Der euro - ein stimmungsbild 10 Jahre nach der Bargeldeinführung
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Der Euro – ein Stimmungsbild 10 Jahre nach der Bargeldeinführung Manfred Fluch, Anhand von Stimmungsindikatoren lässt sich für die österreichische Bevölkerung und teilweise Sabine Schlögl1 auch für den gesamten Euroraum ein durchgängiges Meinungsprofil zum Euro(-Bargeld) für den Zeitraum 2002 bis 2011 ableiten. Dabei zeigen sich zwei differenzierte Stimmungs perioden: Einerseits eine steigende sowie letztlich hohe Akzeptanz und Zufriedenheit mit dem Euro bis zum Jahr 2009 und andererseits – bedingt durch die Staatsschuldenkrise und ihre Folgewirkungen – eine rückläufige Pro-Euro-Haltung der Bevölkerung ab 2010, bis hin zu kritischen Einschätzungen am Höhepunkt der Krise im Sommer und Herbst 2011. Vom Vertrauenshoch im Jahr 2009 – fast 80 % der Österreicher bewerteten den Euro positiv – reduzierte sich dieser Umfragewert bis auf rund 60 % (Herbst 2011). Der sinkende Vertrauens beweis gegenüber dem Euro dürfte dem schleppenden Krisenmanagement auf EU- und natio- naler Politikebene und nicht dem Euro zuzuschreiben sein. Als Verursacher der Krise werden die überbordenden Schulden und Finanzspekulationen gesehen. Die Bevölkerung (sowohl in Österreich als auch im Euroraum) stimmt daher in hohem Ausmaß jenen finanzmarkt- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu, die die WWU und den Euro langfristig stärken. Trotz der großen Herausforderungen sieht jedoch eine klare Mehrheit der österreichischen Bevölke- rung (sowie der übrigen Euroraum-Länder) den Euro auch in der Zukunft als Währung. Der Umgang mit dem Euro-Bargeld im täglichen Leben bereitet der österreichischen und europäischen Bevölkerung kaum mehr Probleme. Das Euro-Preisgefüge verleitet insbesondere bei Großbeträgen noch zu Vergleichen mit dem Schilling bzw. zu früheren nationalen Währun- gen im Euroraum. Große Zustimmung gibt es für die persönlichen Vorteile durch den Euro: mehr Preistransparenz, günstigeres und einfacheres Reisen und Kostenvorteile im Zahlungs- verkehr sind in der Bevölkerung unbestritten. Auch wenn der Euro langfristig niedrige Inflationsraten aufweist, ist die Wahrnehmung, der Euro hätte zu Preissteigerungen geführt, in der Bevölkerung weiterhin evident. Der Anteil jener, die den Euro als sehr stabil betrachten und dies auch in der Zukunft erwarten, ist infolge erhöhter Inflationsraten im Jahr 2011 deutlich gesunken. Meinten Ende 2007 noch fast 80 %, dass der Euro stabil sei, waren es Ende 2011 nur mehr knapp über 40 %. Befürch- tungen einer hohen Inflation gehörten neben der Entwertung der Spareinlagen um die Jahres- wende 2011/12 zu den größten Sorgen der Österreicher. Der vorliegende Beitrag skizziert ein hat gerade die Finanz-, Wirtschafts- Stimmungsbild der österreichischen und Staatsschuldenkrise auch anlassge- und selektiv auch der Bevölkerung des steuerte Momentaufnahmen zu be- Euroraums zum Euro. Als Datenquel- stimmten Themen über den Euro initi- len werden Umfragen der Europäischen iert. Der Beitrag bezieht sowohl die Kommission, der Oesterreichischen kontinuierlichen und Längsschnittana- Nationalbank (OeNB), der Österreichi- lysen zulassenden Umfragen als auch ad schen Gesellschaft für Europapolitik hoc lancierte Befragungen ein. (ÖGfE) und ausgewählter Meinungs- Angelehnt an eine Bestandsauf- forschungsinstitute verwendet (siehe nahme anlässlich fünf Jahre Euro-Bar- nachstehende Übersicht). geld (Fluch et al., 2007), analysiert der Neben den tourlichen Fragen zu vorliegende Artikel in den einzelnen Vertrauen, Zufriedenheit, Stabilität, Abschnitten folgende Fragen: Funktionen, Vor- und Nachteilen etc. Begutachtung: 1 Oesterreichische Nationalbank, Hauptabteilung Kommunikation, Planung und Personal, manfred.fluch@ Alexandra Koch, oenb.at; Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit, sabine.schloegl@ oenb.at. Die Autoren danken Alexandra Koch für OeNB wertvolle Anregungen und Diskussionen. 60 Geldpolitik & Wirtschaft Q1/12
Der Euro – ein Stimmungsbild 10 Jahre nach der Bargeldeinführung Regelmäßige Umfragen zum Stimmungsbild des Euro Umfrage Auftraggeber Marktforschungs- Stichprobe Themen/Merkmale Region Frequenz institut OeNB-Barometer OeNB IFES Österreich 2.000 Personen Euro-Bargeld, Euro- Österreich quartalsweise seit ab 15 Jahren, Stabilität, Euro- 1992 persönliche Vertrauen, Vertrauen Interviews in Institutionen etc. Standard Europäische verschiedene in 1.000 persönliche generell: Bevölkerung alle EU-Länder und halbjährlich seit Eurobarometer Kommission EU-Ländern, Interviews in jedem und die EU, Kandidatenländer 1973 Österreich: Land anlassbezogene Gallup-Institut eurospezifische Themen Flash Europäische von Land zu Land 1.000 persönliche Zufriedenheit mit alle Euroraum- jährlich seit 2002 Eurobarometer Kommission verschieden, Interviews Euro, Umgang mit Länder Österreich: (ab 15 Jahren) in Euro-Bargeld, Spectra-Institut jedem Land Wertgefühl, Vorteile, Nachteile des Euro etc. ÖGfE-Umfrage ÖGfE Sozialwissenschaft- unterschiedlich, Vertrauen zum Euro Österreich Ad-hoc-Umfragen liche Studienge- zwischen 500 und und anlassbezogene sellschaft, OGM 1.000 Telefon- EU/Euro-Themen interviews Quelle: OeNB, Europäische Kommission, ÖGfE. –– Wie hat sich die Zufriedenheit der Euroraums zum Fortbestand der Österreicher/Bevölkerung des Euro- WWU und des Euro (Kapitel 3)? raums mit dem Euro und dem Euro-Bargeld seit 2002 entwickelt? 