1T Vielfalt in der Einheit - Klosterlandschaft Rein Kulturlandschaftsinventarisation - Cisterscapes

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1T Vielfalt in der Einheit - Klosterlandschaft Rein Kulturlandschaftsinventarisation - Cisterscapes
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               Vielfalt in der Einheit
Ausarbeitung

               Zisterziensische Klosterlandschaften in Mitteleuropa
Textliche

               Kulturlandschaftsinventarisation
               Klosterlandschaft Rein
1T Vielfalt in der Einheit - Klosterlandschaft Rein Kulturlandschaftsinventarisation - Cisterscapes
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1T Vielfalt in der Einheit - Klosterlandschaft Rein Kulturlandschaftsinventarisation - Cisterscapes
Kulturlandschaftsinventarisation der Klosterlandschaft Rein im Rahmen des ECHY-Projekts

„Vielfalt in der Einheit - Zisterziensische Klosterlandschaften in Mitteleuropa“

Auftraggeber:		 Landkreis Bamberg
			Ludwigstraße 23
			96052 Bamberg

Auftragnehmer: Elisabeth Seel
			MSc in Landschaftsarchitektur
               Planung + Gartendenkmalpflege
			            Hallandstraße 21, 13189 Berlin
               seel@krt-gartendenkmalpflege.de

Mitarbeit:             M.Sc.Katharina Matheja

Berlin, 04.04.2018

                                                                                          3
Inhaltsverzeichnis
1.      Einleitung										                                                           7

2.      Naturraum									                                                             9
2.1.    Topographie                                                                      9
2.2.    Geomorphologie & Böden                                                           9
2.3.    Hydrologie                                                                      11
2.4.    Klima & Vegetation                                                              11

3.      Kulturlandschaftsgeschichte							 15
3.1.    Vorgeschichte, Früh- und Hochmittelalter bis zur Klostergründung              15
3.2.    Klostergründung                                                               15
3.3.    Erste Blütezeit                                                               15
3.4.    Die erste Krise                                                               16
3.5.    Die Genesung des Klosters                                                     17
3.6.    Unruhige Zeiten                                                               17
3.7.    Die Zweite Krise                                                              18
3.8.    Die Reform der Ordensideale                                                   19
3.9.    Die Dritte Krise                                                              21
3.10.   Die Gegenreformation                                                          21
3.11.   Die Zweite Blütephase                                                         23
3.12.   Die Vierte Krise im Zuge der Josephinischen Reformation                       25
3.13.   Wiederherstellung, Festigung und Modernisierung des Stifts                    25
3.14.   Das Stift zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und in den Nachkriegsjahren         26
3.15.   Das Stift Rein bis heute                                                      27

4.      Prägende Einflussfaktoren und Elemente der zisterziensischen
        Klosterlandschaft			          				                      		                  25
4.1.    Klosterkomplex                                                                31
4.2.    Hydraulisches System im Klosterbereich                                        35
4.3.    Grangien                                                                      35
4.4.    Ackerbau & Viehzucht                                                          38
4.5.    Weinbau & weitere Sonderkulturen                                              39
4.6.    Teichwirtschaft                                                               41
4.7.    Waldwirtschaft                                                                43
4.8.    Salzgewinnung, Verkehr, Mühlen & Gewerbe                                      45
4.9.    Sakrallandschaft                                                              47
4.10.   Siedlungsstrukturen, Flurformen, Dorf & Stadt                                 51
4.11.   Territoriale und rechtspolitische Elemente                                    53
4.12.   Orientierung und Freizeit                                                     55

 4
Inhaltsverzeichnis
5.   Zusammenfassung								59

6. 	 Quellenverzeichnisse         63

                                       5
Abb.1 Blick auf das Stift Rein von Osten. Seel 2018, unveröffentlicht.

 6
1. E i n l e i t u n g

Die vorliegende Untersuchung soll im Rah-          beiden Entwicklungen in direktem Zusammen-
men des ECHY-Projektes „Vielfalt in der            hang stehen.
Einheit – Zisterziensische Klosterlandschaften     Einflussfaktoren, die zu Veränderungen der
in Mitteleuropa“ und der damit verbundenen         Klosterlandschaft führten, und die verschie-
Ausstellung im Sommer 2018 einen Überblick         denen Elemente der zisterziensischen Kul-
über die Klosterlandschaft von Stift Rein in der   turlandschaft sind im anschließenden Kapitel
österreichischen Steiermark geben.                 erläutert, zum besseren Verständnis ist dieser
Das Kloster in Rein wurde im Jahr 1129 ge-         Teil noch einmal unterteilt in einen einleitenden
gründet und ist in der Geschichte der Zister-      Text und zwölf weitere Unterpunkte. Zu Beginn
zienser von besonderer Bedeutung, da es als        werden die prägenden Einflussfaktoren be-
einziger Ordenssitz weltweit bis in die heutige    nannt, wichtige Begrifflichkeiten definiert sowie
Zeit überdauert hat. Alle anderen Klöster          Zusammenhänge dargestellt. In den folgenden
wurden im Zuge der Französischen Revolution        zwölf Themenbereichen werden die erfassten
(1789-1799) oder des Josephinismus (ab etwa        und untersuchten Elemente wie die Klosteran-
1750 bis Ende 18. Jh.) aufgelöst.                  lage oder die Grangienwirtschaft beschrieben.
Somit kann Rein als das älteste Zisterzienser-     In der abschließenden Zusammenfassung
kloster bezeichnet werden. Während seines          werden die wichtigsten Erkenntnisse aus der
langen Bestehens hat das Stift die umgebende       Untersuchung der Klosterlandschaft von Stift
Landschaft nachhaltig geprägt.                     Rein aufgeführt, mit besonderem Augenmerk
In der vorliegenden Arbeit wird der Einfluss       auf der „Vielfalt in der Einheit“.
der Reiner Mönche auf die Entwicklung der
Kulturlandschaft erläutert sowie eine Übersicht    Den zweiten Teil der Untersuchung bildet ein
über die unter den Zisterziensern entstande-       Katalog der vor Ort erfassten Elemente. Für
nen Kulturlandschaftselemente gegeben.             jedes Objekt ist ein Bogen angelegt, der Infor-
Im ersten Kapitel sind die naturräumlichen         mationen zu dessen Standort, Entstehungszeit
Gegebenheiten wie Klima, Topographie und           und Zustand sowie eine Abbildung und eine
Geomorphologie beschrieben.                        kurze textliche Beschreibung beinhaltet.
Der folgende Abschnitt gibt einen Überblick
über die Kulturlandschaftsgeschichte mit dem
Fokus auf der Geschichte des Stifts, da diese

                                                                                                 7
Mittleres
                                                                          Murtal

             Gleinalpe
                                                                                       Östliches Grazer
                                                                                       Bergland

                           Westliches Grazer

                           Bergland

                                                                Rein

                                                                 Gratwein-Gratkorner

                                                                 Becken

     Köflach-Voitsberger Becken

                                                     Östliches Grazer

                                                     Bergland

        Stubalpe
                                           Koralpe

Abb.2 Topographie und Landschaftsraum, Seel 2018.

 8
2. N at ur r aum

2.1. 	Topographie                                flacher. Die Talmulde ist geprägt von Wie-
                                                 sen- und Weideflächen, Teichen und vor allem
                                                 Steusiedlungen. Im Süden wird das Reiner
Das Stift Rein befindet sich in der Gemeinde     Becken vom Östlichen Grazer Bergland mit
Gratwein-Straßengel im Bezirk Graz-Umge-         den Erhebungen Hartberg und Kugelberg
bung etwa 15 km nordöstlich der steirischen      begrenzt.
Landeshaupstadt Graz. Ganz im Sinne der
Zisterziensischen Ordensregeln liegt das
Kloster in einer Talebene, dem sogenannten       2.2. 	Geomorphologie & Böden
Gratwein- Gratkorner Becken (ehem. Reiner
Becken). Das Zentrum dieser Ebene ist das
Reiner Feld, das in seinen Ausmaßen seit der     Rein liegt geologisch betrachtet in den Zent-
Schenkung an das Kloster im 12. Jahrhundert      ralen Ostalpen, die sich wie ein breites Band
nahezu unverändert ist. Östlich schließt das     quer durch Österreich ziehen. Das Gebiet
in Nord-Süd-Richtung verlaufende Murtal an,      steigt von Osten nach Westen stetig an, ist in
in dem die größeren Städte wie Bruck oder        sich aber dennoch sehr heterogen. Der Ort
Graz angesiedelt sind. Nach Nordwesten hin       und das Stift Rein befinden sich zwischen dem
erstreckt sich das Westliche Grazer Bergland     flacheren Hügelland im Osten und den Hoch-
und die daran grenzende Gleinalpe. Das Ge-       gebirgszügen im Westen im bereits genannten
biet wird hier zunehmend bergiger. Die her-      Grazer Bergland an der Grenze zum Grat-
vorstechenden topographischen Landmarken         wein-Gratkorner Becken1.
sind der Pleschkogel (1063 m) und der Walz-      Dominierende Gesteinsarten sind Silikate, die
kogel (1026 m) im Westen, der Heiggerkogel       lokal von Kalken und Dolomiten durchsetzt
im Nordwesten mit 1098 m und im Norden der       sind (Abb.3)2. In den Tälern und Becken, so
Mühlbachkogel mit 1048 m. Dieses Gebiet          auch um Rein, findet sich der sogenannte
mit den vier „Tausendern“ war seit jeher dicht   Eckwirt-Schotter als kiesige und sandige Ab-
bewaldet. Bis auf die Auflichtungen durch die    lagerung. Die Böden bestehen hier aus Ton,
Sturmschäden der vergangenen Jahre hat           Mergel, Sand, Kies und Kalk. In den höheren
sich daran bis heute wenig verändert. Südlich
                                                 1   Schuster et al. 2013, S. 12
vom Kloster Rein ist die Topographie deutlich    2   ebd., S. 13

