Der Bachelor Wirtschaftsrecht als berufsqualifizierender und strategischer erster akademischer Abschluss

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Der Bachelor Wirtschaftsrecht als berufsqualifizierender und strategischer
erster akademischer Abschluss

Beobachtungen aus der Hochschule für Gestaltung, Technik, Wirtschaft und Recht Pforzheim

Von Prof. Dr. Rainer Gildeggen, Prof. Dr. Barbara Lorinser und Prof. Dr. Barbara Tybusseck

Der vor zwanzig Jahren an Hochschulen für angewandte Wissenschaften1 eingeführte Studiengang
Wirtschaftsrecht als Erfolg

Der Studiengang Wirtschaftsrecht startete erstmals im Wintersemester 1993/94 in Lüneburg und
Mainz und hat sich seither deutschlandweit zu einem sehr erfolgreichen neukonzipierten
Studiengang entwickelt.2 Derzeit studieren in Deutschland mehr als 8000 Personen3 an mehr als 25
Fachhochschulen und Hochschulen für angewandte Wissenschaften4 mit dem Ziel einen Bachelor
Wirtschaftrecht zu erlangen. Jährlich verlassen über 900 Absolventen die Hochschulen5. Erste
Einschätzungen6 und Untersuchungen7 über den Arbeitsmarkterfolg trafen zu. Juristische Fakultäten
von Universitäten haben vergleichbare Studiengänge eingeführt.8

1
    Die Fachhochschulen wurden in den meisten Bundesländern in Hochschulen für angewandte
    Wissenschaften, University of Applied Sciences, umbenannt.
2
    Abel, Der Diplom‐Wirtschaftsjurist (FH) – Eine Alternative zur herkömmlichen Juristenausbildung, NJW
    1998, 3619; Schomerus, Zehn Jahre Wirtschaftsrecht nach dem Lüneburger Modell, JuS 2004, 1124.
3
    Interne Daten der Wirtschaftsjuristischen Hochschulvereinigung (WHV).
4
    Hochschulen für angewandte Wissenschaften, die den Studiengang Wirtschaftsrecht anbieten, haben sich
    zur Wirtschaftsjuristischen Hochschulvereinigung (WHV) zusammengeschlossen; www‐wirtschaftsrecht‐
    fh.de. Nicht alle Fachhochschulen an denen Wirtschaftsrecht als Studiengang angeboten wird, sind
    Mitglieder der WHV.
5
    Interne Daten der WHV; die Daten erfassen nur die Absolventen der Hochschulen, die Mitglied der WHV
    sind.
6
    Abel, siehe oben Fussnote 2.
7
    Schomerus, Berufseinstieg von Diplom‐Wirtschaftsjuristen (FH), JuS 2001, 1244.
8
    Siehe z.B. Hoffmann, Die Ausbildung zum Internationalen Wirtschaftsjuristen an der Friedrich‐Alexander‐
    Universität Erlangen‐Nürnberg, JuS 2004, 262; Schäfer, „Bologna“ in der Juristenausbildung, Das
    Mannheimer Modell eines LL.B. Studiengangs, NJW 2008, 2487; beide jeweils um Abgrenzung zu den von
    Hochschulen für angewandte Wissenschaften angebotenen Studiengängen bemüht. Auch die Universität
    Augsburg bietet eine vergleichbaren Studiengang an, www.jura.uni‐augsburg.de/lehre/rewi/.

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Nachdem Absolventen seit über zehn Jahren auf dem Arbeitsmarkt sind, zeigen sich deutliche
Tendenzen, wo und wie Absolventen des Studiengangs Wirtschaftsrecht den Arbeitsmarkt
durchdringen. In diesem Beitrag sollen anhand der bisher eingeschlagenen Ausbildungs‐ und
Berufswege von Absolventen die Chancen des Abschlusses Bachelor Wirtschaftsrecht dargestellt
werden. Dabei soll deutlich werden, dass der Abschluss berufsqualifizierend ist und zudem auch eine
strategische Dimension hat. Der Beitrag will darüber hinaus unseren Absolventen und deren
Gegenüber, aber auch unseren Kolleginnen und Kollegen an Hochschulen für angewandte
Wissenschaften und Universitäten helfen, die Leistungsfähigkeit und das Potential eines Bachelors
Wirtschaftsrecht zutreffend einzuschätzen.

Nach einem kurzen Überblick über das Studium des Wirtschaftsrechts soll dargestellt werden, dass
der Abschluss berufsqualifizierend im Sinne des Bologna‐Prozesses ist. Sodann geht es darum
aufzuzeigen, welche Entwicklungsperspektiven der Abschluss den Studierenden bietet. Schließlich
sind einige Hindernisse für eine volle Entfaltung der Leistungsfähigkeit des Studiengangs
Wirtschaftsrecht zu nennen. Der Beitrag schließt mit der Feststellung, dass der Studiengang, der zum
Bachelor Wirtschaftsrecht führt, etwas völlig anderes als ein Jura‐Studium ist. Wir hoffen mit dem
Beitrag beachtliche Perspektiven des Studiengangs vorzustellen und Missverständnisse über den
Studiengang zu beseitigen.

Die verwendeten Informationen beruhen weitgehend nicht auf statistisch exakt erhobenen Daten,
sondern sind das Ergebnis einer Vielzahl von Gesprächen, die zwischen 2000 und 2011 mit einer
größeren Zahl der insgesamt etwa 500 Absolventen des Studiengangs Wirtschaftsrecht in Pforzheim
geführt wurden. Die nachfolgenden Ausführungen geben unsere Erfahrungen aus Pforzheim wider.
Sie könnten in ähnlicher Form für andere Hochschulen gelten, erheben aber nicht den Anspruch dies
zu tun.

Das Studienprogramm des Bachelor Wirtschaftsrecht

Der Abschluss

Absolventen des Studiengangs gibt es in Pforzheim seit 2000. Bereits im Jahr 2004 wurde der
Abschluss hier vom Diplom‐Wirtschaftsjuristen zum Bachelor Wirtschaftsrecht umgestellt.