1 Gute Vertrauenswerte für den Wie sieht die Bevölkerung die Ge- Euro – Schuldenkrise verändert währleistung eines stabilen Euro Stimmungsbild deutlich durch das Eurosystem erfüllt? Wie Die Meinungslandschaft der österrei- ist die Zufriedenheit mit OeNB und chischen Bevölkerung zum Euro(-Bar- EZB/ESZB als verantwortliche Ins- geld) lässt sich mithilfe einer Reihe von titutionen (Kapitel 1)? Stimmungsindikatoren über die letzten –– Wie beurteilen die Österreicher die zehn Jahre abbilden. Dabei sind zwei Ursachen der Krise und die Rolle Perioden zu unterscheiden: Zwischen der europäischen Institutionen bei 2002 und 2008 gewann der Euro breite der Krisenbewältigung: Wer war Akzeptanz, die Vertrauenswerte wur- schuld und wem wird am ehesten den bis 2008 zunehmend besser; dieser ein erfolgreiches Krisenmanage- Trend hielt im Jahr 2009 trotz Krise ment für die gemeinsame Währung und Rezession noch an. Mit dem Akut- zugetraut? Welche Befürchtungen werden der Staatsschuldenkrise drehte hat die Bevölkerung? Welche Maß- die Stimmung; die Meinungsumfragen nahmen sind aus Sicht der Bevölke- attestierten ab 2010 und insbesondere rung für eine Reform der Wirt- im Jahr 2011 eine nachlassende Pro- schafts- und Finanzsysteme der Euro-Haltung. Die folgende Analyse EU/WWU vorrangig (Kapitel 2)? skizziert im Detail diese beiden Perio- –– Welche Meinung hat die österrei- den. chische Bevölkerung sowie jene des Geldpolitik & Wirtschaft Q1/12 61
Der Euro – ein Stimmungsbild 10 Jahre nach der Bargeldeinführung Tabelle 1 Wirtschaftsindikatoren in Österreich 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 in % BIP-Wachstum 1,7 0,9 2,6 2,4 3,7 3,7 1,4 –3,8 2,3 3,3 Inflationsrate 1,7 1,3 2,0 2,1 1,7 2,2 3,2 0,4 1,7 3,6 Arbeitslosenquote 4,2 4,3 4,9 5,2 4,8 4,4 3,8 4,8 4,4 4,1 in % des BIP Leistungsbilanzquote 2,7 1,7 2,2 2,2 2,8 3,5 4,9 3,1 2,7 2,4 Exportquote 48,7 48,2 51,5 53,8 56,4 58,9 59,3 50,4 54,0 57,2 Budgetsaldo –0,7 –1,5 –4,5 –1,7 –1,6 –0,9 –0,9 –4,1 –4,4 –3,6 Staatsschuldenquote 66,7 65,8 65,2 64,6 62,8 60,2 63,8 69,5 71,8 72,0 Quelle: OeNB, Statistik Austria, BMF. 1.1 Pro-Euro-Stimmung steigt bis 2008 geführt werden, die Schuldenquote fast Die Österreicher bzw. die Bevölkerung bis auf 60 % des BIP gesenkt werden. des Euroraums haben sich relativ Die Etablierung als anerkannte schnell und gut an den Euro und das internationale Währung förderte zu- neue Bargeld gewöhnt. Neben den dem das Image des Euro. Im Außen- praktischen Vorteilen der gemeinsa- wert zum US-Dollar bewegte sich der men Währung dürften in Österreich Euro seit 2004 zumeist in einer Kurs- auch die wirtschaftlichen Effekte des bandbreite von 1,2 bis 1,4 USD/EUR. Euro positiven Einfluss genommen Der Euro-Bargeldumlauf hat sich im haben (Tabellen 1 und 2). Die österrei- Euroraum stark ausgeweitet. Der chische Wirtschaft wuchs kontinuier- stückmäßige Banknotenumlauf hat sich lich um rund ½ Prozentpunkt stärker seit 2002 beinahe verdoppelt, die als im Euroraum. Die Beschäftigung Stückzahl bei den Euro-Münzen fast erhöhte sich, die Arbeitslosenquote verdreifacht (Koch und Schneeberger blieb gering und gehört(e) somit zu den im vorliegenden Heft). Der wertmäßige niedrigsten im Euroraum. Mit einer Euro-Bargeldumlauf stieg von rund jährlichen Inflationsrate von etwa 2 % 230 Mrd EUR (2002) auf 912 Mrd blieb in Österreich die Kaufkraft erhal- EUR (2011). ten. Im Umfeld stabiler Wechselkurse Die Vertrauensindikatoren – je- beschleunigte sich die österreichi- weils im September von der Europäi- sche Exportquote, die Leistungsbilanz schen Kommission erhoben (Flash drehte – von einem früheren Passi- Eurobarometer, verschiedene Ausga- vum – ab dem Jahr 2002 in ein Akti- ben) – tragen diesen Entwicklungen vum. Die internationale Verflechtung mit relativ guten Umfragewerten zum Österreichs – gemessen an den Direkt- Euro Rechnung. investitionen2 – vervierfachte sich. Fort- –– Im Zeitraum 2002 bis 2008 nah- schritte gab es – lässt man die Jahre ab men die Anteile der österreichi- 2008 außer Betracht – auch bei der Ge- schen Bevölkerung, die den Euro barung der öffentlichen Haushalte: Die positiv bewerteten, von 52 % auf Defizitquoten konnten bis 2007 rück- 75 % zu. Lediglich 13 % meinten im 2 Konkret werden österreichische Direktinvestitionen im Ausland und Direktinvestitionen von Ausländern in Öster- reich jeweils in Relation zum BIP betrachtet. 62 Geldpolitik & Wirtschaft Q1/12
