Der deutsche Marineschiffbau in Zeiten zunehmender europäischer Kooperation
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Der deutsche Marineschiffbau in Zeiten zunehmender europäischer Kooperation Ausgangslage in Deutschland Hans Christoph Atzpodien MEKO A 200 „Falke“ (Fotos: tkMS) D er Marineschiffbau in Deutschland hat eine lange, bis weit in das 19. Jahrhundert hineinreichende Tradition heute neben seinem Standort in Rendsburg über zwei weitere Standorte in Kiel (ehe- mals HDW Gaarden und Lindenau), die auch industrie zum weltweit erfolgreichsten An- bieter in diesem Marktsegment haben wer- den lassen. an Standorten wie Hamburg, Kiel, Bre- für den Marineschiffbau genutzt werden Diese Entwicklungen sind auch in die stra- men, Flensburg und Wolgast. Alte Na- (teilweise in enger Kooperation mit tkMS). tegischen Überlegungen der Bundesregie- men wie Blohm+Voss oder HDW waren Durch die so im letzten Jahrzehnt stark rung eingegangen, welche im Jahr 2015 weltweit bekannt; heute stehen Namen veränderte Marineschiffbau-Landschaft in dazu geführt haben, dass die deutsche U- wie thyssenkrupp Marine Systems (tkMS), Deutschland kommt es unter den deutschen Boot-Technologie zur nationalen Schlüssel- Friedrich Lürssen Werft (FLW), German Na- Marinewerften schon heute zu vielfältigen technologie erklärt wurde, nicht aber die val Yards Kiel (GNYK), Fassmer oder Abe- Kooperationen: Dies galt und gilt für die Pro- Systemtechnologie des Marine-Überwas- king & Rasmussen (A&R) für Kompetenz gramme K130 und F125 zwischen tkMS und serschiffbaus. Es ist dabei nicht zu verken- und Hochtechnologie im deutschen Ma- FLW, aber auch zwischen tkMS und GNYK nen, dass Deutschland bezüglich des Un- rineschiffbau. Dabei haben die Verände- bei den inzwischen abgelieferten Fregat- ter- und Überwasser-Marineschiffbaues rungen im Weltschiffbau ganz allgemein ten in Algerien und für die im Bau befind- unterschiedliche Signale in Richtung Euro- und speziell auch durch die Finanzkrise lichen Korvetten für Israel.* Mit dem 2. Los pa zu senden scheint, und das, obwohl bei- 2008/2009 zu tief greifenden strukturel- K130 kommt es nun auch zur Zusammenar- de Bereiche eng miteinander verzahnt in len und strategischen Konsequenzen im beit von tkMS, Lürssen und GNYK. Diese in- gleicher Weise in Deutschland beheimate- deutschen Marineschiffbau geführt. Treiber zwischen eingespielten Zusammenarbeits- te Hochtechnologie repräsentieren sowie der Entwicklung war hierbei vor allem die Muster waren und sind durchaus erfolgreich, über intakte nationale Wertschöpfungsket- Restrukturierung im Bereich tkMS, die dort zumal sie durch Einbindung einer großen ten verfügen. zu einer Fokussierung auf den Marineschiff- Zahl von mittelständischen Zulieferunter- bau, zu einer Konzentration des Überwas- nehmen, die vorwiegend in Deutschland Situation auf der europäischen serbereiches auf Engineering, Einkauf und ansässig sind, den Nachweis dafür bilden, Ebene Projektmanagement – also die Leistungen dass Deutschland auch im Bereich des kom- eines typischen Anlagenbauers – und zu plexen Marine-Überwasserschiffbaus über Europa hat im Bereich Sicherheit und Ver- einer deutlichen Reduzierung von Stand- autarke Wertschöpfungsketten im eigenen teidigung im letzten Jahrzehnt ebenfalls orten und Personal geführt hat. Zugleich Land verfügt. Gleiches gilt erst recht für die einen tief greifenden Wandel durchlaufen. wurde die Kompetenz als Systemintegrator traditionell in Kiel bei tkMS beheimatete Bereits im Jahr 2004 wurde die European für komplexe Großsysteme weiter gestärkt. Systemführerschaft für den Bau konventi- Defence Agency (EDA) mit dem Auftrag ge- Umgekehrt hat FLW in dieser Zeit die Zahl oneller, zumeist mit Brennstoffzellen