Das Curriculum

Das Studienprogramm umfasst sieben Semester mit einem integrierten Praxissemester. Im Studium
werden Kenntnisse und Fertigkeiten in den Fächern Recht, Betriebs‐ und Volkswirtschaftslehre sowie
Schlüsselqualifikationen, sog. Soft Skills, vermittelt. Der Schwerpunkt der Rechtsausbildung liegt im
Zivil‐ und Wirtschaftrecht und in der juristischen Methodik. Im Bereich der Betriebswirtschaftslehre
entspricht die Ausbildung der Grundlagenausbildung von Betriebswirten. Unsere Ausbildung soll
unseren Absolventen befähigen unternehmerische Ziele rechtskonform zu erreichen.

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Die Praxissemester werden regional bedingt häufig in Unternehmen der Automobilindustrie und des
Maschinenbaus, aber auch in der übrigen Industrie und im Dienstleistungsbereich absolviert. Viele
Studierende sind in Personal‐ oder Rechtsabteilungen, oder sonstigen Unternehmensbereichen tätig.
Eine    beachtliche    Anzahl    von    Studierenden     geht    zu   Wirtschaftsprüfungs‐   und
Steuerberatungsgesellschaften. Sehr wenige unserer Studierenden verbringen ihr Praktikum in
Anwaltskanzleien oder bei Insolvenzverwaltern. Das Leistungsvermögen der Praktikanten zu diesem
Zeitpunkt wird von den Unternehmen insgesamt als etwas besser als gut eingeschätzt.9

Fortentwicklung des Curriculums

Das Curriculum des Studiengangs wurde kontinuierlich fortentwickelt. In Umsetzung des Bologna‐
Prozesses hat dabei die Frage, welche Kenntnisse und Fertigkeiten die Absolventen für ihre spätere
berufliche Tätigkeit benötigen, eine immer größere Rolle gespielt.

In diesem Zusammenhang war und ist ein wesentliches Ziel aller Änderungen auch gewesen, das
klausurorientierte Lernen, das die Ausbildung an Fachhochschulen über lange Jahre kennzeichnete,
durch zielorientierte studentische Arbeitsformen zu ergänzen und teilweise zu ersetzen. So sind
Hausarbeiten, Teamhausarbeiten, Projektarbeiten, Vorträge, Präsentationen und mündliche
Prüfungen in großem Umfang an die Stelle klassischer Klausuren getreten.

Berufsqualifizierung und Persönlichkeitsentwicklung

Wer einen Job will, braucht formale Abschlüsse. Eine Bewerbung hat aber schließlich deshalb Erfolg,
weil sie oder er als Persönlichkeit überzeugt. Ein Studium, das sich nicht um
Persönlichkeitsentwicklung sorgt, vernachlässigt daher einen wichtigen Parameter für den Zugang zu
einem Arbeitsplatz. Auch deshalb kommt den Schlüsselqualifikationen und den
persönlichkeitsbildenden Studieninhalten im Bologna‐Prozess eine immer größere Bedeutung zu.

Kommunikationsvermögen, Problem‐ und Konfliktlösungskompetenzen, Englischkenntnisse sowie
Phantasie und Kreativität fordern wir von unseren Studierenden durch Prüfungsleistungen und die
tägliche Zusammenarbeit. Weiterentwicklungen unseres Curriculums werden hier in Zukunft noch
deutlicher Schwerpunkte legen müssen.

Berufsqualifizierung und Auslandsaufenthalte

Arbeitsplätze mit Perspektive stehen vor allem denjenigen offen, die idealerweise mindestens ein
Semester im Ausland waren. Dafür eignet sich für unsere Studierenden das 6. oder 7.
Studiensemester, das auch an einer ausländischen Hochschule belegt werden kann. Unser

9
    Praktikantenbetreuer‐Studie der Fakultät für Wirtschaft und Recht der Hochschule für Gestaltung, Technik,
    Wirtschaft und Recht in Pforzheim vom Juni 2011, interne Daten. Gefragt wurden die im Unternehmen für
    die jeweiligen Praktikanten verantwortlichen Betreuer unter anderem nach dem Fachwissen der
    Studierenden, ihrer Fähigkeit Probleme zu erkennen, Informationen zu bewerten, komplexe
    Zusammenhänge zu verstehen und Problemlösungen zu erarbeiten.

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Curriculum sieht insoweit großzügige Anerkennungsmöglichkeiten von im Ausland erbrachten
Studienleistungen vor.

Allerdings nehmen die allerwenigsten Studierenden dieses Angebot wahr. Sie wollen die in sich
geschlossene wirtschaftsrechtliche Ausbildung in Deutschland vollständig belegen und abschließen,
und darüberhinaus auch noch ins Ausland gehen. Auslandsaufenthalte werden entweder als
zusätzliche Praxissemester in Unternehmen oder als zusätzliche Semester an ausländischen
Universitäten verbracht. Das schafft im Ausland Freiräume für die Persönlichkeitsentwicklung und für
die Entwicklung fachlicher Interessen. Auslandsaufenthalte verlängern damit in der Realität das
Bachelor Studium um ein Semester. Allenfalls 15 % unserer Studierenden nutzen diese frühe
Möglichkeit eines Auslandsaufenthalts. Weitere 10 % verschieben den Auslandsaufenthalt auf ein
Masterstudium im Ausland.10

Die Studierenden

Hochschulen für angewandte Wissenschaften haben ein anderes Studierendenprofil als
Universitäten.

Wer die allgemeine Hochschulreife in Händen hält und glaubt an Berufen, für die er das Zweite
juristische Staatsexamen braucht, Freude haben zu können , studiert Jura an einer Universität und
wenn der angehende Studierende gut ist, sucht er sich die passende Universität sorgfältig aus.