Der Euro – ein Stimmungsbild 10 Jahre nach der Bargeldeinführung Tabelle 2 Umfrageindikatoren zum Euro Österreich Euroraum 2002 2006 2008 2009 2010 2002 2006 2008 2009 2010 in % der Bevölkerung Euro ist eine… gute Sache 52 62 75 79 69 54 48 71 70 67 schlechte Sache 25 24 13 10 17 32 38 16 16 17 Europäische Identität hat durch Euro… zugenommen 21 15 20 20 18 18 19 22 23 22 ist gleich geblieben 74 81 79 79 80 80 78 77 76 77 Wertgefühl bei Einkäufen: Denke bei niedrigen Preisen in Euro 39 69 61 67 72 42 57 59 65 69 in früherer nationaler Währung 36 20 23 18 16 32 22 22 19 16 Wertgefühl bei Einkäufen: Denke bei hohen Preisen in Euro 6 22 32 35 43 13 29 35 43 48 in früherer nationaler Währung 46 55 47 40 35 58 40 39 32 29 Euro… erleichtert Preisvergleiche x 57 72 74 74 x 46 66 66 64 erleichtert und verbilligt Reisen x 52 53 52 56 x 30 46 51 48 verringert Bankspesen im Auslands- zahlungsverkehr x 28 41 38 34 x 25 30 33 29 Quelle: Europäische Kommission, Flash Eurobarometer (verschiedene Ausgaben). Anmerkung: Die Ausgabe des Flash Eurobarometers 2011 lag bei Redaktionsschluss des vorliegenden Beitrags (26. März 2012) noch nicht vor. Herbst 2008, dass der Euro schlecht nicht mehr geeignet sind und fal- für Österreich sei, nachdem es im sche Preissignale suggerieren). Jahr 2002 noch 25 % gewesen –– 74 % der Bevölkerung vertraten waren (Tabelle 2). 2010 die Meinung, dass Preisver- –– Das Wertgefühl für die (niedrigen) gleiche erleichtert wurden, 56 % Euro-Preise entwickelte sich insge- spüren die Vorteile bei Reisen samt zufriedenstellend. Bei den täg- durch den Wegfall der Wechsel- lichen Einkäufen denkt die über- kursspesen und die Erleichterungen wiegende Mehrheit in Euro, nur bei den Zahlungsmodalitäten (etwa eine schwache Minderheit noch in mit der Bankomatkarte). Relativ Schilling-Währung. Vergleichsweise schwach werden hingegen nach wie langsamer geht der Prozess bei vor die verringerten Bankspesen hohen Euro-Beträgen: Es überwiegt bei Auslandstransaktionen wahrge- zwar auch hier schon mental die nommen. Wie schon im Vorfeld Euro-Währung, mehr als ein Drit- der Euro-Bargeldeinführung, blieb tel denkt aber auch noch in Schil- allerdings die subjektive Wahrneh- ling-Preisen (die inzwischen aber mung der Konsumenten, der Euro einer Inflationsrate von über 20 % hätte zu Preissteigerungen geführt, unterliegen, daher als Benchmark erhalten.3 Ausschlaggebend dafür 3 Da diese Einschätzung krisenunabhängig ist, werden an dieser Stelle die rezenten Werte aus dem Jahr 2011 angeführt. Eine Umfrage des Linzer Market Instituts weist im Dezember 2011 noch deutlichere Euro-Zustim- mungsquoten der österreichischen Bevölkerung auf (93 % für leichteres Reisen, 75 % für günstigere Überweisungen durch Euro). Dagegen meinten nur 28 %, dass die Preise durch den Euro stabiler geworden sind. Geldpolitik & Wirtschaft Q1/12 63
Der Euro – ein Stimmungsbild 10 Jahre nach der Bargeldeinführung Kasten 1 Umgang mit Euro-Bargeld weitgehend problemlos Vor zehn Jahren wurde der Euro in zwölf EU-Staaten als Bargeld eingeführt und hat sich mitt- lerweile in der österreichischen Bevölkerung als breit akzeptiertes Zahlungsmittel etabliert. Durch den täglichen Umgang mit den Banknoten und Münzen wurde er zu einer Selbstver- ständlichkeit. Dies stellte sich – erwartungsgemäß – am Beginn noch anders dar, verbesserte sich jedoch im Verlauf der Jahre mit zunehmender Gewöhnung an und Information über die neue Währung stark. Hatten im Jahr 2002 noch 46 % der österreichischen Bevölkerung einige Schwierigkeiten mit dem Euro, so war es 2006 (danach nicht mehr abgefragt) nur knapp mehr als ein Viertel (Flash Eurobarometer, verschiedene Ausgaben). Umgang mit Euro-Münzen und Banknoten Österreich Euroraum 2002 2006 2008 2009 2010 2002 2006 2008 2009 2010 in % der Bevölkerung Umgang mit Euro-Münzen fällt sehr leicht oder leicht 66 68 77 76 69 69 74 78 75 72 sehr schwer oder schwer 34 29 22 23 29 29 24 19 23 25 Umgang mit Euro-Banknoten fällt sehr leicht oder leicht 90 93 98 95 92 93 94 95 91 90 sehr schwer oder schwer 10 5 1 3 4 6 4 4 7 6 Quelle: Europäische Kommission, Flash Eurobarometer (verschiedene Ausgaben). Anmerkung: Die Ausgabe des Flash Eurobarometers 2011 lag bei Redaktionsschluss des vorliegenden Beitrags (26. März 2012) noch nicht vor. Auch im gesamten Euroraum fiel der Umgang mit dem Euro-Bargeld immer leichter. Kamen im Jahr 2002 69 % der Bevölkerung mit den acht Münzen gut zurecht, erhöhte sich der Wert bis auf 78 % im Jahr 2008 (Europäische Kommission: Flash Eurobarometer 2002 bis 2010), ging seither aber leicht zurück. Die Stückelung der Euro-Banknoten verursachte von Beginn an keine Probleme. Bereits bei der Einführung der neuen Währung hatten euroraumweit über 90 % – unabhängig von Alter und Schulbildung – keine Schwierigkeiten bei der Erkennung der sieben Banknoten. In den Jahren 2002 bis 2006 stellten jeweils für annähernd die Hälfte der befragten Österreicher die acht Münzdenominationen die richtige Menge an Münzen dar. Im Vergleich dazu sahen im Jahr 2010 bereits sechs von zehn Befragten die Münzdenominationen als ideal an, für knapp mehr als ein Drittel waren es noch zu viel. Lediglich der Umgang mit 1- und 2-Cent-Münzen bereitet den Österreichern noch erheb- liche Probleme, wobei sich seit 2007 keine wesentlichen Veränderungen ergaben.1 Rund 40 % hatten und haben noch bei 1-Cent-Münzen sowie fast die Hälfte der Befragten mit 2-Cent- Münzen Schwierigkeiten. Dies macht sich vor allem bei der Altersgruppe 55 Jahre und älter bemerkbar. Annähernd 50 % dieser Bevölkerungsgruppe haben in Österreich (und auch im Euroraum) nach wie vor Probleme. Grund dafür ist vermutlich gerade bei der älteren Genera- tion die geringe Größe beider Münzen und die daraus resultierende Verwechslungsgefahr. Diese beiden Cent-Kategorien sind auch jene, die auf Nachfrage – über alle Altersgruppen hinweg – am ehesten weggelassen werden sollten. Drei Viertel der österreichischen Bevölke- rung könnten auf die 1-Cent-Münze verzichten, im Euroraum sogar fast 90 %. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der 2-Cent-Münze. Bei den größeren Denominationen wäre laut Umfrage im Jahr 2010 für immerhin ein Fünftel der österreichischen Bevölkerung die 2-Euro-Münze verzichtbar (Grafik 1). Dies könnte auf das höhere Gewicht und die Größe der Münze zurück- führbar sein. 1 Die Entwicklung 2002 bis 2006 wurde in Fluch et al. (2007) bereits analysiert. 64 Geldpolitik & Wirtschaft Q1/12
