Werkzeugkiste (58) Lean Strategy Maik Arensmann, Walter Dietl, Katrin Glatzel und Tania Lieckweg - OSB International
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Werkzeugkiste | 58: Lean Strategy | Maik Arensmann, Walter Dietl, Katrin Glatzel, Tania Lieckweg Werkzeugkiste (58) Lean Strategy Maik Arensmann, Walter Dietl, Katrin Glatzel und Tania Lieckweg Gute Werkzeuge sind eine wichtige Voraussetzung für erfolgreichen Wandel. Trotzdem hängt das Gelingen komplexer Veränderungsprojekte weniger vom Werkzeug selbst als von dem Kontext ab, in dem es angewendet wird. Deshalb stel- len wir in der Rubrik Werkzeugkiste interessante Methoden für die Praxis der Veränderungsarbeit anhand ihrer Ge- schichte, Spezifika und Anwendungszusammenhänge dar. Lean Strategy ermöglicht Strategiearbeit in Selbstorganisa- tion mit einer gemeinsamen Erarbeitung von Vision, Purpose und Zielen. Kontext der Methode abzudecken, wird heute unter dem Schlagwort «Ambidextrie» diskutiert. Aufbauend auf der Unterscheidung von March (1991) Durch die digitale Transformation stellt sich für viele Unter- zwischen «Exploitation» und «Exploration» haben Tushman nehmen die Frage, wie sie die Unsicherheit der Zukunft im und O’Reilly Ambidextrie beschrieben als eine Fähigkeit, Rahmen von Strategiearbeit bearbeiten können. Dabei ist die gleichzeitig inkrementelle und diskontinuierliche Innovation größte Herausforderung, gleichzeitig das heutige Geschäft zu zu verfolgen und dabei verschiedenste Strukturen, Kulturen sichern und in die digitale Welt aufzubrechen. und Prozesse in ein und demselben Unternehmen zu ermögli- Zusätzlich erleben viele Organisationen heute einen massi- chen (O’Reilly & Tushman 1996: S. 24). Erfolg verspricht dabei ven Veränderungsprozess hinsichtlich ihrer Strukturen und eine Strategie, die gleichermaßen für etablierte und neue Ge- Prozesse. Sie experimentieren mit agilen Methoden sowie Or- schäfte, hierarchisch und weniger hierarchisch organisierte ganisations- und Führungsmodellen, die stärker auf Selbstor- Unternehmensteile und unterschiedliche Organisationskultu- ganisation abzielen. Innovation in Organisation und Führung ren handlungsleitend sein kann. ist gleichzeitig immer wieder Ausgangspunkt für neue Ge- Klassische Strategien haben viele Organisationen erfolgreich schäfte und Geschäftsmodelle. Die Fähigkeit, beide Aspekte gemacht. Unserer Beobachtung nach adressieren sie in der 94 OrganisationsEntwicklung Nr. 1 |2019
Maik Arensmann, Walter Dietl, Katrin Glatzel, Tania Lieckweg | 58: Lean Strategy | Werkzeugkiste Praxis jedoch vielfach stärker die Zukunftsfragestellungen be- Wie kann das realisiert werden? Die Erfahrungen von und mit stehender Geschäfte als die Fragen einer radikalen Neuerfin- Start-ups können dabei helfen. Die Lean Startup-Bewegung dung. Trotz der im letzten Jahrzehnt in vielen Unternehmen (vgl. Ries 2011, 2017; Glatzel & Lieckweg 2014) mit ihrem Ver- unternommenen Bemühungen, die absicherungsorientierte such, Unternehmen in ihren frühen Phasen zu professionali- strategische Planungsroutine wieder mehr durch offene stra- sieren, ist eine der Quellen von Lean Strategy. Weitere Quellen tegische Dialoge zu ergänzen (oder zu ersetzen), wird Strate- sind die Strategiepraxis in stärker selbstorganisierten Organi- giearbeit heute häufig nicht als innovationsfördernd erlebt – sationen (vgl. Laloux 2014) sowie moderne Ansätze der syste- und ist selbst nicht innovativ. Viele Ansätze und Instrumente mischen Strategieentwicklung (vgl. Nagel & Wimmer 