aus- gründet, „den Rat und die Mitgliedsstaaten seiner Produktionsstandorte in Deutsch- gestatteter U-Boote. Auch hier gibt es eta- in ihren Bemühungen um die Verbesserung land ausgebaut, insbesondere durch Erwerb blierte nationale Wertschöpfungsketten, die der Verteidigungsfähigkeiten der EU im Be- der Peene-Werft in Wolgast und zuletzt eine Vielzahl großer, aber auch mittelstän- reich der Krisenbewältigung zu unterstüt- auch durch den Erwerb der Blohm+Voss discher deutscher Zulieferanten einschlie- zen und die Gemeinsame Sicherheits- und Shipyards in Hamburg. Auch GNYK verfügt ßen und insgesamt die U-Boot-System- Verteidigungspolitik (GSVP) … dauerhaft zu 4 MarineForum 1/2-2018
erhalten“. Durch den Vertrag von Lissabon wurde 2007 ferner geregelt, dass die EDA auch zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologi- schen Basis des Verteidigungssektors bei- tragen und den Rat bei der Beurteilung der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten unterstützen soll. Parallel gab es auf der Ebene der EU wei- tere Anstrengungen, um den Markt für Rüstungsgüter zu einem mehr oder weni- ger normalen europäischen Binnenmarkt auszugestalten. Als Teil des sog. „Defence Package“ wurden bereits 2009 eine sog. Verbringungsrichtlinie zum vereinfachten innergemeinschaftlichen Transport von Friedrich Lürssen Werft GmbH Betriebsteil Lemwerder (Foto: Wolfgang Kundel) Rüstungsgütern sowie eine Beschaffungs- richtlinie zur EU-weiten Ausschreibung von heits- und Verteidigungsmarktes in Europa, X in einem sog. Fähigkeitsfenster die ge- Rüstungsaufträgen erlassen. Mit einer X Anstoßen von Verteidigungskoopera- meinsame Finanzierung der Entwicklung Laufzeit von 2014 bis 2020 wurde durch tionen durch Anreize und Identifizierung und Beschaffung von Rüstungsgütern die EU das zivile Forschungsprogramm möglicher Kooperationsvorhaben sowie (5 Mrd. p.a. als Referenzbetrag von EU-Mit- „Horizon 2020“ mit einer Dotierung von X Schaffung einer nachhaltigen, innova- gliedsstaaten). insgesamt knapp 80 Mrd. Euro aufgelegt, tiven und wettbewerbsfähigen europäi- Diese Förderung soll begleitet werden von das in Teilen auch auf die Eindämmung von schen Verteidigungsindustrie. Investitionen in Lieferketten im Verteidi- Sicherheitsbedrohungen wie z.B. Kriminali- Zu diesem Zweck kündigte die EU-Kommis- gungsbereich sowie durch den Ausbau des tät, Terrorismus und Cyberattacken abziel- sion die Bereitstellung von Fördermitteln Binnenmarkts für Verteidigungsgüter. Die te. Im November 2016 schließlich wurde im Rahmen des European Defence Fund finanzielle Ausgestaltung dieser Förde- der „Europe Defence Action Plan“ mit fol- an, nämlich rung kann erst im nächsten mehrjährigen genden Zielen veröffentlicht: X in einem sog. Forschungsfenster 90 Mio. Finanzrahmen (2021-2027) durch die Ent- X Sicherstellung und Stärkung eines wett- bis 2019 sowie danach 3,5 Mrd. bis 2027, scheidung des Europäischen Parlaments im bewerbsfähigen und effizienten Sicher- und Jahr 2019 sichergestellt werden. Profunde projektbezogene Beratungsleistungen Kostenminimierung bei Neubau und Betrieb Gewährung von Betriebssicherheit Zertifizierung und Qualitätskontrolle Marinespezifische erprobte Standards für unterschiedlichste Schiffstypen IHR VERLÄSSLICHER PARTNER FÜR DEN MARINESCHIFFBAU Kontaktieren Sie uns: navy@dnvgl.com
