Der Frevel der Hybris "eritis sicut Deus" - die Schuld der Menschen sich Gott gleich zu fühlen Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades ...

 
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Der Frevel der Hybris "eritis sicut Deus" - die Schuld der Menschen sich Gott gleich zu fühlen Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades ...
Der Frevel der Hybris

„eritis sicut Deus“ – die Schuld der Menschen sich Gott gleich zu
                             fühlen

    Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades

                      eines Master of Arts

                        eingereicht von

                    Mag. Maria Ulrike Uray

                               bei

               A.O. Univ. Prof. Karl Prenner i.R.

               Institut für Religionswissenschaft

                 an der Kath.-Theol.-Fakultät

              der Karl-Franzens-Universität Graz

                      Graz, am 02.08.2020
Der Frevel der Hybris "eritis sicut Deus" - die Schuld der Menschen sich Gott gleich zu fühlen Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades ...
Inhaltsverzeichnis

Abstrakt ........................................................................................................................... 5
Abstract ........................................................................................................................... 6
Vorwort ............................................................................................................................ 7
Einleitung......................................................................................................................... 7
1      Der Begriff der Sünde ............................................................................................ 9
    1.1    Exkurs: Sokrates Lehre vom „Tugendwissen“ .......................................... 10
    1.2    Sünde und Schuld ......................................................................................... 10
    1.3    Die Ethik ........................................................................................................ 11
    1.4    Exkurs: Das „Daimonion“ des Sokrates ..................................................... 12
2      Ethisches Bewusstsein bei den Völkern des AO................................................. 13
    2.1      Exkurs: Jenseitsvorstellung im Koran: ...................................................... 14
    2.2      Das Sündenverständnis im AO .................................................................... 16
       2.2.1     Die Sumerer ............................................................................................ 16
       2.2.2     Altbabylonische Zeit ............................................................................... 17
       2.2.3     Ägypten................................................................................................... 17
       2.2.4     Persien..................................................................................................... 19
    2.3      Der Sündenfall in der Bibel ......................................................................... 19
    2.4      Exkurs: Die Bedeutung der Schlange und der Frau: ................................ 21
3      Die Hybris .............................................................................................................. 23
4      „ … scientes bonum et malum“ ........................................................................... 26
    4.1    Exkurs: Die Bedeutung der Gesetze im klassischen Griechenland.......... 28
5      „eritis sicut deus ...“ .............................................................................................. 30
    5.1      die Sehnsucht der Menschen nach Unsterblichkeit ................................... 30
       5.1.1      Achilles ................................................................................................... 30
       5.1.2      Meleagros ............................................................................................... 31
       5.1.3      Aphrodite und Anchises ......................................................................... 31
       5.1.4      Die Orphik .............................................................................................. 32
       5.1.5      Die Mysterien ......................................................................................... 32
       5.1.6      Der Mithraskult ....................................................................................... 34
6      Unsterblichkeit durch persönliche Leistung ...................................................... 35
    6.1      Dichtung......................................................................................................... 35
       6.1.1     Dichter – vates ........................................................................................ 35
       6.1.2     Unsterblichkeit durch dichterischen Ruhm............................................. 36
       6.1.3     Der Staatsmann ....................................................................................... 37
7      Die Hybris, sich mit den Göttern zu messen ...................................................... 39
    7.1      Hygin .............................................................................................................. 39
    7.2      Marsyas .......................................................................................................... 39
    7.3      Die Hybris bei Ovid ...................................................................................... 40
       7.3.1     P. Ovidius Naso ...................................................................................... 40
       7.3.2     Niobe....................................................................................................... 40
       7.3.3     Daedalus und Ikarus................................................................................ 42
       7.3.4     Prometheus ............................................................................................. 43
8      Menschen, die die Grenzen überschreiten.......................................................... 44
                                                                                                                                    2
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8.1      Die Grenze zum Himmel .............................................................................. 44
      8.1.1     Bellerophon............................................................................................. 44
      8.1.2     Typhon .................................................................................................... 44
   8.2      Menschen, die die Grenzen zur Unterwelt überschreiten ......................... 45
      8.2.1     Herakles .................................................................................................. 45
      8.2.2     Odysseus ................................................................................................. 46
      8.2.3     Alkestis ................................................................................................... 47
      8.2.4     Vergils Aeneis ........................................................................................ 48
      8.2.5     Orpheus und Eurydike ............................................................................ 49
      8.2.6     Bei Ovid: ................................................................................................. 49
9 Die Hybris, die Macht der Götter anzuzweifeln und sie auf die Probe zu
stellen ............................................................................................................................. 51
   9.1      Das Schicksal bei Herodot............................................................................ 51
      9.1.1         Herodot ................................................................................................... 51
      9.1.2         Kroisos .................................................................................................... 51
10         Zweifel an der Allwissenheit der Götter ......................................................... 52
11         Die Hybris, das Schicksal überlisten zu wollen .............................................. 52
12     Das Schicksal im Alten Orient ......................................................................... 53
   12.1 Das Schicksal bei den Griechen und Römern ............................................ 54
   12.2 Das Schicksal im Islam ................................................................................. 54
   12.3 Das Schicksal bei Herodot............................................................................ 55
   12.4 In der Tragödie ............................................................................................. 56
     12.4.1 Oedipus ................................................................................................... 56
13         Die Hybris, die Götter anzugreifen ................................................................. 57
   13.1      Hesiods Theogonie ........................................................................................ 57
   13.2      Der Kampf der Giganten bei Ovid .............................................................. 58
14     Die Hybris, das dem Menschen gesetzte Maß zu überschreiten................... 59
   14.1 Im Alten Orient ............................................................................................. 59
     14.1.1 Das Gilgamesch Epos: ............................................................................ 59
   14.2 Im antiken Griechenland ............................................................................. 59
     14.2.1 Antigone von Sophokles ......................................................................... 59
   14.3 Im Hinduismus .............................................................................................. 60
   14.4 Kroisos bei Herodot ...................................................................................... 61
   14.5 Alexander der Große - ein Mensch, der seine Grenzen überschreitet –
   Exkurs ........................................................................................................................ 61
   14.6 Die Sophisten ................................................................................................. 63
15         Die Hybris, sich selbst zum Gott zu machen .................................................. 64
   15.1      Die Propaganda des Augustus ..................................................................... 65
   15.2      Caligula .......................................................................................................... 66
   15.3      Nero ................................................................................................................ 67
16     Die Schöpfung ................................................................................................... 68
   16.1 Die Schöpfung im AT ................................................................................... 68
   16.2 Die Schöpfung durch den Menschen........................................................... 70
     16.2.1 Der Homunculus ..................................................................................... 70
     16.2.2 Blut ist ein besond´rer Saft ..................................................................... 71
   16.3 Schöpfung bei Ovid....................................................................................... 72

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16.3.1 Die Giganten ........................................................................................... 72
    16.3.2 Deukalion und Pyrrha ............................................................................. 72
    16.3.3 Pygmalion ............................................................................................... 73
  16.4 Der Golem...................................................................................................... 73
17    Menschen als Gott............................................................................................. 75
  17.1 Herodes .......................................................................................................... 75
  17.2 Menschen, die sich als Messias ausgeben ................................................... 75
18       Schöpfung durch Technik und Digitalisierung - Ausblick ........................... 76
19       Zusammenfassung ............................................................................................ 77
20    Bibliographie ..................................................................................................... 80
  Primärliteratur.......................................................................................................... 80
  Sekundärliteratur ..................................................................................................... 80
  Linkverzeichnis ......................................................................................................... 83
  Abbildungsverzeichnis ............................................................................................. 84

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ABSTRAKT

In der Arbeit wird untersucht, wie die Hybris sich Gott gleich zu stellen in der klassischen
Antike bestraft wird. Der Begriff „Sünde“ hat sich bis zum Christentum entscheidend
verändert- Deshalb wird hier das Wort „Frevel“ verwendet. Eine wichtige Passage ist
auch dem Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies im Alten Testament
gewidmet, wo durch die Worte des Versuchers „ihr werdet sein wie Gott und das Gute
und Böse wissen“ der Frevel der Hybris angesprochen wird.