2014, sind auch heute noch nicht gut geeignet für eine Strategie Glatzel, Lieckweg & Wimmer 2015, Dietl 2018). Daneben hat arbeit, in der es darum geht, eine gemeinsame Ausrichtung David Collis einen Ansatz zu einem Lean Strategy-Prozess vor- hin auf ein Zukunftsbild zu ermöglichen und möglichst viel gestellt, der die Notwendigkeit der Kombination von geplanter Freiraum für Entdeckungen auf dem Weg dahin. Strategie und experimentierfreudigen Lernprozessen im stra- Die Erfahrungen mit agilen Arbeitsformen, Design Thin- tegischen Managementprozess betont (vgl. Collis 2016). king, etc. lassen den klassischen Modus von top-down getrie bener Strategiearbeit zusätzlich fragwürdig erscheinen. Mit der Einführung agiler Arbeitsformen wird die Notwendigkeit Darstellung der Methode zu einer gemeinsamen Ausrichtung auf die Zukunft noch ver- stärkt. Selbstorganisation wird nur vor dem Hintergrund eines Das Zukunftsbild einer Lean Strategy geteilten Zukunftsbildes, zu dem jede/r einen Beitrag leistet, In vielen Organisationen wird heute versucht, Selbstorganisa wirksam. Explizite Strategiearbeit gewinnt damit noch weiter tion zu ermöglichen und die Eigenverantwortung der Mitarbei an Bedeutung, sie verändert allerdings teilweise ihren Charak tenden zu erhöhen. Eine gemeinsame Ausrichtung wird durch ter. So werden strategische Entscheidungen immer häufiger ein attraktives Zukunftsbild erreicht, das möglichst unter gro- partizipativ erarbeitet oder getroffen, die Arbeit an der Strate- ßer Beteiligung entwickelt wurde. Ein Lean Strategy-Zukunfts- gie findet weniger separiert vom tagtäglichen Geschehen in bild umfasst im Wesentlichen nur drei Elemente: Vision, Pur- der Organisation statt. Und diese strategischen Entscheidungen pose und Ziele. müssen dann wiederum wirksam umgesetzt werden, wozu es Die Vision wird radikal von der Zukunft her gedacht. Hier eine gute Orientierung aller im Alltag und im Tun braucht. wird eher eine Zehn-Jahres-Perspektive eingenommen als Wir gehen davon aus, dass Organisationen zukünftig beide eine auf die nächsten drei. Die Vision beschreibt, wie die Welt Ansätze von Strategiearbeit beherrschen müssen. Da die Ge- sein wird, wenn die Organisation und die Menschen in der Or- schäftsmodelle vieler Organisationen immer schneller erodie ganisation es geschafft haben, einen positiven Unterschied für ren und im Zuge der Umweltentwicklungen herausgefordert und in der Welt zu machen. Auf der anderen Seite steht der werden, müssen stets neue Geschäftsmodelle entwickelt wer- Purpose, der stark aus dem Heute getrieben wird. Mit Purpose den – und dabei muss gleichzeitig das Kerngeschäft weiter dringen wir tief ins Herz der Organisation vor: Warum machen ausgeschöpft und vorangetrieben werden. Im Erleben von wir das alles? Wovon sind wir überzeugt? Was treibt uns an? Management und MitarbeiterInnen geht es hier auch um Ge- Immer geht es um den Nutzen für den «Kunden» und um das schwindigkeit in der Festlegung von Strategien und deren Warum. Der Kunde muss dabei nicht unbedingt ein externer, Umsetzung, ganz wesentlich befördert durch die Wahrneh- zahlender, also klassischer Kunde sein. Ein «Kunde» ist ein- mung, dass sich in wichtigen Branchen im 21. Jahrhundert fach jemand, auf den sich die Leistung bezieht – und dessen neue globale Quasi-Monopole (Amazon, google, Facebook, Leben, Arbeiten oder Denken man unterstützen, vereinfa- etc.) bilden. chen, verbessern, verschönern möchte. Zusammengefasst ist die aktuelle Strategiepraxis in vielen Wenn dieser