Auch innerhalb der NATO gibt es seit Lan- duct (GDP) on defence will aim to continue Verteidigungsfall auf europäischer Seite ei- gem eine Debatte, wie dort insbesondere to do so. Likewise, Allies spending more nen wirklichen Druck zu mehr militärischer die Beiträge der europäischen NATO-Mit- than 20% of their defence budgets on ma- und rüstungspolitischer Zusammenarbeit glieder gesteigert und effizienter gestal- jor equipment, including related Research erzeugt haben. Hinzu kamen die Gefahren tet werden können. Erinnert sei hier an die & Development, will continue to do so. Al- einer europäischen Desintegration durch bekannte Rede des früheren US-Verteidi- lies whose current proportion of GDP spent den sog. Brexit und verschiedene nationa- gungsministers Robert Gates im Sommer on defence is below this level will: halt any listische Bewegung (insbesondere auch im 2011 zur Zukunft der NATO. Er sagte da- decline in defence expenditure; aim to in- EU-Kernland Frankreich). Gerade hier hat mals wörtlich: „Indeed, if current trends crease defence expenditure in real terms as schließlich die Wahl des neuen französi- in the decline of European defense capa- GDP grows; aim to move towards the 2% schen Präsidenten Macron einen Schub für bilities are not halted and reversed, future guideline within a decade with a view to verstärkte deutsche-französische Koopera- U.S. political leaders – those for whom the meeting their NATO Capability Targets and tion erzeugt, um der europäischen Integra- tion neuen Schwung zu geben. Sieht man dort genauer hin, so zeigt sich jedoch, dass dieser Schub aus französischer Sicht mit einem klaren Führungsanspruch verbunden ist, welcher durch das Aus- scheiden Großbritanniens aus der EU noch nachhaltiger eingefordert wird. So weist ein französisches Strategiepapier („Revue Stratégique“) zu Verteidigung und Nationa- ler Sicherheit aus dem Oktober 2017 sehr klar das französische Streben aus, vor al- lem anderen die „strategische Autonomie“ Frankreichs in allen Belangen der Sicherheit und Verteidigung seines Territoriums zu gewährleisten. Wie die Süddeutsche Zei- tung am 19.10.2017 unter der Überschrift „Freiheit, Gleichheit, Sicherheit“ berichtete, stellt Präsident Macron das Thema der na- tionalen – auch inneren – Sicherheit in den Mittelpunkt seiner Politik. Das französische Strategiepapier spricht denn auch mit Blick auf die Instabilität sowie auf aktuelle Be- drohungen und Konflikte von der größten F125 „Baden-Württemberg“ auf Erprobungsfahrt im Skagerrak (Foto: Bundeswehr) Konzentration von Herausforderungen für Europa seit dem Ende des Zweiten Welt- Cold War was not the formative experience filling NATO‘s capability shortfalls. Allies krieges. Dabei betrachtet es den Wunsch that it was for me – may not consider the who currently spend less than 20% of their nach Stärkung einer europäischen Vertei- return on America’s investment in NATO annual defence spending on major new digung vor allem aus Sicht des französi- worth the cost. …. The good news is that equipment, including related Research & schen Strebens nach Sicherheit. Zugleich the members of NATO – individually, and Development, will aim, within a decade, to betont das Papier nicht nur das französi- collectively – have it well within their me- increase their annual investments to 20% sche „Netzwerk“ von Afrika über den Mitt- ans to halt and reverse these trends, and or more of total defence expenditures.“ leren Osten bis hin nach Asia-Pacific, son- instead produce a very different future: 2014 wurde im Rahmen der NATO auch dern auch die Tatsache, dass Frankreich by making a serious effort to protect de- die deutsche Idee zur Schaffung eines nach dem Brexit das einzige europäische fense budgets from being further gutted Framework Nations Concept (FNC) aufge- Land mit einem ständigen Sitz im UN-Si- in the next round of austerity measures; nommen. Ziel des Konzeptes ist die Verbes- cherheitsrat und einer nuklearen Abschre- by better allocating (and coordinating) the serung der Art und Weise, wie die NATO ckungskapazität in Europa sein wird. Resili- resources we do have; and by following mit der Sicherheits- und Verteidigungsin- enz für das Leben der französischen Nation through on commitments to the alliance dustrie interagiert. Ziel ist eine für beide ist das Ziel dieser Strategie; deutlicher kann and to each other.