Was aber tut derjenige, der über eine Fachhochschulreife verfügt, sich damit nicht erfolgreich an
Universitäten bewerben kann und Spaß am Recht hat, derjenige, der mit einer Lehre im Beruf war
und dann seine Ausbildung fortsetzen will, oder derjenige, der begabt ist, aber aus einer Familie ohne
akademische Tradition kommt? Gelegentlich kommt es auch vor, dass nach umfassender Beratung
im Freundes‐ und Bekanntenkreis die Bedeutung des Rechts im Wirtschaftsleben klar gesehen wird,
die traditionelle juristische Ausbildung aber für zu lang und für die Wirtschaft nicht zielführend
erscheint oder dass ein innovativer Ausbildungsweg gesucht wird. Auch sind Studieninteressente zu
nennen, denen die höhere Praxisorientierung der Hochschulen für angewandte Wissenschaften, die
sich etwa durch das Praxissemester zeigt, attraktiv erscheint. Schließlich sind noch diejenigen zu
erwähnen, die einfach noch nicht erwachsen genug sind, um eine klare Berufsorientierung zu haben?
Die kürzlich veröffentlichen Ergebnisse einer Studie legen auch nahe, dass die guten Berufschancen
der Absolventen bei der Wahl des Studiengangs eine Rolle spielen.11 Für all diese jungen Menschen
ist der Studiengang Wirtschaftsrecht an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften eine
Option. Sie machen im Kern die Studierenden des Wirtschaftsrechts an unserer Hochschule aus.

10
     Soweit Studierende bereits vor Beginn des Studiums im Ausland waren, was etwa für 5 % unserer
     Studierenden zutrifft, verlegen diese einen zweiten Auslandsaufenthalt häufig in ein Masterprogramm.
11
     Marco Schröder, www.studienwahl.biz/aktuelle‐ergebnisse.html., Anfang 2011 vorveröffentlichte
     Ergebnisse eines Promotionsprojekts.

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Die Qualifikation der Absolventen

Am Ende des Bachelorstudiums steht idealerweise ein Generalist, der über die notwendigen
Grundlagen zum juristischen und betriebswirtschaftlichen Arbeiten verfügt.

Der Bachelor Wirtschaftsrecht als berufsqualifizierender akademischer Abschluss

Den Absolventen mit Abschluss Wirtschaftsrecht steht ein breiter Teil des Arbeitsmarktes offen. Sie
bewerben sich auf Stellen die traditionell Mitarbeitern mit kaufmännischer Lehre und Betriebswirten
mit Hochschul‐ oder Universitätsabschluss offenstanden. Darüber hinaus gibt es für sie ein großes
Betätigungsfeld im unterstützenden Bereich klassischer Juristentätigkeiten. Teilweise ersetzen sie
Volljuristen oder erschließen Märkte für Juristen, die es bisher in dieser Form nicht gab.

Stellen im Unternehmen

In Unternehmen fanden Absolventen den Einstieg an verschiedenen Stellen: in Rechtsabteilungen, im
Vertragsmanagement, in der Markenverwaltung und in Lizenzabteilungen, in M & A Teams, in
Personalabteilungen, im Einkauf, aber auch im Vertrieb, dort insbesondere auch in Teams, die sich
um öffentliche Ausschreibungen bemühen.

Absolventen stand immer wieder ein unmittelbarer Einstieg in Rechtsabteilungen kleinerer und
mittlerer Unternehmen offen. Teilweise erfüllen sie faktisch die Aufgaben einer Rechtsabteilung, sind
aber dem Controlling, Personal, oder einem sonstigen Bereich zugeordnet. Sie bearbeiten an diesen
Stellen die typischerweise in einem Unternehmen anfallenden Rechtsprobleme auch in Koordination
mit externen Rechtsanwälten.

Viele Absolventen wurden in größeren Unternehmen im Vertragsmanagement eingestellt. Dort ist es
ihre Aufgabe den Abschluss einer Vielzahl von Verträgen zu koordinieren, zu standardisieren und
ständig zu verbessern.

In der Markenverwaltung und in Lizenzabteilungen wurde unseren Absolventen die
Markenanmeldung, die Organisation ihrer Durchsetzung, aber auch die Verwaltung und die
Betreuung des Abschlusses von Lizenzverträgen übertragen.

In M & A Teams in Unternehmen unterstützen sie die Teamleiter. Gelegentlich fielen Absolventen
durch herausragendes Verhandlungsgeschick auf und übernahmen in diesen Teams
Leitungsaufgaben.

Der Bereich des Personalmanagements war von Anfang an ein beliebtes Berufsziel. Dabei beinhaltet
Personalmanagement eine ganze Reihe unterschiedlicher Berufsbilder. Das reicht vom
Personalreferenten, der auf einen Bereich spezialisiert sein kann oder als Generalist eingestellt wird,
bis hin zu stark spezialisierten Personalsachbearbeitern wie Recruitern oder Personalentwicklern. Die
Praxis zeigt, dass Wirtschaftsjuristen vor allem in den Bereichen des Personalmanagements deutliche
                                                                                                     5
Vorteile haben, in denen eine sichere Anwendung des Arbeitsrechts gefordert ist. Das spiegelt sich
auch in den entsprechenden Stellenausschreibungen wider. Sobald sich im Aufgabenbereich der
Bezug zum Arbeitsrecht findet, wird in der Regel das wirtschaftsrechtliche Studium als mögliche
fachliche Anforderung explizit genannt.

Soweit der Einkauf oder Vertrieb von Produkten oder Dienstleistungen einen starken Rechtsbezug
hat, sind unsere Absolventen gefragt. Gelegentlich fällt es hier schwer einzelne Tätigkeiten genauen
Unternehmensabteilungen zuzuordnen. Absolventen haben hier z.B. öffentliche Ausschreibungen
betreut oder sind im Claim Management internationaler Großprojekte des Anlagenbaus tätig.

