Unterwegs - Samariteranstalten Fürstenwalde
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Unterwegs DIE ZEITSCHR IFT DER SAMARITE RANS TA LT E N elio.de uschi dreiucker / pix Gastkommentar Gabi Moser – Mitarbeiterin der Ev. Jugendarbeit im Kirchenkreis Oderland-Spree Korczak-Schule Aufbruch in die Pädagogik des 21. Jahrhunderts Unterwegs mit... ... Ulrike Menzel – 02 2019 Theologischer Vorstand der Samariteranstalten ab 1. September
INHALT Einblicke TITELTHEMA 4 Aufbruch - Mitarbeitervertretung 6 Gastkommentar: Gabi Moser 8 Text in „Leichter Sprache“ 9 Katharina von Bora-Haus 10 Christophorus-Werkstätten 6 9 12 Burgdorf-Schule MITTENDRIN – DIE BEwOHNERSEITEN 15 Aufbruch 19 Aus den Bereichen: Verwaltung 20 Korczak-Schule 12 23 Aus den Bereichen: Erwachsenenwohnbereiche 24 So bunt ist unser Glaube 26 Katharina von Bora-Haus 27 Glaubensbekenntnis heute 16 28 Gemeinnützige aufwind GmbH 20 UNTERwEGS MIT... 30 ... Ulrike Menzel, Theologischer Vorstand der Samariteranstalten 22 28 30 2 UNTERwEGS 2/2019
DIE SEITE DREI ...wer aufbricht, der kann hoffen Liebe Leserin, Lieber Leser, Bei dieser Zeile fange ich spontan an zu „Vertraut den neuen Wegen, auf die der macht. Hinter allem, was uns Menschen summen. „Vertraut den neuen Wegen“ – Herr uns weist, weil Leben heißt: sich gelingt und worin wir scheitern, erwartet das Lied mit dieser Zeile liebe ich. Und regen, weil Leben wandern heißt.“ Das uns Gott mit seiner Zukunft. Was wir ge- ich finde, es passt wunderbar zu dem passt zu meiner persönlichen Situation. meinsam für eine gute Zukunft der Sa- Neuanfang, den wir in den Samariteran- Ich stand schon einige Male vor neuen mariteranstalten gestalten werden, sind stalten durch den Wechsel im theologi- Wegen und landete anderswo, als ich mir Stationen dem hellen, weiten Land Got- schen Vorstand nun gemeinsam gestal- vorher gedacht hatte. Doch es wurde tes entgegen, in dem alle Menschen will- ten. Der Theologe Klaus-Peter Hertzsch immer gut. Ich fühlte mich bald am rech- kommen sind. Darauf können wir dichtete „Vertraut den neuen Wegen“ ten Fleck und so gebraucht, wie ich bin. vertrauen und gemeinsam die Herausfor- 1989 zu einer Hochzeit im August. Die Mein Konfirmationsspruch zieht sich wie derungen anpacken, die sich in den Sa- Gäste nahmen die abgezogenen Lied- ein roter Faden durch mein Leben: „Des mariteranstalten Tag für Tag und in den blätter in ihre Gemeinden mit und sangen Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg, nächsten Jahren stellen. das Lied dort weiter. „Vertraut den neuen aber der Herr allein lenkt seinen Schritt“ Wegen“ tat in der Unruhe und den Äng- (Sprüche 16,9). Die interessanten Perspektiven in diesem sten 1989 in der DDR gut und bestärkte Heft regen an und ermutigen zum Auf- in der Aufbruchsstimmung, die zur fried- Nun bin ich in den Samariteranstalten an- bruch. Ich danke der Redaktion für die lichen Revolution vor 30 Jahren führte. gekommen und gespannt auf die neuen guten Ideen und die Mühe und wünsche Wege mit Ihnen allen. Ich freue mich dar- allen viel Freude beim Lesen! „… wer aufbricht, der kann hoffen …“ auf, Sie kennenzulernen und zu entdek- Das erleben wir persönlich jeden Tag. ken, was Gott mit uns gemeinsam vorhat. Ihre Wenn wir nach dem Aufwachen liegen- Mitten in dem, was Menschen in die bleiben würden, könnten wir die Erfah- Wege leiten und entscheiden, glaube ich rungen des Tages nicht machen. Wir auch Gott am Werk. Denn Gott selbst ist Pfarrerin Ulrike Menzel brechen auf – äußerlich und innerlich. aufgebrochen. Er ist in Jesus Mensch ge- Wir hoffen darauf, gut durch den Tag zu worden, um unser Leben bis in die letzte kommen, Neues zu lernen, Herausforde- Konsequenz zu teilen und allen Men- rungen zu bewältigen, mit manchem bes- schen befreiend nahezukommen. Damit ser fertig zu werden als gestern. An ging Gott neue Wege. So radikal mensch- manchen Tagen fällt das Aufbrechen lich wurde noch nie ein Gott erlebt und leichter als an anderen. Das liegt daran, geglaubt. „Er selbst kommt uns entge- was wir für den Tag erhoffen oder be- gen. Die Zukunft ist sein Land. Wer auf- fürchten. Hoffnungen beflügeln, Ängste bricht, der kann hoffen in Zeit und lähmen. Vertrauen ist nötig, um aufzu- Ewigkeit. Die Tore stehen offen. Das brechen. Denn niemand weiß beim Auf- Land ist hell und weit.“ Diese herrliche brechen, ob sich die Hoffnungen oder Perspektive kann uns helfen, nicht in Befürchtungen erfüllen werden. dem stecken zu bleiben, was uns Sorgen UNTERwEGS 2/2019 3