                                                                                            9
Rein

        Dolomite, Siltsteine, Dolomitsandsteine, Dolomit-        Hauptbecken-Folge: Wech-
        schiefer                                                 sellagerung von Tonschie-
        Crinoiden-Schichten: Crinoidenkalke (-dolomite),         fern, Silt- und Sandsteinen,
        sandige Kalke, Plattenkalke (-dolomite)                  untergeordnet Konglomerate
        Barrandei-Schichten: dunkle, fossilreiche Bankkalke      Diabase, Diabastuffe (-tuffite),
                                                                 Fleckengrünschiefer
        Kalkschiefer-Folge i.a.: Wechselfolge von dunklen,
                                                                 Quarzitischer Glimmerschie-
        plattigen Kalken, massigen Kalken, Flaserkalken,
                                                                 fer mit Schichten von Mar-
        Eckwirt-Schotter: Kiese, Sande, untergeordnet            mor, Pegmatit, Pegmatitgneis

Abb.3 Geologie im Bearbeitungsgebiet, SEEL 2018.

10
Lagen Richtung Gleinalpe finden sich Schich-      korner und Reiner Beckens (Abb.4), wo das
tungen von Glimmerschiefer mit Pegmatit oder      lokale Klima vor allem durch die schlechte
Kalksandsteinen wie Marmor. Im östlichen          Luftdurchmischung der abgeschirmten Lage
Gebiet der ehemaligen klösterlichen Grund-        beeinflusst wird. Es zeichnet sich durch eine
herrschaft kommen dagegen vornehmlich             hohe Inversions- und Frostgefährdung aus, die
Tonschiefer, Silt und Sandsteine vor3.            sich in einer Bilanz von über 140 Frosttagen
                                                  und einer Inversionsgefährdung von über 80%
                                                  zeigt. Die Zahl der Nebeltage ist ebenfalls
2.3. 	Hydrologie                                  mit 100 Tagen pro Jahr relativ hoch. Auf den
                                                  umgebenden Riedeln sind durch die bessere
Das Gebiet um das Kloster wird durch drei         Luftzirkulation schon weit günstigere Bedin-
Fließgewässer geprägt: Der Södingbach im          gungen vorzufinden. Starke klimatische Unter-
Södingtal verläuft im westlichen Untersu-         schiede auf kleinster Distanz sind typisch für
chungsgebiet aus nordwestlicher Richtung          diese Klimazone, in der der wärmste Bereich
kommend nach Süden. Der Stübingbach im            auf ca. 550 bis 650 m Seehöhe liegt. In dieser
Stübingtal durchzieht das Untersuchungs-          Höhenlage befand sich daher auch der über-
gebiet in West-Ost-Richtung am nördlichen         wiegende Teil der Reiner Weingärten.
Rand, und der Schirningbach verläuft als          In den nordwestlich angrenzenden Klima-
Bogen südlich des Klosters Rein entlang des       regionen (Randgebirgsfuß Gleinalm Ost,
Südfußes des Aichkogel. Die drei Fließge-         Glein-, Stub- und Packalpe und Ostabdachung
wässer entspringen alle im Westlichen Grazer      der Stub- Glein- und Packalpe) ist die Gewit-
Bergland und gehören zum Einzugsgebiet der        terhäufigkeit und die damit einhergehende
Mur, die wiederum über die Drau in die Do-        Gefahr von Hagelschlag mit ca. 50 Tagen
nau mündet. Stehende Gewässer natürlichen         pro Jahr besonders hoch. Die Niederschläge
Ursprungs fehlen in der Gegend um Rein. Es        erreichen hier im Schnitt mit 130 – 180 mm
handelt sich durchweg um angelegte Teiche,        im Juli Jahreshöchstwerte und mit 30 – 60
die im Zusammenhang mit dem Kloster vor           mm im Januar ihr Jahrestief. Aufgrund gro-
allem für die Fischzucht genutzt wurden und       ßer Schwankungen in diesem Bereich ist die
noch heute werden.                                Schneesicherheit gering. Die Durchschnitts-
                                                  temperaturen liegen zwischen -3 bis -1,5 °C
                                                  im Januar und 14 bis 18,5 °C im Juli. Auf der
2.4. 	Klima & Vegetation                          Gleinalpe liegen sie mit -7 bis -3 °C im Winter
                                                  und 9 bis 15 °C in den Sommermonaten etwas
Das Klima in Österreich zählt generell zur        tiefer.
feucht-warm gemäßigten Zone, wobei die            Südlich von Rein liegt die Klimaregion Westli-
bewegte Topographie für starke Unterschiede       che Grazer Bucht, in der gewitterreiche Som-
innerhalb des Landes sorgt. Der Westen des        mer und schneearme Winter ebenfalls typisch
Landes ist ozeanisch beeinflusst, wohingegen      sind. Die Temperaturmittel schwanken hier in
der Osten und somit auch das Gebiet um Rein       den Tallagen zwischen -4,5° und -3°C im Ja-
eher kontinental geprägt sind, also eher tro-     nuar (auf den begünstigten Riedeln hingegen
cken mit deutlichen Temperaturunterschieden       oft über -1,5°) und zwischen 17,5° und 19°C im
zwischen Sommer und Winter.                       Juli (19° bis 19,5° auf den Riedeln). Die Vege-
Rein selbst liegt in der Klimaregion des Grat-    tationsperiode ist mit etwa 230 Tagen in den
                                                  Tallagen und 245 Tage auf den Riedeln relativ
3 vgl. Geologische Übersichtskarte der Republik
      Österreich 2013                             lang. Die Frostgefahr ist mit 130 bis 145 Tagen

                                                                                               11
Rangebirgsfuß Gleinalm Ost

                                                                          Murdurchbruchstal

Glein-,Stub- und Packalpe

    Ostabdachung der Stub-,

    Glein- u. Packalpe

                                                                       Rein

                                                                   Gratkorner und Reiner Becken

                                                             Westliche Grazer Bucht

Abb.4 Klimaregionen im Bearbeitungsgebiet, SEEL 2018.

12
in den Tallagen und mit 85 bis 100 Tagen auf
den Riedeln relativ gering, was in Abschnitten
auch den Anbau von Wein möglich macht.
Durch die starke Durchlüftung über das Mur-
tal reichen diese milderen Einflüsse bis in die
Klimaregion Murdurchbruchstal4.

Die Steiermark ist das waldreichste Bundes-
land Österreichs. 52,8 % der Gesamtfläche
sind mit Wald bestanden. Etwa 2 000 ha Wald
gehören heute dem Stift und bilden für die
Ordensmitglieder eine wichtige Einkommens-
quelle. Auf den Bergen um Rein stehen heute
Mischwälder aus Laub- und Nadelhölzern, teil-
weise finden sich auch Edelhölzer wie Eschen
oder Nussbäume. Ursprünglich überwog der
Anteil an Nadelhölzern im Bereich der klös-
terlichen Grundherrschaft. Durch den Bedarf
an Holzkohle, die die Köhler aus Buchenholz
gewannen, wurde der Anteil an Nadelbäumen
im Mittelalter zurückgedrängt, so dass er in
den späten 1970er Jahren bei nur noch 55%
lag. Seither gibt es Bestrebungen, sich durch
gezielten Waldbau wieder dem ursprünglichen,
dem Standort angemessenen Verhältnis von
30% Laub- und 70% Nadelhölzern anzunä-
hern. Nach den verheerenden Stürmen vor
etwa zehn Jahren wird die Aufforstung vor
allem mit Fichten durchgeführt. Da die Buche
ein sehr durchsetzungsfähiger und anpas-
sungsbereiter Baum auch auf eher schwieri-
gen Standorten ist, besteht nicht die Gefahr
der Entstehung einer Monokultur5.