Die Bedeutung des Wortes „Hybris“ wird genau erörtert. Die Hybris des Menschen, der
die Grenze zur Unsterblichkeit überschreiten will, die selbst die Götter einhalten müssen,
zeigt sich zum Beispiel an Achilles und anderen .Das Streben des Menschen nach
Unsterblichkeit wird durch verschiedene Beispiele gezeigt Auch Menschen, die den Weg
in die Unterwelt unbeschadet überwunden haben, werden gezeigt. Hier werden mehrere
Mythen behandelt. Das Überschreiten der Grenze zum Himmel wird gezeigt. Die Hybris
sich mit den Göttern zu messen und ihre Bestrafung wird an den Beispielen von Marsyas,
Niobe bei Ovid und Daedalus und Ikarus gezeigt. Die Hybris, die Allwissenheit der
Götter anzuzweifeln und das Schicksal ändern zu wollen, zeigt sich besonders in der
Geschichte von Kroisos bei Herodot und auch in der Tragödie des Sophokles „Oidipus
tyrannos“. Die Hybris, die Götter anzugreifen wird am Beispiel von Hesiods Theogonie
und den Giganten bei Ovid gezeigt. Auch Menschen, die über ihr Maß hinaus gehen,
machen sich der Hybris schuldig. Alexander der Große ist ein Beispiel für diese Form der
Hybris. Menschen, die sich selbst zum Gott machten, findet man unter den römischen
Kaisern. Auch die Schöpfung eines Menschen ist der Gottheit vorbehalten. Das Streben
des Menschen nach Göttlichkeit ist in Goethes „Faust II“ durch die Schöpfung des
Homunculus verwirklicht. Der Ausblick auf die zunehmende Digitalisierung zeigt die
Möglichkeiten zur „Schöpfung“ durch den Menschen in der Zukunft.

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ABSTRACT

The work describes how the hubris of equalising with or identifying oneself with God is
punished in classical antiquity. The term “sin” has also changed significantly until
Christianity That is why the word "sacrilege" is used here. An important passage is also
dedicated to the fall of human, known as original sin, resulting in the expulsion and
banishment from paradise in the Old Testament. The words "You’ll be like God, being
able to recognise good and evil" provides evidence of the evil of hubris

The meaning of the word “hubris” is discussed in detail. The hubris of man who wants to
cross the border to immortality, which even the gods must adhere to, is shown by Achilles
and others. Man's triving for immortality is illustrated by various examples. Exceeding
the border to heaven is described. The hubris of measuring oneself against the gods and
its punishment is shown by the examples of Marsyas, Niobe in Ovid’s Metamorphoses
and Daedalus and Icarus .The hubris of questioning the omniscience of the gods and
desiring to change fate is particularly evident in the story of Croesus from Herodotus and
also in the tragedy of Sophocles "Oidipus tyrannos" The hubris of attacking the gods is
shown using the example of Hesiod's theogony and the giants at Ovid. Even people who
go beyond their measure are guilty of hubris. Alexander the Great is an example of this
type of hubris. People who deified or proclaimed themselves gods are found among the
Roman emperors- The creation of a human being is also reserved for the deity. This can
be seen in the representation of the myth of Deucalion and Pyrrha or Pygmalion from
Ovid's Metamorphoses. Man's striving for divinity through the creation of a human being
is performed in Goethe's "Faust II" through the creation of the homunculus. The
increasing digitalization shows the possibilities for "creation" by humans in the future.

                                                                                            6
VORWORT

Der Begriff „Sünde“ wird erst durch das Christentum in der uns geläufigen Form
festgesetzt. Dennoch gibt es aber einen Frevel, der stets von den Göttern bestraft wird,
die Hybris. Diese Selbstüberschätzung führt den Menschen dazu, sich den Göttern gleich
zu setzen und wird schon in der Sündenfallerzählung im Alten Testament durch die Worte
der Schlange „eritis sicut deus ...“ formuliert. In der gesamten griechisch-römischen
Literatur findet man Beispiele für diesen Frevel, der bis in unsere Zeit noch aktuell ist.
Diese Arbeit soll zeigen, wie dieses Thema von den Kulturen des Vorderen Orients bis
zu den Römern zu beobachten ist.

EINLEITUNG

Im Menschen aller Kulturen und Zeiten ist ein Gefühl für Recht und Unrecht vorhanden.

Platon versucht dieses Phänomen durch seine Ideenlehre zu erklären. Vor der Geburt hat
der Mensch schon die Idee des Guten und Rechten geschaut und erinnert sich im
tatsächlichen Leben daran. Diese Wiedererinnerung nennt Platon Anamimnesis.1 Durch
die Entstehung verschiedener Religionen entstand die Vorstellung, was man zu tun hatte,
um die Gottheit zufrieden zu stellen. Viele Religionen sahen darin das genaue Befolgen
aller Riten. So leitet Cicero (105 - 43 v.Chr.) den Begriff „religio“ von „relegere“ -
„immer wieder durchgehen“ ab, d. h. man müsse alle Gebete und Riten sorgsam
bewahren. (Cic.de natura deorum, II,72). So findet man in allen antiken Hochkulturen ein
Sündenbewusstsein, da die Menschen erlittenes Unheil mit unterlassenen Opfern und
Gebeten erklärten. Der Begriff „Sünde“ ist uns vor allem aus der christlichen Religion
bekannt und wird wie folgt beschrieben: “Sünde ist ein religiös konnotierter Begriff. (Im
christlichen Religion Verständnis bezeichnet er den unvollkommenen Zustand des von
Gott getrennten Menschen.2 In der Genesis verführt die Schlange die Menschen mit den
Worten: “Eritis sicut deus scientes bonum et malum.“ Goethe stellte diesen Satz
gleichsam als Überschrift an den Anfang seines „Faust“. Ich bin der Meinung, dass in
diesem Satz der größte Frevel formuliert wird, der in allen Kulturen bis heute festzustellen