TITELTHEMA Aufbruch... … darin steckt Neugier, Energie, Hoffnung, Mut und Vertrauen, aber auch das wort „Bruch“. E twas geht zu Ende, möglicherweise kaputt. Unsicherheit, Ängste und Zweifel sind keine seltenen Begleiter von Nicht selten steckt in einem Aufbruch der Wunsch nach Veränderung. Oft sind es Notlagen, Situationen der Unzufrieden- Aufbrüchen. Es schwingt Trauriges und heit, der Stagnation im privaten oder be- Endgültiges mit, vielleicht das Loslassen ruflichen Umfeld oder einfach, wenn von etwas Wertvollem oder Liebgewon- eine Lebensphase die nächste abwech- nenem. Aufbruch kann Abschied bedeu- selt. Aufbruch bedeutet Veränderung. ten oder Neuanfang. Jeden Morgen brechen wir auf: …in den neuen Tag, ins Leben, zu unseren Aufga- Was heißt nun Aufbruch? Wann ist ein ben, zu vertrauten oder zu neuen Zielen. Aufbruch erforderlich oder sinnvoll? Wir sind von kulturellen und gesell- Wohin führt er? Wer bricht mit wem zu schaftlichen Aufbrüchen geprägt. Jeder welchem Ziel auf und warum? Wie ist von uns hat seine persönlichen Aufbrü- die Ausgangslage? Welche Vorbereitun- che. Die Frage ist, wie wir damit umge- gen müssen getroffen werden? Was hen. Gestalten wir sie aktiv mit? Lassen bleibt zurück? Jeder setzt dabei seine ei- wir zu, dass andere sie für uns gestalten? genen Prioritäten. Manchmal bleibt keine Zeit, sich auf einen Aufbruch vorzubereiten, wenn zum Beispiel Naturkatastrophen über uns her- Die gute alte Zeit einbrechen. Wenn wir in die krisen- und wir sollten uns hüten vor der hinterlistigen Vergangenheit, sie will uns kriegsgeschüttelten Regionen und Län- unbedingt festhalten im großzügig angelegten Käfig angenehmer der der Welt schauen, ist die Motivation Erinnerungen und Gewohnheiten. nicht schwer nachzuvollziehen, weshalb viele Menschen ihre Heimat und alles, Sie will, daß wir ihr die Treue halten für alle Zeiten, was sie damit verbindet, verlassen. Die sie verklären und verherrlichen. Menschen hegen mit ihrem Aufbruch die Hoffnung auf bessere Zustände. Das gibt Sie will uns abhalten vom Aufbruch in das verheißungsvolle Land Zukunft, ihnen die Kraft, sich – oft unter Lebens- will uns fesseln an das Bekannte und Bewährte. gefahr – auf den Weg zu machen. In unserem Land, in unserer Stadt und in wir sollten uns hüten vor der guten alten Zeit, sie stiehlt uns sonst den Samariteranstalten sind wir in der eine ganze Menge Leben. glücklichen Lage, unsere Aufbrüche unter weniger dramatischen Bedingun- © Irmgard Adomeit, 2015, Aus der Sammlung Gott und die welt, Ernst Ferstl, gen gestalten zu können. Und doch tun https://www.aphorismen.de/suche?text=die+gute+alte+zeit&autor_quelle=Ernst+Ferstl wir uns bisweilen schwer damit. Es scheint dann fast so, dass wir Verände- 4 UNTERwEGS 2/2019
TITELTHEMA Aufbruch Alles hat stets seine Zeit. Mensch! wage es und sei bereit, tapfer deinen weg zu gehen und mutig nach vorne zu sehen! Der Mensch, der neuen Raum betritt mit vertrauensvollem Schritt, dem Neuen ruhig entgegensieht, erlebt, daß überall Freude blüht. Gehe über die Schwelle heiter, blick nicht zurück, die Reise geht weiter. Der Tag hat erneut viel Schönes bereit. Öffne die Augen gespannt und weit! Bleib nicht so sehr am Alten hängen, will der Abschied auch bedrängen. Laß loß! Gott geht dir immer voraus. Nirgendwo ist hier dein Haus. Alles Leben ist in guten Händen, und des Lebens Rufen wird nie enden. Alles jedoch hat stets seine Zeit. Zum Aufbruch drum, sei gerne bereit. © Irmgard Adomeit, 2015, Aus der Sammlung Gott und die welt https://gedichte.xbib.de/Adomeit%2C+Irmgard_gedicht_Aufbruch.htm rungen fürchten und es fällt uns mitunter Wo begegnet uns das Thema „Aufbruch“ sich Dinge verändern. Mögliche Ängste nicht leicht, Gewohntes abzulegen. – im Kleinen oder Großen – in den Sa- und Widerstände können reduziert oder mariteranstalten? Zunächst immer dort, gänzlich abgebaut werden. Letztendlich Was bedeutet Aufbruch für die Sama- wo Menschen sind, die sich auf verän- würde sich solch eine Vorgehensweise riteranstalten? Seit ihrer Gründung im derte Situationen einstellen müssen. Das positiv auf das Miteinander im Lebens- Jahr 1892 ist es den Samariteranstalten können Klienten sein, die zum Beispiel und Arbeitsalltag der Menschen in den gelungen, gemäß ihrer Satzung, die Be- von zu Hause in einen Wohnbereich oder Samariteranstalten auswirken. treuung von Menschen sicherzustellen. innerhalb der Samariteranstalten umzie- Durch die unterschiedlichen wirtschaft- hen. Das können Mitarbeiterinnen oder Wie Aufbrüche ganz real und im Alltag lichen und politischen Voraussetzungen Mitarbeiter sein, die neu zu uns kommen aussehen können, hängt immer auch in den mehrfach wechselnden gesell- oder in einen anderen Arbeitsbereich davon ab, welcher Anlass zugrunde liegt. schaftlichen Systemen mussten und müs- wechseln. Ganz konkret wären da zum An dieser Stelle kann jeder mutig eigene sen sich die Samariteranstalten immer Beispiel Leitungswechsel in verschiede- Ideen in seinem Bereich entwickeln. So wieder neu erfinden und sind sich den- nen Bereichen zu nennen, die in den letz- könnten durch Ihr Engagement Aufbrü- noch in ihrer Bestimmung treu geblieben. ten Monaten erfolgten. Zurzeit erleben che und Übergänge mit Herz achtsam ge- wir gerade die Übergabe des Staffelsta- staltet werden. Damit das so bleibt, ist eine hohe Flexi- bes auf der Vorstandsebene und in der bilität aller Mitarbeiterinnen und Mitar- Schulleitung der Burgdorf-Schule. Wir Ein Sprichwort sagt: „Wer aufbricht, beiter erforderlich. Es braucht eine hohe verabschieden im September Herrn kommt auch an.