Purpose irgendwann verwirklicht worden ist, Unternehmen in folgenden Aspekten in Veränderung: dann ist das der Zustand, der in der Vision beschrieben ist. Es 1. Es braucht im Kontext der digitalen Transformation lang- geht hier um den größeren Kontext der Welt – oder zumindest fristige Zielbilder, die handlungsleitend für das operative der Welt des Kunden. Geschehen in der Organisation sind und die die vielfältigen Diese beiden Elemente sind unverzichtbar, wenn es darum Aktivitäten und «Experimente» koordinieren. geht, die Leistungsfähigkeit aktueller Generationen von Mitar 2. Es braucht einen Strategieentwicklungsprozess, der gleich- beiterInnen sowie von selbstorganisierten Teams zu ermögli zeitig die höhere Zukunftsunsicherheit adressiert und neue chen und zu steigern. Es geht um eine gemeinsame Ausrich re Organisations- und Führungsmodelle berücksichtigt. tung, die immer wieder aktualisiert, abgeglichen und adjustiert 3. Es braucht eine erfolgreiche Strategieumsetzung und einen werden muss. Durch diesen Anpassungsprozess wird Selbst- entsprechenden strategischen Managementprozess. organisation wirksam, da beide wie gute Leitplanken wirken. OrganisationsEntwicklung Nr. 1 |2019 95
Werkzeugkiste | 58: Lean Strategy | Maik Arensmann, Walter Dietl, Katrin Glatzel, Tania Lieckweg Ein drittes Element von Lean Strategy sind Ziele. Die Zie Ziele le er er- • Wenige und sehr fokussierte Workshops zur Entwicklung der geben sich aus der klassischen strategischen Frage: Wie errei errei- zentralen Elemente: Es finden nur wenige Workshops statt, chen wir die Vision und setzen unseren Purpose um, wenn wir in denen die Strategie entwickelt wird. Diese werden sehr wissen, was sonst noch alles in der Welt passiert? Die Diese se Ziele gut vorbereitet, damit die zentralen Elemente einer Lean sind nicht detailliert heruntergebrochen, sondern sie be be- Strategy in dieser kurzen Zeit erarbeitet werden können. Er- Er schreiben die Schlüsselergebnisse, die erzielt werden sollen. gebnis dieser Workshops sind eine klare Vision, ein verge verge- meinschafteter Purpose und Ziele, mit denen die Schlüssel Schlüssel- Der Entwicklungsprozess einer Lean Strategy ergebnisse beschrieben werden, die in einem definierten Der Lean ManagementAnsatz viel Management-Ansatz nutzt den Begriff «lean» in viel- Zeitraum erreicht werden sollen. fältiger Form. Lean steht für die Vermeidung von Verschwen Verschwen- • Iterative Weiterentwicklung und Ergänzung: Die zentralen dung ebenso wie für kontinuierliche Verbesserung, für eine Elemente werden laufend ergänzt und am operativen Ge Ge- Orientierung an messbaren Ergebnissen ebenso wie für einen schehen evaluiert, weil laufende Entscheidungen immer respektvollen Umgang miteinander. Lean Strategy greift diese auf die Kernelemente Vision, Purpose, Ziele bezogen wer wer- vieldimensionale Bedeutung auf. Der Entwicklungsprozess ei ei- den. Sie sind damit im operativen Alltag deutlich präsenter ner Lean Strategy ist in diesem Sinne «schlank», weil mögmög- als viele herkömmliche Strategien und leichter wieder ver ver- lichst vieles weggelassen wird. Das ist nur möglich, wenn änderbar. gleichzeitig für die Lean StrategyInhalte Strategy-Inhalte ein laufender Evalu Evalu- • Kreative Nutzung eines breiten Methodenbaukastens (vgl. ierungs ierungs- und Optimierungsprozess etabliert wird. Hier liegt Abbildung 1): Es werden etablierte Werkzeuge wie Umfeld, Umfeld-, eine der Kernunterscheidungen zu herkömmlicher Strategie. Konkurrenz, Konkurrenz-, Stakeholderanalyse, Portfolio