In kleineren IT Unternehmen und Start‐Ups werden den Absolventen die verschiedenste Aufgaben
übertragen, die vom Vertrieb bis zu rechtlichen Betreuung reichen.

Versicherungen, Bausparkassen und Banken haben Absolventen in verschiedensten Arbeitsbereichen
eingestellt. Sie übernahmen dort Sachbearbeiterfunktionen und hatten teilweise aber auch bereits
nach kurzer Zeit Personalverantwortung.

Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung

Viele Absolventen fingen ihr Berufsleben in Steuerberatungs‐ und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften
oder bei Steuerberatern an. Sie sind dort zunächst als Assistenten in den vielfältigen
Arbeitsbereichen einer Steuerberatungs‐ oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig.

Anwaltskanzleien

Einige Absolventen begannen bei großen Rechtsanwaltskanzleien. Dort unterstützen sie als
Mitarbeiter in Teams Volljuristen oder übernehmen die Betreuung begrenzter Aufgabenbereiche.
Zwischenzeitlich werben einige dieser Anwaltskanzleien offensiv um Wirtschaftsjuristen für
vielfältige präzise beschriebene Aufgabenbereiche.

Insolvenzverwaltung

Weitere Absolventen starteten in der Insolvenzverwaltung und unterstützen Insolvenzverwalter bei
der Abwicklung der im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren anfallenden Aufgaben. Viele
Verbraucherinsolvenzen werden von Wirtschaftsjuristen betreut.

Im öffentlichen Dienst

Auch der öffentliche Dienst hat Absolventen eingestellt. Die Bundesagentur für
Finanzdienstleistungen, die Bundesnetzagentur, Stadtwerke, oder Hochschulverwaltungen haben
Wirtschaftsjuristen für den gehobenen Dienst gesucht.

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Ein Blick in die Stellenangebote für Wirtschaftsjuristen bestätigt das entworfene Bild.12

Der Bachelor Wirtschaftsrecht erreicht damit sein Ziel, ein erster berufsqualifizierender
akademischer Abschluss zu sein. Sein Erfolg auf dem Arbeitsmarkt bestätigt, dass er
berufsqualifizierend ist. Der Abschluss eröffnet den Einstieg in fast alle Berufe der Wirtschaft und
Verwaltung mit Rechts‐ und/oder Managementbezug.

Ihr betriebswirtschaftliches Wissen macht Wirtschaftsjuristen im Arbeitsmarkt attraktiv.13

Berufseinsteiger berichten immer wieder, dass sie einen Job wegen ihrer betriebswirtschaftlichen
Kenntnisse bekamen, dass sie im Job aber besondere Erfolge aufgrund ihrer juristischen
Problemlösungskompetenz erzielen konnten. Sie betonen wie sehr ihnen das gelernte strukturierte
Denken und Arbeiten bei der Lösung auch nichtjuristischer Probleme hilft. Auch konnten einzelne
Absolventen durch ihr beachtliches juristisches Wissen im Zivilrecht positiv überraschen. Das
bestätigt, dass die Vermittlung fundierter juristischer Problemlösungskompetenz im Bachelorstudium
wichtig für den beruflichen Erfolg der Absolventen ist.

Sehr selten berichten Absolventen, dass potentielle Arbeitgeber mittelgroßer und kleinerer
Unternehmen mit dem Abschluss Wirtschaftsjurist vor allem dann nichts anfangen können, wenn die
Ausbildung eher generalistisch angelegt ist und nicht für eine spezifische Tätigkeit qualifiziert. Den
meisten Studierenden gelingt es jedoch unproblematisch durch Praktikum, Bachelorarbeit und das
Belegen von ein oder zwei Wahlfächern auch vor dem Hintergrund einer generalistischen Ausbildung
ein arbeitsmarktbezogenes Profil zu entwickeln.

Letztlich dürfte der Erfolg der Bachelor auch darauf zurückzuführen sein, dass ihre Einstiegsgehälter
wettbewerbsfähig sind.14

Nach einigen Jahren im Beruf erkennen manche Absolventen, dass das Fehlen weitere akademischer
Abschlüsse ihre berufliche Fortentwicklung behindert. Es gelingt ihnen nicht, sich erfolgreich von der
Sachbearbeitung auf Managementpositionen zu bewerben. Sie besuchen dann LL.M.‐, MBA‐ und
andere Masterprogramme, in Teil‐ oder Vollzeit, auch an Fernuniversitäten in der Hoffnung
Management‐ oder Expertenkarrieren auch bei anderen Arbeitgebern einschlagen zu können.

12
     Siehe hierzu www.stepstone.de; www.monster.de; www.jobscout24.de; www.stellenboersen.de.
13
     Siehe z.B. Ehlers, Basel II: Aufgaben für Wirtschaftsjuristen, NJW 2005, 3256.
14
     Siehe z.B. Volldampf statt Volljurist, Handelsblatt Junge Karriere April 2008, S. 93 ff.

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Der Bachelor Wirtschaftsrecht als strategischer erster akademischer Abschluss

Wer sich klarmacht, dass juristisches Expertenwissen jahrelanges angeleitetes15 Lernen und
praktische Erfahrung erfordert, oder wer den Bachelorabschluss Wirtschaftsrecht mit dem zweiten
juristischen   Staatsexamen,     einer    Promotion    oder    einem      Steuerberater‐   oder
Wirtschafsprüferexamen vergleicht, weiß, dass der Bachelor zunächst nur ein erster Schritt zum
Experten sein kann, dem weitere Ausbildungsschritte folgen müssen. Vergleichbares gilt für
Managementkarrieren: auch diese verlangen mehrjährige praktische Erfahrung und zusätzliche
Abschlüsse.

Gute Absolventen haben diesen Aspekt erkannt und dazu eine Vielzahl von Wegen zur akademischen
und beruflichen Fortentwicklung eingeschlagen. Dazu gehören vor allem Masterabschlüsse, die
Promotion und Berufsexamina.