“ Wichtig ist die Ent- Aufmerksamkeit und Achtsamkeit nach Voget nach 17-jähriger Tätigkeit in den scheidung zum Aufbruch. Das erfordert innen und außen, um sich bewusst zu ma- Samariteranstalten aus dem aktiven Ar- Mut und manchmal auch Risikobereit- chen, wo wir stehen (wollen) in der Ge- beitsleben. Gleichzeitig begrüßen wir schaft. Aufbruch und Veränderung bleibt sellschaft. Frau Menzel, die die Funktion des Theo- ein immerwährender Prozess, bei dem es logischen Vorstandes übernehmen wird. darum geht, zu gegebener Zeit einen Per- Was können oder müssen wir als Dienst- Hier sind Aufbrüche und Umbrüche spektivwechsel vorzunehmen und – wo leister tun, um den sich ständig wandeln- spürbar im Sinne von Übergängen. Sie es angebracht ist, sich von Altem zu tren- den gesellschaftlichen und finanziellen brechen nicht plötzlich über uns herein, nen und Neues zu wagen. Bedingungen Rechnung zu tragen. An sondern stellen Prozesse dar, die transpa- Gerd Gesche welcher Stelle sind Aufbrüche sinnvoll, rent gestaltet wurden. nötig oder sogar unvermeidbar? Was sollte sich zum Besseren verändern? Wo Je besser es gelingt, solche Aufbrüche gibt es gute Traditionen im Umgang mit auch im alltäglichen Leben in den Sama- Aufbrüchen und Veränderungen? Was in riteranstalten als Übergänge transparent den Samariteranstalten ist gut gewach- für die betroffenen Menschen zu gestal- sen? Was ist zufriedenstellend, kann so ten, umso leichter können Klienten, Mit- bleiben? Nicht alles muss neu erfunden arbeiterinnen und Mitarbeiter nachvoll- werden. ziehen und verstehen, wie oder warum UNTERwEGS 2/2019 5
GASTKOMMENTAR Zwischen Aufbruch und Verzweiflung Flucht ist für Menschen, die einen Ort, ihre Familie und ihr Heimatland gegen ihren willen verlassen müssen, ein wechselbad zwischen Aufbruch und Verzweiflung. Vor dem Gefühl eines persönlichen Aufbruchs dominiert über eine längere Zeit zunächst die pure Verzweiflung. T iefste Verzweiflung und Trauer, lieb- ste Menschen verloren zu haben. Verzweiflung darüber, dass die Nachbar- denkt sich der junge Syrer, während er in seiner Muttersprache mit Gedichten und kleinen Versen sich die Trauer von der schaft, das eigene Haus, das ganze Dorf Seele schreibt. Während die Musik von in Schutt und Asche liegt durch Bomben Fayrouz und Oum Kulthum, der Geruch und der Weg zurück versperrt scheint. Ver- von Manakish, das Shisha Rauchen und zweiflung darüber, dass man sein Studium die Gemeinschaft mit anderen verzwei- abbrechen musste, kurz vor der Beendi- felten Landsleuten ihm Trost spendet. gung, weil der junge syrische Student zum Militär eingezogen werden sollte und es „Kirche, Kirsche, Küche – das klingt drohte, dass er auf Landsleute schießen alles gleich“. Im Integrationskurs lachen muss. Es blieb ihm nur die Flucht, wäh- sie über einen Witz, der die Runde macht, rend andere bleiben müssen, und der Dik- während vorsichtig die ersten zaghaften tator sich Land und Leute gefügig bombt. Kontakte zu Deutschen aufgenommen Dabei war ein gesellschaftlicher Auf- werden: Ein Syrer steigt in ein Taxi. Der bruch und das Ende der Diktatur im Hei- Taxifahrer fragt kurz angebunden: „Wo- matland zum Greifen nah. Es folgt die hin?“ Der Syrer antwortet prompt und verzweifelte Sorge und Angst um die An- ohne nachzudenken: „Akkusativ“. gehörigen, die zurückblieben, und wei- terhin um ihr Leben bangen, in den Biblisch betrachtet hat Flucht ebenfalls Bombennächten. Schuldgefühle plagen viel mit Aufbruch zu tun. Flucht kann ihn: werde ich meinen Vater und meine Menschen neue Wege zeigen, die sich für Mutter gesund wiedersehen können? sie öffnen. Durch Flucht bricht etwas auf. Meine Geschwister, meine Freunde? Bewegung kommt ins Leben und es er- Meine Liebste, die ich verlassen musste? öffnen sich neue Sichtweisen, vielleicht auch Lösungen und Chancen. Alles hat Wut wechselt sich mit Verzweiflung auch seine Zeit, der persönliche Aufbruch im sicheren Deutschland ab: diese ver- auch – und so erlebe ich jetzt, 3 Jahre maledeite und komplizierte deutsche nach der großen Fluchtbewegung, dass Sprache – „die werde ich nie lernen“, sich bei vielen Geflüchteten trotz ihrer Fürstenwalde ist für Brandenburger Verhältnisse sensationell interkulturell gut aufgestellt. 6 UNTERwEGS 2/2019
GASTKOMMENTAR weiterhin bestehenden Sorgen etwas Ent- nicht allen gefallen, aber wenn wir den ZUR PERSON scheidendes geändert hat: der Kopf ist „Aufbruch“ Schutzsuchender ernstneh- viel mehr im Hier und Jetzt…. Und nicht men und wollen: dies ist keine Einbahn- mehr nur zur Hälfte in Fürstenwalde und straße, ebenso wenig wie es die zur anderen Hälfte im Heimatland, in Ge- Bemühungen um die Integration ist. Des- danken bei den zurückgelassenen Lieb- halb: wie wäre es, wenn Sie selber „auf- sten. Um das Positive in dem Status brechen“, neue Wege beschreiten und „Flucht“ wahrnehmen zu können, muss diesen Geschäften – falls noch nicht der Kopf frei sein. Um ein positives Ge- getan – auch mal einen Besuch abstat- fühl in Bezug auf „Aufbruch“ zu erleben, ten?? Es lohnt sich, versprochen! brauchen Schutzsuchende das Gefühl von persönlicher Sicherheit, das Erleben Mahatma Gandhi hat zum Thema „Auf- von Respekt, Empathie statt Menschen- bruch“ gesagt: „Sei Du selbst die Verän- feindlichkeit, das Miteinander Lachen derung, die Du Dir wünschst für diese und verlässliche Freunde…. Welt“. Und so haben viele