.org Bestellungen/Kontakt: biuro@feswar.org.pl Eine gewerbliche Nutzung der von der Friedrich-Ebert- Stiftung (FES) herausgegebenen Medien ist ohne schriftliche Zustimmung durch die FES nicht gestattet. Die in dieser Publikation zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind nicht notwendigerweise die der Friedrich-Ebert-Stiftung. ISBN ISBN978-83-64062-36-0 978-3-96250-374-1
DAS WUNDER AN DER WEICHSEL Polen ist Europas am schnellsten wachsende Volkswirtschaft Polen ist die Volkswirtschaft Europas, Der Erfolg Polens basiert auf einem ge- Die polnische Volkswirtschaft ist stärker die in den letzten dreißig Jahren am lungenen Management der Transitions diversifiziert als die anderer mitteleuro- stärksten gewachsen ist. Kaufkraftbe- phase, dem Aufbau leistungsfähiger päischer Staaten und damit weniger reinigt hat sich das Prokopf-Einkommen Institutionen, der erfolgreichen Integra- empfindlich gegen sektorielle Schocks, seit 1990 fast verdreifacht. Diese auch tion in internationale Wertschöpfungs- etwa im Automobilbau. Die Wachs- im globalen Vergleich exzellente Wirt- ketten und der institutionellen und fi- tumsprognosen für die kommenden schaft- und Einkommensentwicklung ist nanziellen Unterstützung durch die EU. Jahren sind ausgesprochen positiv; das allen Bevölkerungsgruppen zugutege- Land wird auch weiterhin deutlich über kommen. Der Gini-Index sozialer Un- dem EU-Durchschnitt wachsen. gleichheit liegt unter dem EU-Durch- Das Land steht vor der Aufgabe, sein schnitt. Das Land erreicht heute kauf- Wachstumsmodell zukunftsfähig zu kraftbereinigt 60 % des deutschen machen. Dazu bedarf es einer weiteren Pro-Kopfeinkommens. Stärkung der Institutionen, der Förde- rung von technologischer Innovation, der Aufrechterhaltung eines sozial inte grativen Wirtschaftsmodells und einer weiteren Öffnung für Einwanderung.
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