“ Seiten vorteilhafte und transparente Be- man den Führungsanspruch Frankreichs Es war dieser Druck der USA zur Über- ziehung im Hinblick auf eine Harmonisie- im Rahmen einer kommenden „Ständigen nahme verstärkter Verteidigungsanstren- rung und Entwicklung der verschiedenen Strukturierten Zusammenarbeit“ nicht ma- gungen der europäischen NATO-Länder, Fähigkeitsprofile (vonseiten der Industrie) chen. der beim NATO-Gipfel in Wales im Sep- und Anforderungen (vonseiten der NATO). Dazu passt wiederum im Bereich des Ma- tember 2014 zu dem Committment der Ungeachtet dieser verschiedenen Ini- rineschiffbaus die im Juli 2017 von Präsi- europäischen NATO-Mitglieder führte, ih- tiativen ist jedoch zu konstatieren, dass dent Macron getroffene Entscheidung, den re Verteidigungsausgaben innerhalb der erst der Schock aufgrund der völkerrechts- geplanten Kauf der französischen Werft folgenden 10 Jahre jeweils dem Level von widrigen Annexion der Krim durch Russ- in St. Nazaire (mit ihrem auch für militäri- 2 % des nationalen BIP anzunähern. Wört- land im Jahr 2014, zudem die Wende in sche Aufträge relevanten Großdock) durch lich hieß es in dem Abschlussdokument der russischen Militärstrategie und das Er- die italienische Werftengruppe Fincantieri des Wales-Gipfels: „Allies currently mee- scheinen von US-Präsident Trump auf der per Ausübung eines staatlichen französi- ting the NATO guideline to spend a mini- politischen Bühne mit seinen sehr vagen schen Vorkaufsrechts zu durchkreuzen, um mum of 2% of their Gross Domestic Pro- Aussagen zur Rolle der USA in einem NATO- dann schon im September 2017 gemein- 6 MarineForum 1/2-2018
sam mit dem italienischen Ministerpräsi- denten Gentiloni den Plan einer Fusion der beiden im Staatseinfluss stehenden Werf- tengruppen Fincantieri und Naval Group (früher DCNS) zu manifestieren. Deutlicher kann ein staatlicher industriepolitischer Einfluss unter französischer Führung nicht zutage treten. Es stellt sich nun die Frage, was dies kon- kret für den europäischen Marineschiff- bau bedeuten kann, und welche Schluss- folgerungen daraus aus deutscher Sicht zu ziehen sind. Quo vadis Marineschiffbau in Deutschland? Auch wenn bisher nicht klar ist, ob und in- Korvette 130 „Braunschweig“ (Foto: Bundeswehr) wieweit das französisch-italienische Fusi- onsvorhaben unmittelbar auch den Bereich Signal gesetzt, dass diese Technologie je- frühzeitig mit Norwegen, aber auch mit des Marineschiffbaus beider Werftengrup- weils nur aus einer deutschen Führungspo- Italien, Polen und den Niederlanden, über pen betrifft, so muss dennoch die erste sition heraus mit anderen Ländern zu teilen die militärisch motivierten Anforderungen Nutzanwendung aus deutscher Sicht sein, ist. Der Prozess um das deutsch-norwegi- an die neue U212 CD-Generation ausge- dass sich Deutschland im Bereich des Ma- sche U-Boot-Projekt U212 CD – der Wei- tauscht, dabei auch das Vorziehen der ei- rineschiffbaus strategisch sehr proaktiv terentwicklung der bewährten deutschen genen deutschen Beschaffung der U-Boo- aufstellen muss, um bei den anstehenden U212 A-Klasse unter deutscher Führung te Nr. 7 und 8 als Beitrag eingebracht und Veränderungsprozessen auf jeden Fall auf – ist hierfür ein guter Beleg. Im Bewusst- auch in industriepolitischer Hinsicht die „Augenhöhe“ – vor allem im Verhältnis zu sein, dass es bei diesem Vorhaben um nicht Vorstellungen Norwegens aufgenommen, Frankreich – mitspielen zu können. mehr und nicht weniger als das kommende um eine