1
  Vgl. Lesky, Albin, Geschichte der griechischen Literatur, Bern, München, Francke Verl., 1957/58,
3.Aufl., S.603
2
  Vgl. Oraison, Marc, Was ist Sünde? Freiburg im Br.: Herder Verl., 1982, S.13 – 18
                                                                                                     7
ist, nämlich der Frevel der Hybris, dass der Mensch sich Gott/den Göttern gleich fühlt.
Diese Vorstellung der Hybris zieht sich durch die gesamte griechisch-römische Antike.
Dort gibt es keine Sünden im christlichen Sinn, die Hybris zieht aber immer Strafe nach
sich. Diese Vorstellung findet sich schon bei Homer, später bei Herodot und geht in
römischer Zeit bis Ovid und Hygin. Wenn sich ein Mensch Gott gleich fühlt, ist der
Vorwurf der Vielgötterei nahe liegend, was im Islam und auch im Judentum der Fall ist.
Einige Religionen sehen daher auch die Gebote und Gesetze als von Gott gesandt an und
umgehen so den Gedanken an einen menschlichen Gesetzgeber. So wurden die 10 Gebote
dem Moses von Gott geoffenbart und auch die Scharia wurde dem Mohammad von Gott
herabgesandt. Sogar die Mormonen berufen sich auf ein von Gott geoffenbartes Gesetz.
In der folgenden Arbeit soll die These, dass die Hybris in der Antike der größte Frevel
ist, dargestellt werden.

                                                                                     8
1    DER BEGRIFF DER SÜNDE

Besonders die christliche Kirche beschäftigt sich eingehend mit der Bedeutung der Sünde
im Leben der Menschen. Ambrosius Karl Ruf schreibt dazu: „Die Rede von der Sünde
ist ein Zentralbegriff christlicher Verkündigung.“3 Doch in der heutigen Zeit spielt die
Sünde kaum mehr eine große Rolle. So stellt Ruf fest: „Das Wort „Sünde“ scheint aus
unserem Vokabular zu schwinden. „Es deutet auf einen Sachverhalt, der seinen Ort im
Religiösen, im Bezug zum Transzendenten hat. Im Wortschatz unseres Alltags hat es
keinen Platz mehr. Aber auch in der Ethik ist es kaum mehr zu hören. Es wird als
unzeitgemäß, antiquiert empfunden.“4 Wir wollen nämlich von Sünde nichts wissen, und
außerdem lässt sich die überkommene Sündenvorstellung nicht mit unseren
Glaubensvorstellungen harmonisieren. Unser heutiges Sündenverständnis charakterisiert
Ruf mit fünf Punkten.

    a) Sünde ist eine sichtbare Tat.

        Dabei wird die sichtbare Handlung überbewertet. Die „innere“ Tat, also
        Gedanken und Wünsche, werden nicht berücksichtigt.

    b) Sünde ist eine „böse“ Tat, die einer Ordnung widerspricht, die das Sein – Sollen
        bestimmt.

        Man geht hier davon aus, dass die ethische Ordnung für alle Zeiten durch
        staatliche Gesetzgebung festgelegt ist.

    c) Sünde richtet sich gegen Gott.

        Die von Gott festgelegte Ordnung wird gestört. So wird die Sünde auch oft als
        „Beleidigung Gottes“ verstanden.

    d) Sünde ist eine aus der freien Entscheidung des Menschen kommende Tat.

    e) Sünde wird heute dort angenommen, wo sich ein Mensch in vollem Bewusstsein
        der Tragweite für eine Tat entscheidet, die nicht das Gute, sondern das Böse
        bewirkt.5

3
  Ruf, Ambrosius Karl, Sünde – was ist das? München: Kosel Verl. 1972, S.15
4
  Ruf, Sünde - was ist das? S.14
5
  Vgl. Ruf, Sünde – was ist das? S.16 – 21
                                                                                      9
1.1      EXKURS: SOKRATES LEHRE VOM „TUGENDWISSEN“

Es erhebt sich die Frage, ob ein Mensch wohl freiwillig eine Tat begehen würde, von der
er weiß, dass sie böse ist. Mit dieser Frage beschäftigte sich Sokrates eingehend. Er geht
davon aus, dass ein Mensch, der Unrecht tut, sich selbst am meisten schadet. So kommt
er zu dem Schluss, dass es besser sei, Unrecht zu erleiden, als Unrecht zu tun.

Niemand werde sich wohl wissentlich Böses antun. Man müsse daher den Menschen
lediglich zeigen, was gut und gerecht sei. Hätten sie das einmal verstanden, würden sie
niemals mehr freiwillig Böses tun.

1.2      SÜNDE UND SCHULD

Marc Oraison, der zuerst als praktischer Arzt tätig war und später als Benediktiner –
Theologe in Paris lebte, beschäftigt sich besonders mit Themen der Psychologie. Er
betont, dass “das Wort Sünde sorgfältig von Schuld zu unterscheiden “ sei.6 Das Wort
„Sünde“ habe nämlich nur dort seine Bedeutung, wo es in christlichem Zusammenhang
verwendet werde. Es bezeichne etwas, das sich in der Beziehung zwischen Menschen und
Gott ereigne. Beim Sündenfall habe der Mensch „Nein“ zu Gott gesagt. Unter dem
Antrieb des Geistes des Bösen wolle der Mensch selbst Gott gleich werden. Die erste Tat
des Menschengeschlechts sei also das „Nein“ zu Gott gewesen. Sünde stehe am Ursprung
des Entstehens jeden menschlichen Wesens. Jeder sei in diese „Ursprungssünde“
involviert.7

In dem Kapitel „Psychologie der Schuld“ sucht Oraison nach den Ursachen der
Schuldgefühle und deren Folgen. Er betont, dass das Schuldgefühl für den Menschen eine
grundlegende Erfahrung sei. Jeder Mensch habe es schon erfahren, manchmal auch ohne
ersichtlichen Grund. Es entstehe aus der Meinung, die innere oder äußere Ordnung gestört

6
    Oraison, Marc, Was ist Sünde?, Freiburg im Br.: Herder Verl. 1982, S. 84
7
    Vgl. Oraison, Was ist Sünde? S.86 – 88
                                                                                       10
zu haben. Das Schuldgefühl wegen einer Störung der äußeren Ordnung führe zu Angst
vor dem Urteil der anderen. Man fürchte, ausgestoßen zu werden. Diese Angst löse eine
Fluchtreaktion aus. Sei das nicht möglich, reagiere man mit einem aggressiven Verhalten.
Zur eigenen Verteidigung projiziere man die eigene Schuld auf andere. Manchmal werde
die Aggression auch auf sich selbst gerichtet. Das führe dann zum Selbstmord. Diese
Reaktion erkennt Oraison bei Judas.8 Um die Ordnung wiederherzustellen, verwendeten
die alten Völker bestimmte Kultriten und Gebete, womit sie den Zorn der Götter
besänftigten. Durch das Erkennen der Schuld könne der Mensch aber auch seine eigenen
Grenzen erkennen, stellt Oraison fest. Dazu bringt er eine Stelle aus Paulus als Beispiel.
In Röm.7,18 heißt es: „Ich bin imstande, das Gute zu wollen, doch ich bin unfähig, es
auszuführen; ich tue das Böse, das ich nicht will, das Gute, das ich möchte, tue ich nicht.“9
Um die Entstehung des Schuldgefühls zu erklären, greift Oraison auf die Theorie Freuds
zurück. Das Kind brauche die Beziehung zu einer Autoritätsperson. Diese seien zuerst
die Eltern, bzw. der Vater. Später lebe es in einer „Horde“. Der Anführer dieser Horde
sei der alleinige Herr. Er repräsentiere die absolute Autorität, das Über-Ich. Um nicht
selbst getötet zu werden, müsse der Sohn den Vater töten und so die Autorität des Über-
Ichs brechen. Daher rührten die Schuldgefühle der Menschen, die so die Ordnung gestört
hätten. Freud biete noch eine andere Version dieser Geschichte. Der Anführer der Horde,
der Vater, habe seine Söhne entmannt, um seine Macht zu sichern. Einige seien aber
entkommen. Diese entwickelten Schuldgefühle, da sie die Ordnung durchbrochen hätten.
Diese führten zur Furcht vor der Reaktion der anderen und des eigenen Gewissens.10