4     vgl. umwelt.steiermark.at [Stand 03.04.2018]
5 Schwarzkogler 1979, S. 387, 388

                                                     13
Abb.5 ehemalige Weinberge im Hörgas , Seel 2018.

14
3. Kul t ur la ndschaf t sge schichte

3.1. 	Vorgeschichte, Früh- und 		                Gerlach, nach Rein und erweiterte die klös-
     Hochmittelalter bis zur 			                 terliche Grundherrschaft durch Tausch und Zu-
                                                 kauf angrenzender Ländereien. Zudem konnte
     Klostergründung                             sie vom Erzbischof Konrad I. in Salzburg den
                                                 Zehenten für das neugegründete Kloster ein-
Das Reiner Tal war bereits lange Zeit vor der    ziehen. Trotz dieser finanziellen Zuwendung
Gründung des Stifts besiedelt. Archäologische    wurde das Kloster von der bischöflichen Ge-
Funde und viele der heutigen Ortsnamen ge-       walt freigesprochen. Mit der Gründungsurkun-
ben Hinweise auf die Anwesenheit der Römer       de vom 22. Februar 1138 übergab Markgräfin
sowie Ansiedlungen der Slawen im Frühmittel-     Sophie das Stift dann offiziell an den Orden.
alter6.                                          Die Kirchweihe und die damit verbundene
Zu Beginn des 12. Jahrhunderts gehörte das       Weihe des Hochaltars fanden vermutlich kurz
Reiner Tal zum Eigentum des Grafen Waldo,        zuvor am 9. November 1137 statt8.
der diesen Besitz nach seinem Tod an den
Markgrafen Ottokar II. und dessen Sohn Leo-
pold I. vererbte7.
                                                 3.3. 	Erste Blütezeit
                                                 Ganz im Sinne der Ordensregeln, nach de-
3.2. 	Klostergründung                            nen das Leben der Zisterziensermönche aus
                                                 Liturgie und Arbeit bestehen sollte, machten
Im Jahr 1129 gründete Leopold I. das Stift,      sich die Mönche daran, durch ihrer eigenen
indem er die ersten Mönche aus dem Kloster       Hände Arbeit das umgrenzende Land urbar
Ebrach in Bayern nach Rein berief. Noch im       zu machen und so ihre Selbstversorgung
selben Jahr verstarb Leopold I., und so war es   sicherzustellen. Diese asketische und autarke
seine Witwe, die Markgräfin Sophie, die sich     Lebensweise wurde in der Bevölkerung hoch
tatkräftig um die Vollendung der Stiftung küm-   angesehen und hatte auf viele junge Männer
merte. Sie bestellte den ersten Abt, mit Namen   aus verschiedenen gesellschaftlichen Stän-
                                                 den, vom Land ebenso wie aus den Städten,
6 Amon 1979, S. 28
7     ebd., S. 28, 29                            8   Amon 1979, S. 29

                                                                                            15
eine große Anziehungskraft. Die Zahl der             brachten, nahmen auf dem Rückweg häufig
Neueintritte stieg in den ersten Jahren so stark     eine Abkürzung über den Plesch und Kehr in
an, dass bereits 1136 ein erstes Tochterkloster      Richtung Gleinalpe. Entlang des sogenannten
in Sittich in Krain (heute Stična in Slowenien)      Flößerweges entstanden daher viele Gasthäu-
gegründet wurde. Zehn Jahre später folgte mit        ser und Tavernen.
Wilhering in Oberösterreich die zweite Filiation
des Stiftes Rein. Die positive wirtschaftliche
Entwicklung des Klosters zu dieser Zeit ba-
sierte ganz entscheidend auf dem starken             3.4. 	Die erste Krise
Zuwachs an Laienbrüdern. Sie übertrafen die
Chormönche zahlenmäßig bei weitem und                Seine Popularität verdankte das Stift Rein
leisteten den Großteil der anfallenden Arbeiten      nicht zuletzt auch seinem ersten Abt Gerlach,
sowohl auf den stiftseigenen Landwirtschafts-        dem „Graf von Dunkenstein“12, der vermut-
betrieben, den Grangien, als auch in den zum         lich, ebenso wie der Heilige Bernhard und der
Kloster gehörenden Werkstätten. Die Ordens-          Abt Adam von Ebrach, zu den Kreuzzugs-
brüder wirtschafteten vorbildlich, und so konn-      predigern gehörte. Der Zisterzienserorden
te trotz des Verzichts auf Zinseinnahmen (dies       wurde bewusst vom damaligen Papst Eugen
hätte den Ordensregeln widersprochen) ein            III. eingesetzt, um für den Zweiten Kreuzzug
beachtlicher ökonomischer Erfolg verzeichnet         (1147-1149) zu werben. Doch dieser scheiterte
werden, der dem Orden wiederum zahlreiche            kläglich, weshalb es zum Zerwürfnis zwischen
Neueintritte bescherte. Zur Ausdehnung der           Papst Alexander III. und Kaiser Friedrich I.
Grundherrschaft trugen großzügige Schen-             kam. Erst im Jahr 1177 konnte der Streit beige-
kungen bei, so zum Beispiel von König Konrad         legt werden. Diese politischen Krisen wirkten
III. in den Jahren 1144 und 11469. Markgraf          sich auch auf das Ansehen des Ordens und
Ottokar III. förderte das Kloster ebenfalls inten-   somit des Klosters aus. Weitere Schicksals-
siv. So stiftete er den Zisterziensern von Rein      schläge kamen hinzu: So verstarb im Jahr
1147 zwei Hofstätten in Hartberg, aus denen          1164 der Heilige Erzbischof Eberhard von
der erste Reiner Stadthof hervorging. Darüber        Salzburg, der dem Stift stets wohlgesonnen
hinaus verfügte er noch den Ausbau der Sali-         war. Noch im selben Jahr verschied Markgraf
nen bei Alt-Aussee durch die Mönche10. Salz          Ottokar III., Sohn des Klosterstifters Leopold I.,
war zur damaligen Zeit eines der wertvollsten        und dessen Frau Sophie von Bayern. Ver-
Handelsgüter und verhalf so dem Stift zu im-         mutlich war es auch in diesem Jahr, dass Abt
mensem wirtschaftlichem Aufschwung.                  Gerlach das Zeitliche segnete – verlässliche
Die wichtigste Handelsroute führte entlang der       Quellen hierzu fehlen jedoch. Das krisen-
Mur in Nord-Süd-Richtung. Sie wurde von den          gebeutelte Stift verlor einen Großteil seiner
Reiner Zisterziensern für den Transport von          Ordensbrüder. Im Tochterkloster Wilhering
Holz und Wein genutzt. Auf dem Wasserweg             bestand das Konvent gerade noch aus zwei
konnte zum Beispiel Bauholz aus dem Norden           Mönchen, und so erbat das Kloster Unterstüt-
nach Graz transportiert werden, aber auch            zung aus dem Mutterkloster. Da die personelle
die leeren Weinfässer ließen die Mönche so           Situation in Rein aber ebenfalls schlecht war,
zu ihren weiter südlich gelegenen Weingär-           musste die Primärabtei in Ebrach aushelfen.
ten transportieren11. Die Flößer, die aus dem        Damit verlor das Stift Rein jedoch auch seine
Nordwesten kamen und ihre Ware nach Graz             Paternitätsrechte an Wilhering.1192 verstarb
9    Amon 1979, S. 30                                der letzte Erbe aus der Familie der Ottokare,
10   Grill OCist. 1979, S. 141, 142
11   Pickl 1950, S. 72                               12   Wild OCist. 1979, S. 50

16
der Gründerfamilie des Klosters, und die ge-      Landwirtschaft und Handwerk sowohl aus dem
samte Steiermark fiel an das Herzogshaus der      klösterlichen als auch dem weltlichen Alltag18.
Babenberger13.