verwendet so so- Kennzeichen des Lean StrategyEntwicklungsprozesses: Strategy-Entwicklungsprozesses: wie Tools aus dem Design Thinking z. B. die PersonaMe Persona-Me- Abbildung 1 Methodenbaukasten für den Entwicklungsprozess einer Lean Strategy Methode & Anwendungszweck Kurzbeschreibung Konkurrenzanalyse: • Systematische Analyse des Wettbewerbsumfelds anhand von bestimmten Kriterien bzw. Fragestellungen Identifikation von strategischen Ansatzpunkten im Wettbewerbsumfeld Minimum Viable Product (MVP)/ Prototyping: • Schnelles Teilen und Testen von Ideen, um z. B. das Problem besser zu verstehen und um weitere Agile Strategieumsetzung Informationen für die Umsetzung der Strategie zu sammeln OKR: • Formulierung von zeitstabilen Zielen (Objectives) und wiederholte, kurzzyklige Ableitung von Ergebnissen Formulierung von Zielen (Key Results), an denen die Zielerreichung gemessen wird • Maßnahmen werden eigenverantwortlich durch die OKR-Owner entschieden Personas: • Konkrete Ausarbeitung und Nutzung fiktiver Charaktere (z. B. «Michael, radfahrender IT-Experte in München») Ausrichtung der Strategie am Kunden in der Strategieerarbeitung, die repräsentativ für echte Zielgruppen stehen und deren Bedürfnisse und Erwartungen widerspiegeln Scrum: • Agiles Framework für Produkt- und Projektmanagement Agile Strategieerarbeitung und -umsetzung in • Strikter Prozess in Sprintzyklen mit häufigen Abstimmungen in den selbstorganisierten Arbeitsteams, selbstorganisierten Teams die an klar definierten Aufgaben arbeiten, die innerhalb des Sprints abgeschlossen werden können • Klare Rollenverteilung in den Teams (Product Owner, Scrum Master, Team) Stakeholderanalyse: • Systematische Analyse des internen Stakeholdersystems durch Beschreibung der Stakeholder bzw. Identifikation von Ansatzpunkten für die Strategie- Erstellung einer Stakeholder-Karte umsetzung im internen Stakeholdersystem Umfeldanalyse: • Systematische Analyse der Organisationsumwelt (z. B. ökologische, politische oder wirtschaftliche Identifikation von Ansatzpunkten für die Strategie- Entwicklungen) umsetzung im externen Stakeholdersystem: Identifikation relevanter Trends im Marktumfeld Zukunftsreise: • Kreative Ausgestaltung von langfristigen Zukunftsoptionen der Organisation (z. B. als Zeitungsartikel, Orientierung der Strategie an der Zukunft Video, App oder in einem Interview) • Ableitung strategischer Leitplanken 96 OrganisationsEntwicklung Nr. 1 |2019
Maik Arensmann, Walter Dietl, Katrin Glatzel, Tania Lieckweg | 58: Lean Strategy | Werkzeugkiste thode, Prototyping oder Zukunftsreisen. Aus dem Startup Start-up- Strategieumsetzung und der laufende strategische und ITKontext IT-Kontext werden OKRs, MVPs und Scrum-Methodi- ScrumMethodi Managementprozess einer Lean Strategy ken genutzt. Jede Strategie ist nur so gut wie sie umgesetzt wird. Der Umset Umset- • Beteiligungsformate: Verschiedene Beteiligungsformate wie zungsprozess einer Lean Strategy ist insofern schon deutlich Communities, Großgruppen, Votings oder Zukunftsreisen anders als in herkömmlichen Verfahren, weil die Grenze zwi- zwi bewirken bereits frühzeitig eine (Re)Orientierung (Re-)Orientierung an den umsetzung von vornherein schen Strategieentwicklung und -umsetzung diskutierten langfristigen Elementen (Vision und Purpose), anders gefasst wird (vgl. Nagel & Wimmer 2014). Das heißt, auch wenn die konkreten Ziele noch nicht in allen Aspek Aspek- dass die koordinierende und fokussierende Wirkung einer Lean ten scharf formuliert