1.3    DIE ETHIK

Cicero schreibt: „Socrates primus philosophiam devocavit e caelo et in urbibus collocavit
et in domus etiam introduxit et coegit de vita et moribus rebusque bonis et malis
quaerere.“ Sokrates rief als Erster die Philosophie vom Himmel herab und stellte sie in

8
  Vgl. Oraison, Was ist Sünde?, S.13 – 18
9
  Vgl. Oraison, Was ist Sünde?, S.18 – 19
10
   Vgl. Oraison, Was ist Sünde?, S.28 – 32
                                                                                          11
den Städten auf und führte Sie auch in die Häuser und zwang über das Leben und die
Sitten und Gutes und Schlechtes nachzudenken. (Cic. Tusc.disp. V. 10)

Damit will Cicero sagen, dass Sokrates mit der Naturphilosophie Schluss machte und sich
der Ethik zuwandte. Nicht mehr der Kosmos und die Natur standen im Mittelpunkt seines
Forschens, sondern der Mensch und sein Handeln. Er versuchte, Normen für die
Gestaltung des Lebens zu gewinnen. 11 Oraison schreibt, dass die Menschen zu allen
Zeiten darüber nachgedacht hätten, wie sie zu handeln hätten und welcher der sittliche
Wert ihrer Handlungen wäre. Es gehe hier um die Begegnung der Menschen mit einander.
Wir suchen instinktiv eine Beziehung. Im menschlichen Seelenleben sei es eine normale
Haltung, auf das Gute und Böse Bezug zu nehmen.12 Das Gefühl für gutes und schlechtes
Handeln werde auch in der Kindheit entwickelt, wie Freud zeigt. Um die moralischen
Normen festzulegen, sei die Erziehung wichtig. Bei der Übertretung der durch die
sittlichen Normen gesetzten Grenzen entstünden Schuldgefühle, die wir als Gewissen
bezeichnen. Der freie Wille sei Voraussetzung für unsere Lebensgestaltung. Wir trügen
die Verantwortung für eine bestmögliche Lebensgestaltung. Dafür seien sittliche Werte
und Normen wichtig. Erfahrungen würden überkommene Werte bestätigen oder zeigen,
dass diese unvernünftig seien. Moral sei daher ein wesentlicher Beitrag zur
Lebensgestaltung und ihrer Verwirklichung, wie Volker Eid feststellt.13

1.4   EXKURS: DAS „DAIMONION“ DES SOKRATES

Immer wieder wird von Sokrates von einer inneren Stimme berichtet, die er selbst
„Daimonion“ nennt. Diese Stimme warnte ihn, wenn er etwas tun sollte, das ihm schaden
würde. Diese warnende Stimme sorgte dafür, dass er von seinem Weg nicht abwich.14
Dieses Daimonion kann man wohl als eine Form des Gewissens sehen. Platon lässt in

11
   Vgl. Lesky, Geschichte der griechischen Literatur, S. 563
12
   Vgl. Oraison, Was ist Sünde?, S.61
13
   Vgl. Eid, Volker, Freiheit und Schuld im Kontext christlichen Glaubens. In: Hermanutz, Leopold /
Karg, Anton (Hrsg.) Sünde, Schuld und Versöhnung, Vorträge des Religionspädagogischen Kurses im
Cassianum Donauwörth. Donauwörth: Verl. Ludwig Auer. 1985, S. 45 – 48
14
   Vgl. Lesky, Geschichte der griechischen Literatur, S.561
                                                                                                      12
seiner Apologie den Sokrates selbst sagen: „Mir aber ist dies von meiner Kindheit an
geschehen, eine Stimme nämlich, welche jedes Mal, wenn sie sich hören lässt, mir von
etwas abredet, was ich tun will, zugeredet aber hat sie mir nie.“ (Plat. Apol. 31, d)

2   ETHISCHES BEWUSSTSEIN BEI DEN VÖLKERN DES AO

Unsere Vorstellung von Sünde ist vom Christentum geprägt. Aber schon bei den Völkern
des Alten Orients gab es das Bewusstsein von Gut und Schlecht. Das Jenseits war ein
Reich der Schatten, geprägt von Finsternis. Diese Vorstellung findet sich auch in der
griechischen und römischen Antike Die Unterwelt ist für den Menschen ein hässlicher
Ort. Diese Vorstellung findet sich auch bei Homer. In der Odyssee trifft Odysseus in der
Unterwelt Achilles, den griechischen Helden im Kampf gegen Troja und Herrscher von
Phthia, der sagt, er wolle lieber als armer Mann bei einem Fremden dienen, als über alle
Toten zu herrschen.

„βουλοίμην κ ʼεπαρουρος ἐὼν θητευέμεν ἄλλῳ, ἀνδρὶ πάρ ʼακλήρῳ, ᾧ μὴ βίοτος πολὺς
εἴη ἢ πᾶσιν νεκύεσσι καταφθιμένοισιν ἀνάσσειν.“

„Ich möchte lieber als Landmann einem fremden, ganz unbekannten Mann dienen, als
über alle Leichen der Verstorbenen herrschen.“ (Hom. Od. XI, 489 – 491)

Auch Aeneas, der in Vergils Aeneis im 6. Gesang auf den Spuren des Odysseus in die
Unterwelt hinabsteigt, erlebt das Reich der Schatten auf ähnliche Weise. Es ist ein
finsterer, freudloser Ort, geprägt von Angst.

Auch der Mythos vom Raub der Persephone, der römischen Proserpina, zeigt die
Unterwelt als Platz, den auch die Götter nicht freiwillig aufsuchen. Hades, der Herrscher
der Unterwelt, raubt Persephone, die Tochter der Fruchtbarkeitsgöttin Demeter, und
nimmt sie als seine Gemahlin in die Unterwelt mit. Nach langer Suche findet Demeter
                                                                                        13
ihre Tochter. Zeus entscheidet schließlich, dass Persephone ein halbes Jahr bei ihrem.
Gemahl im Hades bleiben müsse, ein halbes Jahr aber bei der Mutter in der Oberwelt
verbringen dürfe. Damit wurde auch der Kreislauf der Natur erklärt. Die Zeit, in der
Persephone in der Unterwelt sein muss, ist eine Zeit des Sterbens und der Trauer der
Natur. Sie entspricht dem Herbst und dem Winter. Wenn Persephone wieder in der
Oberwelt ist, bricht eine Zeit der Freude an. Diese entspricht dem Frühling und Sommer,
wo auf der Erde alles wächst und gedeiht. Die Unterwelt aber ist geprägt von Finsternis
und Trauer.