der in den letz- Gabi Moser ten 3 Jahren zu uns gekommenen Schutz- Jahrgang 1963; geboren in Österreich; Immer mehr Neu-Angekommene lassen suchenden hart für und an ihrem persön- Sozialpädagogin und Krankenschwester sich nicht beirren und gestalten ihren per- lichen Aufbruch gearbeitet. Die ersten sönlichen „Aufbruch“ mit allen Sinnen schließen ihre Ausbildungen ab oder 1989 in spannenden Zeiten zum Studie- und viel Energie. Wenn die Verzweiflung haben angefangen zu studieren. Andere ren nach Berlin gekommen in Fürsten- hinter sich gelassen werden kann und haben – sich wieder sicher fühlend – ge- walde Freunde, Arbeit und Raum für nicht mehr jedes Wort auf Deutsch über- heiratet und Familien gegründet. Wie- Engagement gefunden, seit 2007 Mitar- legt werden muss vor dem Sprechen – derum andere leiden sehr unter ihren beiterin der Ev. Jugendarbeit im Kir- dann kann die Energie fließen. Haben Sie Kriegs-, Folter- und Fluchterlebnissen, chenkreis Oderland-Spree, Faible fürs schon bemerkt, wie viele neue Geschäfte sind depressiv, fühlen sich gelähmt. „Die Vernetzen von Kirche und Kommune im es in Fürstenwalde gibt, deren Inhaberin- deutschen Worte fallen aus dem Kopf“ – ländlichen Raum rund um Fürsten- nen und Inhaber einen sogenannten so beschrieb ein traumatisierter Jugend- walde, wünscht sich mehr Empathie, „Fluchthintergrund“ haben?? Der Imbiss licher seine Schwierigkeiten mit dem eine klarere Haltung der Offenheit und in der Bergstraße, wo es mittags bis 16 Deutsch lernen. Manchen der Jugendli- mehr freundliche Neugier gegenüber Uhr Manakish - kleine levantinische Piz- chen und jungen Erwachsenen fehlt die zugewanderten Menschen zen – gibt. Die Barbershops, die rund um Struktur der Familie, die organisatorische die Eisenbahnstraße aus dem Boden ge- Hand der Mutter – die sie schrecklich schossen sind und die auch zunehmend vermissen. Sie alle brauchen noch Zeit von deutschen Männern genutzt werden. um im positiven Sinne „aufbrechen“ zu Das Café „Alefgan“ in der nördlichen Ei- können, um stabil zu werden, damit sie senbahnstraße, das mit arabischen Sü- ihr Leben wieder selbst gestalten und ßigkeiten, Kaffee und Kuchen aufwartet. selbst bestimmen. Sie sind noch nicht so Die Lebensmittelläden, betrieben von weit, den Prozess für ihren Aufbruch und Arabern und Kurden – wo es genug Pe- ihre Veränderungen selbst in die Hand zu tersilie für den Tabouleh Salat gibt…. nehmen. Seien Sie geduldig, hören Sie zu Der syrische Imbiss im Wasserturm am und lassen Sie den Schutzsuchenden Bahnhof… usw. Fürstenwalde ist für Zeit. Zeit heilt die Wunden. Alles hat Brandenburger Verhältnisse sensationell seine Zeit: auch der persönliche Auf- interkulturell gut aufgestellt. Ich finde bruch und das Ja-Sagen zu unserer Ge- das wunderbar. Aufbruch und Verände- sellschaft. nächste Seite: rung an allen Ecken und Enden. Das mag Gabi Moser Text in leichter Sprache UNTERwEGS 2/2019 7
Zwischen KATHARINAAufbruch und Verzweiflung VON BORA-HAUS Flucht bedeutet, dass Menschen zum Beispiel: Wenn sie in Deutschland sind lernen sie deutsch. • Einen Ort Wenn sie deutsch sprechen können machen manche • Ihre Familie Menschen einen Laden auf. • Ihr Land Zum Beispiel gibt es in Fürstenwalde viele Läden verlassen müssen, obwohl sie das gar nicht wollen. die von geflüchteten Menschen aufgemacht wurden. Wenn man flieht hat man viele Gefühle. Zum Beispiel: Man kann verzweifelt sein. • Es gibt in der Bergstraße Manakish. Das bedeutet, Das ist eine kleine syrische (gesprochen: sürische) dass man nicht mehr weiß was man machen soll. Pizza. Man ist verzweifelt und traurig wenn man flieht. • Es gibt einen Barber-Shop. Weil man zum Beispiel: Das ist ein Friseur. • Liebe Menschen verloren hat. • Es gibt das Café Alefgan in der Einbahnstraße. • Die Nachbarschaft verliert. Dort gibt es arabische Süßigkeiten, • Der ganze Ort im Krieg zerstört wurde. Kaffee und Kuchen. • Man nicht weiter zur Schule gehen kann. • Es gibt auch Lebensmittel-Läden die von geflüchteten Menschen eröffnet werden. In manchen Ländern ist Krieg, • Es gibt noch vieles mehr in Fürstenwalde, dann müssen die Menschen fliehen. was geflüchtete Menschen eröffnet haben. Wenn sie nicht fliehen, müssen die Männer zur Armee und kämpfen. Jeder kann in diese Läden gehen – Versuchen Sie es Wenn sie nicht fliehen, doch auch einmal. werden die Menschen angegriffen. Wenn man flieht hat man auch Angst und große Sorge. Mahatma Gandhi war ein sehr bekannter Mann. Zum Beispiel: Er hat für Gerechtigkeit gekämpft. • Um die Menschen die noch dageblieben sind. Mahatma Gandhi hat einmal gesagt: • Um die Familie, die nicht fliehen konnte. „Sei du selbst die Veränderung, • Um die Freunde, die nicht fliehen konnten. die Du Dir wünschst für die ganze Welt“. Manchmal ist man dann auch wütend, In den letzten 3 Jahren sind viele Menschen wenn man in einem neuen Land ist. nach Deutschland geflohen. Dann muss man eine neue Sprache lernen. Viele Menschen leben jetzt hier. Zum Beispiel müssen die Menschen Einige haben eine Ausbildung angefangen und die nach Deutschland kommen deutsch lernen. sind schon fast fertig. Deutsch ist eine sehr schwere Sprache. Einige