1T Vielfalt in der Einheit - Klosterlandschaft Rein Kulturlandschaftsinventarisation - Cisterscapes
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1 Vielfalt in der Einheit Ausarbeitung Zisterziensische Klosterlandschaften in Mitteleuropa Textliche Kulturlandschaftsinventarisation Klosterlandschaft Rein
Kulturlandschaftsinventarisation der Klosterlandschaft Rein im Rahmen des ECHY-Projekts „Vielfalt in der Einheit - Zisterziensische Klosterlandschaften in Mitteleuropa“ Auftraggeber: Landkreis Bamberg Ludwigstraße 23 96052 Bamberg Auftragnehmer: Elisabeth Seel MSc in Landschaftsarchitektur Planung + Gartendenkmalpflege Hallandstraße 21, 13189 Berlin seel@krt-gartendenkmalpflege.de Mitarbeit: M.Sc.Katharina Matheja Berlin, 04.04.2018 3
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 7 2. Naturraum 9 2.1. Topographie 9 2.2. Geomorphologie & Böden 9 2.3. Hydrologie 11 2.4. Klima & Vegetation 11 3. Kulturlandschaftsgeschichte 15 3.1. Vorgeschichte, Früh- und Hochmittelalter bis zur Klostergründung 15 3.2. Klostergründung 15 3.3. Erste Blütezeit 15 3.4. Die erste Krise 16 3.5. Die Genesung des Klosters 17 3.6. Unruhige Zeiten 17 3.7. Die Zweite Krise 18 3.8. Die Reform der Ordensideale 19 3.9. Die Dritte Krise 21 3.10. Die Gegenreformation 21 3.11. Die Zweite Blütephase 23 3.12. Die Vierte Krise im Zuge der Josephinischen Reformation 25 3.13. Wiederherstellung, Festigung und Modernisierung des Stifts 25 3.14. Das Stift zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und in den Nachkriegsjahren 26 3.15. Das Stift Rein bis heute 27 4. Prägende Einflussfaktoren und Elemente der zisterziensischen Klosterlandschaft 25 4.1. Klosterkomplex 31 4.2. Hydraulisches System im Klosterbereich 35 4.3. Grangien 35 4.4. Ackerbau & Viehzucht 38 4.5. Weinbau & weitere Sonderkulturen 39 4.6. Teichwirtschaft 41 4.7. Waldwirtschaft 43 4.8. Salzgewinnung, Verkehr, Mühlen & Gewerbe 45 4.9. Sakrallandschaft 47 4.10. Siedlungsstrukturen, Flurformen, Dorf & Stadt 51 4.11. Territoriale und rechtspolitische Elemente 53 4.12. Orientierung und Freizeit 55 4
Inhaltsverzeichnis 5. Zusammenfassung 59 6. Quellenverzeichnisse 63 5
Abb.1 Blick auf das Stift Rein von Osten. Seel 2018, unveröffentlicht. 6
1. E i n l e i t u n g Die vorliegende Untersuchung soll im Rah- beiden Entwicklungen in direktem Zusammen- men des ECHY-Projektes „Vielfalt in der hang stehen. Einheit – Zisterziensische Klosterlandschaften Einflussfaktoren, die zu Veränderungen der in Mitteleuropa“ und der damit verbundenen Klosterlandschaft führten, und die verschie- Ausstellung im Sommer 2018 einen Überblick denen Elemente der zisterziensischen Kul- über die Klosterlandschaft von Stift Rein in der turlandschaft sind im anschließenden Kapitel österreichischen Steiermark geben. erläutert, zum besseren Verständnis ist dieser Das Kloster in Rein wurde im Jahr 1129 ge- Teil noch einmal unterteilt in einen einleitenden gründet und ist in der Geschichte der Zister- Text und zwölf weitere Unterpunkte. Zu Beginn zienser von besonderer Bedeutung, da es als werden die prägenden Einflussfaktoren be- einziger Ordenssitz weltweit bis in die heutige nannt, wichtige Begrifflichkeiten definiert sowie Zeit überdauert hat. Alle anderen Klöster Zusammenhänge dargestellt. In den folgenden wurden im Zuge der Französischen Revolution zwölf Themenbereichen werden die erfassten (1789-1799) oder des Josephinismus (ab etwa und untersuchten Elemente wie die Klosteran- 1750 bis Ende 18. Jh.) aufgelöst. lage oder die Grangienwirtschaft beschrieben. Somit kann Rein als das älteste Zisterzienser- In der abschließenden Zusammenfassung kloster bezeichnet werden. Während seines werden die wichtigsten Erkenntnisse aus der langen Bestehens hat das Stift die umgebende Untersuchung der Klosterlandschaft von Stift Landschaft nachhaltig geprägt. Rein aufgeführt, mit besonderem Augenmerk In der vorliegenden Arbeit wird der Einfluss auf der „Vielfalt in der Einheit“. der Reiner Mönche auf die Entwicklung der Kulturlandschaft erläutert sowie eine Übersicht Den zweiten Teil der Untersuchung bildet ein über die unter den Zisterziensern entstande- Katalog der vor Ort erfassten Elemente. Für nen Kulturlandschaftselemente gegeben. jedes Objekt ist ein Bogen angelegt, der Infor- Im ersten Kapitel sind die naturräumlichen mationen zu dessen Standort, Entstehungszeit Gegebenheiten wie Klima, Topographie und und Zustand sowie eine Abbildung und eine Geomorphologie beschrieben. kurze textliche Beschreibung beinhaltet. Der folgende Abschnitt gibt einen Überblick über die Kulturlandschaftsgeschichte mit dem Fokus auf der Geschichte des Stifts, da diese 7
Mittleres Murtal Gleinalpe Östliches Grazer Bergland Westliches Grazer Bergland Rein Gratwein-Gratkorner Becken Köflach-Voitsberger Becken Östliches Grazer Bergland Stubalpe Koralpe Abb.2 Topographie und Landschaftsraum, Seel 2018. 8
2. N at ur r aum 2.1. Topographie flacher. Die Talmulde ist geprägt von Wie- sen- und Weideflächen, Teichen und vor allem Steusiedlungen. Im Süden wird das Reiner Das Stift Rein befindet sich in der Gemeinde Becken vom Östlichen Grazer Bergland mit Gratwein-Straßengel im Bezirk Graz-Umge- den Erhebungen Hartberg und Kugelberg bung etwa 15 km nordöstlich der steirischen begrenzt. Landeshaupstadt Graz. Ganz im Sinne der Zisterziensischen Ordensregeln liegt das Kloster in einer Talebene, dem sogenannten 2.2. Geomorphologie & Böden Gratwein- Gratkorner Becken (ehem. Reiner Becken). Das Zentrum dieser Ebene ist das Reiner Feld, das in seinen Ausmaßen seit der Rein liegt geologisch betrachtet in den Zent- Schenkung an das Kloster im 12. Jahrhundert ralen Ostalpen, die sich wie ein breites Band nahezu unverändert ist. Östlich schließt das quer durch Österreich ziehen. Das Gebiet in Nord-Süd-Richtung verlaufende Murtal an, steigt von Osten nach Westen stetig an, ist in in dem die größeren Städte wie Bruck oder sich aber dennoch sehr heterogen. Der Ort Graz angesiedelt sind. Nach Nordwesten hin und das Stift Rein befinden sich zwischen dem erstreckt sich das Westliche Grazer Bergland flacheren Hügelland im Osten und den Hoch- und die daran grenzende Gleinalpe. Das Ge- gebirgszügen im Westen im bereits genannten biet wird hier zunehmend bergiger. Die her- Grazer Bergland an der Grenze zum Grat- vorstechenden topographischen Landmarken wein-Gratkorner Becken1. sind der Pleschkogel (1063 m) und der Walz- Dominierende Gesteinsarten sind Silikate, die kogel (1026 m) im Westen, der Heiggerkogel lokal von Kalken und Dolomiten durchsetzt im Nordwesten mit 1098 m und im Norden der sind (Abb.3)2. In den Tälern und Becken, so Mühlbachkogel mit 1048 m. Dieses Gebiet auch um Rein, findet sich der sogenannte mit den vier „Tausendern“ war seit jeher dicht Eckwirt-Schotter als kiesige und sandige Ab- bewaldet. Bis auf die Auflichtungen durch die lagerung. Die Böden bestehen hier aus Ton, Sturmschäden der vergangenen Jahre hat Mergel, Sand, Kies und Kalk. In den höheren sich daran bis heute wenig verändert. Südlich 1 Schuster et al. 2013, S. 12 vom Kloster Rein ist die Topographie deutlich 2 ebd., S. 13 9