In den Jenseitsvorstellungen spielt auch die Vorstellung von einem Gericht eine große
Rolle. Das setzt das Empfinden von Gut und Böse voraus.

Das Christentum stellt dieser Unterweltsvorstellung eine andere Idee entgegen. So steht
im Johannesevangelium immer wieder das Licht im Gegensatz zur Finsternis. Jesus, der
Offenbarer, wird als „Licht der Welt“ bezeichnet.15

Das Licht des Offenbarers bringt die Finsternis der Sünde ans Licht. Die Offenbarung
scheidet den im Unglauben verharrenden Kosmos von den Glaubenden.16 Gott hat Jesus
gesandt, in ihm vollendet sich der Heilswille Gottes der Welt gegenüber. So ist für
Johannes die einzige wahre Sünde, die Offenbarung Jesu nicht anzunehmen und in
„schuldhafter Verblendung“ zu verharren, was er den Pharisäern vorwirft.17

2.1   EXKURS: JENSEITSVORSTELLUNG IM KORAN:

In der Jenseitsvorstellung im Koran sehe ich eine Parallele zum Johannesevangelium.
Immer wieder wird hier auf das Schicksal nach dem Tod hingewiesen. Ins Paradies

15
   Vgl. Metzner, Rainer, Das Verständnis der Sünde im Johannesevangelium, wissenschaftliche
Untersuchungen zum Neuen Testament, Tübingen: Mohr Siebeck Verl., 2000, S. 30 – 33
16
   Vgl. Metzner, Verständnis der Sünde, S.32
17
   Vgl. Metzner, Verständnis der Sünde, S.98 – 99
                                                                                              14
gelangen nur diejenigen, die an die Offenbarung durch den Propheten glauben und die
Zeichen der Schöpfung erkennen.

Im Evangelium des Johannes wird betont, dass nur der das ewige Leben bekommt, der
das Wort Jesu hört und glaubt.

Im Johannesevangelium setzt sich Johannes mit den Pharisäern auseinander, die betonen,
über das Gesetz Bescheid zu wissen. Der Sündenbegriff ist bei diesen eine Übertretung
des Gesetzes. Das Gesetz hat das Leben der Menschen zum Ziel, es kann das ewige Leben
nicht vermitteln. Sünde ist Blindheit. Das wird in der Erzählung von der Heilung eines
Blinden am Sabbat deutlich. (Joh. 9, 39 - 41) Metzner zeigt, dass es sich hier um eine
symbolische Erzählung handelt. Mit Hilfe der Symbole „Nacht “und „Finsternis“ wird
der Gegensatz zu „Tag“, „Licht“ und Glaube dem Unglauben entgegengesetzt. Es wird
deutlich, dass Blindheit Finsternis bedeutet und Sehen das Licht. Die gesetzeskundigen
Pharisäer sind die eigentlichen Blinden, die aber ihre Blindheit nicht anerkennen. Wegen
ihrer Anmaßung, die Wissenden zu sein, bleiben sie in ihrer Sünde. Daraus folgt das
Nichtanerkennen des Gesandten Gottes und ihr Ziel ist das Gericht. Die Konsequenz der
Verweigerung gegenüber dem „Licht“ ist die „Finsternis“.18

So gibt das Christentum dem Begriff „Sünde“ einen neuen Sinn. Jesus ist zur Rettung der
Welt gekommen. Er wurde von Gott aus Liebe zur Welt gesandt. Der unter der Sünde
versklavte Kosmos darf nicht so bleiben. Durch seinen Opfertod am Kreuz beseitigt Jesus
diese Sünde. Das Heilswerk Jesu besteht nicht darin, die Sünde zu „tragen“, sondern sie
zu „beseitigen“ und die Werke des Diabolos zu zerstören. Dieses Heilswerk ist an den
Tod Jesu gekoppelt.19

18
     Vgl. Metzner, der Sündenbegriff im Johannesevangelium, S.92 – 99
19
     Vgl. Metzner, Der Sündenbegriff im Johannesevangelium, S.140 – 155
                                                                                     15
2.2   DAS SÜNDENVERSTÄNDNIS IM AO

2.2.1 Die Sumerer

In der Religion der Sumerer ist Schuld ein Eingriff in die göttliche Ordnung. Schuld ist
aber nicht für das Schicksal bestimmend. Das menschliche Tun hat wenig Bedeutung und
wird nicht von den Göttern beachtet. Es gibt Texte über Beschwörungen gegen
Krankheiten und verschiedene Leiden. Nirgends gibt es aber die Ansicht, dass die Götter
die Menschen wegen einer Schuld bösen Dämonen überlassen hätten.20 Über die Rolle
des Menschen in der Schöpfung erfahren wir aus dem Atramhasis Epos (16.Jh. v. Chr)
und dem Enuma Elish Epos (14.Jh.v.Chr.) Im Atramhasis Epos wird der Mensch aus
Lehm und dem Blut des Gottes Gestu´e geschaffen. Dieser Gott war im Besitz des
Verstandes, und der Mensch hat diese Eigenschaft geerbt. Er handelt daher in eigener
Verantwortung. Die Menschen, die eigentlich geschaffen wurden, um den Göttern die
Arbeit abzunehmen, handeln über den ihnen zugedachten Arbeitsauftrag hinaus und
stören durch ihren Lärm den Schlaf des Gottes Enlil. Die Götter beschließen daher, das
Menschengeschlecht wieder zu vernichten. Sie schicken daher drei Seuchen, haben aber
keinen Erfolg. Schließlich beschließen die Götter, die Sintflut zu schicken und so einen
Neuanfang zu setzen. Die Menschen tragen nun Mitverantwortung für die Erhaltung der
Schöpfung, und der Erhalt des Lebens der Menschheit hat Priorität. Der Mensch ist mit
göttlicher Planungsfähigkeit ausgestattet. Die Grenze zur Hybris, dass sich der Mensch
Gott gleich fühlt, ist schwer zu bewahren.21 Auch im Enuma Elish Epos wird ein Grund
für das besondere Verhältnis der Menschen zu den Göttern gesucht. Die Menschen sind
aus dem Blut eines aufrührerischen Gottes entstanden. Sie tragen dieses göttliche Erbe in
sich und lehnen sich daher gegen die göttliche Ordnung auf22 Bei den Sumerern gab es
kein ausgeprägtes Sündenbewusstsein. Es gibt auch keine individuellen Gebete und
Bitten um Vergebung.