sind. Strategy sehr früh einsetzt, häufig zu einem Zeitpunkt, wo in herkömmlichen Prozessen die Kommunikation noch lange Alle oben genannten Kennzeichen eines Lean StrategyPro Strategy-Pro nicht begonnen hat. Dies spiegelt sich in den Methoden und zes zesses ses treffen auf die Vorgehensweise in der Entwicklung einer den Beteiligungsformaten wider. Funktionsstrategie für den Marketingbereich zu (vgl. Abbil Abbil- gleich Die Reduktion auf wenige Strategieelemente öffnet gleich- dung 2). Der Kunde in dem in der Abbildung dargestellten zeitig den Raum für Experimentieren und selbstgesteuerte Beispiel hatte sich die gemeinschaftliche Entwicklung eines Ausrichtung an der Strategie. Der strategische Management Management- Zukunftsbildes zum Ziel gesetzt. Voraussetzung war ein agiles prozess beim Einsatz von Lean Strategy muss daher gleichzei- gleichzei Ar Arbeiten beiten im Strategieprozess selbst. Mittlerweile ist die Um Um- tig diese Räume eröffnen und eine deutlich dichtere laufende setzung der Strategie gut in Gang gekommen und alle Beteilig Beteilig- Kommunikation – horizontal und vertikal – zum Stand der ten fanden den Prozess gewinnbringend, aber auch herausfor herausfor- strategiebezogenen Aktivitäten gestalten. Hier kann das ganze dernd. Instrumentarium organisationsinterner sozialer Medien, in- in Abbildung 2 Beispiel für einen Lean Strategy-Prozess Ziel Erarbeitung einer Funktionsstrategie für den Marketingbereich eines großen Versorgungsunternehmens im agilen Format Vorgehensweise 1 4 Parallel zur Arbeit Führungsteam Zweitägiger Strategieworkshop im Scrum-Format zu in den Fachteams: Purpose und Rahmenbedingungen der Strategie mit Kontinuierlicher Aus- anschließender Festlegung der nächsten Schritte tausch sowie Reflexion im Strategieprozess des Prozesses 2 Präsentation von 5 Vorstellung der Ergeb- Abteilung Purpose sowie strate- nisse aus den Fachteams gischem Rahmen und und Synchronisation Einholen eines ersten der übergreifenden Feedbacks Aktivitäten 3 4 Konkretisierung der Seminar zu agilen Fachteams Strategie in Sprints Methoden als Grund- (u. a. Vision, Ziele und lage für die weitere Maßnahmen auf Strategiearbeit Teamebene) Zeitraum: Vier Monate Ergebnis Die Strategie wurde unter starkem Einbezug der Fachteams erarbeitet. Ein agiler Arbeitsprozess wurde direkt erlebt und ausgewertet. OrganisationsEntwicklung Nr. 1 |2019 97
Werkzeugkiste | 58: Lean Strategy | Maik Arensmann, Walter Dietl, Katrin Glatzel, Tania Lieckweg telligente Großgruppenformate ebenso wie transparenzför transparenzför- sion und Purpose entfalten auch eine gewisse orientierende dernde Multiprojektmanagementtools eingesetzt werden. Wirkung. Eine nachhaltige Umsetzung im Organisationsalltag In den drei wesentlichen Sinn- Sinn und Gestaltungsdimensio- Gestaltungsdimensio wird aber vermieden, da die strategischen Ziele nicht ausrei- ausrei nen von Organisationen (Inhalt, Zeit, Sozial) lässt sich die Ent Ent- chend konkretisiert werden und kein Commitment erfolgt. wicklungsrichtung von Strategiearbeit in Unternehmen hin zu Hier sind klare Entscheidungsstopps einzuführen. Lean Strategy wie in Abbildung 3 dargestellt beschreiben. Keine klare Abgrenzung zwischen strategischen Prämissen- entscheidungen und operativen Entscheidungen: Die Tatsache, dass Lean Strategy ein Ansatz ist, welcher auf breite Beteili Beteili- Fallstricke bei der Anwendung gung, Selbstorganisation und iterative Entwicklungsschritte der Methode setzt, kann dazu führen, dass sich die Strategiearbeit sehr