haben neue Freunde kennen gelernt. Einige haben eine neue Familie gegründet. In der Bibel wird schon über Flucht geschrieben. Einige leiden sehr unter dem Erlebtem in eigenem In der Bibel steht, Land. dass Flucht den Menschen neue Wege zeigt. Einige lernen die deutsche Sprache nur sehr langsam. In der Bibel steht, dass Flucht Einigen fehlt die Familie sehr. auch eine Lösung und eine Möglichkeit sein kann. Sie brauchen einfach mehr Zeit Um bei Flucht auch an etwas Guten zu denken, um auch das Gute an der Flucht zu sehen. muss man sich konzentrieren. Dafür brauchen sie auch Unterstützung. Alles hat seine Zeit, Wenn man flieht ist man in Sicherheit. auch dass man sich in Deutschland wohlfühlen kann. Wenn man flieht lernt man nette Menschen kennen. Mario Stein Wenn man flieht bekommt man Respekt. Wenn man flieht hat man neue Möglichkeiten. Wenn man flieht kann man auch wieder Lachen und neue Freunde finden. Viele Menschen die nach Deutschland fliehen, leben gern in Deutschland. 8 UNTERwEGS 2/2019
KATHARINA VON BORA-HAUS Umbrüche und Aufbrüche Immer wieder brechen wir Menschen auf, weil wir uns an Veränderungen anpassen müssen oder weil wir Veränderungen erreichen wollen. weil wir unzufrieden oder neugierig sind, weil wir vertrieben werden oder flüchten müssen. D er 8. Mai 1945 – für diejenigen, die dieses Datum erlebt haben, ist die- ses ein Bedeutendes. Für die einen ver- zu brauchen angefreundet. Sie haben Vor- und Nachteile abgewogen, Einrich- tungen verglichen und überlegt, wie sie klar ist und wir es geschafft haben auf- zubrechen, uns zu bewegen, brauchen wir auch immer wieder mal eine Pause, bindet sich damit die Kapitulation, der ihr Zimmer einrichten können. Sie sind Zeiten der Stabilität und Konsolidierung. Zusammenbruch. Für andere bedeutet es oft offen für neue Begegnungen und neh- das Ende des Krieges, es ist der Tag der men Angebote, Unterstützung und Bera- Es reicht also nicht, aufzubrechen und Befreiung und der Beginn eines neuen tung gerne an. Für andere war der Einzug das Ziel zu kennen. Wir brauchen auch Aufbruchs. 9. November 1989 – für die eine dringende Notwendigkeit, weil sie Ausdauer, Beharrlichkeit und müssen meisten Menschen ein Tag, an dem Er- in ihrer Wohnung nicht (mehr) gepflegt uns immer wieder gegenseitig helfen und starrung und Beton aufgebrochen wurde, werden konnten, beispielsweise nach zum Durchhalten motivieren. an dem das Unglaubliche geschah und einem Schlaganfall. Dann ist die Bewäl- Freiheit erlebt wurde; für andere ein Tag, tigung dieser Veränderung schwieriger, Denn die nächsten Herausforderungen an dem es vorbei war mit der vertrauten der Verlust wird stärker erlebt, es fällt stehen vor der Tür. Unsere Gesellschaft Ordnung und alten Gewissheiten. schwerer, das Positive zu erkennen. wird älter und es wird sehr viele Men- schen geben, die Unterstützung und Die Bewohner unseres Hauses haben Es ist eine Stärke, wenn wir für Verände- Pflege brauchen. Doch schon heute gibt schon so einige Aufbrüche, Umbrüche, rungen offen und bereit sind, neue Wege es nicht genug Pflegekräfte. Wir brau- Zusammenbrüche, Krisen, Staats- und zu gehen. Dabei ist es hilfreich, über un- chen deshalb gute Arbeitsbedingungen Gesellschaftsordnungen und Wende- seren Tellerrand hinauszublicken. Wir um Mitarbeiter gewinnen und behalten punkte erlebt. Nicht wenige mussten bekommen Anregungen und erkennen oft zu können und viele Ideen, um den Beruf 1945 ihre Heimat verlassen, innerhalb Lösungen für eigene Probleme. attraktiver zu machen. Wir müssen uns kurzer Zeit mit dem Allernötigsten auf- noch stärker mit den Chancen der Digi- brechen. Dieser unfreiwillige Aufbruch Wir Mitarbeitenden in der Altenpflege talisierung beschäftigen. Und wir brau- war eine Zeit der Not, des Mangels, eines erleben in den letzten Jahren einen an- chen differenzierte Wohnformen, z.B. für Lebens im Provisorium und geprägt von dauernden Aufbruch. Schnell aufeinan- jüngere pflegebedürftige Menschen und Angst und großer Verunsicherung. Ob derfolgende Pflegereformen haben uns mehr Betreuungsangebote für Intensiv- durch die große Politik oder im privaten permanent beschäftigt. Gleichzeitig ent- pflege, Tagespflege und Hospize. Leben durch Verluste von Angehörigen, wickelten wir unsere Strukturen für eine des Arbeitsplatzes, durch Krankheiten bessere Betreuung von Menschen mit Wenn wir die Lust und die Neugier auf oder Trennungen, alle Umbrüche er- einer Demenz weiter, erarbeiteten Rah- Neues behalten, werden wir bereit sein, fordern immer wieder das Handeln, die mendienstpläne, neue Richtlinien und aufzubrechen, durchzuhalten und unsere Bewältigung der Veränderungen. Sie be- Standards, gestalteten Räume neu und Ziele erreichen. einflussen das Leben tiefgreifend und lernten, eine neue Pflegesoftware für un- Reinhard weiß wirken bis in die Gegenwart hinein. sere Dokumentation zu nutzen.Und die nächste Reform zur Pflegeaus- Wir Menschen erleben Umbrüche und bildung und das neue umfangrei- Veränderungen verschieden. Es kann che Verfahren zu den Qualitäts- eine negative Erfahrung sein, eine exi- prüfungen fordern uns weiter stenzielle Erschütterung, die es