Rein Dolomite, Siltsteine, Dolomitsandsteine, Dolomit- Hauptbecken-Folge: Wech- schiefer sellagerung von Tonschie- Crinoiden-Schichten: Crinoidenkalke (-dolomite), fern, Silt- und Sandsteinen, sandige Kalke, Plattenkalke (-dolomite) untergeordnet Konglomerate Barrandei-Schichten: dunkle, fossilreiche Bankkalke Diabase, Diabastuffe (-tuffite), Fleckengrünschiefer Kalkschiefer-Folge i.a.: Wechselfolge von dunklen, Quarzitischer Glimmerschie- plattigen Kalken, massigen Kalken, Flaserkalken, fer mit Schichten von Mar- Eckwirt-Schotter: Kiese, Sande, untergeordnet mor, Pegmatit, Pegmatitgneis Abb.3 Geologie im Bearbeitungsgebiet, SEEL 2018. 10
Lagen Richtung Gleinalpe finden sich Schich- korner und Reiner Beckens (Abb.4), wo das tungen von Glimmerschiefer mit Pegmatit oder lokale Klima vor allem durch die schlechte Kalksandsteinen wie Marmor. Im östlichen Luftdurchmischung der abgeschirmten Lage Gebiet der ehemaligen klösterlichen Grund- beeinflusst wird. Es zeichnet sich durch eine herrschaft kommen dagegen vornehmlich hohe Inversions- und Frostgefährdung aus, die Tonschiefer, Silt und Sandsteine vor3. sich in einer Bilanz von über 140 Frosttagen und einer Inversionsgefährdung von über 80% zeigt. Die Zahl der Nebeltage ist ebenfalls 2.3. Hydrologie mit 100 Tagen pro Jahr relativ hoch. Auf den umgebenden Riedeln sind durch die bessere Das Gebiet um das Kloster wird durch drei Luftzirkulation schon weit günstigere Bedin- Fließgewässer geprägt: Der Södingbach im gungen vorzufinden. Starke klimatische Unter- Södingtal verläuft im westlichen Untersu- schiede auf kleinster Distanz sind typisch für chungsgebiet aus nordwestlicher Richtung diese Klimazone, in der der wärmste Bereich kommend nach Süden. Der Stübingbach im auf ca. 550 bis 650 m Seehöhe liegt. In dieser Stübingtal durchzieht das Untersuchungs- Höhenlage befand sich daher auch der über- gebiet in West-Ost-Richtung am nördlichen wiegende Teil der Reiner Weingärten. Rand, und der Schirningbach verläuft als In den nordwestlich angrenzenden Klima- Bogen südlich des Klosters Rein entlang des regionen (Randgebirgsfuß Gleinalm Ost, Südfußes des Aichkogel. Die drei Fließge- Glein-, Stub- und Packalpe und Ostabdachung wässer entspringen alle im Westlichen Grazer der Stub- Glein- und Packalpe) ist die Gewit- Bergland und gehören zum Einzugsgebiet der terhäufigkeit und die damit einhergehende Mur, die wiederum über die Drau in die Do- Gefahr von Hagelschlag mit ca. 50 Tagen nau mündet. Stehende Gewässer natürlichen pro Jahr besonders hoch. Die Niederschläge Ursprungs fehlen in der Gegend um Rein. Es erreichen hier im Schnitt mit 130 – 180 mm handelt sich durchweg um angelegte Teiche, im Juli Jahreshöchstwerte und mit 30 – 60 die im Zusammenhang mit dem Kloster vor mm im Januar ihr Jahrestief. Aufgrund gro- allem für die Fischzucht genutzt wurden und ßer Schwankungen in diesem Bereich ist die noch heute werden. Schneesicherheit gering. Die Durchschnitts- temperaturen liegen zwischen -3 bis -1,5 °C im Januar und 14 bis 18,5 °C im Juli. Auf der 2.4. Klima & Vegetation Gleinalpe liegen sie mit -7 bis -3 °C im Winter und 9 bis 15 °C in den Sommermonaten etwas Das Klima in Österreich zählt generell zur tiefer. feucht-warm gemäßigten Zone, wobei die Südlich von Rein liegt die Klimaregion Westli- bewegte Topographie für starke Unterschiede che Grazer Bucht, in der gewitterreiche Som- innerhalb des Landes sorgt. Der Westen des mer und schneearme Winter ebenfalls typisch Landes ist ozeanisch beeinflusst, wohingegen sind. Die Temperaturmittel schwanken hier in der Osten und somit auch das Gebiet um Rein den Tallagen zwischen -4,5° und -3°C im Ja- eher kontinental geprägt sind, also eher tro- nuar (auf den begünstigten Riedeln hingegen cken mit deutlichen Temperaturunterschieden oft über -1,5°) und zwischen 17,5° und 19°C im zwischen Sommer und Winter. Juli (19° bis 19,5° auf den Riedeln). Die Vege- Rein selbst liegt in der Klimaregion des Grat- tationsperiode ist mit etwa 230 Tagen in den Tallagen und 245 Tage auf den Riedeln relativ 3 vgl. Geologische Übersichtskarte der Republik Österreich 2013 lang. Die Frostgefahr ist mit 130 bis 145 Tagen 11
Rangebirgsfuß Gleinalm Ost Murdurchbruchstal Glein-,Stub- und Packalpe Ostabdachung der Stub-, Glein- u. Packalpe Rein Gratkorner und Reiner Becken Westliche Grazer Bucht Abb.4 Klimaregionen im Bearbeitungsgebiet, SEEL 2018. 12
in den Tallagen und mit 85 bis 100 Tagen auf den Riedeln relativ gering, was in Abschnitten auch den Anbau von Wein möglich macht. Durch die starke Durchlüftung über das Mur- tal reichen diese milderen Einflüsse bis in die Klimaregion Murdurchbruchstal4. Die Steiermark ist das waldreichste Bundes- land Österreichs. 52,8 % der Gesamtfläche sind mit Wald bestanden. Etwa 2 000 ha Wald gehören heute dem Stift und bilden für die Ordensmitglieder eine wichtige Einkommens- quelle. Auf den Bergen um Rein stehen heute Mischwälder aus Laub- und Nadelhölzern, teil- weise finden sich auch Edelhölzer wie Eschen oder Nussbäume. Ursprünglich überwog der Anteil an Nadelhölzern im Bereich der klös- terlichen Grundherrschaft. Durch den Bedarf an Holzkohle, die die Köhler aus Buchenholz gewannen, wurde der Anteil an Nadelbäumen im Mittelalter zurückgedrängt, so dass er in den späten 1970er Jahren bei nur noch 55% lag. Seither gibt es Bestrebungen, sich durch gezielten Waldbau wieder dem ursprünglichen, dem Standort angemessenen Verhältnis von 30% Laub- und 70% Nadelhölzern anzunä- hern. Nach den verheerenden Stürmen vor etwa zehn Jahren wird die Aufforstung vor allem mit Fichten durchgeführt. Da die Buche ein sehr durchsetzungsfähiger und anpas- sungsbereiter Baum auch auf eher schwieri- gen Standorten ist, besteht nicht die Gefahr der Entstehung einer Monokultur5. 4 vgl. umwelt.steiermark.at [Stand 03.04.2018] 5 Schwarzkogler 1979, S. 387, 388 13
Abb.5 ehemalige Weinberge im Hörgas , Seel 2018. 14