                                                  3.6. 	Unruhige Zeiten
3.5. 	Die Genesung des Klosters
                                                  Herzog Friedrich II., genannt Friedrich der
Wie bereits ihre Vorgänger waren auch die         Streitbare, verwickelte sich immer wieder in
neuen Herrscher dem Stift Rein durchaus           Konflikte mit den Herrschern der benachbar-
zugetan und förderten das Kloster bei der Wie-    ten Länder. In der Schlacht an der Leitha 1246
derherstellung und Festigung seiner Position.     fiel er im Kampf gegen den Ungarnkönig Béla
So kümmerte sich Herzog Leopold IV. (1176-        IV. Seine Schwester Margerete heiratete Otto-
1230) unter anderem um die Regelung der           kar II. Přemysl, der ab 1251 neuer Herzog von
klösterlichen Rechte an der Salzgewinnung in      Österreich war. Weitere Auseinandersetzun-
Alt-Aussee. Sein Sohn und Nachfolger              gen folgten, und so fiel die Steiermark 1258
Friedrich II. (1210-1246), der letzte aus dem     kurzzeitig an die Ungarn. Bereits 1260 wurde
Geschlecht der Babenberger, stiftete dem          sie aber von Ottokar II. zurückgewonnen, der
Kloster die zur ehemaligen Burg Helfenstein       inzwischen zum König von Böhmen ernannt
zugehörigen Besitztümer14.                        worden war.
Der klösterliche Handel in den Städten florier-   Diese unruhige Phase wird als die Zeit des
te. Neben dem Stadthof in Hartberg konnte         sogenannten österreichischen „Zwischen-
inzwischen auch der im Jahr 1164 in Graz          reichs“  (1246-1278) bezeichnet. Obwohl viele
gegründete Reinerhof, als erstes Kaufhaus         Übergriffe auf kirchliche Besitztümer in dieser
der aufsteigenden Metropole15, wirtschaftliche    Zeit stattfanden, blieben die Zisterzienser in
Erfolge verzeichnen. Durch eine Schenkung         Rein weitestgehend verschont. Dies lag in
der Herzogin Theodora von Österreich im Jahr      erster Linie an der Protektion zum einen durch
1229 kamen die Reiner Mönche in den Besitz        den König Ottokar II., aber auch durch den
der Weingärten in Algersdorf bei Graz, die sie    Papst Alexander IV. selbst, der 1258 einen
in den Folgejahren zunehmend erfolgreich be-      Schutzbrief für das Stift an König Béla von
wirtschafteten16. Der neu ernannte Salzburger     Ungarn sandte. Sowohl Béla als auch sein
Erzbischof Eberhard II. (1200-1246) unterstütz-   Sohn Stephan von Ungarn fügten dem Kloster
te das Kloster in Rein, indem er beispielsweise   daher keinen Schaden zu – ganz im Gegenteil,
dafür Sorge trug, dass die Reiner Rechte auf      denn sie berücksichtigten sogar die Ordensbe-
die Kirche in Straßengel gewahrt blieben17.       lange in ihren administrativen Entscheidungen.
In dieser Phase der Stabilisierung, in der        Als die Steiermark zurück an König Ottokar II.
ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, entstand      ging, setzte dieser die Förderung des Klosters
auch das Reiner Musterbuch. Es handelt sich       fort und ließ 1271 den großen Kornspeicher
dabei um ein von den Mönchen verfasstes,          bauen.
umfangreiches grafisches Werk, das den Illu-      Ottokars Regentschaft endete 1276 mit dem
minatoren als Vorlage dienen sollte und zeigt     Reiner Schwur. Die außergewöhnliche Macht-
unter anderem Szenen aus den Bereichen            fülle des Königs – neben Österreich gehörten
13 Amon 1979, S. 31
14     ebd.
                                                  auch Böhmen und Mähren zu seinem Reich –
15 Grill OCist. 1979, S. 142                      wurde vor allem den Adeligen zunehmend
16 Maier 1982
17     Amon 1979, S. 31, 32                       18   Amon 1979, S. 32

                                                                                             17
suspekt. So formierte sich eine Gegenbe-         gestiftete Sondermahlzeiten, die sogenannten
wegung, die den vergleichsweise mittellosen      Pitanzen, unterbrochen21. Auch das äußere
Grafen Rudolf I. aus dem Geschlecht der          Erscheinungsbild des Klosters veränderte sich
Habsburger zum neuen König von Österreich        im ausgehenden 13. Jahrhundert. Die für die
ernannte19.                                      Architektur des Zisterzienserordens charak-
                                                 teristische Schlichtheit wurde ergänzt durch
                                                 zahlreiche neue Altäre und Andachtsstätten
                                                 wie die Allerheiligenkapelle vor den Toren des
3.7. 	Die Zweite Krise                           Klosters, die speziell für Laien errichtet wur-
                                                 de. Der damalige Abt Bernhard (1265-1282)
Der mit der Unterstützung des Adels herbei-      ließ zudem einen massiven Turm auf der
geführte Machtwechsel in Österreich stand        Klosterkirche errichten und in die um 1300 für
stellvertretend für einen generellen Trend in    die Wildonier gebaute Gruft bemalte Fenster
Europa: Das Selbstbewusstsein der weltlichen     einbauen22. Hinzu kam, dass die Mönche die
Bevölkerung erstarkte. Städte wuchsen rasant     Möglichkeit erhielten, in den Ordenskirchen zu
und gewannen zunehmend an politischer Be-        predigen und dafür sogar entlohnt zu werden.
deutung. Neben den bisherigen Ständen (Kle-      Regelmäßig durchgeführte Prozessionen zur
rus, Adel und Bauern) entwickelte sich eine      Allerheiligenkirche am Stift oder zur Wall-
neue Gesellschaftsschicht: die Stadtbürger.      fahrtskirche in Straßengel zeigten ebenfalls,
Das Handwerk und der Handel konzentrierten       wie sehr sich das Stift von seinen ursprüng-
sich in den städtischen Zentren, die Einfüh-     lichen Idealen abkehrte und sich stattdessen
rung des Geldes löste die Naturalienwirtschaft   mehr und mehr der weltlichen Realität zu-
ab. Diese äußeren Entwicklungen hatten für       wandte23.
die Zisterzienserklöster im Allgemeinen und      Die genannten inneren und äußeren Prozesse
damit auch das Stift Rein im Speziellen fatale   führten in Rein zu einem starken Rückgang
Folgen, die durch interne Veränderungen noch     der Ordensmitglieder. Vor allem fehlten dem
befördert wurden20: Der Orden wich zuneh-        Kloster die Konversen zur Aufrechterhaltung
mend von seinen strengen Idealen, wie der        der wirtschaftlichen Tätigkeit. Leibeigene, die
weitgehenden Entsagung materieller Güter         ihrem fatalen Schicksal entgehen wollten,
oder der Abgeschiedenheit von der weltlichen     traten bisher dem Stift bei, wo sie sich in den
Bevölkerung, ab. Immer häufiger wurden auch      Dienst des Ordens stellten und im Gegenzug
in Rein weltliche Laien im Kloster bestattet.    den Stand eines freien Laienbruders erhiel-
Schenkungen an das Stift waren an genau          ten. Die Städte boten mittlerweile jedoch eine
definierte Gegenleistungen in Form von Got-      verlockende Alternative zu diesem Modell:
tesdiensten oder Totenmessen gebunden. Die       Wer über entsprechende Fähigkeiten verfügte,
weltlichen Gebrüder Zeyriker erschlichen sich    konnte in den Städten neben persönlicher Frei-
im Gegenzug für ihre handwerklichen Tätigkei-    heit auch berufliche Selbstständigkeit erlan-
ten beim Bau der Straßengeler Kirche sogar       gen. So flohen viele Leibeigene vom Land in
Renten auf Lebenszeit sowie eine garantierte     die Städte, um als Handwerker zu arbeiten24.
Altersversorgung im klostereigenen Siechen-      Der Beschluss des Generalkapitels von 1224
haus, ohne dem Orden überhaupt beizutreten.      gestattete den Zisterziensern nun glücklicher-
Eine weitere Ordensregel, der Verzicht auf       weise die Verpachtung ihrer
Fleisch, wurde regelmäßig durch dem Konvent      21 Amon 1979, S. 33
                                                 22     ebd., S. 34
19 Amon 1979, S. 32                              23     ebd., S. 33
20     ebd., S. 32, 33                           24     ebd., S. 32, 33