Der Euro – ein Stimmungsbild 10 Jahre nach der Bargeldeinführung Grafik 1 Einschätzung zu den Euro-Münzen im Jahr 2010 Schwierigkeiten mit Euro-Münzen Welche Münzen könnten weggelassen werden? in % der Bevölkerung in % der Bevölkerung 90 90 80 80 70 70 60 60 50 50 40 40 30 30 20 20 10 10 0 0 1 Cent 2 Cent 5 Cent 10 Cent 20 Cent 50 Cent 1 Euro 2 Euro keine 1 Cent 2 Cent 5 Cent 10 Cent 20 Cent 50 Cent 1 Euro 2 Euro keine Angabe Angabe in Österreich im Euroraum Quelle: Europäische Kommission (2010), Flash Eurobarometer. aren in erster Linie teilweise w schnelle Überwindung der Rezession überdurchschnittliche Teuerungen durch die gebündelten Maßnahmen der bei täglichen Bedarfsgütern und Geldpolitik des Eurosystems im Zu- Dienstleistungen. sammenwirken mit den auf nationaler –– In relativ kurzer Zeit entwickelte und auf EU-Ebene lancierten wirt- sich der Euro zum Symbol für ein schaftspolitischen Programmen trug geeintes und monetär integriertes zur besseren Euro-Stimmung bei. Europa; ein Mehr an europäischer Im Jahr 2009 erreichte die positive Identität löste der Euro allerdings Zustimmung („der Euro ist eine gute nicht aus. Die Werte sind seit 2002 Sache“) laut Umfrage der Europäischen unverändert niedrig – sowohl in Kommission (2009, Flash Eurobarome- Österreich als auch im gesamten ter 279) sowohl im Euroraum als auch Euroraum. in Österreich trotz starker Rezession sehr hohe Vertrauenswerte. Fast 80 % 1.2 Euro-Stimmung verbessert sich der Bevölkerung Österreichs bewerte- in der Finanz- und Wirtschafts- ten im Herbst 2009 den Euro positiv. krise vorerst weiter – Staats- Lediglich 10 % – der niedrigste Wert schuldenkrise führt jedoch zu seit Einführung des Euro – war vom Euro-Skepsis Gegenteil überzeugt. Damit wies Nach Ausbruch der Finanz- und Wirt- Österreich deutlich bessere Werte als schaftskrise in den USA im Jahr 2007 der Euroraum auf. Im Herbst 2009 ver- und dem allmählichen Übergreifen auf traten laut Standard Eurobarometer der Europa gewann der Euro als „große“ Europäischen Kommission auch 55 % Währung und Schutzschild vor Speku- der Österreicher die Ansicht, dass der lationen, gegen Währungsattacken und Euro die Krise gemildert habe (35 % stärkere negative wirtschaftliche Ef- stimmten dem nicht zu). Im Euroraum fekte weiter an Sympathien. Die waren etwas über 40 % von den krisen- Geldpolitik & Wirtschaft Q1/12 65
Der Euro – ein Stimmungsbild 10 Jahre nach der Bargeldeinführung Grafik 2 Zufriedenheit mit dem Euro als Währung im Krisenverlauf in % der Bevölkerung I. Finanzkrise II. „Große Rezession“ III. Wirtschaftliche Erholung, aber EU-Schuldenkrise, Vertrauenskrise Globale erhöhte Inflation 2011 Wirtschaftskrise 2010/11: Hilfspakete für GR, IE, PT – „Rettungsschirme“ 70 60 50 40 30 20 10 0 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 2007 2008 2009 2010 2011 sehr/eher schon zufrieden eher/gar nicht zufrieden Quelle: OeNB-Barometer 2007 bis 2011. dämpfenden Effekten des Euro über- die skeptische Haltung gegenüber dem zeugt; 45 % sahen dies nicht so. Euro ab dem vierten Quartal 2010. Das Vertrauen in den Euro erfuhr Dazu kam die Angst vor inflationären allerdings in Österreich gemäß OeNB- Tendenzen und Entwertung der Spar- Barometer im Jahr 2010 infolge der einlagen – die Inflationsrate lag im Staatsschuldenkrise einiger Euroraum- Sommer 2011 in Österreich knapp Länder eine Kehrtwende und ging im unter 4 % (Gesamtjahr 2011: 3,6 %) Verlauf des Jahres 2011 deutlich zurück und bewirkte negative Realzinsen bei (Grafik 2). Stark steigende Budgetde den Sparbucheinlagen. Auch ein sich fizite und Verschuldungsquoten in vie- abzeichnender neuerlicher Konjunk len Staaten des Euro-Währungsgebiets tureinbruch und nachlassendes Ver- führten zu deutlichen Zinsaufschlägen trauen gegenüber dem Bankensystem bei den Staatsanleihen und brachten (in Österreich sank das Vertrauen in den Euro unter Druck. Im Vorfeld des die Banken von knapp 80 % im dritten ersten Rettungspakets für Griechen- Quartal 2008 auf 64 % im vierten Quar- land (Mai 2010) kam es kurzfristig zu tal 2011; OeNB-Barometer, viertes einem Rückgang des Vertrauens in den Quartal 2011) waren weitere Einfluss- Euro. Die Einstellung zum Euro er- faktoren für das abnehmende Vertrauen holte sich mit dem erfolgreichen Schnü- in den Euro. Waren im vierten Quartal ren des Hilfspakets. 2010 noch 63 % der österreichischen Weitere Rettungspakete für Irland Bevölkerung mit dem Euro sehr/eher und Portugal, das insgesamt zögerliche schon zufrieden, waren es – bei durch- Krisenmanagement der europäischen gängig rückläufiger Tendenz – im vier- Institutionen, die mangelnde Reform- ten Quartal 2011 nur mehr 48 % (Gra- und Umsetzungsbereitschaft der natio- fik 2). nalen Politik, die komplexe Konstruk- Aus dieser OeNB-Umfrage geht tion und hohen Finanzierungskosten aber auch hervor, dass die getrübte der „Rettungsschirme“ sowie die wider- Stimmung den überbordenden Ver- sprüchlichen Aussagen der Politik in schuldungsquoten einiger Länder zu der Öffentlichkeit verstärkten jedoch zuschreiben ist und nicht dem Euro 66 Geldpolitik & Wirtschaft Q1/12