3. Kul t ur la ndschaf t sge schichte 3.1. Vorgeschichte, Früh- und Gerlach, nach Rein und erweiterte die klös- Hochmittelalter bis zur terliche Grundherrschaft durch Tausch und Zu- kauf angrenzender Ländereien. Zudem konnte Klostergründung sie vom Erzbischof Konrad I. in Salzburg den Zehenten für das neugegründete Kloster ein- Das Reiner Tal war bereits lange Zeit vor der ziehen. Trotz dieser finanziellen Zuwendung Gründung des Stifts besiedelt. Archäologische wurde das Kloster von der bischöflichen Ge- Funde und viele der heutigen Ortsnamen ge- walt freigesprochen. Mit der Gründungsurkun- ben Hinweise auf die Anwesenheit der Römer de vom 22. Februar 1138 übergab Markgräfin sowie Ansiedlungen der Slawen im Frühmittel- Sophie das Stift dann offiziell an den Orden. alter6. Die Kirchweihe und die damit verbundene Zu Beginn des 12. Jahrhunderts gehörte das Weihe des Hochaltars fanden vermutlich kurz Reiner Tal zum Eigentum des Grafen Waldo, zuvor am 9. November 1137 statt8. der diesen Besitz nach seinem Tod an den Markgrafen Ottokar II. und dessen Sohn Leo- pold I. vererbte7. 3.3. Erste Blütezeit Ganz im Sinne der Ordensregeln, nach de- 3.2. Klostergründung nen das Leben der Zisterziensermönche aus Liturgie und Arbeit bestehen sollte, machten Im Jahr 1129 gründete Leopold I. das Stift, sich die Mönche daran, durch ihrer eigenen indem er die ersten Mönche aus dem Kloster Hände Arbeit das umgrenzende Land urbar Ebrach in Bayern nach Rein berief. Noch im zu machen und so ihre Selbstversorgung selben Jahr verstarb Leopold I., und so war es sicherzustellen. Diese asketische und autarke seine Witwe, die Markgräfin Sophie, die sich Lebensweise wurde in der Bevölkerung hoch tatkräftig um die Vollendung der Stiftung küm- angesehen und hatte auf viele junge Männer merte. Sie bestellte den ersten Abt, mit Namen aus verschiedenen gesellschaftlichen Stän- den, vom Land ebenso wie aus den Städten, 6 Amon 1979, S. 28 7 ebd., S. 28, 29 8 Amon 1979, S. 29 15
eine große Anziehungskraft. Die Zahl der brachten, nahmen auf dem Rückweg häufig Neueintritte stieg in den ersten Jahren so stark eine Abkürzung über den Plesch und Kehr in an, dass bereits 1136 ein erstes Tochterkloster Richtung Gleinalpe. Entlang des sogenannten in Sittich in Krain (heute Stična in Slowenien) Flößerweges entstanden daher viele Gasthäu- gegründet wurde. Zehn Jahre später folgte mit ser und Tavernen. Wilhering in Oberösterreich die zweite Filiation des Stiftes Rein. Die positive wirtschaftliche Entwicklung des Klosters zu dieser Zeit ba- sierte ganz entscheidend auf dem starken 3.4. Die erste Krise Zuwachs an Laienbrüdern. Sie übertrafen die Chormönche zahlenmäßig bei weitem und Seine Popularität verdankte das Stift Rein leisteten den Großteil der anfallenden Arbeiten nicht zuletzt auch seinem ersten Abt Gerlach, sowohl auf den stiftseigenen Landwirtschafts- dem „Graf von Dunkenstein“12, der vermut- betrieben, den Grangien, als auch in den zum lich, ebenso wie der Heilige Bernhard und der Kloster gehörenden Werkstätten. Die Ordens- Abt Adam von Ebrach, zu den Kreuzzugs- brüder wirtschafteten vorbildlich, und so konn- predigern gehörte. Der Zisterzienserorden te trotz des Verzichts auf Zinseinnahmen (dies wurde bewusst vom damaligen Papst Eugen hätte den Ordensregeln widersprochen) ein III. eingesetzt, um für den Zweiten Kreuzzug beachtlicher ökonomischer Erfolg verzeichnet (1147-1149) zu werben. Doch dieser scheiterte werden, der dem Orden wiederum zahlreiche kläglich, weshalb es zum Zerwürfnis zwischen Neueintritte bescherte. Zur Ausdehnung der Papst Alexander III. und Kaiser Friedrich I. Grundherrschaft trugen großzügige Schen- kam. Erst im Jahr 1177 konnte der Streit beige- kungen bei, so zum Beispiel von König Konrad legt werden. Diese politischen Krisen wirkten III. in den Jahren 1144 und 11469. Markgraf sich auch auf das Ansehen des Ordens und Ottokar III. förderte das Kloster ebenfalls inten- somit des Klosters aus. Weitere Schicksals- siv. So stiftete er den Zisterziensern von Rein schläge kamen hinzu: So verstarb im Jahr 1147 zwei Hofstätten in Hartberg, aus denen 1164 der Heilige Erzbischof Eberhard von der erste Reiner Stadthof hervorging. Darüber Salzburg, der dem Stift stets wohlgesonnen hinaus verfügte er noch den Ausbau der Sali- war. Noch im selben Jahr verschied Markgraf nen bei Alt-Aussee durch die Mönche10. Salz Ottokar III., Sohn des Klosterstifters Leopold I., war zur damaligen Zeit eines der wertvollsten und dessen Frau Sophie von Bayern. Ver- Handelsgüter und verhalf so dem Stift zu im- mutlich war es auch in diesem Jahr, dass Abt mensem wirtschaftlichem Aufschwung. Gerlach das Zeitliche segnete – verlässliche Die wichtigste Handelsroute führte entlang der Quellen hierzu fehlen jedoch. Das krisen- Mur in Nord-Süd-Richtung. Sie wurde von den gebeutelte Stift verlor einen Großteil seiner Reiner Zisterziensern für den Transport von Ordensbrüder. Im Tochterkloster Wilhering Holz und Wein genutzt. Auf dem Wasserweg bestand das Konvent gerade noch aus zwei konnte zum Beispiel Bauholz aus dem Norden Mönchen, und so erbat das Kloster Unterstüt- nach Graz transportiert werden, aber auch zung aus dem Mutterkloster. Da die personelle die leeren Weinfässer ließen die Mönche so Situation in Rein aber ebenfalls schlecht war, zu ihren weiter südlich gelegenen Weingär- musste die Primärabtei in Ebrach aushelfen. ten transportieren11. Die Flößer, die aus dem Damit verlor das Stift Rein jedoch auch seine Nordwesten kamen und ihre Ware nach Graz Paternitätsrechte an Wilhering.1192 verstarb 9 Amon 1979, S. 30 der letzte Erbe aus der Familie der Ottokare, 10 Grill OCist. 1979, S. 141, 142 11 Pickl 1950, S. 72 12 Wild OCist. 1979, S. 50 16
der Gründerfamilie des Klosters, und die ge- Landwirtschaft und Handwerk sowohl aus dem samte Steiermark fiel an das Herzogshaus der klösterlichen als auch dem weltlichen Alltag18. Babenberger13. 3.6. Unruhige Zeiten 3.5. Die Genesung des Klosters Herzog Friedrich II., genannt Friedrich der Wie bereits ihre Vorgänger waren auch die Streitbare, verwickelte sich immer wieder in neuen Herrscher dem Stift Rein durchaus Konflikte mit den Herrschern der benachbar- zugetan und förderten das Kloster bei der Wie- ten Länder. In der Schlacht an der Leitha 1246 derherstellung und Festigung seiner Position. fiel er im Kampf gegen den Ungarnkönig Béla So kümmerte sich Herzog Leopold IV. (1176- IV. Seine Schwester Margerete heiratete Otto- 1230) unter anderem um die Regelung der kar II. Přemysl, der ab 1251 neuer Herzog von klösterlichen Rechte an der Salzgewinnung in Österreich war. Weitere Auseinandersetzun- Alt-Aussee. Sein Sohn und Nachfolger gen folgten, und so fiel die Steiermark 1258 Friedrich II. (1210-1246), der letzte aus dem kurzzeitig an die Ungarn. Bereits 1260 wurde Geschlecht der Babenberger, stiftete dem sie aber von Ottokar II. zurückgewonnen, der Kloster die zur ehemaligen Burg Helfenstein inzwischen zum König von Böhmen ernannt zugehörigen Besitztümer14. worden war. Der klösterliche Handel in den Städten florier- Diese unruhige Phase wird als die Zeit