18
Wirtschaftsbetriebe und Ländereien gegen           zum Umdenken. Der Trend ging weg von einer
Zins oder im Tausch gegen Naturalien. Über-        autarken und sehr introvertierten Klosterge-
schüssige Waren wurden weiterhin auf den           meinschaft hin zu einem weltoffeneren Orden,
Märkten verkauft, der Erlös ging wiederum an       der auch den Kontakt zur säkularen Außen-
das Stift. Durch die erfolgreiche Weinprodukti-    welt nicht länger scheute. Passend zu diesem
on und die Salzgewinne aus dem Ennstal ver-        neuen Ordensverständnis wurde 1385 das
fügten die Reiner Mönche über sehr gefragte        Ordenskolleg St. Nikolaus in Wien eingerich-
Handelsgüter. So konnte Rein seine wirt-           tet, das den Mönchen das Universitätsstudium
schaftliche Kraft trotz Auflösung vieler Grangi-   ermöglichte. Auch der Kontakt zur Glau-
en bis ins 14. Jahrhundert aufrecht erhalten25.    bensgemeinschaft wurde im 14. Jahrhundert
Ein weiterer Aspekt, der zum Rückgang der          intensiviert. So wurden im Zusammenhang mit
Ordensmitglieder führte, war das Aufkommen         der Einweihung der hochgotischen Kirche in
der Bettelorden im 13. Jahrhundert. Auch in        Straßengel 1355 zahlreiche Wallfahrten und
Graz war ein solcher Orden ab 1239 vertreten.      Messen organisiert. Herzog Rudolf  IV. legte
Im Vergleich zu den Zisterziensermönchen           bei seiner Mess-Stiftung von 1365 Wert dar-
waren die Bettelmönche nicht fest an eine          auf, die Gottesdienste zeitlich so anzusetzen,
Ordensvertretung gebunden, sondern konn-           dass auch die Grazer an ihnen teilnehmen
ten auch zwischen den Klöstern wechseln.           konnten, und so hatten die religiösen Feierlich-
Oberstes Ideal war die Entsagung jeglichen         keiten einen noch stärkeren Zulauf28.
materiellen Besitzes und das Leben allein von      Unter Abt Angelus Manse (1399-1425) kam es
Almosen. Ein wesentlicher Unterschied zu den       zu weiteren Modifizierungen der Ordensregeln.
Zisterzienser-Regeln, die ein Leben in Abge-       Ab 1410 war den Ordensbrüdern beispielswei-
schiedenheit propagierten, war die bevorzugte      se der Fleischgenuss in Maßen und zu beson-
Niederlassung in den Städten. Als Straßen-         deren Anlässen gestattet. Desweiteren wurde
prediger konnten die Bettelmönche großen           das Stift baulich erweitert, und so entstand in
Einfluss auf das religiöse Leben der Stadt-        den Jahren 1406 bis 1409 die neue Kreuzka-
bewohner nehmen. Die Mönche des Reiner             pelle29.
Zisterzienserstiftes betrieben in Graz zwar seit   Die Veränderungen innerhalb des Stifts zeig-
1164 ihren Stadthof, waren aber stets dazu         ten auch nach außen Wirkung. Rein hatte seit
angehalten, den Kontakt zur weltlichen Bevöl-      dem Jahr 1425 wieder einen stetig steigenden
kerung auf das Nötigste zu beschränken26.          Nachwuchs an Priestermönchen. 1450 be-
Die verheerende Pestepedemie im Jahr 1348          stand das Reiner Konvent aus 48 Ordensbrü-
verschonte auch die Steiermark nicht und so        dern, eine recht hohe Zahl an Mitgliedern im
ging die Bevölkerungszahl auf etwa ein Drit-       Vergleich zu anderen Klöstern. Die personelle
tel zurück, was sich wiederum auch auf die         Entwicklung erlaubte es dem Stift, 1444 unter
Anzahl der Ordensmitglieder, und hier in erster    dem Abt Molitor (1439-1470) ein drittes Toch-
Linie die der Laienbrüder, auswirkte27.            terkloster in der Wiener Neustadt zu gründen.
                                                   Diese Filiation brachte die Neuordnung des
                                                   Stifts noch einmal deutlich zum Ausdruck:
3.8. 	Die Reform der Ordensideale                  Allein schon die Lage des Klosters nahe der
                                                   Stadt widersprach den ursprünglichen Orden-
Die Rückschläge des 13. und 14. Jahrhunderts       sidealen. Hinzu kam, dass auch Frauen der
bewegten einige Ordensmitglieder in Rein           Zutritt zum Klosterbereich gestattet war. Auch
25 Grill OCist 1979, S. 150
26 Amon 1979, S. 33                                28 Amon 1979, S. 34
27     Pickl 1979, S. 114, 115                     29     ebd., S. 35

                                                                                               19
Abb.6 Die älteste Darstellung des Klosters. Missale 1492 1493

20
wirtschaftlich ging es wiederum mit dem Stift      brüche sorgten für weitere Missernten, die zu
bergauf: Die Produktion in den Reiner Werk-        Hungersnöten führten33 34. Die Unzufriedenheit
stätten stieg und übertraf den Eigenbedarf         vor allem in der ländlichen Bevölkerung wuchs,
bei Weitem. Waren wurden nun auch direkt           und so war es kaum verwunderlich, dass auch
für den Handel hergestellt, wie zum Beispiel       die Steiermark von den revolutionären Bewe-
Filzschuhe oder sakrale Ausstattungselemen-        gungen in Europa erfasst wurde: Zum einen
te, die im stiftseigenen Schnitzhaus produziert    waren dies die Bauernaufstände, die, aus-
wurden30.                                          gehend vom Deutschen Bauernkrieg (1524-
Diese kurze Hochphase in der ersten Hälfte         1526), zu einer Auflehnung der Landarbeiter
des 15. Jahrhunderts hinterließ auch in der        gegen die Regenten, aber auch den Klerus
Landschaft um das Kloster ihre Spuren. So          führte. Zum anderen stand der wiedergewon-
wurde auf einem alten Burgheiligtum am Ul-         nene Wohlstand der Ordensgemeinschaften
richsberg die Ulrichskapelle errichtet, die 1453   im starken Widerspruch zu deren eigentlichen
von Aeneas Silvius Picolomini, dem späteren        Idealen, was den Mönchen die Missgunst des
Papst Pius II., geweiht wurde31.                   Volkes einbrachte. Dies hatte zur Folge, dass
                                                   auch die zweite große europäische Bewegung,
                                                   nämlich die Reformation der katholischen
                                                   Kirche, bei der steirischen Bevölkerung auf
3.9. 	Die Dritte Krise                             fruchtbaren Boden fiel.
                                                   Für das Stift Rein bedeuteten diese Entwick-
Der durch die Neuorientierung des Ordens           lungen nichts Gutes: Viele seiner Güter gingen
verursachte Aufschwung endete jedoch bereits       verloren, und die Mitgliederzahl des Konvents
im ausgehenden 15. Jahrhundert, das durch          schrumpfte zusehends. Im Jahr 1533 gehörten
verschiedene verheerende Ereignisse gekenn-        nur noch sechs Ordensbrüder zum Kloster, in
zeichnet war. In der Steiermark kam es immer       Dokumenten aus dem Jahr 1549 ist nur mehr
wieder zu Überfällen durch die Türken und die      ein einziger Mönch erwähnt35.
Ungarn. Abt Wolfgang (1481-1515) reagierte
auf die permanente Bedrohung von außerhalb
durch den Ausbau der Wehranlagen um das
Kloster32. Aus dieser Zeit stammt auch die         3.10. 	            Die Gegenreformation
älteste Abbildung des Klosters (Abb. 5) auf
der diese Landwehr deutlich zu erkennen ist.       Um die Unruhen im eigenen Land zu besänf-
Damit nicht genug, schwelten interne Konflik-      tigen, unternahm König Ferdinand I. 1555
te zwischen dem hochverschuldeten Herzog           einen entscheidenden Schritt: Im sogenannten
Friedrich (später Kaiser Friedrich III.) und       „Augsburger Religionsfrieden“ stimmte er der
einem seiner Gläubiger, dem Söldnerführer          Zulassung der protestantischen Confessio
Baumkircher, der auf Seiten des ungarischen        Augustana als legitimer Religion neben dem
Königs Mathias (1443-1490) kämpfte. Und als        Katholizismus zu.
wenn dies nicht schon genug wäre, brachte          Gleichzeitig war Ferdinand I. jedoch bemüht,
1480 eine weitere Pestepidemie Leid über           die katholische Glaubensgemeinschaft in sei-
die Bevölkerung. Zudem wurde die Region im         nem Reich zu festigen. In der Steiermark trieb
gleichen Jahr von einer Heuschreckenplage          er dies voran, indem er 1549 den Abt Martin
befallen, Überschwemmungen und Kälteein-           Duelacher nach Rein bestellte. Mit ihm kamen
30 Amon 1979, S. 35.                               33   Wild OCist. 1979, S. 54
31     ebd.                                        34   austria-forum.org, zuletzt geprüft am 23.02.2018
32     ebd., S. 36                                 35   Amon 1979, S. 36

                                                                                                           21
Abb.7 Stich des Stiftes Rein aus dem Jahr 1681. Blick aus Richtung Osten, Vischer 1681.

Abb.8 Stich des Stiftes Rein aus dem Jahr 1681. Blick aus Richtung Westen, Vischer 1681.