Der Euro – ein Stimmungsbild 10 Jahre nach der Bargeldeinführung und seinen Funktionen als Währung –– Ähnlich die Ergebnisse einer Um- (siehe auch Kapitel 2). Wiederholte frage vom Dezember 2011 durch Bekundungen seitens der OeNB, dass das Linzer Market Institut. Dem- es sich um keine Euro-Krise, sondern nach hatten zu diesem Zeitpunkt eine Staatsschuldenkrise handle, haben nur 12 % der Bevölkerung ab 16 Österreichs Meinungsbild somit be- Jahren volles Vertrauen in den stärkt. Euro, 47 % eher schon Vertrauen. Neben den erwähnten Umfrage- 13 % gaben an, überhaupt kein Ver- ergebnissen dokumentieren auch an- trauen in den Euro zu haben. dere rezente Meinungsumfragen aus –– In Deutschland gab es im Juni 2011 dem Jahr 2011 die rückläufige und teils ebenfalls starke Zweifel am Euro: kritische Haltung der Bevölkerung Laut einem Bericht der Frankfurter gegenüber dem Euro. Allgemeinen Sonntagszeitung hat- –– Gemäß laufenden Umfragen der ten zu diesem Zeitpunkt 71 % der ÖGfE sanken die Vertrauenswerte Bevölkerung wenig, kaum oder gar in Österreich in den Euro (Anteil kein Vertrauen in den Euro, ledig- von „großes und sehr großes Ver- lich 19 % hielten am Euro fest. Im trauen“) von 70 % (März 2010) auf Juli 2011 befürchteten gemäß Han- 61 % (Mai 2010), von 58 % (Sep- delsblatt 44 % der Deutschen den tember 2010) bis auf 47 % (Juni Zusammenbruch der Währungs- 2011) und weiter auf den Tiefpunkt union.5 von 40 % im Dezember 2011. –– In einer ÖGfE-Umfrage (Septem- 1.3 Zufriedenheit mit Preisstabilität ber 2011) glaubten nur mehr 37 %, und geldpolitischen Institutionen dass Österreich von der Währungs- sinkt im Verlauf der Krise union und dem Euro profitiert. In Ergänzung zur Analyse vor fünf Jah- 48 % waren der Ansicht, dass dies ren (Fluch et al., 2007) konzentriert nicht der Fall ist. sich der folgende Abschnitt auf den –– Laut Umfrage der Europäischen Zeitraum 2007 bis 2011 und vermittelt Kommission im jährlichen Flash die Einstellung der Österreicher zur Eurobarometer fiel der Wert in Stabilität des Euro und den Institutio- Österreich – von hohem Niveau nen, die dafür verantwortlich sind. ausgehend – für „der Euro ist eine gute Sache“ um 10 Prozentpunkte. 1.3.1 Stärkeres Aufkommen von Ende 2010 waren 69 % dieser Ansicht Zweifeln am stabilen Euro (Tabelle 2). Bis Herbst 2011 redu- Krisenverlauf und Höhe der Inflations- zierte sich gemäß erster Ergebnisse rate haben sichtbaren Einfluss auf die des Standard Eurobarometers 76 Einschätzung der Bevölkerung zur (Europäische Kommission, 2011) Stabilität des Euro auf den Finanzmärk- der Pro-Euro-Anteil in Österreich ten genommen. Gemäß OeNB-Baro- auf rund 60 %. Weniger deutlich meter stellten im vierten Quartal war der Rückgang im Euroraum 2007 – am Beginn der Finanzkrise und (von 67 % auf 64 %).4 niedriger Inflationsraten – noch acht 4 Einer weiteren Umfrage der Zeitschrift NEWS unter 500 Österreichern vom November 2011 zufolge, hätten zu diesem Zeitpunkt nur 34 % der Österreicher für den Euro als Währung votiert, 61 % wollten wieder den Schilling. 5 Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (26. Juni 2011); Handelsblatt (27. Juli 2011). Geldpolitik & Wirtschaft Q1/12 67
Der Euro – ein Stimmungsbild 10 Jahre nach der Bargeldeinführung Grafik 3 Einschätzung der österreichischen Bevölkerung zur gegenwärtigen Preisstabilität des Euro in % der Bevölkerung 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Q4 04 Q4 05 Q4 06 Q4 07 Q4 08 Q4 09 Q4 10 Q4 11 zur Preisstabilität in den nächsten 12 Monaten in % der Bevölkerung 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Q4 04 Q4 05 Q4 06 Q4 07 Q4 08 Q4 09 Q4 10 Q4 11 zur Preisstabilität in den nächsten 5 Jahren in % der Bevölkerung 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Q4 04 Q4 05 Q4 06 Q4 07 Q4 08 Q4 09 Q4 10 Q4 11 sehr/eher stabil eher/sehr instabil weiß nicht Quelle: OeNB-Barometer 2004 bis 2011. Vor 2004 wurden diese Daten nicht abgefragt. 68 Geldpolitik & Wirtschaft Q1/12
Der Euro – ein Stimmungsbild 10 Jahre nach der Bargeldeinführung von zehn Österreichern der Euro-Sta- ebenfalls gedämpft, aber bei weitem bilität ein sehr gutes Zeugnis aus. Die- nicht so gering wie Ende 2011. Offen- ser Meinungsgrad verschlechterte sich bar trugen im vierten Quartal 2011 die danach sukzessive, vor allem ab dem lang anhaltenden Auswirkungen der Jahr 2010 mit der Ausweitung der Wirtschafts- und Finanzkrise – in Staatsschuldenkrise in einigen Euro- Kombination mit dem zögerlichen Kri- raum-Ländern und den wieder anzie- senmanagement der EU – bei. Beides – henden Teuerungsraten unter anderem Inflation und ungenügender politischer in Österreich. Im vierten Quartal 2011 Reformwille – dürften die skeptischen sahen nur mehr 39 % der Befragten Zukunftsaussichten der Bevölkerung