des te. Neben dem Stadthof in Hartberg konnte sogenannten österreichischen „Zwischen- inzwischen auch der im Jahr 1164 in Graz reichs“ (1246-1278) bezeichnet. Obwohl viele gegründete Reinerhof, als erstes Kaufhaus Übergriffe auf kirchliche Besitztümer in dieser der aufsteigenden Metropole15, wirtschaftliche Zeit stattfanden, blieben die Zisterzienser in Erfolge verzeichnen. Durch eine Schenkung Rein weitestgehend verschont. Dies lag in der Herzogin Theodora von Österreich im Jahr erster Linie an der Protektion zum einen durch 1229 kamen die Reiner Mönche in den Besitz den König Ottokar II., aber auch durch den der Weingärten in Algersdorf bei Graz, die sie Papst Alexander IV. selbst, der 1258 einen in den Folgejahren zunehmend erfolgreich be- Schutzbrief für das Stift an König Béla von wirtschafteten16. Der neu ernannte Salzburger Ungarn sandte. Sowohl Béla als auch sein Erzbischof Eberhard II. (1200-1246) unterstütz- Sohn Stephan von Ungarn fügten dem Kloster te das Kloster in Rein, indem er beispielsweise daher keinen Schaden zu – ganz im Gegenteil, dafür Sorge trug, dass die Reiner Rechte auf denn sie berücksichtigten sogar die Ordensbe- die Kirche in Straßengel gewahrt blieben17. lange in ihren administrativen Entscheidungen. In dieser Phase der Stabilisierung, in der Als die Steiermark zurück an König Ottokar II. ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, entstand ging, setzte dieser die Förderung des Klosters auch das Reiner Musterbuch. Es handelt sich fort und ließ 1271 den großen Kornspeicher dabei um ein von den Mönchen verfasstes, bauen. umfangreiches grafisches Werk, das den Illu- Ottokars Regentschaft endete 1276 mit dem minatoren als Vorlage dienen sollte und zeigt Reiner Schwur. Die außergewöhnliche Macht- unter anderem Szenen aus den Bereichen fülle des Königs – neben Österreich gehörten 13 Amon 1979, S. 31 14 ebd. auch Böhmen und Mähren zu seinem Reich – 15 Grill OCist. 1979, S. 142 wurde vor allem den Adeligen zunehmend 16 Maier 1982 17 Amon 1979, S. 31, 32 18 Amon 1979, S. 32 17
suspekt. So formierte sich eine Gegenbe- gestiftete Sondermahlzeiten, die sogenannten wegung, die den vergleichsweise mittellosen Pitanzen, unterbrochen21. Auch das äußere Grafen Rudolf I. aus dem Geschlecht der Erscheinungsbild des Klosters veränderte sich Habsburger zum neuen König von Österreich im ausgehenden 13. Jahrhundert. Die für die ernannte19. Architektur des Zisterzienserordens charak- teristische Schlichtheit wurde ergänzt durch zahlreiche neue Altäre und Andachtsstätten wie die Allerheiligenkapelle vor den Toren des 3.7. Die Zweite Krise Klosters, die speziell für Laien errichtet wur- de. Der damalige Abt Bernhard (1265-1282) Der mit der Unterstützung des Adels herbei- ließ zudem einen massiven Turm auf der geführte Machtwechsel in Österreich stand Klosterkirche errichten und in die um 1300 für stellvertretend für einen generellen Trend in die Wildonier gebaute Gruft bemalte Fenster Europa: Das Selbstbewusstsein der weltlichen einbauen22. Hinzu kam, dass die Mönche die Bevölkerung erstarkte. Städte wuchsen rasant Möglichkeit erhielten, in den Ordenskirchen zu und gewannen zunehmend an politischer Be- predigen und dafür sogar entlohnt zu werden. deutung. Neben den bisherigen Ständen (Kle- Regelmäßig durchgeführte Prozessionen zur rus, Adel und Bauern) entwickelte sich eine Allerheiligenkirche am Stift oder zur Wall- neue Gesellschaftsschicht: die Stadtbürger. fahrtskirche in Straßengel zeigten ebenfalls, Das Handwerk und der Handel konzentrierten wie sehr sich das Stift von seinen ursprüng- sich in den städtischen Zentren, die Einfüh- lichen Idealen abkehrte und sich stattdessen rung des Geldes löste die Naturalienwirtschaft mehr und mehr der weltlichen Realität zu- ab. Diese äußeren Entwicklungen hatten für wandte23. die Zisterzienserklöster im Allgemeinen und Die genannten inneren und äußeren Prozesse damit auch das Stift Rein im Speziellen fatale führten in Rein zu einem starken Rückgang Folgen, die durch interne Veränderungen noch der Ordensmitglieder. Vor allem fehlten dem befördert wurden20: Der Orden wich zuneh- Kloster die Konversen zur Aufrechterhaltung mend von seinen strengen Idealen, wie der der wirtschaftlichen Tätigkeit. Leibeigene, die weitgehenden Entsagung materieller Güter ihrem fatalen Schicksal entgehen wollten, oder der Abgeschiedenheit von der weltlichen traten bisher dem Stift bei, wo sie sich in den Bevölkerung, ab. Immer häufiger wurden auch Dienst des Ordens stellten und im Gegenzug in Rein weltliche Laien im Kloster bestattet. den Stand eines freien Laienbruders erhiel- Schenkungen an das Stift waren an genau ten. Die Städte boten mittlerweile jedoch eine definierte Gegenleistungen in Form von Got- verlockende Alternative zu diesem Modell: tesdiensten oder Totenmessen gebunden. Die Wer über entsprechende Fähigkeiten verfügte, weltlichen Gebrüder Zeyriker erschlichen sich konnte in den Städten neben persönlicher Frei- im Gegenzug für ihre handwerklichen Tätigkei- heit auch berufliche Selbstständigkeit erlan- ten beim Bau der Straßengeler Kirche sogar gen. So flohen viele Leibeigene vom Land in Renten auf Lebenszeit sowie eine garantierte die Städte, um als Handwerker zu arbeiten24. Altersversorgung im klostereigenen Siechen- Der Beschluss des Generalkapitels von 1224 haus, ohne dem Orden überhaupt beizutreten. gestattete den Zisterziensern nun glücklicher- Eine weitere Ordensregel, der Verzicht auf weise die Verpachtung ihrer Fleisch, wurde regelmäßig durch dem Konvent 21 Amon 1979, S. 33 22 ebd., S. 34 19 Amon 1979, S. 32 23 ebd., S. 33 20 ebd., S. 32, 33 24 ebd., S. 32, 33 18
Wirtschaftsbetriebe und Ländereien gegen zum Umdenken. Der Trend ging weg von einer Zins oder im Tausch gegen Naturalien. Über- autarken und sehr introvertierten Klosterge- schüssige Waren wurden weiterhin auf den meinschaft hin zu einem weltoffeneren Orden, Märkten verkauft, der Erlös ging wiederum an der auch den Kontakt zur säkularen Außen- das Stift. Durch die erfolgreiche Weinprodukti- welt nicht länger scheute. Passend zu diesem on und die Salzgewinne aus dem Ennstal ver- neuen Ordensverständnis wurde 1385 das fügten die Reiner Mönche über sehr gefragte Ordenskolleg St. Nikolaus in Wien eingerich- Handelsgüter. So konnte Rein seine wirt- tet, das den Mönchen das Universitätsstudium schaftliche Kraft trotz Auflösung vieler Grangi- ermöglichte. Auch der Kontakt zur Glau- en bis ins 14. Jahrhundert aufrecht erhalten25. bensgemeinschaft wurde im 14. Jahrhundert Ein weiterer Aspekt, der zum Rückgang der intensiviert. So wurden im Zusammenhang mit Ordensmitglieder führte, war das Aufkommen der Einweihung der hochgotischen Kirche in der Bettelorden