22
auch neue Konventualen, so dass das Stift          traten 27 Ordensbrüder dem Kloster bei – und
1556 bereits wieder eine Gemeinschaft von          machte sich außerdem um die Ausweitung der
24 Ordensbrüdern versammeln konnte36. Abt          stiftlichen Seelsorge verdient. 1607 wurde die
Duelacher wurde zum Tochterkloster Wiener          Pfarre Gratwein inkorporiert, deren Tochter-
Neustadt entsandt37, sein Nachfolger, der Abt      kirchen nach und nach mit Reiner Priestern
Bartholomäus von Grundegg (1559-1577),             besetzt wurden, und 1620 konnte ein viertes
engagierte sich für die Einrichtung eines Jesu-    Tochterkloster in Schlierbach gegründet wer-
itenkollegs in Graz, das später die Priesteraus-   den. Gülgers Nachfolger, Abt Blasius Hilzer
bildung übernahm. Die Reiner Konventualen,         (1629-1643), kümmerte sich in erster Linie um
die an diesem Kolleg studierten, wohnten           den Ausbau der Klosteranlage. So wurde ein
währenddessen im Reinerhof unterhalb des           neues Konventsgebäude im barocken Bau-
Schloßbergs38.                                     stil errichtet, das statt einem gemeinschaft-
Unter Abt Georg Freyseisen (1577-1605)             lichen Dormitorium separate Einzelzellen
erhielt das Stift den Großteil seines verloren-    für die Mönche bereithielt42. Das Gebäude
gegangenen Besitzes zurück. Der Einfluss           von damals ist bis heute das Wohnquartier
des Protestantismus ging allmählich zurück,        der Ordensbrüder. Weitere Baumaßnahmen
während der Katholizismus zunehmend er-            folgten: So wurde 1650 die Klosterkirche neu
starkte. Das Amt des Abtes erfuhr in diesem        eingerichtet und mit einem barocken Turm
Zuge eine Aufwertung, und so kam es, dass          gekrönt, 1681 wurde die Sebastianskapelle in
Abt Freyseisen neben seinem kirchlichen Amt        der Stiftskirche eingerichtet. Vermutlich ent-
auch die politischen Ämter als Geheimer Rat,       standen auch der Teich in seiner repräsenta-
Vizestatthalter und Hofkammerpräsident des         tiven Gestaltung und der Renaissancegarten
Erzherzogs innehatte39. Im Jahr 1600 wurde         (siehe Abb.7-8) Ende des 16./Anfang des 17.
Rein eigenständiges Landgericht, erhielt also      Jahrhunderts. Auf dem Vischerstich von 1681
die hohe Gerichtsbarkeit40. Für den wirtschaft-    (Abb.7) ist außerdem noch der Tiergarten aus
lichen Aufschwung des Klosters sorgte 1602         dem 16. Jahrhundert im Hintergrund zu erken-
die Verleihung des Bannrechts41. Damit hat-        nen. All diese Schmuckanlagen verdeutlichen
te das Stift die volle Kontrolle über jegliche     die Abkehr der urspünglichen Ordensideale.
Handels- und Gewerbetätigkeiten im Bereich         Die opulenten Ausbauten im barocken Stil
seiner Grundherrschaft.                            wurden im 18. Jahrhundert fortgesetzt. Unter
                                                   anderem wurde die alte, nach Osten ausge-
                                                   richtete Stiftskirche aus dem 12. Jahrhundert
                                                   zu großen Teilen abgerissen und zu einem
3.11. 	            Die Zweite Blütephase           neuen Gotteshaus - mit Ausrichtung gen Wes-
                                                   ten und einer repräsentativen Fassade zum
Mit Anbruch des 17. Jahrhunderts ging es für       Tal hin - umgewandelt (siehe Abb 9-10). Ober-
das Stift weiter bergauf. Das galt sowohl für      halb von Gratwein ließ der Abt Placidus Mally
den personellen als auch für den wirtschaftli-     (1710-1745) 1744 die Kalvarienbergkapelle
chen Bereich. Der damalige Reiner Abt Mathi-       bauen, die in ihrer Schlichtheit ein deutliches
as Gülger (1605-1628) sorgte für eine steigen-     Gegenstück zu den pompösen Sakralbauten
de Mitgliederzahl – während seiner Amtszeit        dieser Zeit darstellt43.
36 Amon 1979, S. 37                                Der Lebensstil der Mönche im Barock ent-
37     Wild OCist. 1979, S. 56
38 Amon 1979, S. 37
                                                   sprach kaum noch dem asketischen
39     ebd.
40 Wild OCist. 1979, S. 56                         42   Amon 1979, S. 38
41 Amon 1979, S. 37                                43   ebd., S. 39

                                                                                               23
Abb.9 Stift Rein vor dem barocken Umbau, Joseph Amonte 1752.

Abb.10 Entwurf von Stift Rein nach dem barocken Umbau, Joseph Amonte 1752.

24
Ordensideal. Vielmehr ähnelte er dem des           Stiftskirche selbst zur Pfarrkirche. Dennoch
gehobenen Bürgertums oder sogar des Adels:         sank die Zahl der Geistlichen auf nunmehr
Das Essen war gut und reichlich, die Mönche        acht Priester im Kloster selbst und 17 Priester
erhielten eine Art Taschengeld (Peculium) zu       in den Pfarren47.
ihrer freien Verfügung, und im Klosterkom-
plex wurden immer mehr Räume durch Öfen
beheizt44.
                                                   3.13. 	            Wiederherstellung,
                                                                      Festigung und
3.12. 	 Die Vierte Krise im Zuge                   		                 Modernisierung des Stifts
		      der Josephinischen
                                                   Hatte Abt Abundus Kuntschak (1785-1822)
		Reformation                                      das Stift Rein über die Zeit der aufkläreri-
                                                   schen Reformation gerettet, so bemühte sich
Nach dieser für das Stift sehr erfolgreichen       sein Nachfolger Abt Ludwig Crophius Edler
Phase ließ die nächste Krise nicht lange auf       von Kaiserssieg (1823-18619) um die weite-
sich warten: Ende des 18. Jahrhunderts wurde       re Stabilisierung der Ordensgemeinschaft.
im Zuge der Josephinischen Reformen (1781-         Im Jahr 1834 gehörten zum Reiner Konvent
1790) ein Großteil der Zisterzienserklöster auf-   bereits wieder 28 Patres sowie fünf Kleriker
gelöst. Das Stift Rein konnte diesem Schicksal     in den Pfarren. Im gleichen Jahr überließen
zwar entgehen, dennoch hatte es zahlreiche         die Ordensbrüder der von Erzherzog Johann
Einschränkungen zu erdulden. So verlor Rein        gegründeten Steiermärkischen Landwirt-
die Paternitätsrechte an seinen Tochterklös-       schaftsgesellschaft einen kleinen Teil ihrer
tern und wurde dem Bischof von Seckau un-          Weingärten in Algersdorf zur Anlage eines
terstellt. Die Zahl der Ordensbrüder, vor allem    Musterweingartens48.
der jüngeren Mitglieder, sank beträchtlich, eine   Die weitgreifenden europäischen Revolutionen
Aufnahmesperre verhinderte den Eintritt neuer      Mitte des 19. Jahrhunderts beeinflussten das
Geistlicher in das Kloster. Zisterziensische       religiöse Leben im Kloster zwar nur wenig,
Traditionen wie die Liturgie und das feierliche    wirtschaftlich gesehen kam es im Zuge der
Chorgebet wurden in dieser Zeit kaum noch          Bauernaufstände 1848 allerdings zu einem
durchgeführt. Da die Anzahl der Ordensbrüder       entscheidenden Einschnitt: Die Grundherr-
zeitweise unter 20 sank, sollte Rein aufgelöst     schaft wurde aufgelöst, und infolge dessen
werden45. 1790 erbaten die steirischen Stände      verlor das Stift viele seiner Güter.
jedoch Unterstützung vom neuen Kaiser Le-          Hauptaufgabe der Reiner Mönche wurde
opld II., dem jüngeren Bruder von Joseph II.,      nun die Geschichtsschreibung des Stifts. Die
um die Schließung der Klöster Vorau, Admont        Ausbildung von Priestern wurde dagegen nicht
und Rein zu verhindern46. Auch die drohende        weiter verfolgt, weshalb es nach wie vor kaum
Aufhebung der Wallfahrtskirche in Straßen-         Nachwuchs im Konvent gab.
gel konnte durch das große Engagement der          Die jüngeren Ordensbrüder gerieten darüber
Glaubensgemeinschaft verhindert werden. Die        hinaus häufig in Konflikt mit den älteren Mön-
Seelsorge wurde für das Stift Rein in dieser       chen, die nur wenig Reformwillen zeigten.
Zeit dagegen sogar erweitert, so wurde die         Unter Abt Franz Sales Bauer (1900-1909)
44 Amon 1979, S. 38
45     ebd., S. 39                                 47     Amon 1979, S. 39
46 Wild OCist. 1979, S. 58                         48 Maier 1982