Beschaffungsentscheidung der Im Bereich U-Boot ist die Sache ver- NATO-europäische, konventionell angetrie- norwegischen Regierung zugunsten des gleichsweise einfach: Hier hat Deutschland bene U-Boot für die nächsten Jahrzehnte deutschen Designs zu bewirken. Diese Ent- mit der Definition nationaler Schlüssel- geht, hat die Bundesregierung hier ihren scheidung wurde dann auch im Jahr 2017 technologien im Jahr 2015 ein eindeutiges Führungsauftrag angenommen und sich von Norwegen so getroffen, nachdem die FIT FÜR DIE ZUKUNFT Integrierte Kommunikationssysteme von Hagenuk Marinekommunikation Neuer ERX 3003 – HF SDR 500 W / 1 kW HF Transceiver Beispiel einer Bedienerkonsole mit 24 kHz Breitband-Fähigkeit Die Hagenuk Marinekommunikation GmbH (HMK) gilt als wasserschiffen. Mit den Fernmeldeanlagen für die Korvetten Spezialist für integrierte Kommunikationslösungen. Im K 130, 1. und 2. Los, und den drei Einsatzgruppenversorgern Einsatz bewährt haben sich die hochentwickelten, schlüssel- der Berlin-Klasse stellt HMK ihre führende Kompetenz im fertigen Systeme auf Landstationen, U-Booten und Über- Bereich der Schiffskommunikation erfolgreich unter Beweis. Hagenuk Marinekommunikation GmbH Hamburger Chaussee 25 | 24220 Flintbek | Germany Phone: +49 4347 714-101 | Fax +49 4347 714-110 Hagenuk Marinekommunikation info@hmk.atlas-elektronik.com | www.hmk.atlas-elektronik.com A company of the ATLAS ELEKTRONIK Group
industriellen Strukturen unter Führung von denland zu kompensieren ist. Je größer kung des Technologiestandorts Deutsch- tkMS entsprechend ausgehandelt waren die Gruppe der beteiligten Länder ist, um- land den Begriff der Schlüsseltechnologie und auch auf Regierungsebene in einem so weniger dürften alle nationalen Wün- auch auf den Überwasserschiffbau aus- Ressort-Abkommen die notwendigen Re- sche gleichermaßen zu befriedigen sein, zuweiten. gelungen über Spezifikationen, geltende ohne dass am Ende die Harmonisierung Die beschriebene Lage stellt die künfti- Vorschriften und schließlich auch die Be- des Geräts und die Wettbewerbsfähigkeit ge Bundesregierung nun vor die Frage, ob handlung neuer Intellectual Property bei des Endprodukts dabei Schaden nehmen. sie angesichts der anstehenden Program- künftigen Export-Fällen getroffen waren. Hier kommt naturgemäß der Programm- me und Herausforderungen – namentlich Dieser Vorgang könnte als Muster für die führung – auf Regierungs- wie auf Indus- des laufenden Beschaffungsprozesses für Erarbeitung künftiger europäischer Rüs- trieebene – eine entscheidende Rolle zu. die Kampfschiffe der MKS 180-Klasse für tungskooperationen gelten. Partnerschaft zwischen Regierung und In- die Deutsche Marine – diese Kompetenz Im Bereich U-Boot bleibt nun abzuwar- dustrie ist in diesem Zusammenhang eine weiterhin national erhalten oder etwa zu- ten, in welcher Form sich der Kreis der unabdingbare Voraussetzung für das Ge- gunsten einer neu aufgelegten „Frégate an dieser Rüstungskooperation beteilig- lingen der gesamten Kooperation. européenne“ aufgeben will. Eine solche Entscheidung käme jedoch einem Todesur- teil für den intakten und weltweit führen- den deutschen Überwasser-Marineschiff- bau gleich, der dann auch international keine Chance mehr hätte, im Wettbewerb eine führende Position einzunehmen. Ge- rade im Bereich der von staatlichen Kunden dominierten Wehrtechnik hätte ein Indus- triezweig, von dem sich sein wichtigster Referenzkunde demonstrativ abwendet, auch in den Augen aller anderen Markt- teilnehmer weltweit seine entscheidende Referenz und damit seine Legitimation als Anbieter verloren. Dieses Beispiel veranschaulicht, dass es gerade für Deutschland als eine – auch im Bereich Wehrtechnik – führende Industrie- macht in Europa bei den