im 13. Jahrhundert. Auch in Straßengel 1355 zahlreiche Wallfahrten und Graz war ein solcher Orden ab 1239 vertreten. Messen organisiert. Herzog Rudolf IV. legte Im Vergleich zu den Zisterziensermönchen bei seiner Mess-Stiftung von 1365 Wert dar- waren die Bettelmönche nicht fest an eine auf, die Gottesdienste zeitlich so anzusetzen, Ordensvertretung gebunden, sondern konn- dass auch die Grazer an ihnen teilnehmen ten auch zwischen den Klöstern wechseln. konnten, und so hatten die religiösen Feierlich- Oberstes Ideal war die Entsagung jeglichen keiten einen noch stärkeren Zulauf28. materiellen Besitzes und das Leben allein von Unter Abt Angelus Manse (1399-1425) kam es Almosen. Ein wesentlicher Unterschied zu den zu weiteren Modifizierungen der Ordensregeln. Zisterzienser-Regeln, die ein Leben in Abge- Ab 1410 war den Ordensbrüdern beispielswei- schiedenheit propagierten, war die bevorzugte se der Fleischgenuss in Maßen und zu beson- Niederlassung in den Städten. Als Straßen- deren Anlässen gestattet. Desweiteren wurde prediger konnten die Bettelmönche großen das Stift baulich erweitert, und so entstand in Einfluss auf das religiöse Leben der Stadt- den Jahren 1406 bis 1409 die neue Kreuzka- bewohner nehmen. Die Mönche des Reiner pelle29. Zisterzienserstiftes betrieben in Graz zwar seit Die Veränderungen innerhalb des Stifts zeig- 1164 ihren Stadthof, waren aber stets dazu ten auch nach außen Wirkung. Rein hatte seit angehalten, den Kontakt zur weltlichen Bevöl- dem Jahr 1425 wieder einen stetig steigenden kerung auf das Nötigste zu beschränken26. Nachwuchs an Priestermönchen. 1450 be- Die verheerende Pestepedemie im Jahr 1348 stand das Reiner Konvent aus 48 Ordensbrü- verschonte auch die Steiermark nicht und so dern, eine recht hohe Zahl an Mitgliedern im ging die Bevölkerungszahl auf etwa ein Drit- Vergleich zu anderen Klöstern. Die personelle tel zurück, was sich wiederum auch auf die Entwicklung erlaubte es dem Stift, 1444 unter Anzahl der Ordensmitglieder, und hier in erster dem Abt Molitor (1439-1470) ein drittes Toch- Linie die der Laienbrüder, auswirkte27. terkloster in der Wiener Neustadt zu gründen. Diese Filiation brachte die Neuordnung des Stifts noch einmal deutlich zum Ausdruck: 3.8. Die Reform der Ordensideale Allein schon die Lage des Klosters nahe der Stadt widersprach den ursprünglichen Orden- Die Rückschläge des 13. und 14. Jahrhunderts sidealen. Hinzu kam, dass auch Frauen der bewegten einige Ordensmitglieder in Rein Zutritt zum Klosterbereich gestattet war. Auch 25 Grill OCist 1979, S. 150 26 Amon 1979, S. 33 28 Amon 1979, S. 34 27 Pickl 1979, S. 114, 115 29 ebd., S. 35 19
Abb.6 Die älteste Darstellung des Klosters. Missale 1492 1493 20
wirtschaftlich ging es wiederum mit dem Stift brüche sorgten für weitere Missernten, die zu bergauf: Die Produktion in den Reiner Werk- Hungersnöten führten33 34. Die Unzufriedenheit stätten stieg und übertraf den Eigenbedarf vor allem in der ländlichen Bevölkerung wuchs, bei Weitem. Waren wurden nun auch direkt und so war es kaum verwunderlich, dass auch für den Handel hergestellt, wie zum Beispiel die Steiermark von den revolutionären Bewe- Filzschuhe oder sakrale Ausstattungselemen- gungen in Europa erfasst wurde: Zum einen te, die im stiftseigenen Schnitzhaus produziert waren dies die Bauernaufstände, die, aus- wurden30. gehend vom Deutschen Bauernkrieg (1524- Diese kurze Hochphase in der ersten Hälfte 1526), zu einer Auflehnung der Landarbeiter des 15. Jahrhunderts hinterließ auch in der gegen die Regenten, aber auch den Klerus Landschaft um das Kloster ihre Spuren. So führte. Zum anderen stand der wiedergewon- wurde auf einem alten Burgheiligtum am Ul- nene Wohlstand der Ordensgemeinschaften richsberg die Ulrichskapelle errichtet, die 1453 im starken Widerspruch zu deren eigentlichen von Aeneas Silvius Picolomini, dem späteren Idealen, was den Mönchen die Missgunst des Papst Pius II., geweiht wurde31. Volkes einbrachte. Dies hatte zur Folge, dass auch die zweite große europäische Bewegung, nämlich die Reformation der katholischen Kirche, bei der steirischen Bevölkerung auf 3.9. Die Dritte Krise fruchtbaren Boden fiel. Für das Stift Rein bedeuteten diese Entwick- Der durch die Neuorientierung des Ordens lungen nichts Gutes: Viele seiner Güter gingen verursachte Aufschwung endete jedoch bereits verloren, und die Mitgliederzahl des Konvents im ausgehenden 15. Jahrhundert, das durch schrumpfte zusehends. Im Jahr 1533 gehörten verschiedene verheerende Ereignisse gekenn- nur noch sechs Ordensbrüder zum Kloster, in zeichnet war. In der Steiermark kam es immer Dokumenten aus dem Jahr 1549 ist nur mehr wieder zu Überfällen durch die Türken und die ein einziger Mönch erwähnt35. Ungarn. Abt Wolfgang (1481-1515) reagierte auf die permanente Bedrohung von außerhalb durch den Ausbau der Wehranlagen um das Kloster32. Aus dieser Zeit stammt auch die 3.10. Die Gegenreformation älteste Abbildung des Klosters (Abb. 5) auf der diese Landwehr deutlich zu erkennen ist. Um die Unruhen im eigenen Land zu besänf- Damit nicht genug, schwelten interne Konflik- tigen, unternahm König Ferdinand I. 1555 te zwischen dem hochverschuldeten Herzog einen entscheidenden Schritt: Im sogenannten Friedrich (später Kaiser Friedrich III.) und „Augsburger Religionsfrieden“ stimmte er der einem seiner Gläubiger, dem Söldnerführer Zulassung der protestantischen Confessio Baumkircher, der auf Seiten des ungarischen Augustana als legitimer Religion neben dem Königs Mathias (1443-1490) kämpfte. Und als Katholizismus zu. wenn dies nicht schon genug wäre, brachte Gleichzeitig war Ferdinand I. jedoch bemüht, 1480 eine weitere Pestepidemie Leid über die katholische Glaubensgemeinschaft in sei- die Bevölkerung. Zudem wurde die Region im nem Reich zu festigen. In der Steiermark trieb gleichen Jahr von einer Heuschreckenplage er dies voran, indem er 1549 den Abt Martin befallen, Überschwemmungen und Kälteein- Duelacher nach Rein bestellte. Mit ihm kamen 30 Amon 1979, S. 35. 33 Wild OCist. 1979, S. 54 31 ebd. 34 austria-forum.org, zuletzt geprüft am 23.02.2018 32 ebd., S. 36 35 Amon 1979, S. 36 21
Abb.7 Stich des Stiftes Rein aus dem Jahr 1681. Blick aus Richtung Osten, Vischer 1681. Abb.8 Stich des Stiftes Rein aus dem Jahr 1681. Blick aus Richtung Westen, Vischer 1681. 22