                                                                                                25
konnten die internen Streitigkeiten nicht beige-   Abt Kortschak kam den Nationalsozialisten
legt werden, und so resignierte er 1909. Der       weitestgehend entgegen53. Dennoch wurde
neue Abt Eugen Amreich (1912-1931) zeigte          das Stift 1941 beschlagnahmt und zeitweise
sich moderner und reformwillig. Beispielswei-      aufgehoben. Die Kriegsjahre hinterließen deut-
se wurde das Kloster mit elektrischem Licht        liche Spuren am Kloster, das bis auf die alte
ausgestattet49.                                    Sakristei und zwei Räume für den Priester und
Wie schon sein Vorgänger, der die Lungenheil-      den Mesner komplett zweckentfremdet wurde.
stätte in Hörgas gegründet hatte, war auch Abt     Um ihre erbeuteten Kunstwerke und Schätze
Amreich karitativ tätig und eröffnete weitere      vor Luftangriffen zu schützen, nutzten die Nati-
Lungenheilanstalten in der gesamten Stei-          onalsozialisten das Kloster als Lagerstätte54.
ermark50. Auch der nachfolgende Abt Dr. P.         Die Stiftskirche wurde zum Beispiel ab 1943
Ernest Kortschak (1931-1945) setzte die mo-        zum Depot für die kostspieligen Kostüme des
derne Ordensführung zunächst fort. In seine        Grazer Theaters55.
Amtszeit fiel die Herausgabe des Pfarrblattes      Mit dem Ende des Krieges und der damit ein-
„Marien-Bote. Nachrichten aus dem Stift und        hergehenden russischen Besatzung kam es
Dekanat Rein“. Die bis heute bestehende Zeit-      in der gesamten Steiermark und somit auch
schrift sollte eine breite Leserschaft erreichen   im Stift Rein zu Plünderungen und mutwilligen
und die Glaubensgemeinschaft erweitern. Die        Zerstörungen56.
Anzahl der Konventsmitglieder stieg unter Abt      Nach dem Kriegsende 1945 musste der Abt
Kortschak bis zum Jahr 1936 auf 44 Mitglieder      Kortschak wegen seiner Nähe zum Natio-
an51.                                              nalsozialismus sein Amt abgeben. Bis 1949
Die wirtschaftliche Situation des Klosters         übernahm der Fürstbischof Dr. Ferdinand
verschlechterte sich dagegen zusehends.            Pawlikowski von Seckau im Auftrag des
Große Steuerschulden zwangen das Stift zum         Papstes die Stiftsleitung, unterstützt von Abt
Verkauf vieler Ländereien und Kostbarkeiten        Karl Braunstorfer aus dem Ordenssitz in
wie Gemälden, Münzen oder astronomischen           Heiligenkreuz. Der damalige Prior P. Sigis-
Messgeräten52.                                     mund Mayrhofer griff die Idee des Klosters als
                                                   Ausbildungsstätte erneut auf und veranlasste
                                                   die Einrichtung eines Konvikts im Stift Rein.
                                                   Ab 1949 wurde das Stift vorübergehend vom
3.14. 	 Das Stift zur Zeit des 		                  ehemaligen tschechischen Abt Tecelin Jaksch
             Zweiten Weltkriegs und                geleitet. Um die Renovierungsarbeiten an dem
                                                   vom Krieg stark beschädigten Kloster vor-
             in den Nachkriegsjahren               anzutreiben, veranlasste er den Verkauf des
                                                   Klosterguts Rohr bei Wildon. Den nächsten
Die Machtergreifung durch die Nationalsozi-        regulär gewählten Abt erhielt Rein dann nach
alisten 1938 läutete auch für das Kloster eine     Abt Jakschs Tod im Jahr 1954: Dr. Aelred
schwere Zeit ein. Die katholische Kirche in        Pexa (1954-1971) legte während seiner Amts-
Österreich unter Leitung des Kardinals Erzbi-      zeit besonderen Wert auf die Bildungsaufgabe
schof von Wien Innitzer unterstützte die neuen     des Klosters. Er selbst hatte unter anderem
Herrscher in deren Bestrebungen, Österreich        auch einen Lehrauftrag an der Theologischen
und Deutschland zu vereinen. Auch der Reiner       Fakultät der Universität in Graz. In seine
49 Wild OCist. 1979, S. 60                         53 Liebmann 1979, S. 255, 256
50 Amon 1979, S. 40                                54     ebd., S. 259, 260
51 Liebmann 1979, S. 253                           55 Amon 1979, S. 42
52     ebd.                                        56 Liebmann 1979, S. 261

26
Amtszeit fällt auch die Zusammenlegung             bäude erstellt und in Teilen umgesetzt. In die-
des Stifts Rein mit dem Kloster Hohenfurt in       sem Zusammenhang wurden ebenfalls umfas-
Tschechien 195957.                                 sende Forschungen bezüglich der historischen
                                                   Bausubstanz61.
                                                   Bei Grabungen in den Jahren 2006 und 2007
                                                   wurde in der Marienkapelle das Grab des Stif-
3.15. 	          Das Stift Rein bis heute          ters Leopold des Starken, des 1. Landesherrn
                                                   der Steiermark entdeckt. In den Folgejahren
1971 wurde der vormalige Prior P. Paulus           wurden sämtliche Pretiosen inventarisiert und
Rappold zunächst für zwei Jahre zum Admi-          in stiftseigenen Räumlichkeiten deponiert, die
nistrator und anschließend zum Abt des Stiftes     historischen Säle wurden renoviert und der
gewählt. Er wollte, dass die Kirche nicht länger   Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Überhaupt
eine herrschende Institution war, sondern sich     ist das Stift in den letzten Jahren um einen
vielmehr in den Dienst der Menschen stellte.       regen Austausch mit der zivilen Gesellschaft
Abt Rappold verfolgte drei große Ziele: Ers-       bemüht und erfüllt seine Aufgabe als kulturel-
tens wollte er die wirtschaftliche Situation des   les Zentrum mit großem Eifer. Der Ordenssitz
Klosters wieder stärken. Zweiter Punkt auf         ist Veranstaltungsort von Konzerten, Theater-
seiner Agenda war für ihn die Förderung des        aufführungen, Lesungen und Vorträgen sowie
Nachwuchses. Als dritten Schwerpunkt hatte         Ausstellungen zeitgenössischer Künstlerinnen
er es sich zur Aufgabe gemacht, das Kloster        und Künstler. Regelmäßge Veranstaltungen
wieder mit mehr Leben zu erfüllen58. Es ge-        wie die dreiwöchige „Künstlerklausur“ oder
lang Rappold tatsächlich, das Kloster sowohl       die „Sommerakademie Rein“ haben darüber
personell als auch wirtschaftlich zu stärken.      hinaus für einen Anstieg der jährlichen Besu-
Das Hochwasser im Jahr 1975 bedeute zwar           cherzahlen auf etwa 12 000 gesorgt.
einen herben Rückschlag für die Aufbauarbei-       2014 konnte unter Abt Christian Feurstein
ten am Klosterkomplex, dank seiner großen          (2010-2015) die aufwendige Innenrenovierung
Beliebtheit bei der Bevölkerung erhielt der Abt    der Basilika und der angrenzenden Kapellen
jedoch tatkräftige Unterstützung beim Wieder-      abgeschlossen werden. Das große Interesse
aufbau. Auf diese Weise konnte der zerstörte       der Ordensmitglieder an der Erforschung und
Kirchturm wieder hergestellt werden, darüber       Erhaltung ihres Klosters zeigt sich auch an
hinaus ließ Abt Rappold die Räumlichkeiten         der Unterstützung zahlreicher wissenschaft-
im Kloster für das Gymnasium  ausbauen und         licher Arbeiten zu diesen Themen. Auch um
erweitern59.                                       die Konservierung und den Wiederaufbau
Weitere Modernisierungsarbeiten wurden von         der wertvollen Stiftsbibliothek kümmern sich
Abt Petrus Steigenberger (1996-2008) initiiert.    die Ordensbrüder durch Ankäufe historischer
Im Jahr 2002 wurden die Mönchszellen des           Archivalien bei den Staatsarchiven oder die
neuen Konvents aus den Jahren 1629-32 mo-          Initiative „Reiner Bücher suchen Paten“.
dernisiert. Eine Studie in Zusammenarbeit mit      Derzeit richtet sich die Aufmerksamkeit auf die
dem Bundesdenkmalamt Graz gab 2004 den             Umsetzung der noch ausstehenden baulichen
Anstoß zu Generalrenovierungs- und -sanie-         und konvservatorischen Tätigkeiten, da das
rungsmaßnahmen60. Etwa zeitgleich wurde ein        Stift im Jahr 2029 als ältestes Zisterzienser-
neues Nutzungskonzept für die Konventsge-          kloster der Welt sein 900-jähriges Jubiläum
57     Amon 1979, S. 42
                                                   feiert.
58 Müller 1979, S. 449
59 Wild OCist. 1979, S. 62                         61    vgl. Zisterzienserstift Rein, Bundesdenkmalamt Graz
60 Bouvier 2004                                    2003