weit in das Tagesgeschäft hineinbewegt. Dann treten die Fragestel Fragestel- Keine operative Konsequenz: Lean Strategy kann durch eine zu lungen des operativen Alltags in den Vordergrund, während starke Ausrichtung auf die Zukunft zu wenig operative Konse Konse- die orientierende Funktion der Zukunft, welche die strategi strategi- quenz entfachen. Mit Lean Strategy konzentrieren wir uns schen Prämissenentscheidungen leiten sollte, vernachlässigt sehr stark auf die Zukunft (Vision, Purpose) in einer längerfris längerfris- wird. Um dies zu vermeiden, sollten sich die beteiligten Teams tigen Perspektive. Das kann dazu führen, dass zu wenig ope immer wieder gemeinsam auf die Vision, den Purpose und die rative Orientierung im Alltag entsteht. Deshalb ist die Diskus- Diskus formulierten handlungsleitenden Ziele konzentrieren und ih ih- sion von Zielen ein wichtiger und notwendiger Bestandteil. re operativen Entscheidungen hierauf beziehen. Kein ausreichender Blick in die Zukunft: Wie bei jeder Stra Stra- Keine Wirksamkeit durch fehlende Rahmensetzung der Füh- tegieentwicklung gibt es auch bei Lean Strategy die Gefahr, rung: Eine klare Rahmensetzung der Führung bei gleichzeiti gleichzeiti- dass nicht weit genug in die Zukunft geblickt wird. Zukunfts Zukunfts- gem Gewähren von Ausgestaltungs/Entscheidungsräumen Ausgestaltungs-/Entscheidungsräumen reisen zu Beginn des Prozesses können eine gute Methode sein, muss ausgehalten werden. Wo Selbstorganisation gelebt wird, dem entgegen zu wirken. Aber auch die strategischen AnalyAnaly- kommt früher oder später die Frage auf, ob es eine klare Rah Rah- sen müssen konsequent auf die Zukunft ausgerichtet sein. mensetzung durch die Führung überhaupt noch braucht. Die Keine Entscheidungen treffen und strategische Fragestellungen Antwort: Unbedingt. Lean Strategy kann die orientierende fortlaufend offenhalten: Indem die Entwicklung der Strategie und zukunftssichernde Funktion nur entfalten, wenn er durch «lean» gestaltet wird und sich die Strategie im Sinne eines «Mi «Mi- die Führungsebene gehalten und verantwortet wird. nimum Viable Products (MVP)», also das kleinstmöglich durch Keine wirksame Nutzung von Instrumenten und Tools: Teil Teil- führbare Produkt, in iterativen Schritten konkretisiert, besteht weise entsteht der Eindruck, Lean Strategy bedeute schlicht die Gefahr einer dauerhaften Vermeidung von Festlegungen. eine Strategieentwicklung in einem kürzeren Zeitraum mit Es wird dann zwar ständig an dem Zielbild gearbeitet, und Vi Vi- we weniger niger WorkshopTagen. Workshop-Tagen. Hieraus resultierend wird mit den den- Abbildung 3 Veränderungen der Strategiearbeit in den drei Gestaltungs- und Sinndimensionen Sachliche Dimension Zeitliche Dimension Soziale Dimension Von Zu Von Zu Von Zu Fokus auf Strategie Verstärkter Fokus auf Fokus «Now» & Verstärkter Fokus Top Management Gegenstrommodell Purpose «Next» «Beyond» getrieben (Top-Down/Bottom-Up) Portfolioentwicklung Geschäftsmodell- Abgrenzbare Permanente Firmenintern Offen/mit Partner entwicklung Strategie- (entwick- Strategieentwicklung lungsperioden) Kommunikations- Synchronizität und Ziele und Ziele und Erprobungs- kaskade zu Vermitt- Unmittelbarkeit in Umsetzungsplanung gestaltung (Experimen- Einheit von Raum, Virtualität, lung der Strategie der Kommunikation tiermöglichkeiten) Zeit und Handlung Asynchronität strategischer Entschei- (Aristoteles) dungen Branche Ökosysteme Denken vor Handeln Handeln vor Denken Scheitern als Scheitern als mitge- Eigene Firma und Netzwerk («langweilig») («kurzzyklisches Niederlage dachte Möglichkeit Partner Experimentieren») (daher: schnell scheitern) 98 OrganisationsEntwicklung Nr. 1 |2019