möglichst heraus. schnell zu überwinden gilt. Es kann aber auch zum Aufbruch für einen Neuanfang Auch wenn die vielen Reformen werden, Chancen eröffnen und unge- und Veränderungen die Situation ahnte Kräfte in uns freilegen. der Altenpflege verbessern sollen und wir mit unseren Zielen das Manche Bewohner unseres Hauses haben Katharina von Bora-Haus immer den Umzug in das Katharina von Bora- weiter entwickeln wollen, be- Haus schon lange vorher überlegt und deuten diese Veränderungen sich oft Jahre vorher angemeldet. Sie auch Anstrengungen, mitunter haben eine eigene Entscheidung getrof- Stress, Unsicherheit und manch- fen und hatten Zeit, sich mit dem Gedan- mal fühlt sich der eine oder an- neue Pflegesoftware für unsere Dokumentation ken, eines Tages Unterstützung und Hilfe dere überfordert. Wenn das Ziel UNTERwEGS 2/2019 9
CHRISTOPHORUS-WERKSTÄTTEN „Chancengleichheit besteht nicht darin, dass jeder einen Apfel pflücken darf, sondern dass der Zwerg eine Leiter bekommt.“ (Reinhard Turre) PassGenau – Schlüssel für Arbeit und Aufbruch in die Zukunft nklusion – Motor zum Aufbruch Dienstes geleistet. Das Interesse an Aus- selbst zu verwirklichen. Seine Stärken I Inklusion bedeutet Chancengleichheit und ist unser Weg. Inklusion ist die Ein- gelagerten Arbeitsplätzen seitens Be- schäftigter der Christophorus-Werkstät- und Kompetenzen sind die Bausteine, zwischen denen Mörtel gegeben werden beziehung von Menschen in die Gesell- ten wächst. Im Frühjahr 2017 erhielten muss, so dass er als gefestigtes Bauwerk schaft. Das Ziel von gelebter Inklusion Frau Pahlke, Frau Steffen und Frau Ein- im Arbeitsleben bestehen kann. Der Teil- ist erreicht, wenn es normal ist, verschie- horn den Auftrag von der Leitung, ein nehmer allein ist planender Hauptakteur. den zu sein. Der Mensch wird akzeptiert Konzept „an der Schnittstelle zum ersten Er bestimmt und wird bestärkt. und kann unabhängig von Geschlecht, Arbeitsmarkt“ zu entwickeln. 2018 ent- Alter, Herkunft, Religion, Bildung, Be- stand daraus der Bereich PassGenau. Am Beginn steht die Wunschäußerung. hinderung oder anderen Merkmalen In Beratungs- und Zukunftsplanungsge- gleichberechtigt und selbstbestimmt an Frau Pahlke: „Jobcarving ist das, was ich sprächen werden Wünsche und Vorstel- dieser teilhaben. Teilhabe, trotz der Un- unter unserem Angebot „PassGenau“ im lung gesammelt und erste Inputs terschiede, Teilhabe in allen Lebensbe- Bereich Berufliche Integration verstehe - gegeben. Ziel ist es immer, so genau wie reichen. So auch im Bereich der Arbeit. nämlich ein PassGenaues Angebot für möglich die Wünsche zu ermitteln. Die Aktuell arbeiten 13 Beschäftigte der Menschen mit Behinderung oder anderen Suche nach einem geeigneten Betrieb, Christophorus-Werkstätten auf Ausgela- Zielgruppen wie auch für Betriebe des er- die Bewerbung und das betriebliche gerten Arbeitsplätzen. Diese sind auf sten Arbeitsmarktes für eine gelingende Praktikum sind weitere Schritte. konkreten Wunsch bzw. Initiative der nachhaltige Berufliche Inklusion.“ Teilnehmer selbst entstanden. Ziel ist es, den Teilnehmer an einen Ar- Frau Pahlke, Teamleiterin, Jobcoach und beitsplatz seiner Wahl zu vermitteln. Die Ausgelagerte Arbeitsplätze sind pauschal Mitarbeiterin des Sozialen Dienst, ist berufliche Förderung erfolgt in den ver- betrachtet betriebsintegrierte Arbeits- verantwortlich für Beratung, Diagnostik schiedensten betrieblichen Einsatzmög- plätze für Werkstattbeschäftigte in Un- und Tests, Clearing und Verhandlungen. lichkeiten. Orte wie: Kfz-Werkstatt, ternehmen des ersten Arbeitsmarktes. Die Jobcoachs Frau Steffen und Frau Pferdehof, KITA, Küche, Haustechnik… Das umfasst Betriebe verschiedenster Einhorn sind die Integrationsbegleiter - nichts ist unmöglich. Notwendige För- Branchen, verschiedenster Größenord- und verantwortlich für die fachliche Un- derungen in den Basisanforderungen an nungen, auch Integrationsfirmen. Unsere terstützung, sind Begleiter der Teilneh- die Teilhabe auf dem betrieblichen Ar- Beschäftigten sind in Dienstleistungs-, mer im Anleitungs- und Arbeitsprozess. beitsplatz (selbständige Anfahrt, Hygie- Handwerks- und sozialen Einrichtungen neausweis, Sägen-, Gabelstapler- oder tätig. Prinzipiell könnte wohl in jedem Der Jobcoach begleitet „maßgeschnei- Pkw-Führerschein, bebilderte Tagespla- Unternehmen ein Nischenarbeitsplatz für derte Arbeitsplätze für Menschen mit Be- nung, …) erfolgen zeitgleich. Wir Jobco- die Fähigkeiten und Wünsche von einem hinderung“ und entlastet gleichzeitig achs sind verantwortlich, diese Bedarfe Beschäftigten gefunden werden. Ausge- durch die Übernahme bestimmter Tätig- zu sehen und den Teilnehmer auf den er- lagerten Arbeitsplätzen gehen Praktika keiten Fachkräfte (Quelle: Hötten und folgreichen Abschluss von Basisanforde- oder eine Ausgelagerte Berufliche Bil- Hirsch S.172). PassGenau bietet dem rungen vorzubereiten. dungen voraus. Teilnehmer berufliche Orientierung, Be- gleitung am Arbeitsplatz, zwei An- PassGenau arbeitet jeden Teilnehmer auf Jobcoaching – berufliche sprechpartner in der Begleitung sowie Augenhöhe im Betrieb ein. Damit ver- Inklusion möglich mache Qualifikation und Lernen im Betrieb. Wir bunden ist eine enge Zusammenarbeit Die Begleitung und Betreuung von Teil- unterstützen Teilnehmer auf ihrem per- von PassGenau mit dem sozialen und be- nehmern auf Ausgelagerten Arbeits- und sönlichen Entwicklungsweg, sich selbst ruflichen Umfeld des Teilnehmers. Im Berufsbildungsplätzen als Einzelarbeits- besser kennenzulernen und dadurch Betrieb wird versucht, einen betriebli- plätze wurde bis einschließlich 2017 Selbstvertrauen zu gewinnen. Der Teil- chen Unterstützer/Anleiter zu finden. durch eine Mitarbeiterin des Sozialen nehmer wird schrittweise befähigt, sich Um Teilnehmer beraten und vermitteln 10 UNTERwEGS 2/2019