                                                                                                        27
4 . P r ä g e n d e E i n f l u s s f a k t o r e n u n d
    E l e m e n t e d e r z i s t e r z i e n s i s c h e n
    Klosterlandschaft

Prägende Einflussfaktoren                        klügelte Systeme, die das Kloster mit fließen-
Klostergründungen trugen in ganz Mitteleuro-     dem Wasser versorgten und das Abwasser
pa einen bedeutenden Teil zur Neubesiedlung      direkt wieder vom Kloster ableiteten. Zum
bei, vor allem in Richtung Osten. Die Zister-    anderen nutzten sie die Fließgewässer für die
zienser bevorzugten bei der Gründung neuer       Anlage von Fischteichen und das Betreiben
Ordenssitze gemäß ihrer Glaubensgrundsätze       von Mühlen sowie die Bewässerung trockener
bewaldete Standorte fernab der Zivilisati-       Flächen oder auch für die Trockenlegung po-
on62. Mit der Erwerbung der Grundherrschaft      tentieller Ackerflächen. Auch in Rein schufen
gingen gleichzeitig die Rechte auf Wald, Jagd    die Mönche eindrucksvolle Wasseranlagen,
und Fischerei an das Kloster, während Acker-     um die Wasserkraft aus den Fließgewässern,
bau und Viehzucht auch von den Untertanen        die das Klostergebiet durchziehen, optimal für
betrieben werden durften63. Der Wald war für     ihre Zwecke zu nutzen.
die Mönche ein wichtiger Rohstofflieferant für   Regelmäßige Treffen der Ordensvertretun-
Bau- und Brennholz und wurde zudem als           gen aus ganz Europa sowie gegenseitige
Waldweide genutzt. Durch die umfangreichen       Besuche ermöglichten einen regen Erfah-
Rodungsmaßnahmen erschlossen die Or-             rungs- und Meinungsaustausch zwischen den
densbrüder bis dahin unzugängliche Areale.       Zisterziensermönchen. Dadurch konnten die
In Rein, das von dichten Wäldern umgeben         Erkenntnisse über besondere Bau- und Wirt-
war,  trugen sie auf diese Weise entscheidend    schaftsweisen stetig weiterentwickelt werden.
zur Kultivierung der Landschaft bei und schu-    Zu diesem Fachwissen gehörten der bereits
fen Voraussetzungen für die Besiedlung und       genannte Wasserbau, der Waldbau, aber auch
Bewirtschaftung neuer Flächen. Wichtig bei       Methoden des Bergbaus oder der Anlage von
der Standortwahl für die Klosterneugründung      Sonderkulturen wie beispielsweise Wein, was
war außerdem der Zugang zu einem Fließ-          vor allem den Reiner Ordensbrüdern zugute-
gewässer als Frischwasserquelle und für die      kam.
Nutzung der Wasserkraft. Die Zisterzienser       Wirtschaftliche Schwerpunkte des Reiner
waren Meister darin, sich letztere zunutze zu    Klosters waren die Holzgewinnung aus den
machen64. Sie entwickelten zum einen ausge-      umgebenden Wäldern, der Getreideanbau und
62   Küster 2013, S. 233-235                     die Viehhaltung sowie der Weinanbau und –
63   Brandtner 2008, S. 27
64   Tremp 1997, S.21                            zumindest im ersten Jahrhundert – der Handel

                                                                                            29
mit Salz. Die vielen Fischteiche legten die Or-   zu entgehen65, denn als Laienbrüder waren
densbrüder in erster Linie für den Eigenbedarf    sie den Mönchen gesellschaftlich nahezu
an, da gemäß den Ordensregeln der Verzehr         gleichgestellt und verfügten daher auch über
von Fleisch verboten war. Bis heute sind die      persönliche Freiheiten bezüglich ihrer Le-
künstlichen Gewässer zum Großteil vorhan-         bensplanung. In manchen Dingen führten sie
den, die meisten werden auch weiterhin als        ein scheinbar angenehmeres Leben als die
Fischgewässer genutzt. Auch der Klosterwald       Chormönche. Sie mussten lediglich einmal
wird nach wie vor bewirtschaftet und ist heute    am Tag am Gebet teilnehmen und durften
wie damals die wichtigste Einkommensquelle        aufgrund der harten körperlichen Arbeit auch
des Stifts. Er entspricht in seinen Umrissen in   in Maßen Fleisch verzehren66. Die Zisterzien-
etwa dem historischen Klosterwald.                ser waren beim Volk wegen ihrer asketischen
An nahezu allen südexponierten Hängen in-         Lebensweise ebenso wie ihrer erfolgreichen
nerhalb der Grundherrschaft wurden Weingär-       Wirtschaftsführung hoch angesehen. Verstärkt
ten angelegt. Auch weiter entfernt, bei Graz,     durch das immense Bevölkerungswachstum
Wien und im heutigen Slowenien, besaßen           im 12. Jahrhundert, war der Zugewinn an
die Reiner Mönche Weinanbaugebiete. Diese         Laienbrüdern und weltlichen Lohnarbeitern,
Sonderkultur erwies sich für die Ordensbrüder     die ihre Arbeitskraft in den Dienst des Ordens
als sehr einträglich. Da sie weit mehr produ-     stellen wollten, in den ersten Jahrzehneten
zierten, als sie selbst verbrauchen konnten,      enorm. Die Klosterwirtschaft konnte so zu gro-
betrieben sie mit den Überschüssen einen          ßen Teilen auf dem Konversentum aufbauen.
regen Handel.                                     Wie stark diese Abhängigkeit war, wurde nach
Grangien, wie sie für den Orden der Zister-       dem starken Rückgang der Laienbrüder durch
zienser typisch waren, finden sich nur noch       Abwanderung in die Städte und die verhee-
rudimentär in der hier untersuchten Kultur-       renden Pestepidemien klar: Bereits hundert
landschaft. Diese speziellen Wirtschaftshöfe      Jahre nach der Klostergründung mussten die
wurden von den Mönchen selbst oder, wenn          Mönche zur Verpachtung ihrer Güter überge-
sie in größerer Distanz zum Kloster lagen, von    hen, obwohl sie diese Art der Wirtschaftsfüh-
Laienbrüdern und Lohnarbeitern betrieben.         rung eigentlich ablehnten. Die Einführung der
Da die Zisterzienser in Rein nur in den ersten    Geldwirtschaft und die Entwicklung der Städte
hundert Jahren über ausreichend Arbeits-          zu wichtigen Handelszentren im 12. und 13.
kräfte in Form von Konversen oder weltlichen      Jahrhundert wirkten sich auch auf die Klos-
Arbeitern verfügten, gingen sie schon bald        terwirtschaft aus. Die Ordensbrüder beteilig-
zur Verpachtung ihrer Güter an sogenannte         ten sich am städtischen Handelsgeschehen
Zinsbauern über. Aus vielen dieser Grangien       durch die Errichtung eigener Kaufhäuser oder
entstanden später Ortschaften oder kleinere       sogenannter Stadtgrangien. So konnten sie
Ansammlungen von Gehöften, die den ver-           den Kontakt zu weltlichen Bürgern auf ein
pachteten Klosterbesitz unter sich teilten.  Da   notwendiges Minimum reduzieren, ihre Waren
die Chormönche mehrmals täglich zur Liturgie      aber erfolgreich absetzen. Die begehrtesten
verpflichtet waren, war es ihnen aus zeitlichen   Klostergüter waren Wein und Salz, darüber
Gründen gar nicht möglich alle Arbeiten selbst    hinaus aber auch Gebrauchsgegenstände und
zu erledigen. Die Konversen hatten hingegen       Werkzeuge sowie Kleidung. Im Reiner Hof in
einen weniger streng geregelten Tagesablauf.      Graz gründete die Ordensgemeinschaft sogar
Viele von ihnen arbeiteten im Dienste des         eine eigene Firma mit Namen „Zur grauen
Ordens, um ihrem Schicksal als Leibeigener
                                                  65   Tremp 1997, S. 29-33
                                                  66   Sydow 1989, S. 56

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