auch neue Konventualen, so dass das Stift traten 27 Ordensbrüder dem Kloster bei – und 1556 bereits wieder eine Gemeinschaft von machte sich außerdem um die Ausweitung der 24 Ordensbrüdern versammeln konnte36. Abt stiftlichen Seelsorge verdient. 1607 wurde die Duelacher wurde zum Tochterkloster Wiener Pfarre Gratwein inkorporiert, deren Tochter- Neustadt entsandt37, sein Nachfolger, der Abt kirchen nach und nach mit Reiner Priestern Bartholomäus von Grundegg (1559-1577), besetzt wurden, und 1620 konnte ein viertes engagierte sich für die Einrichtung eines Jesu- Tochterkloster in Schlierbach gegründet wer- itenkollegs in Graz, das später die Priesteraus- den. Gülgers Nachfolger, Abt Blasius Hilzer bildung übernahm. Die Reiner Konventualen, (1629-1643), kümmerte sich in erster Linie um die an diesem Kolleg studierten, wohnten den Ausbau der Klosteranlage. So wurde ein währenddessen im Reinerhof unterhalb des neues Konventsgebäude im barocken Bau- Schloßbergs38. stil errichtet, das statt einem gemeinschaft- Unter Abt Georg Freyseisen (1577-1605) lichen Dormitorium separate Einzelzellen erhielt das Stift den Großteil seines verloren- für die Mönche bereithielt42. Das Gebäude gegangenen Besitzes zurück. Der Einfluss von damals ist bis heute das Wohnquartier des Protestantismus ging allmählich zurück, der Ordensbrüder. Weitere Baumaßnahmen während der Katholizismus zunehmend er- folgten: So wurde 1650 die Klosterkirche neu starkte. Das Amt des Abtes erfuhr in diesem eingerichtet und mit einem barocken Turm Zuge eine Aufwertung, und so kam es, dass gekrönt, 1681 wurde die Sebastianskapelle in Abt Freyseisen neben seinem kirchlichen Amt der Stiftskirche eingerichtet. Vermutlich ent- auch die politischen Ämter als Geheimer Rat, standen auch der Teich in seiner repräsenta- Vizestatthalter und Hofkammerpräsident des tiven Gestaltung und der Renaissancegarten Erzherzogs innehatte39. Im Jahr 1600 wurde (siehe Abb.7-8) Ende des 16./Anfang des 17. Rein eigenständiges Landgericht, erhielt also Jahrhunderts. Auf dem Vischerstich von 1681 die hohe Gerichtsbarkeit40. Für den wirtschaft- (Abb.7) ist außerdem noch der Tiergarten aus lichen Aufschwung des Klosters sorgte 1602 dem 16. Jahrhundert im Hintergrund zu erken- die Verleihung des Bannrechts41. Damit hat- nen. All diese Schmuckanlagen verdeutlichen te das Stift die volle Kontrolle über jegliche die Abkehr der urspünglichen Ordensideale. Handels- und Gewerbetätigkeiten im Bereich Die opulenten Ausbauten im barocken Stil seiner Grundherrschaft. wurden im 18. Jahrhundert fortgesetzt. Unter anderem wurde die alte, nach Osten ausge- richtete Stiftskirche aus dem 12. Jahrhundert zu großen Teilen abgerissen und zu einem 3.11. Die Zweite Blütephase neuen Gotteshaus - mit Ausrichtung gen Wes- ten und einer repräsentativen Fassade zum Mit Anbruch des 17. Jahrhunderts ging es für Tal hin - umgewandelt (siehe Abb 9-10). Ober- das Stift weiter bergauf. Das galt sowohl für halb von Gratwein ließ der Abt Placidus Mally den personellen als auch für den wirtschaftli- (1710-1745) 1744 die Kalvarienbergkapelle chen Bereich. Der damalige Reiner Abt Mathi- bauen, die in ihrer Schlichtheit ein deutliches as Gülger (1605-1628) sorgte für eine steigen- Gegenstück zu den pompösen Sakralbauten de Mitgliederzahl – während seiner Amtszeit dieser Zeit darstellt43. 36 Amon 1979, S. 37 Der Lebensstil der Mönche im Barock ent- 37 Wild OCist. 1979, S. 56 38 Amon 1979, S. 37 sprach kaum noch dem asketischen 39 ebd. 40 Wild OCist. 1979, S. 56 42 Amon 1979, S. 38 41 Amon 1979, S. 37 43 ebd., S. 39 23
Abb.9 Stift Rein vor dem barocken Umbau, Joseph Amonte 1752. Abb.10 Entwurf von Stift Rein nach dem barocken Umbau, Joseph Amonte 1752. 24
Ordensideal. Vielmehr ähnelte er dem des Stiftskirche selbst zur Pfarrkirche. Dennoch gehobenen Bürgertums oder sogar des Adels: sank die Zahl der Geistlichen auf nunmehr Das Essen war gut und reichlich, die Mönche acht Priester im Kloster selbst und 17 Priester erhielten eine Art Taschengeld (Peculium) zu in den Pfarren47. ihrer freien Verfügung, und im Klosterkom- plex wurden immer mehr Räume durch Öfen beheizt44. 3.13. Wiederherstellung, Festigung und 3.12. Die Vierte Krise im Zuge Modernisierung des Stifts der Josephinischen Hatte Abt Abundus Kuntschak (1785-1822) Reformation das Stift Rein über die Zeit der aufkläreri- schen Reformation gerettet, so bemühte sich Nach dieser für das Stift sehr erfolgreichen sein Nachfolger Abt Ludwig Crophius Edler Phase ließ die nächste Krise nicht lange auf von Kaiserssieg (1823-18619) um die weite- sich warten: Ende des 18. Jahrhunderts wurde re Stabilisierung der Ordensgemeinschaft. im Zuge der Josephinischen Reformen (1781- Im Jahr 1834 gehörten zum Reiner Konvent 1790) ein Großteil der Zisterzienserklöster auf- bereits wieder 28 Patres sowie fünf Kleriker gelöst. Das Stift Rein konnte diesem Schicksal in den Pfarren. Im gleichen Jahr überließen zwar entgehen, dennoch hatte es zahlreiche die Ordensbrüder der von Erzherzog Johann Einschränkungen zu erdulden. So verlor Rein gegründeten Steiermärkischen Landwirt- die Paternitätsrechte an seinen Tochterklös- schaftsgesellschaft einen kleinen Teil ihrer tern und wurde dem Bischof von Seckau un- Weingärten in Algersdorf zur Anlage eines terstellt. Die Zahl der Ordensbrüder, vor allem Musterweingartens48. der jüngeren Mitglieder, sank beträchtlich, eine Die weitgreifenden europäischen Revolutionen Aufnahmesperre verhinderte den Eintritt neuer Mitte des 19. Jahrhunderts beeinflussten das Geistlicher in das Kloster. Zisterziensische religiöse Leben im Kloster zwar nur wenig, Traditionen wie die Liturgie und das feierliche wirtschaftlich gesehen kam es im Zuge der Chorgebet wurden in dieser Zeit kaum noch Bauernaufstände 1848 allerdings zu einem durchgeführt. Da die Anzahl der Ordensbrüder entscheidenden Einschnitt: Die Grundherr- zeitweise unter 20 sank, sollte Rein aufgelöst schaft wurde aufgelöst, und infolge dessen werden45. 1790 erbaten die steirischen Stände verlor das Stift viele seiner Güter. jedoch Unterstützung vom neuen Kaiser Le- Hauptaufgabe der Reiner Mönche wurde opld II., dem jüngeren Bruder von Joseph II., nun die Geschichtsschreibung des Stifts. Die um die Schließung der Klöster Vorau, Admont Ausbildung von Priestern wurde dagegen nicht und Rein zu verhindern46. Auch die drohende weiter verfolgt, weshalb es nach wie vor kaum Aufhebung der Wallfahrtskirche in Straßen- Nachwuchs im Konvent gab. gel konnte durch das große Engagement der Die jüngeren Ordensbrüder gerieten darüber Glaubensgemeinschaft verhindert werden. Die hinaus häufig in Konflikt mit den älteren Mön- Seelsorge wurde für das Stift Rein in dieser chen, die nur wenig Reformwillen zeigten. Zeit dagegen sogar erweitert, so wurde die Unter Abt Franz Sales Bauer (1900-1909) 44 Amon 1979, S. 38 45 ebd., S. 39 47 Amon 1979, S. 39 46 Wild OCist. 1979, S. 58 48 Maier 1982 25