Masterprogramme werden im In‐ und Ausland, an Universitäten und Hochschulen für angewandte
Wissenschaften in Vollzeit, Teilzeit oder im Fernstudium absolviert. Ob und inwieweit der
erfolgreiche Abschluss der jeweiligen Programme die Studierenden weiterbringt, ist im Einzelnen
noch offen. Während im englischsprachigen Ausland der Wert eines Masterabschlusses auch davon
abhängt, von welcher Hochschule er verliehen wurde, scheinen die Absolventen meist damit
zufrieden zu sein, überhaupt einen Masterabschluss, der auch noch finanzierbar ist, erwerben zu
können. Hier bleibt die Entwicklung abzuwarten. Einzelne Unternehmen legen bereits erkennbar
Wert darauf, wo und welcher Masterabschluss von Bewerbern erworben wurde. Nach wie vor
werden Absolventen auch guter Masterprogramme, die von Hochschulen für angewandte
Wissenschaften angeboten werden, diskriminiert.16

Erfolgreiche Promotionsabschlüsse unserer Absolventen liegen bisher in Pforzheim nicht vor; wohl
aber wenige auf den ersten Blick vielversprechend verlaufende Promotionsverfahren. Ist es schon für
einen durchschnittlichen Universitätsstudierenden nicht ganz leicht einen Doktorvater zu finden, so
ist dies für Bachelorabsolventen einer Hochschule für angewandte Wissenschaften recht schwer.
Erfolgreich waren bisher – von Sonderfällen offensichtlich sehr begabter Studierender abgesehen ‐
meist Kontaktaufnahmen zwischen Interessent und Professor im Zusammenhang mit dem
Absolvieren eines universitären Masterprogramms.

Eine große Zahl der Absolventen hat zwischenzeitlich Steuerberaterexamen abgelegt.

Unter den Absolventen wird zunehmend öfter die Frage diskutiert, ob es besser ist ein
Masterprogramm unmittelbar im Anschluss an den Bachelorabschluss oder erst nach einigen Jahren
der Berufserfahrung zu belegen. Die Antwort ist nur theoretisch einfach. Ein Bachelorabsolvent, der

15
     Siehe hierzu Maria Karger, Rekonstruktion des Rechtsunterrichts am Beispiel des materiellen Strafrechts,
     Diss. 2010, 94 ff.
16
     Siehe hierzu z.B. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 29.4.2010 – 1 A 795/09; BVerwG Beschluss
     v. 18.11.2010 – 2 B 50.10 (2 C 71.10) 2 B 50/10.

                                                                                                                8
zudem drei bis fünf Jahre Berufserfahrung und ein Alter von etwa 28 Jahren hat, profitiert von einem
Vollzeitmaster nach unseren Erfahrungen deutlich mehr, als ein Student, der den Master unmittelbar
im Anschluss an den Bachelorabschluss anstrebt.17 Das Problem eines späteren Masters liegt eher in
der persönlichen Lebensplanung: es erscheint später oft schwierig aus dem Berufsleben für ein Jahr
oder länger auszusteigen; Sorgen um die Fortentwicklung der beruflichen Entwicklung, finanzielle
Aspekte und persönliche Lebensentwürfe mit Familienplanung kollidieren deutlicher mit dem
Wunsch nach Weiterbildung. Die Teilnahme an Teilzeitmastern oder Masterprogrammen an
Fernuniversitäten kann hier ein Kompromiss sein, wobei dabei allerdings oft die Freiräume für eine
persönliche Weiterentwicklung fehlen.

Zur strategischen Dimension des Bachelors Wirtschaftsrecht ergibt sich im Einzelnen folgendes Bild:

Rechtsabteilungen

Viele große Unternehmen aus Handel und Industrie oder Banken stellten Bachelor Wirtschaftsrecht
in Rechtsabteilungen zunächst gar nicht ein. Sie wollten idealerweise gute promovierte Volljuristen.
Langsam entdecken Großunternehmen zwar, dass Bachelor Wirtschaftsrecht wichtige Aufgaben auch
in Rechtsabteilungen im Bereich des Vertragsmanagements, des Marken‐ und Urheberrechts und
ähnlichen Bereiche übernehmen können. Eine den Volljuristen gleichwertige Position mit
Entwicklungsperspektive eröffnen sie den Bachelorn Wirtschaftsrecht bisher aber eher nicht.

Mittlere und kleinere Unternehmen sind offener. Teilweise verlangen sie einen im
englischsprachigen Ausland erworbenen Mastertitel, teilweise einen inländischen juristischen
Masterabschluss, übertragen den Absolventen dann aber dieselben Aufgaben wie den Volljuristen.

Derzeit wird man davon ausgehen müssen, dass ein Wirtschaftsjurist, der in einer Rechtsabteilung
eines mittleren Unternehmens tätig werden will, meist nur dann dauerhaft den einem Volljuristen
vergleichbaren Erfolg haben wird, wenn er über mindestens einen weiteren juristischen Abschluss
verfügt. Zudem muss er im Rahmen seiner Ausbildung sichergestellt haben, dass er die englische
Sprache sehr gut beherrscht.

Die Leitung einer Rechtsabteilung setzt je nach Branche ein gewisses Alter, eine gewisse Erfahrung
und Autorität und manchmal auch eine Promotion voraus. Auch bei Volljuristen ist hier nicht allein
der Abschluss der einzig maßgebende Entscheidungsparameter. Angesichts der Altersstruktur der
Absolventen mit einem Bachelor Wirtschaftsrecht lassen sich – von einer positiven Ausnahmen
abgesehen – über einen solchen Entwicklungsweg noch keine Aussagen machen.

17
     Die Hochschule Pforzheim bietet Masterprogramme für Interessenten für die Steuerberatenden Berufe an,
     mit dem Teile des Steuerberater‐ und/oder Wirtschaftsprüferexamens vorweggenommen werden können
     (www.hs‐pforzheim.de; dort Master Auditing & Taxation (M.A.); Master Auditing, Business and Law
     (M.A.)). Dabei wendet sich ein Programm an Absolventen ohne, eine anderes an Absolventen mit
     praktischer Erfahrung. Die gemachten Aussagen beruhen u.a. auf den Erfahrungen mit Studierenden in
     beiden Programmen.