anstehenden stra- tegischen Kooperationsentscheidungen um sehr viel geht. Es besteht ein unmittelba- rer strategischer Zusammenhang zwischen MEKO A 200 „Falke“ bei Kanalfahrt (Foto: tkMS) dem Bestand an nationalen Schlüsseltech- nologien und der Positionierung Deutsch- ten Länder erweitert. Italien als bisheriges Schwieriger stellt sich die Lage im Be- lands als Framework Nation und Anführer Mitglied der U212 A-Nutzerfamilie wäre reich des Überwasser-Marineschiffbaus oder Beteiligter künftiger europäischer Rüs- ein natürlicher Kandidat. Darüber hinaus dar. Auch hier verfügt Deutschland heute tungskooperationen. würde aber auch im Fall Polen die opera- nach wie vor über komplette und intak- Die betroffene Industrie sitzt hier nicht im tionelle militärische Zusammenarbeit der te Wertschöpfungsketten mit führenden „Driver’s Seat“, da es um strategische Regie- deutschen und der polnischen Marine in Systemhäusern sowie einer Vielzahl von rungsentscheidungen geht, die wohlerwo- der Ostsee für die Nutzung identischen Ge- hoch spezialisierten Mittelständlern, die gen aus der Position der wahrzunehmenden räts, d.h. für Polen als weiteres Mitglied der gemeinsam über die Systemkompetenz nationalen Rolle und der nationalen Souve- Nutzerfamilie für ein U212 CD sprechen. zum Design und zur Herstellung hochkom- ränitätsinteressen heraus zu treffen sind. Die Schließlich suchen auch die Niederlande plexer Groß-Systeme wie Fregatten und Industrie muss jedoch die Regierung darauf nach einem U-Boot der nächsten Generati- Korvetten, aber auch von Schiffen zur Mi- hinweisen, dass vorhandene Kompetenzen on und wären damit ebenfalls ein Kandidat nenbekämpfung, Schnellbooten, Patrouil- immer nur einmal aufgegeben werden kön- für diese Nutzergruppe, deren Rückgrat ein lenbooten und Booten für Organe der In- nen; anschließend sind sie dann nur unter au- entstehender NATO-Standard für konven- neren Sicherheit (Zoll, Polizei) verfügen. In ßerordentlichen Anstrengungen wieder zu er- tionelle U-Boote bildet. Bei diesen Über- diesen Baumustern ist in hohem Maße mo- langen, meistens überhaupt nicht mehr. L legungen ist jedoch nicht zu verkennen, derne Elektronik und Systemintegrations- dass die Harmonisierung von militärisch- kompetenz gebunden, die nur innerhalb Dr. Hans Christoph Atzpodien ist Haupt- operationellen und industriellen Zielvor- einer intakten Wertschöpfungskette ohne geschäftsführer Bundesverband der Deut- stellungen bei jedem Zuwachs in der Nut- größere Funktionsrisiken gewahrt bleiben schen Sicherheits- und Verteidigungsin- zerfamilie eines solchen Programms immer kann. Dennoch hat die Bundesregierung im dustrie e.V (BDSV). anspruchsvoller werden wird. Dies gilt ins- Jahr 2015 diesen Bereich – entgegen teil- besondere dann, wenn jedes beteiligte weise dokumentierter Absicht – nicht zur Anmerkung: Land – wie bisher üblich – die Vorstellung nationalen Schlüsseltechnologie erklärt. In * An F125 sind tkMS mit 80 % und FLW mit 20 % be- hat, dass seine industriellen Strukturen an diesem Zusammenhang sei daran erinnert, teiligt; bei K130 (1. Los) waren tkMS mit 60 % und einem derartigen Projekt zu beteiligen sind, dass die ehemaligen Regierungsfraktionen FLW mit 40 % beteiligt. Am EGV „Bonn“ waren tkMS, FLW, FSG und Peenewerft zu je einem Viertel betei- oder sogar – im Sinne von Offset – jede CDU/CSU und SPD die Bundesregierung ligt. Bei den Fregatten für Algerien war tkMS Gene- Wertschöpfung im Herstellerland durch in einem gemeinsam beschlossenen An- ralunternehmer; die Fertigung fand in einer ARGE entsprechende Wertschöpfung im Kun- trag aufgefordert hatten, im Sinne der Stär- aus tkMS und GNYK statt. 8 MarineForum 1/2-2018
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