konnten die internen Streitigkeiten nicht beige- Abt Kortschak kam den Nationalsozialisten legt werden, und so resignierte er 1909. Der weitestgehend entgegen53. Dennoch wurde neue Abt Eugen Amreich (1912-1931) zeigte das Stift 1941 beschlagnahmt und zeitweise sich moderner und reformwillig. Beispielswei- aufgehoben. Die Kriegsjahre hinterließen deut- se wurde das Kloster mit elektrischem Licht liche Spuren am Kloster, das bis auf die alte ausgestattet49. Sakristei und zwei Räume für den Priester und Wie schon sein Vorgänger, der die Lungenheil- den Mesner komplett zweckentfremdet wurde. stätte in Hörgas gegründet hatte, war auch Abt Um ihre erbeuteten Kunstwerke und Schätze Amreich karitativ tätig und eröffnete weitere vor Luftangriffen zu schützen, nutzten die Nati- Lungenheilanstalten in der gesamten Stei- onalsozialisten das Kloster als Lagerstätte54. ermark50. Auch der nachfolgende Abt Dr. P. Die Stiftskirche wurde zum Beispiel ab 1943 Ernest Kortschak (1931-1945) setzte die mo- zum Depot für die kostspieligen Kostüme des derne Ordensführung zunächst fort. In seine Grazer Theaters55. Amtszeit fiel die Herausgabe des Pfarrblattes Mit dem Ende des Krieges und der damit ein- „Marien-Bote. Nachrichten aus dem Stift und hergehenden russischen Besatzung kam es Dekanat Rein“. Die bis heute bestehende Zeit- in der gesamten Steiermark und somit auch schrift sollte eine breite Leserschaft erreichen im Stift Rein zu Plünderungen und mutwilligen und die Glaubensgemeinschaft erweitern. Die Zerstörungen56. Anzahl der Konventsmitglieder stieg unter Abt Nach dem Kriegsende 1945 musste der Abt Kortschak bis zum Jahr 1936 auf 44 Mitglieder Kortschak wegen seiner Nähe zum Natio- an51. nalsozialismus sein Amt abgeben. Bis 1949 Die wirtschaftliche Situation des Klosters übernahm der Fürstbischof Dr. Ferdinand verschlechterte sich dagegen zusehends. Pawlikowski von Seckau im Auftrag des Große Steuerschulden zwangen das Stift zum Papstes die Stiftsleitung, unterstützt von Abt Verkauf vieler Ländereien und Kostbarkeiten Karl Braunstorfer aus dem Ordenssitz in wie Gemälden, Münzen oder astronomischen Heiligenkreuz. Der damalige Prior P. Sigis- Messgeräten52. mund Mayrhofer griff die Idee des Klosters als Ausbildungsstätte erneut auf und veranlasste die Einrichtung eines Konvikts im Stift Rein. Ab 1949 wurde das Stift vorübergehend vom 3.14. Das Stift zur Zeit des ehemaligen tschechischen Abt Tecelin Jaksch Zweiten Weltkriegs und geleitet. Um die Renovierungsarbeiten an dem vom Krieg stark beschädigten Kloster vor- in den Nachkriegsjahren anzutreiben, veranlasste er den Verkauf des Klosterguts Rohr bei Wildon. Den nächsten Die Machtergreifung durch die Nationalsozi- regulär gewählten Abt erhielt Rein dann nach alisten 1938 läutete auch für das Kloster eine Abt Jakschs Tod im Jahr 1954: Dr. Aelred schwere Zeit ein. Die katholische Kirche in Pexa (1954-1971) legte während seiner Amts- Österreich unter Leitung des Kardinals Erzbi- zeit besonderen Wert auf die Bildungsaufgabe schof von Wien Innitzer unterstützte die neuen des Klosters. Er selbst hatte unter anderem Herrscher in deren Bestrebungen, Österreich auch einen Lehrauftrag an der Theologischen und Deutschland zu vereinen. Auch der Reiner Fakultät der Universität in Graz. In seine 49 Wild OCist. 1979, S. 60 53 Liebmann 1979, S. 255, 256 50 Amon 1979, S. 40 54 ebd., S. 259, 260 51 Liebmann 1979, S. 253 55 Amon 1979, S. 42 52 ebd. 56 Liebmann 1979, S. 261 26
Amtszeit fällt auch die Zusammenlegung bäude erstellt und in Teilen umgesetzt. In die- des Stifts Rein mit dem Kloster Hohenfurt in sem Zusammenhang wurden ebenfalls umfas- Tschechien 195957. sende Forschungen bezüglich der historischen Bausubstanz61. Bei Grabungen in den Jahren 2006 und 2007 wurde in der Marienkapelle das Grab des Stif- 3.15. Das Stift Rein bis heute ters Leopold des Starken, des 1. Landesherrn der Steiermark entdeckt. In den Folgejahren 1971 wurde der vormalige Prior P. Paulus wurden sämtliche Pretiosen inventarisiert und Rappold zunächst für zwei Jahre zum Admi- in stiftseigenen Räumlichkeiten deponiert, die nistrator und anschließend zum Abt des Stiftes historischen Säle wurden renoviert und der gewählt. Er wollte, dass die Kirche nicht länger Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Überhaupt eine herrschende Institution war, sondern sich ist das Stift in den letzten Jahren um einen vielmehr in den Dienst der Menschen stellte. regen Austausch mit der zivilen Gesellschaft Abt Rappold verfolgte drei große Ziele: Ers- bemüht und erfüllt seine Aufgabe als kulturel- tens wollte er die wirtschaftliche Situation des les Zentrum mit großem Eifer. Der Ordenssitz Klosters wieder stärken. Zweiter Punkt auf ist Veranstaltungsort von Konzerten, Theater- seiner Agenda war für ihn die Förderung des aufführungen, Lesungen und Vorträgen sowie Nachwuchses. Als dritten Schwerpunkt hatte Ausstellungen zeitgenössischer Künstlerinnen er es sich zur Aufgabe gemacht, das Kloster und Künstler. Regelmäßge Veranstaltungen wieder mit mehr Leben zu erfüllen58. Es ge- wie die dreiwöchige „Künstlerklausur“ oder lang Rappold tatsächlich, das Kloster sowohl die „Sommerakademie Rein“ haben darüber personell als auch wirtschaftlich zu stärken. hinaus für einen Anstieg der jährlichen Besu- Das Hochwasser im Jahr 1975 bedeute zwar cherzahlen auf etwa 12 000 gesorgt. einen herben Rückschlag für die Aufbauarbei- 2014 konnte unter Abt Christian Feurstein ten am Klosterkomplex, dank seiner großen (2010-2015) die aufwendige Innenrenovierung Beliebtheit bei der Bevölkerung erhielt der Abt der Basilika und der angrenzenden Kapellen jedoch tatkräftige Unterstützung beim Wieder- abgeschlossen werden. Das große Interesse aufbau. Auf diese Weise konnte der zerstörte der Ordensmitglieder an der Erforschung und Kirchturm wieder hergestellt werden, darüber Erhaltung ihres Klosters zeigt sich auch an hinaus ließ Abt Rappold die Räumlichkeiten der Unterstützung zahlreicher wissenschaft- im Kloster für das Gymnasium ausbauen und licher Arbeiten zu diesen Themen. Auch um erweitern59. die Konservierung und den Wiederaufbau Weitere Modernisierungsarbeiten wurden von der wertvollen Stiftsbibliothek kümmern sich Abt Petrus Steigenberger (1996-2008) initiiert. die Ordensbrüder durch Ankäufe historischer Im Jahr 2002 wurden die Mönchszellen des Archivalien bei den Staatsarchiven oder die neuen Konvents aus den Jahren 1629-32 mo- Initiative „Reiner Bücher suchen Paten“. dernisiert. Eine Studie in Zusammenarbeit mit Derzeit richtet sich die Aufmerksamkeit auf die dem Bundesdenkmalamt Graz gab 2004 den Umsetzung der noch ausstehenden baulichen Anstoß zu Generalrenovierungs- und -sanie- und konvservatorischen Tätigkeiten, da das rungsmaßnahmen60. Etwa zeitgleich wurde ein Stift im Jahr 2029 als ältestes Zisterzienser- neues Nutzungskonzept für die Konventsge- kloster der Welt sein 900-jähriges Jubiläum 57 Amon 1979, S. 42 feiert. 58 Müller 1979, S. 449 59 Wild OCist. 1979, S. 62 61 vgl. Zisterzienserstift Rein, Bundesdenkmalamt Graz 60 Bouvier 2004 2003 27