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Im Personalmanagement

Vor allem für Absolventen, die sich mehr für rechtliche als für psychologische Fragestellungen
interessieren, ist der Bachelor Wirtschaftsrecht strategisch ein perfekter Ausgangspunkt um im
Personalmanagement Karriere zu machen. Der weitere Weg „nach oben“ z.B. zum Personalleiter
führt zwingend über ein Masterstudium mit Schwerpunkt Human Ressource Management, das sich
schwerpunktmäßig mit Recht, Psychologie, Personalpolitik und/oder Personalentwicklung
auseinandersetzt.

Im Sonstigen Management

Wenige Informationen liegen uns vor über die Berufswege erfolgreicher Absolventen im
Management von Unternehmen. Der eine oder andere Absolvent ist Geschäftsführer einer kleineren
Gesellschaft geworden; andere arbeiten nach Jobwechseln und Aufstiegen in erfahrenen
internationalen Teams und betreuen z.B. die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungsverfahren.
Wieder andere setzen Markenrechte großer Markenartikler europaweit und medial präsent
verantwortlich durch. Auch einen Geschäftsführer einer Nichtregierungsorganisation gibt es unter
unseren Absolventen. Erfolgreiche Absolventen in diesem Bereich fielen meist schon im Studium
durch ihre Managementfähigkeiten und ihr Engagement auf. Sie haben Erfolg aufgrund ihres Talents,
nicht unbedingt wegen ihrer formalen Abschlüsse.

Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung

Zunächst gingen viele Absolventen nach dem Abschluss zum Diplom‐Wirtschaftsjuristen direkt zu
großen und kleinen Steuerberatungs‐ und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften teils mit dem Ziel dort
die Berufsexamina des Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers abzulegen. Seit Einführung des
Bachelors werden an Hochschulen und Universitäten aber Masterprogramme angeboten, die gezielt
auf dieses Berufsfeld ausgerichtet sind und deren Abschluss die Steuerberatungs‐ oder
Wirtschaftsprüferexamina deutlich erleichtern. Diese Masterprogramme erfreuen sich großer
Beliebtheit. Wesentlich bleibt aber, dass eine erfolgreiche Weiterentwicklung in dieser Branche den
erfolgreichen Abschluss der Berufsexamina voraussetzt.

Auch für Absolventen, die in den nicht der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung unmittelbar
zugeordneten Bereichen der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, also etwa im Bereich M&A
oder Compliance mit Perspektive arbeiten wollen, gewinnen Masterabschlüsse mit juristischem oder
betriebswirtschaftlichem Schwerpunkt zunehmend an Bedeutung.

Unternehmensberatung

Sehr gute Absolventen, die zudem als Folge von Praktika und Abschlussarbeiten noch über
besondere Kenntnisse in einzelnen Wirtschaftsbranchen verfügten, kamen gelegentlich auch bei
Unternehmensberatungen unter. Eine dauerhafte Perspektive haben sie dort aber nur, wenn sie in
überschaubarer Zeit einen Masterabschluss oder eine Promotion vorlegen können. In Einzelfällen
übernahmen die Unternehmensberatungen auch die Finanzierung der weiteren Abschlüsse.
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Erwähnenswert mag sein, dass in diesem Bereich besonderer Wert darauf gelegt wird, an welcher
Universität im In‐ oder Ausland ein Masterabschluss erzielt wird.

Absolventen, die diesen Weg eingeschlagen haben, verfügen im Alter von 30 Jahren über einen
Bachelor, einen anerkannten Master oder eine Promotion und über mehrere Jahre interdisziplinäre
Projekterfahrung. Volljuristen können mit ihnen in den relevanten Märkten kaum mehr erfolgreich
konkurrieren.

Anwaltskanzleien

Großen Anwaltskanzleien gelingt es immer öfter gute Absolventen des Studiengangs
Wirtschaftsrecht mit attraktiven Gehältern und interessanten Aufgaben als Mitarbeiter zu gewinnen.
Da diese Anwaltskanzleien guten Absolventen kaum eine Partnerperspektive bieten können, haben
sie begonnen über Karrierepfade für Wirtschaftsjuristen nachzudenken.

Insolvenzverwaltung

Absolventen, die im Bereich Insolvenzverwaltung oder Schuldnerberatung eigenständig tätig sein
wollten, erkannten bald, dass der Abschluss Diplom oder Bachelor Wirtschaftsrecht dafür nicht
reicht. Weiterführend haben die Beteiligten sich zum Steuerberater weitergebildet und bekamen
danach von den zuständigen Stellen eigenständig Insolvenzverwaltungen übertragen.18

Industrie‐ und Handelskammern

Absolventen mit in‐ oder ausländischem juristischen Masterabschluss sind auch von Industrie‐ und
Handelskammern eingestellt worden. Dort arbeiten sie teils in der auch juristischen Beratung der
Mitglieder bekamen aber auch andere Arbeitsbereiche übertragen, bei denen klassische
Rechtsfragen nur am Rande eine Rolle spielen. Nach wenigen Jahren beruflicher Aktivität äußerten
manche Absolventen dieses Bereichs, dass eine Promotion ein hilfreicher Abschluss für ein weiteres
Fortkommen sein könnte.