20
   Vgl. Soden, Wolfram, Der Alte Orient, eine Einführung, hrsg. von Michael Streck, 1992, Darmstadt:
Wissenschaftl. Buchgesellschaft,2006, S.176- 177
21
   Vgl. Prenner, Karl, Werteordnungen des AO und Ägyptens, in: Ethos der Weltreligionen, Religion und
Ethik, Grabner-Haider, Anton (Hrsg.) mit einem Vorwort von Hans Küng, Göttingen: Vandenhoek u.
Ruprecht GmbH. 2006, S. 166 -168
22
   Vgl. Prenner, Werteordnungen des AO und Ägyptens, S. 167
                                                                                                  16
2.2.2 Altbabylonische Zeit

In altbabylonischer Zeit dagegen kann man von einer Ethisierung der babylonischen
Religion sprechen. Es gibt ein individuelles Sünden- und Schuldbewusstsein. Sünden
ziehen die Strafe der Gottheit nach sich. Diese wendet sich vom Menschen ab und liefert
ihn den Dämonen aus. Die Folgen sind Krankheiten und andere Leiden. Es herrscht also
ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Handeln des Menschen und dem irdischen
Wohlergehen. Um das böse Schicksal abzuwenden, musste man die gekränkte Gottheit
wieder versöhnen. Das ist das Zentrum der meisten Gebete. Um sicher zu gehen, dass
man alle Sünden sühnte, wurden bei den entsprechenden Zeremonien eigene Sündenlisten
rezitiert. „Weisheitslehren“ gaben Ratschläge, wie man sein Leben führen solle, um zu
Wohlstand und Glück zu kommen.23

2.2.3 Ägypten

Die Sündenvorstellung im alten Ägypten war von Anfang an durch die Vorstellung vom
Tun – Ergehen, die Maat, geprägt, Aus Pyramidentexten aus der Zeit um 2500 v.Chr.
lässt sich erkennen, dass der Gerechte durch ein glückliches Leben belohnt wurde, der
Böse hingegen durch Dämonen bestraft wurde. Im Kapitel 125 des ägyptischen
Totenbuches aus der Mitte des 2.Jahrtausends v.Chr. sagt der Tote, welche bösen Taten
er nicht begangen habe. Daraus kann man erschließen, welche guten Taten erwartet
wurden, nämlich Schwache zu schützen, Nackte zu bekleiden, Hungernde zu speisen u.a.
Ägypten hatte großen Einfluss auf die Nachbarländer. So kann man in den Psalmen den
ägyptischen Einfluss erkennen, und die Sprüche Salomos sind eine wörtliche
Übersetzung eines ägyptischen Buches der Lebensweisheiten.24 „Weisheitslehren“ hatten
das Ziel, die Menschen zu einem vernunftgemäßen ethischen Verhalten und so zu einem
erfolgreichen Leben zu führen. Es ging darin um richtiges Benehmen und Verhalten in
Gesellschaft, religiöse Vorschriften, Gehorsam gegenüber dem Pharao, Demut und sich
Ergeben in den Willen der Götter u.a. Diese Ratschläge wurden von Generation zu
Generation weitergegeben und neu gedeutet.

23
 Vgl. Prenner, Wertevorstellungen im AO, S.168 – 172
24
 Vgl. Raeder, Günther, Die ägyptische Religion, in: Religionen der Erde, ihr Wesen und ihre
Geschichte, Goldmanns gelbe Taschenbücher, München, 1966, S, 68 – 70
                                                                                              17
Im Alten Reich konzentrierte sich alles auf den sakralen Bereich. Der König galt als
Verwalter Gottes im Diesseits. Er verkörperte die Maat und sorgte für Gerechtigkeit auf
der Erde. Daher war die loyale Haltung gegenüber dem Herrscher religiöse Pflicht.25 Im
Mittleren Reich stand die Loyalität gegenüber dem Pharao und seinen Vertretern im
Vordergrund. Da der König die Inkarnation Gottes war, war die Loyalität gleichsam
Religion. Aus den Verhaltensregeln der Beamten und oberen Schichten der Gesellschaft
bildete sich eine Ethik für alle Schichten der Bevölkerung. Diese Verhaltensnormen
wurden auch verschriftlicht. In dieser Zeit breitete sich in Ägypten auch der Osiris Kult
aus. Der Gedanke an ein Totengericht nahm dabei breiten Raum ein. Die Vorstellung
breitete sich aus, dass der Mensch unabhängig von seiner gesellschaftlichen Stellung nach
seinen Taten beurteilt werde. Die Unsterblichkeit der Seele und die Vorstellung von
einem Totengericht garantierten die Gerechtigkeit auf der Erde. Man ging davon aus, dass
Gott in der Schöpfung eine natürliche Ordnung festgelegt habe, die sich in der Tier- und
Pflanzenwelt, aber auch in der Gesellschafts- und Sozialordnung der Menschen zeige.
Das Gegenteil dieser Ordnung ist das Chaos. Die Maat repräsentiert diese Ordnung und
muss daher vom Menschen verwirklicht werden, um das Chaos abzuwehren. Wer die
Gesetze der Maat übertritt, wird bestraft. Das Böse wurde durch den Gott Seth verkörpert.
Auch der sozialethische Kontext spielte dabei eine Rolle. Nichtbeachten der sozialen
Vernetzung galt als das Böse und wurde bestraft.26

Im Neuen Reich trat die persönliche Frömmigkeit in den Mittelpunkt. Gott galt als
Schöpfer und Lenker, auf den alles zurückging. Man musste in Demut und Gehorsam
dem Willen Gottes folgen. Das Tun – Ergehen Prinzip wurde zurückgedrängt, Lohn und
Strafe lagen bei Gott. So wandte sich der Einzelne direkt an Gott und nahm seinen
Beschluss demütig an. Es gab keine Garantie, dass gutes Handeln belohnt wurde, alles
lag bei Gott.27

25
   Vgl. Prenner, Wertevorstellungen im AO und Ägypten. S. 160
26
   Vgl. Prenner, Wertevorstellungen im AO und Ägypten, S.160
27
   Vgl. Prenner, Werteordnungen des AO und Ägyptens, S. 163 – 164
                                                                                      18
2.2.4 Persien

Bei den Zoroastriern im heutigen Iran gab es schon die Vorstellung von einer Hölle, in
der die Sünder bestraft wurden. Besonders die Lüge galt als Sünde. Durch den Weltbrand
würde die Welt vom Bösen befreit. Der Zoroastrismus hatte auch Einfluss auf die Juden,
besonders auf das Buch Tobias der Bibel. Dort heißt nämlich der Dämon, der die 7 für
Sara bestimmten Männer tötet, Asmodi. Das ist der Name des Teufels bei den
Zoroastriern.28

2.3   DER SÜNDENFALL IN DER BIBEL

Der Mythos gehörte bei den alten Völkern zur Daseinsbewältigung. So wird auch in der
Bibel die Geschichte der Menschheit durch verschiedene Erzählungen gezeigt. Auf den
Schöpfungsbericht folgt die Erzählung vom Sündenfall und der Vertreibung aus dem
Paradies, die die Grenzen des Menschen aufzeigen. Hier geht es um das Verhältnis des
Menschen zu Gott. Daran schließt sich die Erzählung vom Brudermord Kains an Abel.
Es geht um eine Grenzüberschreitung der Menschen untereinander. Auch sprachlich wird
dieser Zusammenhang gezeigt. So spricht Gott nach seiner Verfehlung direkt zu Adam:
“Adam, wo bist du?“. Dem entspricht die direkte Frage an Kain: “Kain, wo ist dein Bruder
Abel?“