4 . P r ä g e n d e E i n f l u s s f a k t o r e n u n d E l e m e n t e d e r z i s t e r z i e n s i s c h e n Klosterlandschaft Prägende Einflussfaktoren klügelte Systeme, die das Kloster mit fließen- Klostergründungen trugen in ganz Mitteleuro- dem Wasser versorgten und das Abwasser pa einen bedeutenden Teil zur Neubesiedlung direkt wieder vom Kloster ableiteten. Zum bei, vor allem in Richtung Osten. Die Zister- anderen nutzten sie die Fließgewässer für die zienser bevorzugten bei der Gründung neuer Anlage von Fischteichen und das Betreiben Ordenssitze gemäß ihrer Glaubensgrundsätze von Mühlen sowie die Bewässerung trockener bewaldete Standorte fernab der Zivilisati- Flächen oder auch für die Trockenlegung po- on62. Mit der Erwerbung der Grundherrschaft tentieller Ackerflächen. Auch in Rein schufen gingen gleichzeitig die Rechte auf Wald, Jagd die Mönche eindrucksvolle Wasseranlagen, und Fischerei an das Kloster, während Acker- um die Wasserkraft aus den Fließgewässern, bau und Viehzucht auch von den Untertanen die das Klostergebiet durchziehen, optimal für betrieben werden durften63. Der Wald war für ihre Zwecke zu nutzen. die Mönche ein wichtiger Rohstofflieferant für Regelmäßige Treffen der Ordensvertretun- Bau- und Brennholz und wurde zudem als gen aus ganz Europa sowie gegenseitige Waldweide genutzt. Durch die umfangreichen Besuche ermöglichten einen regen Erfah- Rodungsmaßnahmen erschlossen die Or- rungs- und Meinungsaustausch zwischen den densbrüder bis dahin unzugängliche Areale. Zisterziensermönchen. Dadurch konnten die In Rein, das von dichten Wäldern umgeben Erkenntnisse über besondere Bau- und Wirt- war, trugen sie auf diese Weise entscheidend schaftsweisen stetig weiterentwickelt werden. zur Kultivierung der Landschaft bei und schu- Zu diesem Fachwissen gehörten der bereits fen Voraussetzungen für die Besiedlung und genannte Wasserbau, der Waldbau, aber auch Bewirtschaftung neuer Flächen. Wichtig bei Methoden des Bergbaus oder der Anlage von der Standortwahl für die Klosterneugründung Sonderkulturen wie beispielsweise Wein, was war außerdem der Zugang zu einem Fließ- vor allem den Reiner Ordensbrüdern zugute- gewässer als Frischwasserquelle und für die kam. Nutzung der Wasserkraft. Die Zisterzienser Wirtschaftliche Schwerpunkte des Reiner waren Meister darin, sich letztere zunutze zu Klosters waren die Holzgewinnung aus den machen64. Sie entwickelten zum einen ausge- umgebenden Wäldern, der Getreideanbau und 62 Küster 2013, S. 233-235 die Viehhaltung sowie der Weinanbau und – 63 Brandtner 2008, S. 27 64 Tremp 1997, S.21 zumindest im ersten Jahrhundert – der Handel 29
mit Salz. Die vielen Fischteiche legten die Or- zu entgehen65, denn als Laienbrüder waren densbrüder in erster Linie für den Eigenbedarf sie den Mönchen gesellschaftlich nahezu an, da gemäß den Ordensregeln der Verzehr gleichgestellt und verfügten daher auch über von Fleisch verboten war. Bis heute sind die persönliche Freiheiten bezüglich ihrer Le- künstlichen Gewässer zum Großteil vorhan- bensplanung. In manchen Dingen führten sie den, die meisten werden auch weiterhin als ein scheinbar angenehmeres Leben als die Fischgewässer genutzt. Auch der Klosterwald Chormönche. Sie mussten lediglich einmal wird nach wie vor bewirtschaftet und ist heute am Tag am Gebet teilnehmen und durften wie damals die wichtigste Einkommensquelle aufgrund der harten körperlichen Arbeit auch des Stifts. Er entspricht in seinen Umrissen in in Maßen Fleisch verzehren66. Die Zisterzien- etwa dem historischen Klosterwald. ser waren beim Volk wegen ihrer asketischen An nahezu allen südexponierten Hängen in- Lebensweise ebenso wie ihrer erfolgreichen nerhalb der Grundherrschaft wurden Weingär- Wirtschaftsführung hoch angesehen. Verstärkt ten angelegt. Auch weiter entfernt, bei Graz, durch das immense Bevölkerungswachstum Wien und im heutigen Slowenien, besaßen im 12. Jahrhundert, war der Zugewinn an die Reiner Mönche Weinanbaugebiete. Diese Laienbrüdern und weltlichen Lohnarbeitern, Sonderkultur erwies sich für die Ordensbrüder die ihre Arbeitskraft in den Dienst des Ordens als sehr einträglich. Da sie weit mehr produ- stellen wollten, in den ersten Jahrzehneten zierten, als sie selbst verbrauchen konnten, enorm. Die Klosterwirtschaft konnte so zu gro- betrieben sie mit den Überschüssen einen ßen Teilen auf dem Konversentum aufbauen. regen Handel. Wie stark diese Abhängigkeit war, wurde nach Grangien, wie sie für den Orden der Zister- dem starken Rückgang der Laienbrüder durch zienser typisch waren, finden sich nur noch Abwanderung in die Städte und die verhee- rudimentär in der hier untersuchten Kultur- renden Pestepidemien klar: Bereits hundert landschaft. Diese speziellen Wirtschaftshöfe Jahre nach der Klostergründung mussten die wurden von den Mönchen selbst oder, wenn Mönche zur Verpachtung ihrer Güter überge- sie in größerer Distanz zum Kloster lagen, von hen, obwohl sie diese Art der Wirtschaftsfüh- Laienbrüdern und Lohnarbeitern betrieben. rung eigentlich ablehnten. Die Einführung der Da die Zisterzienser in Rein nur in den ersten Geldwirtschaft und die Entwicklung der Städte hundert Jahren über ausreichend Arbeits- zu wichtigen Handelszentren im 12. und 13. kräfte in Form von Konversen oder weltlichen Jahrhundert wirkten sich auch auf die Klos- Arbeitern verfügten, gingen sie schon bald terwirtschaft aus. Die Ordensbrüder beteilig- zur Verpachtung ihrer Güter an sogenannte ten sich am städtischen Handelsgeschehen Zinsbauern über. Aus vielen dieser Grangien durch die Errichtung eigener Kaufhäuser oder entstanden später Ortschaften oder kleinere sogenannter Stadtgrangien. So konnten sie Ansammlungen von Gehöften, die den ver- den Kontakt zu weltlichen Bürgern auf ein pachteten Klosterbesitz unter sich teilten. Da notwendiges Minimum reduzieren, ihre Waren die Chormönche mehrmals täglich zur Liturgie aber erfolgreich absetzen. Die begehrtesten verpflichtet waren, war es ihnen aus zeitlichen Klostergüter waren Wein und Salz, darüber Gründen gar nicht möglich alle Arbeiten selbst hinaus aber auch Gebrauchsgegenstände und zu erledigen. Die Konversen hatten hingegen Werkzeuge sowie Kleidung. Im Reiner Hof in einen weniger streng geregelten Tagesablauf. Graz gründete die Ordensgemeinschaft sogar Viele von ihnen arbeiteten im Dienste des eine eigene Firma mit Namen „Zur grauen Ordens, um ihrem Schicksal als Leibeigener 65 Tremp 1997, S. 29-33 66 Sydow 1989, S. 56 30
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