Maik Arensmann, Walter Dietl, Katrin Glatzel, Tania Lieckweg | 58: Lean Strategy | Werkzeugkiste selben Tools gearbeitet, die in der Entwicklung einer «Full in allen Dimensionen des Zielbildes möglichst zeitgleich. In Strategy» zum Einsatz kommen. Ein solches Vorgehen wird einem iterativen Prozess werden die parallelen Umsetzungs- fast zwingend scheitern, da sowohl die beteiligte Beratung als aktivitäten immer wieder zusammenführt, abgeglichen und auch das Strategieteam in eine Überforderung hineinlaufen. die nächste Phase angestoßen. Auf diese Weise entfaltet der Lean Strategy wird erst wirksam, wenn auch die Strategie- Lean Strategy-Ansatz seine ganze Kraft – in der orientierenden Tools angepasst werden. Es sollten Methoden wie Personas, Funktion bei gleichzeitiger breiter Beteiligung und Verantwor- Konkurrenzanalyse, Business Model Canvas, Prototyping zum tungsübernahme für die Zukunft in der Gesamtorganisation. Einsatz kommen. In Zeiten der digitalen Transformation ist Strategiearbeit Keine Strategieumsetzung nach agiler Logik: Strategieent- von hoher Bedeutung. Es ist nötig, das Spektrum der Strategie- wicklung nach dem Lean Strategy-Ansatz erfordert eine Um- arbeit und der zum Einsatz kommenden Tools stets zu erwei- setzung, die ebenso wie die vorangehende Entwicklung auf tern, so dass für Unternehmen in den verschiedensten Aus- agile Prozesse und Methoden und, jedenfalls meistens, auf gangssituationen die passenden Vorgehensweisen zur Verfü- selbstorganisierte Teams setzt. Erfolgreiche Umsetzung erfolgt gung stehen. Dazu möchte Lean Strategy einen Beitrag leisten. Maik Arensmann Seniorberater osb international Literatur Kontakt: maik.arensmann@osb-i.com • Collis, D. (2016). Lean Strategy, Harvard Business Review, March 2016. Walter Dietl • Dietl, W. (2018). Strategieentwicklung für Unternehmensfunktionen: Partner osb international Operative Bereiche und Funktionen strategisch ausrichten, Schäffer- Kontakt: Poeschel. walter.dietl@osb-i.com • Glatzel, K. & Lieckweg, T. (2014). Lean Startup. Was etablierte Unter- nehmen von Startups lernen können, ZOE 2/2014, S. 22—24. • Glatzel, K., Lieckweg, T. & Wimmer, R. (2015). Beratung im Dritten Modus: Die Kunst, Komplexität zu nutzen, Carl-Auer-Verlag. • Laloux, F. (2014). Reinventing Organizations: A Guide to Creating Dr. Katrin Glatzel Organizations Inspired by the Next Stage in Human Consciousness, Partnerin osb international Nelson Parker. Kontakt: • Nagel, R. & Wimmer, R. (2014). Systemische Strategieentwicklung: katrin.glatzel@osb-i.com Modelle und Instrumente für Berater und Entscheider, Schäffer-Poeschel. • March, J. G. (1991). Exploration and Exploitation in Organizational Learning, Organization Science, Vol. 2. No. 1, S. 71—87. • O’Reilley, C. A. & Tushman, M. L. (1996). Organizational Ambidex terity: Past, Present and Future, Academy of Management Perspectives. Dr. Tania Lieckweg 2013, Vol. 27, Issue 4, S. 324—338. Partnerin osb international Kontakt: • Ries, E. (2011). The Lean Startup: How Today's Entrepreneurs Use tania.lieckweg@osb-i.com Continuous Innovation to Create Radically Successful Businesses, Crown Business. • Ries, E. (2017). The Startup Way: How Entrepreneurial Management Transforms Culture and Drives Growth, Currency. OrganisationsEntwicklung Nr. 1 |2019 99
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