Für die christliche Kirche bis zur Aufklärung war die Erzählung vom Sündenfall sehr
wichtig. Sie zeigt ja den Menschen als sündiges Wesen, das erst durch den Opfertod
Christi von dieser Schuld erlöst wird. Der Mensch will Gott gleich werden und nimmt
seine Verantwortung nicht wahr. Der menschlichen Existenz sind aber Grenzen gesetzt.29

28
   Vgl. Lemmel, Hans, die iranische Religion, in: Religionen der Erde I, Goldmanns gelbe
Taschenbücher, o.J., S.185 -188
29
   Vgl. Schulz, Hans Jürgen, Schöpfung, in: Westermann, Claus (Hrsg.), Schöpfung, Themen der
Theologie, Bd. 12, Stuttgart, Berlin: Kreuz Verl., o.J., S.25 – 42
                                                                                               19
Hans Jürgen Schulz zeigt, dass zwei ursprünglich selbständige Erzählungen in der Bibel
verbunden wurden, nämlich die Erschaffung des Menschen und der Sündenfall. In der
ersten Erzählung wird dem Menschen der Garten Eden gegeben, damit er ihn bebaue. Der
Garten ist dazu geschaffen, dem Menschen Nahrung zu spenden. Der Mensch erhält einen
konkreten Arbeitsauftrag, den Garten zu bebauen. In der zweiten Erzählung handelt es
sich um einen besonderen Garten. Seine Schönheit wird betont und die besonderen
Bäume geschildert. der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis. Der Mensch ist
von Gott richtig geschaffen – „und Gott sah, dass es gut war“- heißt es im
Schöpfungsbericht in der Bibel. Der Mensch wird in allen Daseinsbezügen gesehen. In
der ersten Erzählung wird der Mensch in seiner natürlichen Umwelt gezeigt. Die
Versorgung ist sichergestellt. Gott und Mensch sind noch nicht getrennt. Die Arbeit wird
positiv bewertet. Im Gegensatz zur mittelalterlichen Bewertung der körperlichen Arbeit
wird im AT die Arbeit als Wesensbestandteil des Menschen gesehen. Im Mittelalter galt
körperliche Arbeit als niedrige Tätigkeit im Gegensatz zur geistigen Arbeit. Im AT
hingegen erhält die Arbeit durch den göttlichen Auftrag einen Sinn. In den folgenden
Abschnitten wird gezeigt, wie der Mensch seine Welt ordnet. Die Schöpfung der Frau
zeigt die Notwendigkeit der Gemeinschaft. Auch die Tiere bezieht der Mensch in seine
Welt ein und gibt ihnen Namen.

In der zweiten Erzählung geht es um das Verhältnis von Mensch und Gott. Der Mensch
ist mit einem Drang nach Erkenntnis geschaffen. Er überschreitet die Grenzen, die ihm
gesetzt sind. Gott spricht noch zu den Menschen. Er erlaubt Adam, von allen Bäumen zu
essen. Dann aber spricht er Adam in der 2.Person direkt an. Das Gebot Gottes, nicht vom
Baum der Erkenntnis zu essen, zeigt noch, dass Gott Vertrauen in den Menschen hat.
Dass der Mensch sich verführen lässt, zeigt aber wieder seine Begrenztheit.

Die Worte der Schlange, mit denen sie die Menschen verführt, locken zum Frevel der
Hybris, der in der gesamten Antike von den Göttern geahndet wird. Die Schlange spricht
nämlich: “Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum“.

Die Menschen maßen sich an, Gott gleich zu werden. Die Frau ist in dieser Erzählung die
treibende Kraft. Sie will klug werden. Deshalb isst sie vom Baum der Erkenntnis. Der
                                                                                  20
Drang nach Erkenntnis ist mit dem Menschen geschaffen. Durch das Übertreten des
Gebotes überschreitet der Mensch seine Grenzen. Adam ist in dieser Geschichte nur ein
„Mitläufer“. Alles geht von der Frau aus.30

2.4   EXKURS: DIE BEDEUTUNG DER SCHLANGE UND DER FRAU:

Die Schlange tritt hier als das Böse, als der Verführer, auf. Die Schlange spielte in der
ägyptischen Religion eine Rolle. Sie wurde als Versorgungsgöttin verehrt. Unter dem
Namen Thermutis und Renenutet war sie der Inbegriff der Lebensweisheit. Die Weisheit
der Maat wurde auch oft als Kobra dargestellt. Ägypten war für die Israeliten eine
ständige Bedrohung. Man war der Meinung, dass die ägyptische Weisheit den Jahwe
Glauben gefährde. So ist es auch naheliegend, dass die Schlange als Symbol des Bösen,
das mit Ägypten verbunden wird, auftritt. Dazu passt auch die Frau als Ursache allen
Übels, Wir erfahren im AT, dass Salomon aus diplomatischen Gründen die Tochter des
Pharaos zu seiner Frau gemacht hätte. Das führte in Israel zu heftigen Reaktionen. Man
berief sich auf das Verbot, sich mit einer stammesfremden Frau einzulassen. Eine
ägyptische Frau galt als eine solche fremde Frau. So ist die Frau zusammen mit der
Schlange die Wurzel allen Übels. Sie ergreift sofort die Initiative, Adam ist wie Salomon
widerspruchslos seiner Frau ergeben. Nicht Adam oder Salomon trifft die Schuld. Sie
sind schutzlos dem bösen Einfluss der Frau ausgeliefert.

Auf der Suche nach der Lage des Gartens Eden fanden einige Forscher sogar eine
Bestätigung dieser Geschichte. Jerusalem galt als Mitte der Menschheit. Im Bereich der
Palast- und Tempelanlagen erstreckte sich ein wunderbarer Königspark. Dieser stand
unter dem Schutz Jahwes. Nach der Verfehlung Evas ist der Mensch schutzlos. Er ist ja
auf den Schutz Jahwes angewiesen. Görg sieht in der Paradiesgeschichte eine
„metaphorische Reflexion des geschichtlichen Umbruchs“.31 Salomon hat die Krise des

30
  Vgl. Schulz, Schöpfung, S.111 – 135
31
  Görg, Manfred, Studien zur biblisch – ägyptischen Religionsgeschichte, in: Dautzenberg, Gerhard und
Lohfink, Norbert (Hrsg.), Stuttgarter Biblische Aufsatzbände, 14, Altes Testament, Stuttgart: Kath.
Bibelwerk, 1992. S.89
                                                                                                   21
Reiches verschuldet und den Grundstein zum Verfall der Einheit gelegt. Das Königtum
in Jerusalem stand unter dem Schutz Jahwes. Durch die Reichsteilung ging durch die
Schuld des Herrschers der paradiesische Zustand verloren.