18
     Lambrecht, „Sie können nicht einmal Bilanzen lesen“ – Zur Bestellung von Juristen als Insolvenzverwalter,
     DZWIR 2010, 22. Lambrecht meint Wirtschaftsjuristen könnten mangels solider juristischer Ausbildung
     nicht zum Insolvenzverwalter bestellt werden. Das ist zumindest missverständlich formuliert. Gerade die
     Tätigkeit als Insolvenzverwalter erfordert juristische und betriebswirtschaftliche Kenntnisse sowie die als
     Mitarbeiter erworbene mehrjährige praktische Erfahrung im Umgang mit den vielfältigen Problemen von
     Insolvenzverfahren. Ein generalistisch ausgebildeter Wirtschaftsjurist, der sein juristisch‐
     betriebswirtschaftliches Fachwissen auch durch Masterabschlüsse ergänzt hat und der über mehrjährige
     praktische Erfahrungen verfügt, erscheint wenn er zudem noch unternehmerisch denken kann als
     Insolvenzverwalter besonders geeignet.

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Der öffentliche Dienst – wer braucht wen?

Wenig spannend für die weit überwiegende Zahl der Absolventen des Wirtschaftsrechts mit Master‐
oder sonstigen Weiterbildungsabschlüssen scheint der öffentliche Dienst zu sein, weil die Laufbahn
des höheren Dienstes faktisch immer noch teilweise verschlossen ist. Diese Entwicklung ist ärgerlich
und sachlich kaum zu begründen. Angesichts der anderweitigen Berufsmöglichkeiten lohnt es nicht,
sich gegen diese Rahmenbedingung zu wehren. Die Frage scheint ohnehin eher diejenige zu sein, wie
lange der öffentliche Dienst es sich leisten kann, hervorragend ausgebildeten und motivierten
Wirtschaftsjuristen mit Masterabschlüssen keine adäquate Berufsperspektive zu bieten.

Verborgene Routen

Es gibt vermutlich eine ganze Reihe von Berufswegen, die bisher noch im Verbogenen liegen.

So mag es sicher das eine oder andere Masterprogramm für Ingenieure geben, das auch
Wirtschafsjuristen offensteht. Sie mögen vielleicht ein Semester länger benötigen um zu einem
Abschluss zu kommen, haben dann aber eine Grundlagenausbildung im juristischen, wirtschaftlichen
und technischen Bereich, von der denkbar ist, dass sie auf dem Arbeitsmarkt jedenfalls in
Süddeutschland stark nachgefragt ist.

Einer unserer Absolventen hat nach seinem Abschluss als Wirtschaftsjurist aussichtsreich ein
Medizinstudium an einer Universität begonnen. Sollte das Studium erfolgreich sein, eröffnen sich
diesem Absolventen hochinteressante Berufsperspektiven.

Auch könnten Masterprogramme, die sich weniger auf Recht oder Betriebswirtschaftslehre als
vielmehr interdisziplinär auf die Problemlagen einzelner Wirtschaftsbereiche konzentrieren, den Weg
zu Aufstiegsmöglichkeiten in neuen Arbeitsfeldern öffnen.

Hindernisse und Unklarheiten

Dieses im Kern klare Bild von Qualifikation, sowie Ausbildungs‐ und Berufsperspektiven der
Wirtschaftsjuristen wird von Studierenden, Professoren, Arbeitgebern und einer interessierten
Öffentlichkeit nicht immer klar gesehen, mit der Folge, dass falsche Erwartungen in Bezug auf die
Fähigkeiten der Absolventen gehegt werden und das Potential der Wirtschaftsjuristen nicht
vollständig erkannt wird. Würde es gelingen hier noch Hindernisse und Denkbarrieren zu beseitigen,
dann wären die Absolventen des Studiengangs Wirtschaftsrecht noch erfolgreicher.

Physiker bilden Physiker, Volkswirte regelmäßig Volkswirte und Juristen normalerweise Juristen aus.
Beim Wirtschaftsjuristen ist die Lage anders. Kaum ein Hochschullehrer, der Wirtschaftsjuristen
ausbildet, weiß aus eigener Erfahrung, was seine Schützlinge später genau tun. Entweder der Lehrer
ist Betriebswirt, oder Jurist, oder Volkswirt oder Mathematiker. Eigene Erfahrungen einer
interdisziplinären Ausbildung oder Tätigkeit fehlen meist. Das hat zur Folge, dass die Lehrenden das
Leistungsprofil ihrer Studierenden in der Gesamtheit nicht wirklich beurteilen können und
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gelegentlich Schwierigkeiten haben zutreffende Empfehlungen für weitere Entwicklungen des
Studierenden zu geben. Auf Abhilfe wird noch so lange zu warten sein, bis die ersten
Wirtschaftsjuristen auf Professorenstellen berufen werden.

Zuweilen wird die Leistungsfähigkeit eines Bachelors Wirtschaftsrechts mit den Rechtskenntnissen
eines guten Volljuristen verglichen. Tatsächlich wird ein solcher Vergleich dem Bachelor
Wirtschaftsrecht nicht gerecht, denn man vergleicht Äpfel mit Birnen und berücksichtigt nicht
angemessen den völlig unterschiedlichen Ausbildungsstand am Ende eines dreieinhalb jährigen
Bachelorstudiums und einer sechsjährigen Ausbildung zum Volljuristen. Zudem betrachtet man nur
einen Ausschnitt des Leistungsprofils der Absolventen. Als Konsequenz wird die Leistungsfähigkeit
der Absolventen verkannt. Insbesondere wird unterschätzt, dass sich ein Bachelor Wirtschaftsrecht
aufgrund seiner Ausbildung eines Konflikts unter Berücksichtigung wirtschaftswissenschaftlicher
Lösungsmodelle, und damit nicht nur eindimensional juristisch, annehmen kann.

Bisher können Wirtschaftsjuristen nach erfolgreichem Abschluss ein Staatexamen nur dann ablegen,
wenn sie ein universitäres Jurastudium ganz von vorne beginnen. Ihre bisherige Ausbildung wird
nicht angerechnet.19 Hilfreich wäre es, wenn Universitäten Masterprogramme anbieten würden, die
einem an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften erworbenen Bachelor Wirtschaftsrecht
den Zugang zum 1. Staatsexamen eröffnen würden. Diese Entwicklungsoption, die nur den besseren
Absolventen des Bachelors Wirtschaftsrecht offen stünde, würde sicherlich die Zahl der im Ersten
Juristischen Staatsexamen nicht erfolgreichen Studierenden weiter senken.