eine sehr/eher hohe Euro-Stabilität auf beeinflusst haben. den internationalen Finanzmärkten als gegeben, annähernd die Hälfte ging 1.3.2 Stabilitätsvertrauen in ESZB und vom Gegenteil aus. OeNB im Krisenverlauf rückläufig Ein ähnliches Bild vermittelt die Das Vertrauen in die für Preisstabilität zum Zeitpunkt der Umfrage erhobene zuständigen Institutionen nahm im aktuelle Einschätzung bzw. die kurz- Zeitverlauf ebenfalls etwas ab, wobei und mittelfristige Erwartung zur Preis- die OeNB vergleichsweise immer noch stabilität des Euro. Im vierten Quartal hohe Anerkennung genießt. Im ersten 2007 waren gemäß OeNB-Barometer Quartal 2007 hatten gemäß OeNB- noch mehr als 70 % der österreichi- Barometer drei Viertel der Österrei- schen Bevölkerung der Überzeugung, cher hohes/sehr hohes Vertrauen in die dass Preisstabilität gegeben ist. Diese OeNB. Dieser Wert verminderte sich Einschätzung korrespondierte auch mit über die darauf folgenden Jahre und lag dem niedrigen Wert der Inflationsrate Ende 2011 bei 56 %. Analog zum Schul- von 2,2 % im Jahr 2007. Im Vergleich notensystem wurde die OeNB bei der dazu sahen im Jahr 2011 nur mehr rund Erfüllung ihrer Aufgabe zur Sicherung vier von zehn Befragten Preisstabilität der Währungsstabilität Anfang des Jah- als gegeben. Eine HVPI-Preissteige- res 2007 mit 2,0 beurteilt. Die Bewer- rung von 3,6 %, starke Verteuerungen tung verschlechterte sich im Krisenver- von fast 7 % beim wöchentlichen lauf leicht und lag Ende 2011 bei 2,7. Einkauf (Miniwarenkorb), der neben Trotz dieser abnehmenden Vertrauens- Nahrungsmitteln und Dienstleistungen werte sind nach wie vor sechs von zehn auch Treibstoffe enthält, haben diese Österreichern der Ansicht, dass die Wahrnehmung genährt. Gleichfalls OeNB eine wichtige Währungsinstitu- überdurchschnittlich (rund 4 %) gestie- tion ist. Dieser Wert blieb auch in den gen sind die Preise des Mikrowaren- Krisenjahren relativ stabil. korbs, der den täglichen Einkauf – vor Aufgrund des geringeren Bekannt- allem Lebensmittel – enthält. heitsgrads und Ferne der Institution er- Ernüchternd war Ende 2011 eben- reicht die EZB in der österreichischen falls die Einschätzung zur Preisstabili- Bevölkerung deutlich niedrigere Ver- tät für die kommenden zwölf Monate trauenswerte. Ende des Jahres 2007 bzw. fünf Jahre. Lediglich jeweils ein vertrauten 38 % der EZB; dieser Wert Drittel der österreichischen Bevölke- sank gleichfalls und lag im vierten rung sah stabile Preise für die Zukunft. Quartal 2011 bei rund 25 %. Im Jahr 2008, als es zuletzt Inflations- Wird nach dem ESZB und deren raten von nahe 4 % in Österreich gege- Aufgabe zur Sicherung der Euro-Stabi- ben hatte, war die Erwartungshaltung lität gefragt, zeigt sich folgendes Bild: Geldpolitik & Wirtschaft Q1/12 69
Der Euro – ein Stimmungsbild 10 Jahre nach der Bargeldeinführung Im Lauf des Jahres 2007 war rund die Laut dieser Umfrage waren 83 % Hälfte der Befragten der Ansicht, dass der Überzeugung, dass die Schuld für dies sehr gut/gut erledigt wird. Die die Wirtschafts- und Finanzkrise Schulnoten 1 und 2 wurden zwischen hauptsächlich bei den Finanzspekulan- den Jahren 2008 und 2010 bereits von ten zu suchen ist. Als künftige Maß- weniger als der Hälfte der Befragten nahme sehen daher fast 90 % der öster- vergeben. Am Beginn des Jahres 2011 reichischen Bevölkerung die verstärkte waren nur mehr 40 % der Meinung, Regulierung der Spekulationsgeschäfte dass das ESZB seine Aufgabe (sehr) gut als Notwendigkeit an. Die Macht der erfüllt. Über die letzten Monate trübte US-amerikanischen Ratingagenturen sich dieses Bild jedoch deutlich ein. sollte ebenfalls aus Sicht der Befragten Nur noch ein Viertel der österreichi- (73 %) eingeschränkt werden. Darüber schen Bevölkerung war Ende 2011 mit hinaus ist der Wunsch, dass alle EU- der Aufgabenumsetzung (sehr) zufrie- Länder an einem Strang ziehen, sehr den. Eine durchschnittliche Benotung stark ausgeprägt. (Note 3) wurde laut OeNB-Barometer Weiters geht daraus klar hervor, im vierten Quartal 2011 von 37 % ver- dass nicht der Euro als Währung und geben, ein Viertel vergab sogar Genü- Zahlungsmittel ein Problem darstellt, gend oder Nicht Genügend. Mögliche sondern die hohe Staatsverschuldung Gründe für das sinkende Stabilitätsver- einiger EU-Länder. Diese Ansicht trauen könnten die auch im Euroraum wurde von einer großen Mehrheit der bei rund 3 % liegenden Inflationsraten österreichischen Bevölkerung vertre- im Verlauf des Jahres 2011 gewesen sein, ten (85 %). Dennoch waren sich die aber auch in den unkonventionellen Österreicher über die Rolle des Euro Maßnahmen (Ankauf von Staatsanleihen als gemeinsame Währung für 17 Staa- stark verschuldeter Euroraum-Länder) ten in der Krise uneinig: Rund 40 % des Eurosystems zur Stabilisierung der stimmten in dieser mit krisenspezifi- Finanzmärkte gesehen werden. Die schen Fragen ergänzten Umfrage des dadurch entstandene, teils heftige me- OeNB-Barometers dem Argument diale Kritik dürfte die Vertrauenswerte „Hätte jedes Land seine eigene Wäh- beeinflusst haben. Auch die Unzufrie- rung, wäre die Finanzkrise noch dra- denheit der Bevölkerung hinsichtlich matischer“ zu; fast 50 % sahen dies der langsamen Umsetzungsmaßnahmen nicht so. Gleichzeitig waren zwei Drit- der europäischen Institutionen zur tel davon überzeugt, dass der Euro auch Krisenbewältigung und -vorbeugung künftig Bestand haben wird (OeNB- könnten dämpfend gewirkt haben. Barometer, viertes Quartal 2011, siehe auch Kapitel 3). 