CHRISTOPHORUS-WERKSTÄTTEN zu können, die einer Aufnahme in eine heißt Simone Steffen. Mein Arbeitsplatz schnippeln, Kuchen machen, Platten ma- Werkstatt für Menschen mit Behinderung heißt Küchenkraft in der Kalt-Küche. Ich chen – mit Unterstützung meiner Kolle- skeptisch bzw. konträr gegenüber stehen, arbeite dort seit 7. Mai 2018. Meine Ar- gen. Ich finde es schön, dass wir das wird eine den Christophorus-Werkstätten beitszeit ist von 6:30 Uhr bis 14:00 Uhr. erreicht haben, dass ich hier arbeiten ferne Beratungsstelle notwendig. Hierfür Die Arbeit ist manchmal schwer. Sie ge- kann. Ich bin glücklich, so wie es ist. Ich plant PassGenau einen Raum/Büro, zen- fällt mir sehr gut. Ich muss beachten: die fühle mich wohl bei euch.“ tral in Fürstenwalde gelegen. Hygiene einhalten, Hände waschen und saubere Sachen anziehen. Ich wünsche Frau Steffen: „2018 wechselte ich aus Aufbruch – wunsch nach Normalität mir, dass ich noch mehr lernen kann (Ser- dem regulären Gruppendienst in die Ab- Unser Aufbruch begann mit gesetzlichen vice, Schreiben und Lesen). Ich möchte teilung BBI und forciere als Jobcoach die Veränderungen, vermehrter Nachfrage, noch lernen, mehr Kalt-Küche und auch betriebliche Integration. Nun bin ich auf Wünsche für neue berufliche Herausfor- mal Warm-Küche zu sein. Ich kann rich- dem Weg in eine neue Rolle. Ich darf Ar- derung und den Qualifizierungen zu Job- tig gut sauber machen und Ware einräu- beitsplätze finden, entwickeln und an- coachs. men. Besonders viel Spaß macht mir die passen. Im Betrieb bin ich ein Arbeit mit den Bewohnern (Essen aus- „Brückenbauer“, zeige mein Interesse für Frau Einhorn: „In meinem beruflichen teilen und fragen, wie es geschmeckt den Betrieb und dessen Zusammen- Werdegang konnte ich häufig von den hat). Mein Tagesablauf ist von Montag – hänge. Und ich arbeite mit und erkenne Beschäftigten in der Werkstatt den Freitag gleich: Frühstück, Salat, Nach- darüber sowohl Handlungs- und Lern- Wunsch nach einem normalen Leben, tisch, Kuchen, Essen austeilen, Abwasch, schritte als auch Anforderungen. Als Job- „ein Leben, wie da draußen“, hören. Ich Saftrunde, sauber machen. Dienstag und coach sehe mich als Begleiter und wollte die Beschäftigte trösten. Ich zählte Donnerstag kommt die Ware, die ich ver- Berater. Der Teilnehmer soll handlungs- die Schwierigkeiten und Hürden eines räume. Erst kontrolliert einer, der lesen fähiger werden. Als Jobcoach höre ich ´normalen´ Lebens mit einem unguten kann und dann kann ich loslegen. aktiv zu und paraphrasiere bis mein Ge- Gefühl auf, denn tauschen wollte ich genüber sagt, ja, genau das habe ich ge- nicht. Ich genoss und genieße mein Frühstück vorbereiten heißt: die Wohn- meint, da soll es hingehen.“ selbstbestimmtes Leben mit allem Drum bereichs-Wagen abräumen und bestük- und Dran. ken mit Frühstück. Butter = selbst PassGenau wendet sich einem Personen- geschnittene, Wurst + Käse, Obst, Milch, kreis zu, dem die berufliche Teilhabe auf Heute bin ich dankbar für meine Lebens- Kaffeesahne, Brot, Marmelade und den dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Für- erfahrungen, sie haben mich zu dem wer- Kaffeebehälter. Ines macht dann weiter stenwalde und Umgebung noch nicht ge- den lassen, was ich bin. Der Wunsch mit Brötchen und Suppe. Es ist ´ne lungen ist. Die Christophorus-Werkstät- nach einem „normalen Arbeitsleben“ Menge, was da rauf kommt, auf so einen ten Fürstenwalde erweiterten mit diesem kann nun selbstbestimmt und professio- kleinen Wagen. Salat ist nicht immer. Angebot ihren gelebten Inklusionspro- nell von mir begleitet seine Erfüllung fin- Manchmal gibt’s dann Suppe. Salat gibt’s zess und sichern ihren Standort für die den. Nun werde ich als Jobcoach auch zum Abendbrot. Wir bereiten den Zukunft, gewinnen neue Kunden und ein arbeiten, mit einem guten Bauchgefühl. selbst zu. Manche Rezepte kenne ich neues Image. Gleichzeitig erfüllt die Ich werde ein „Menschenbegleiter“ sein, schon auswendig. Mich freut es, wenn’s Werkstatt ihren Rehabilitationsauftrag: der dem Teilnehmer mit Hilfe zur Selbst- dann alle wird. Das ist ein Zeichen, dass der „Übergang von behinderten Men- hilfe und Selbstverantwortung in die es geschmeckt hat. schen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt Vielfalt des Lebens begleitet. Der Teil- ist durch geeignete Maßnahmen zu för- nehmer wird selbstbestimmt ausprobie- Kuchenvorbereitung heißt: Montags gibt dern...