Vor dem schädlichen Einfluss Ägyptens muss Israel mit allen Mitteln geschützt werden.
Der Zugang zum Garten Eden wird von Keruben bewacht. Auch im außerbiblischen
Bereich werden Sphingen zum Schutz der Tempelanlagen aufgerichtet, deren
apotropäischer Charakter bekannt ist. Der Zugang ist für alle vom Westen, d.h. von
Ägypten Kommende versperrt.32

Nach dem Sündenfall spricht Gott nochmals zu Adam. Dieser versteckt sich zuerst, dann
bekennt er sich nicht zu seiner Schuld. Er beruft sich auf seine Frau „die du mir gegeben
hast.“ Die Frau wiederum schiebt die Schuld auf die Schlange. Die Schlange wird nicht
befragt. Es gibt keinen Dialog zwischen Gott und dem Verführer. Die Strafe für die
Menschen ist rational erfassbar. Die böse Tat hat Folgen für den Täter. Der Mensch wird
in seinen Grenzen gesehen. Die Strafsprüche zeigen, was das Verbleiben in der Nähe
Gottes bedeuten würde. Die Vertreibung aus dem Garten Eden zwingt den Menschen,
fern von Gott zu sein. Der Mensch hat die Verantwortung über die Erde, die ihm Gott
übertragen hat, nicht übernommen. Er kann nicht Gott gleich werden. Seine Grenzen
werden ihm klar aufgezeigt. Der Drang nach ewigem Leben ist durch den Tod begrenzt.
Das ewige Leben ist den Göttern vorbehalten. Diese Grenze kann der Mensch nicht
überschreiten. Der Drang nach Erkenntnis ist aber mit dem Menschen zusammen
geschaffen. Deshalb isst Eva die Frucht vom Baum der Erkenntnis und überschreitet so
diese Grenze.33

32
     Vgl. Görg, Manfred, Studien zur Religionsgeschichte, S.79 – 91
33
     Vgl. Schulz, Schöpfung, S.133 – 149
                                                                                      22
3    DIE HYBRIS

Das altgriechische Wort „ὓbriV“ bedeutet „Übermut, Frevelmut, Hochmut“ 34 Der
Mensch überschätzt seine Fähigkeiten maßlos und überschreitet so seine Grenzen. In
einem „Partheneion“, einem sog. „Mädchengedicht“ des griechischen Dichters Alkaios
(7.Jh.v.Chr.), das auf einem Papyrus gefunden wurde, wird vor der Hybris gewarnt: der
Mensch soll nicht zum Himmel fliegen wollen, noch Aphrodite zum Weibe begehren.35

Die Hybris ist ein wichtiges Thema in der griechischen Tragödie. Immer wieder geht es
um eine Person, die die von den Göttern gegebenen Gesetze ignoriert. Dieser Frevel zieht
die Strafe der Nemesis, die für die Verteilung des Glücks und Bestrafung der Hybris sorgt,
nach sich. Die Tragödie endet mit dem Fall oder Tod des Frevlers. Als Beispiel kann hier
die Rede des Dareios in den „Persern“ des Aischylos dienen. “Die Katastrophe der
persischen Königsmacht stellt sich als Folge jener Ursünde dar, die der Grieche Hybris
nennt“, stellt Lesky fest.36 Der Mensch überschreitet seine Grenzen und verwirrt so die
göttliche Ordnung. Auch das Perserreich hat diese Grenzen überschritten. Die Hybris
zeigte sich im Frevel des Xerxes, der Meer zu Land machte.37 Auch heute zeigt sich die
Hybris im Umgang mit der Natur. Die Menschen wollen die von Gott gegebene Natur
verändern und so an die Stelle Gottes treten. Unsere Probleme mit dem Klimawandel und
der Zerstörung der Umwelt sind Folgen der Hybris. Sir Karl Popper sagt: “The attempt
to realize haeven on earth has always produced hell“.38 Mit diesem Zitat ist das Problem
des Menschen, der die Rolle Gottes übernehmen will, sehr gut gezeigt, wie ich meine.

Im „Lexikon der Alten Welt“ wird der Begriff der Hybris folgendermaßen beschrieben:
“Hybris ist die Bezeichnung für jedes Verhalten, das die Grenzen der Ordnung übermütig

34
   Gemoll, Wilhelm, Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch, München, Wien: Hölder, Pichler,
Tempsky Verl. 1959, S. 755
35
   Vgl. Lesky, Geschichte der griech. Literatur, S.179
35
   Vgl. Lesky, Geschichte der griech. Literatur, S. 285
36
   Lesky, Geschichte der griech. Literatur S. 285
37
   Vgl. Lesky, Geschichte der griech. Literatur, S. 285
38
   https://www.zitate.eu/autor/sir-karl-raimund-popper-zitate/65085, abgefragt am 26.11.2019)
                                                                                                23
und anmaßend überschreitet. Es ist von Homer an überaus häufig.“39 So stehen sich schon
in Hom.Od.14, 487 Eunomie und Hybris feindlich gegenüber und bei Hesiod
(Hes.erg.134) geht das Silberne Menschengeschlecht durch seine Hybris zugrunde. In der
Geschichtsschreibung des 4. Jh.v.Chr. wird das Wort für den Tyrannen gebraucht. Daher
wird der letzte König von Rom Tarquinius Superbus genannt. Das Wort „Superbus“ ist
die lateinische Bezeichnung von „ὑbristήV“, was „Frevler, Übermütiger“ bedeutet.
Heute wird das Wort im Sinne von Selbstüberschätzung,40 Vermessenheit gebraucht.

Mit der Verheißung der Gottgleichheit konnte der Verführer die ersten Menschen
verlocken. Dieses Thema findet sich auch in den Mythen und in der Literatur aller antiken
Hochkulturen. Die Götter führen ein glückliches ewiges Leben. Sie sind weder durch
Sorgen noch durch die Gewissheit des Todes bedroht. Der Götterstaat, den Homer in der
Ilias vor Augen führt, hat den mykenischen Königshof zum Vorbild. Dennoch scheidet
eine tiefe Kluft die Götter von den Menschen. Die Götter sind nämlich frei vom Tod und
haben außerdem übernatürliche Kräfte. Die Götter sind anders als die Menschen. Für sie
ist der Krieg um Troja ein Spiel. Diese Andersartigkeit der Götter betont Apollo selbst
im 5. Gesang der Ilias. Diomedes stürmt im Kampf gegen Aineias vor, der unter dem
Schutz des Gottes steht. Der Gott ruft Diomedes zu: „Besinne dich und weiche! Nimmer
gleicht der Menschen Geschlecht dem der unsterblichen Götter.“ (Hom.Il.5,440) Über
dem Menschen schwebt immer das Schicksal des Todes. Das trennt sie von den Göttern.41
Ich bin der Meinung, dass man diese Vorstellung auch im Buddhismus feststellen kann.
Im Cakra, dem Rad der Existenzen, ist die Göttlichkeit als eine Form der Existenz
vorgesehen. Diese ist aber nicht das höchste Ziel, da der Mensch auch dort vom Gedanken
an die Vergänglichkeit bedroht wird. Die Göttlichkeit und die damit verbundene
Unsterblichkeit ist dem Menschen verwehrt. Deshalb ist es auch eine Form der Hybris,
sich mit den Göttern gleich zu setzen.

39
   Andersen, Carl, Erbse, Hartmut, Gigon, Olaf (Hrsg.): Lexikon der Alten Welt, Zürich/Stuttgart:
Artemis Verl. 1965 s.v. hybris
40
   ebd.
41
   Vgl. Lesky, Geschichte der griechischen Literatur, S.87 – 89
                                                                                                    24
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