2 Bevölkerung stimmt Reform- Die größte Befürchtung von 62 % maßnahmen in hohem Grad zu der Österreicher war Ende 2011, dass 2.1 Auslöser, Befürchtungen und es zu einer völligen Geldentwertung nötige Maßnahmen aus Sicht der kommen könnte, wenn die Währungs- Österreicher union „so weitergeht“; Preisstabilität ist Im Herbst 2011 wurde der vierteljähr- somit ein wichtiges Thema. Die zum liche OeNB-Barometer um krisenspe- damaligen Zeitpunkt vorliegenden Prog- zifische Fragen erweitert. Die Bevölke- nosen für 2012 und 2013, die deutlich rung votierte zu Ursachen der Krise, rückläufige Inflationsraten erwarteten, damit einhergehenden Befürchtungen räumten offenbar diese Ängste nur be- sowie nötigen zukünftigen Maßnahmen. dingt aus. 70 Geldpolitik & Wirtschaft Q1/12
Der Euro – ein Stimmungsbild 10 Jahre nach der Bargeldeinführung Grafik 4 Einschätzung der österreichischen Bevölkerung zur Krise Auslöser Befürchtungen Maßnahmen in % der Bevölkerung in % der Bevölkerung in % der Bevölkerung 90 90 90 80 80 80 70 70 70 60 60 60 50 50 50 40 40 40 30 30 30 20 20 20 10 10 10 0 0 0 Schuld an der Nicht Euro das Angst um Wenn WWU so Spekulations- Macht der EU-Länder Krise bei Problem, sondern Spareinlagen weiterläuft, dann geschäfte durch US-amerika- an einem Finanz- Staatsverschuldung Inflationsbefürchtung Politik stärker nischen Rating- Strang ziehen spekulanten regulieren agenturen einschränken stimmt sehr/eher schon zu stimmt eher/gar nicht zu keine Angabe Quelle: OeNB-Barometer 2011 – Zusatzfragen. Angst um ihre Spareinlagen hatten auf EU- als auch auf nationaler Ebene), Ende 2011 54 % der Bevölkerung. Ne- vorrangige Aktivitäten zum Abbau der ben der Inflationsentwicklung könnte hohen staatlichen Schuldenstände und die teilweise kritische Berichterstat- für besser funktionierende Finanz- tung über die wirtschaftliche Lage der märkte, erreichten in der Bevölkerung österreichischen Banken dieses Mei- hohe Quoten. 70 % bis 90 % der be- nungsbild unterstützt haben. fragten Personen meinten, dass diese Maßnahmen umgehend erforderlich sind. 2.2 Deutliche Mehrheit der EU- Im Vergleich Österreich gegenüber Bevölkerung will umfassende der EU-27 fällt auf, dass die Öster wirtschaftspolitische Reformen reicher fast durchwegs höhere Anteile Auch auf EU-Ebene liefern Meinungs- von „stimme zu“ aufwiesen. Die Pro- umfragen (Europäische Kommission, Meinungen hinsichtlich der besseren 2011b, Standard Eurobarometer 75, 76) Abstimmung der Wirtschaftspolitik aus dem Jahr 2011 ein klares Bild, wie zwischen den EU-Mitgliedstaaten lagen die Bevölkerung zu wirtschaftspoliti- ebenfalls hoch, aber niedriger als im schen Reformen steht. Die infolge der EU-Durchschnitt. Krise aufgezeigten bestehenden wirt- Wird nach jenen Institutionen ge- schafts- und finanzpolitischen Defizite fragt, die am effektivsten Maßnahmen in der Architektur der EU und WWU gegen die Auswirkungen der Krise er- spiegeln sich in den hohen Zustim- greifen könnten, so wird dies aus öster- mungsquoten der Bevölkerung nach reichischer Sicht am ehesten der EU künftigen Reformen wider (Tabelle 3). (23 %) zugetraut, dicht gefolgt von der Maßnahmen für eine bessere wirt- Bundesregierung und dem IWF. Ein schaftspolitische Koordination (sowohl ähnliches Umfragebild zeigte sich aber Geldpolitik & Wirtschaft Q1/12 71
Der Euro – ein Stimmungsbild 10 Jahre nach der Bargeldeinführung Tabelle 3 Maßnahmen zur Reform des Wirtschafts- und Finanzsystems Frühjahr (F) und Herbst (H) 2011 Wirtschaftspolitische Maßnahmen Österreich EU-27 F 2011 H 2011 F 2011 H 2011 in % der Bevölkerung (Zustimmung) Maßnahmen zur Verringerung des öffentlichen Defizits und der Verschuldung dulden keinen Aufschub 81 84 77 84 Stärkere Abstimmung der Wirtschaftspolitik zwischen den EU-Mitgliedstaaten 79 68 79 75 Stärkere Abstimmung der Wirtschafts- und Finanzpolitik zwischen den Euroraum-Ländern 79 68 78 75 Schärfere Regeln gegen Steuerumgehung und Steueroasen 92 90 89 88 Wichtigere Rolle der EU bei der Regulierung der Finanzdienstleistungen 72 65 73 71 Erhöhung der Transparenz der Finanzmärkte 90 87 88 87 Stärkere Überwachung von Hedgefonds 86 84 76 72 Regulierung der Gehälter im Finanzsektor 89 86 82 79 Einführung der Steuer auf Finanztransaktionen 83 79 65 64 Einführung einer Gewinnsteuer bei Banken 84 79 82 81 Einführung von Eurobonds x 52 x 44 Strengere Vorschriften für Ratingagenturen x 81 x 75 Quelle: Europäische Kommission (2011b, 2011), Standard Eurobarometer 75 und 76. auch für die EU-27 (Europäische Kom- einer deutlichen Anhebung der Kapital- mission, 2011a, Standard Eurobarome- anforderungen und Liquiditätshaltung ter 75). der Finanzinstitute. Auch Schritte zu Die EU und teilweise auch die mehr Transparenz bei bisher nicht re- nationale Politik zogen inzwischen die gulierten Finanzinstituten (Invest- Lehren aus der Krise in Form konkre- ment/Hedge Fonds, Ratingagenturen) ter Reformen. Im November 2011 sind initiiert. Einzelne Länder schnür- wurde eine Reihe von Maßnahmen zur ten umfangreiche