Wünschenswert für unsere Absolventen wäre zudem eine weitere Öffnung vielfältiger universitärer
Masterprogramme für gute Bachelorabsolventen von Hochschulen für angewandte Wissenschaften
sowie die weitere Öffnung des Zugangs zu Promotionsmöglichkeiten auch für sehr gute
Masterabsolventen von Hochschulen für angewandte Wissenschaften mit zumutbaren Hürden. In
diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Studierende des Bachelor Wirtschaftsrecht in
den höheren Semestern durch eine hochaktuelle Lehre und die Einbindung in Forschungsprojekte
davon profitieren könnten, wenn einzelne Professoren an Hochschulen für angewandte
Wissenschaften verstärkt praxisorientiert forschen könnten. Zur Förderung dieser begrenzten
Forschungsaktivitäten an Hochschulen für angewandte Wissenschaften wäre es auch
wünschenswert, einzelnen Professoren den Zugang zur Betreuung von Promotionen etwa in
hochschulübergreifenden Instituten oder in gleichberechtigten Kooperationen mit Universitäten zu
ermöglichen.

19
     Es mag dahin stehen, ob eine Öffnung der rechtsberatenden Berufe für Bachelor Absolventen des
     Studiengangs Wirtschaftsjuristen sachgerecht ist. In der Stellungnahme der Wirtschaftsrechtlichen
     Hochschulvereinigung (WHV) zum Diskussionsentwurf zur Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes vom
     18.11.2004, www‐wirtschaftsrecht‐fh.de/documents/stellungnahme.pdf. wird dies angenommen. Kort,
     Rechtsberatung öffnen – für Wirtschaftsjuristen mit Universitätsdiplom, BB 2004, 2706, schlug ein
     Zugangsrecht zu den rechtsberatenden Berufen nur für Bachelorabsolventen von Universitäten, nicht für
     Absolventen von Hochschulen für angewandte Wissenschaften vor. Eine stichhaltige Begründung für diese
     Differenzierung legte er nicht vor.

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Wir Professoren an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften besinnen uns zum Teil
schließlich nicht auf die wirklichen Stärken unserer Hochschulen für angewandte Wissenschaften.
Wirkliche Stärken der Hochschulen für angewandte Wissenschaften sind eine klare
Lehreorientierung, die Praxiserfahrung der Lehrenden, eine nachgeordnete, praxisorientierte
Forschung und der persönliche Kontakt zwischen Studierendem und Lehrendem. Das Fehlen der
Notwendigkeit für ein Staatsexamen auszubilden, dessen Inhalte vorgegeben sind, eröffnet zudem
die Spielräume, die nötig sind, um unsere Studierenden flexibel auf die Anforderungen des
Arbeitsmarktes vorbereiten zu können. Es ermöglicht des Weiteren die Fortentwicklung der
juristischen Didaktik hin zu einem Arbeitsstil, der auch betriebswirtschaftliche Überlegungen deutlich
stärker in Problemlösungen integriert. So kann etwa kein Jurist der Welt mit ausschließlich
juristischem Instrumentarium sicherstellen, dass Zulieferteile für eine Produktion rechtzeitig am
Band zur Verfügung stehen. Ohne Einbeziehung der Modelle der Betriebswirtschaft wie
Lagerhaltung, Doppelte Bezugsquellen oder ähnlichem kann das Problem nicht sachgerecht gelöst
werden. Noch ist unklar wie diese Interdisziplinarität und Praxisorientierung der Ausbildung zum
Bachelor Wirtschaftsrecht sich auf die juristische Arbeitsweise und Didaktik auswirkt und auswirken
soll.

Eine grundlegende Änderung des Ausbildungsrahmens für Wirtschaftsjuristen ist nach all dem nicht
erforderlich. Wenige kleinere Schritte insbesondere im Bereich der Didaktik und der Förderung der
Persönlichkeitsentwicklung, weitere Öffnungen der Universitäten für gute Absolventen der
Hochschulen für angewandte Wissenschaften sowie die Einführung echter Entwicklungsperspektiven
im öffentlichen Dienst für Wirtschaftsjuristen mit weiteren Abschlüssen können den anhaltenden
Arbeitsmarkterfolg des Wirtschaftsjuristen sicherstellen und ausbauen.

Der Bachelor Wirtschaftsrecht – ein hocheffizienter Ausbildungsweg auch in die Spitze

Insgesamt ist deutlich geworden, dass ein Absolvent mit dem Abschluss Bachelor Wirtschaftsrecht
etwas anderes als ein Volljurist ist. Der Bachelor Wirtschaftsrecht stellt sich als ein Abschluss dar, der
einerseits zu juristischer Sachbearbeitung, andererseits auch in die Führungsposition von
Unternehmen aller Art führen kann. Ein Bachelor Wirtschaftsrecht kann daher Zuarbeiter des
Volljuristen, aber auch sein Auftraggeber aus der Wirtschaft oder sein Vorgesetzter sein. Im Hinblick
auf die im Ausbildungssystem in Deutschland bestehenden offenen und verdeckten Hürden für
Wirtschaftsjuristen überrascht der Erfolg unserer Absolventen auch uns. Die Absolventen haben die
Chancen des Studiengangs offensichtlich besser erkannt als mancher Lehrende. Der Bachelor
Wirtschaftsrecht ist daher ein hocheffizienter Ausbildungsweg, der die Studierenden abhängig von
Engagement und Leistungsvermögen auf passende Tätigkeiten von der Sachbearbeitung bis hin in die
Spitzenpositionen der Wirtschaft bringen kann. Er ist damit geeignet die Idee von Bologna in
vorbildlicher Weise umzusetzen. Den Erfolg des Abschlusses wird man vielleicht bremsen, aber wohl
nicht mehr aufhalten können.

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