Sparpakete. Alle Verbesserung der Economic Gover- diese Maßnahmen sollen beitragen, nance in der EU beschlossen. Dazu ge- künftig die Funktion der WWU zu hören unter anderem strengere Budget- stärken und nachhaltig die Stabilität des regeln und eine intensivere Überwa- Euro zu sichern. chung der öffentlichen Haushalte.6 Mit Jahresbeginn 2011 wurde bereits die 3 Ja zum Euro auch in Zukunft neue europäische Aufsichtsarchitektur Trotz der Staatsschuldenkrise und den (European Banking Authority – EBA, kommenden großen Herausforderun- European Securities and Markets gen zu deren Bewältigung, bestätigten Authority – ESMA, European Insu- die Umfragen vom Herbst 2011, dass rance and Occupational Pensions die Bevölkerung des Euroraums und Authority – EIOPA) installiert. Ferner Österreichs vom Fortbestand des Euro wurden neue Finanzmarktregelungen überzeugt ist. (Basel III) eingeleitet. Diese führen zu 6 Die OeNB veröffentlichte im Rahmen der Serie „Geldpolitik & Wirtschaft“ Q4/11 ein Schwerpunktheft „Die reformierte Steuerungsarchitektur der Europäischen Union“, das in verschiedenen Beiträgen wichtige wirtschafts- und fiskalpolitische Reformmaßnahmen im Detail vorstellt. 72 Geldpolitik & Wirtschaft Q1/12
Der Euro – ein Stimmungsbild 10 Jahre nach der Bargeldeinführung Tabelle 4 Würden Sie es begrüßen, wenn Österreich auch künftig die gemeinsame Währung hätte? Ja, sehr Ja, eher schon Nein, eher nicht Nein, gar nicht Keine Angabe in % der Bevölkerung Insgesamt 20 41 19 11 9 Männer 24 39 18 11 9 Frauen 16 44 20 10 10 15 bis 29 Jahre 27 41 15 9 8 30 bis 44 Jahre 17 44 19 12 8 45 bis 59 Jahre 17 35 22 14 11 Ab 60 Jahren 19 45 18 7 10 Quelle: OeNB-Barometer, viertes Quartal 2011. Laut Standard Eurobarometer 76 Im dritten Quartal 2011 lagen die ana- der Europäischen Kommission (2011) logen Werte (74 % bzw. 16 %) noch votierten im gesamten Euroraum im etwas günstiger. Herbst 2011 64 % der Bevölkerung für In der erwähnten Euro-kritischen den Fortbestand der WWU und des Umfrage (NEWS, November 2011) Euro, 29 % dagegen. Die österreichi- vertraten 59 % der Österreicher die schen Werte lagen etwas darunter: Ansicht, dass der Euro auch in Zukunft Ende des Jahres 2011 unterstützten laut die gemeinsame Währung sein wird. dieser Umfrage 58 % eine WWU und Auch die Umfrage vom Linzer Mar- den Euro, 36 % waren dagegen. ket Institut (Dezember 2011) ergab auf Für Österreich liegen zur Zukunft die Frage „Werden wir in 10 Jahren des Euro weitere Umfragen vor. Ge- noch mit dem Euro bezahlen, wird es mäß OeNB-Barometer unterstützte im den Euro noch geben?“ von 67 % der vierten Quartal 2011 eine deutliche Bevölkerung ein „Ja“, 24 % waren der Mehrheit von 61 % die Ansicht, dass Meinung, dass es den Euro nicht mehr Österreich auch künftig den Euro geben wird. haben wird (Tabelle 4); ein knappes Noch deutlicher fiel das Votum für Drittel ist eher skeptisch. Männer sind den langfristigen Euro-Weiterbestand etwas optimistischer als Frauen. Die bei der ÖGfE-Umfrage (Dezember österreichische Jugend erwartet zu fast 2011) aus: 78 % der österreichischen 70 %, dass der Euro weiter erhalten Bevölkerung vertraten die Ansicht, der bleibt. Ins Bild passt, dass nur 34 % der Euro wird langfristig als gemeinsame österreichischen Bevölkerung so bald Währung bestehen bleiben. wie möglich aus der WWU aussteigen, Diese insgesamt sehr positive Ein- 49 % weiterhin Teil der WWU bleiben schätzung über die Zukunft des Euro wollen. Eine große Mehrheit (67 %) kann als Vertrauensbeweis für den Euro der Österreicher ging zudem im vier- und seine Leistungen für Wirtschaft ten Quartal 2011 davon aus, dass es den und Bevölkerung in den 13 Jahren als Euro auch in fünf Jahren noch geben Buchgeld bzw. 10 Jahren als Bargeld wird; 21 % glaubten dies jedoch nicht. und Zahlungsmittel gewertet werden. Geldpolitik & Wirtschaft Q1/12 73
Der Euro – ein Stimmungsbild 10 Jahre nach der Bargeldeinführung Literaturverzeichnis Die Presse. 2011. Österreicher stellen den Euro infrage. Beitrag von Wolfgang Böhm am 30. September. Europäische Kommission. Ausgaben 2002 bis 2011. The Euro Area, Public Attitudes and Perceptions. Flash Eurobarometer. Europäische Kommission. 2011a. Die EU-Bürger, die Europäische Union und die Krise. Standard Eurobarometer 75. Frühjahr. Europäische Kommission. 2011b. Die öffentliche Meinung in der Europäischen Union. Standard Eurobarometer 75. Frühjahr. Europäische Kommission. 2011. Standard Eurobarometer 76 – First Results. Fluch, M., E. Gnan und S. Schlögl. 2007. Fünf Jahre Euro-Bargeld in Österreich – ein Stimmungsbarometer. In: Geldpolitik & Wirtschaft Q1/07. OeNB. 30–54. IFES – Institut für Empirische Sozialforschung. OeNB-Barometer, laufende quartalsmäßige Ausgaben. Kurier. 2011. Mehr Solidarität mit Griechen. Beitrag von Margaretha Kopeinig am 21. Juni. Market Institut. 2011. Verhältnis der Österreicher zum Euro. Umfrage im Dezember . NEWS. 2011. Studie: Krise steigert Schilling-Sehnsucht. Beitrag von Stephan Scoppetta. 3. November. Österreichische Gesellschaft für Europapolitik – ÖGfE. 2011. Wie groß ist ihr Vertrauen in den Euro? Vergleich der Umfrageergebnisse Jänner 2004 bis Dezember 2011. 74 Geldpolitik & Wirtschaft Q1/12
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