“ (siehe Gesetzliche Grundlagen ren und scheitern dürfen, denn das gehört es Waffeln mit Frucht und Sahne, diens- AAP) Das übergeordnete Ziel ist der so- zum ´normalen´ Leben dazu.“ tags gibt’s Obsttorten, mittwochs Rosi- zialversicherungspflichtige Arbeitsplatz nen- oder Milchbrötchen, donnerstags eines Teilnehmers. Die Betriebe sind auf Fr. Franke: „Ich bin 47 Jahre alt und dann Blechkuchen und freitags Biskuit- diese Angebote durch uns vorzubereiten, wohne in Fürstenwalde/Spree. Ich mache rollen. Ich bereite das mit zu. Brötchen dahingehend verstehen wir die Angebote in meiner Freizeit: Fahrrad fahren, Pad- muss ich teilen, dann wird abgezählt. Zu- des Bereichs PassGenau. deln (im Drachenboot), Sport (im Fit- schneiden machen aber die anderen, weil ness-Studio), Abendschule, Feiern und die Stücke gleich sein sollen. Weitere Ausgelagerte Arbeitsplätze sind im Urlaub reisen. zu besetzen. Auf der Homepage der Chri- Ich freue mich, dass ich hier viel mitwir- stophorus-Werkstätten sind die aktuellen Ich habe in Küche, Holz, Gärtnerei und ken kann, dass ich mitmachen kann in Stellenausschreibungen einzusehen. HWD (Hauswirtschaftsdienst) gelernt. der Küche: Salate putzen, Gemüse Simone Steffen / Jane Einhorn Jetzt arbeite ich als Küchenkraft. Das ist in der Firma F&B Senioren Service-Cen- ter im „Haus Am Dom“ (Senioren-Pfle- geheim). Meine Chefin heißt Madlen „wenn ich wissen will, was ich werden will, Dietrich. Sie ist die Küchen-Chefin und muss ich wissen wer ich bin.“ ganz lieb und nett. Meine Kollegen sind auch sehr nett, freundlich, liebevoll und hilfreich in der Küche. Mein Jobcoach UNTERwEGS 2/2019 11
BURGDORF-SCHULE Tierparkprojekt Mit dem Musicalprojekt fing alles an. Nachdem feststand, dass wir vier Schülern aus unserer Klasse die Teilnahme daran ermöglichen wollten,überlegte ich, was die anderen Kinder in der Zeit erleben könnten. Denn „nur“ in der Schule bleiben wollten wir nicht. So entschloss ich mich in enger Absprache mit meinen Kolleginnen, mit Alex, Mike, Olasubumi (Ola) und Lennard (Lenny) jeden Mittwoch in den Fürstenwalder Heimattiergarten aufzubrechen. A us den Erfahrungen vergangener Jahre wusste ich, dort gibt es viel zu entdecken, zu bestaunen und zu beob- und in den Park gebracht worden waren. Als es ihnen dann im Behelfsquartier zu eng wurde, zogen sie um, unser alter achten. Darauf wollte ich besonderen Fuchs bekam neben dem Vielfraß ein Wert legen, wir würden jedem Kind ein neues Zuhause. Hier konnten wir ihn bestimmtes, heimisches Tier zuordnen, immer gut beobachten, und schon bald es über diesen langen Zeitraum, bei entwickelte sich ein Ritual. Wir sangen jedem Wetter und in verschiedenen Jah- ihm regelmäßig ein Ständchen. „Fuchs, reszeiten betrachten. du hast die Gans gestohlen...“. Uns kam es vor, als würde er jeden Mittwoch auf Die ersten Besuche dienten der Orientie- uns warten, erwartungsvoll schaute er rung, die Kinder lernten den Weg dorthin uns (und wahrscheinlich auch den ande- kennen, wir waren ja immer zu Fuß un- ren Besuchern) entgegen. Leider ist unser terwegs. Wir machten uns mit den Sani- Herr Fuchs im März gestorben. Für „Blonde Kuh“ Abigail täreinrichtungen vertraut, für die vier meine Schüler eine traurige, aber auch Jungs waren ein Picknick im Park ebenso wichtige Erfahrung. Davon später mehr. wichtig wie eine Pause auf dem Spiel- Nun also sangen wir den Jungtieren platz und wenn möglich, auch die ab- unser Lied vor, sie hatten sich inzwischen schließende Fütterung der ewig hung- gut im größeren Gehege eingelebt. Was rigen Ziege und Schafe. haben wir mit ihnen alles erlebt! Eines der Tiere brach sich einen Lauf, musste Dann ging es los. Mike würde die Wild- operiert werden. Der andere Fuchs kam schweine, Alex die Luchse, Ola den immer aus seinem Versteck, wenn unser Fuchs und Lenny die Ziegen genauer be- Lied erklang. So sammelten wir viele obachten. Eigentlich standen die Rehe Eindrücke, erfuhren Wissenswertes, was auch mit auf der Liste, aber wir erfuhren, wir, zurück in der Schule, aufs Arbeits- dass bis auf einen Rehbock alle anderen blatt brachten und für den Tierparkord- Tiere verstorben waren. Und dieser ver- ner sammelten. steckte sich meist so geschickt, dass wir unseren Plan mit ihm aufgaben. Mikes Wildschweine boten viel Raum für Beobachtungen. Im Herbst sammel- Wir begannen unsere Beobachtungen mit ten wir für sie Eicheln und durften – dem Fuchs. Wir lernten, dass er schon selbstverständlich nach Rücksprache – sehr alt war, gut zehn Jahre, und damit diese auch verfüttern. Die Kinder erleb- die Lebenserwartung „seiner Kollegen“ ten, wie sich die Tiere um diese zankten, in freier Wildbahn deutlich übertroffen meist gewann die größte Sau. Wir sahen, hatte. Zu Beginn unserer Besuche lebte wie gern die Wildschweine buddeln oder der alte „Herr Fuchs“, wie wir ihn bald sich in ihren Kuhlen wälzten, lernten, nannten, noch im Gehege neben den Prä- dass sie Allesfresser sind. Eines Tages, Uhu Luna riehunden, ihm gegenüber fanden wir Anfang März, lag einer der Sauen plötz- eines Tages zwei sehr kleine Jungtiere lich mit mehreren Frischlingen ganz nahe vor. Die Tierparkmitarbeiter beantworte- am Zaun – nanu? Während vier Minisch- ten unsere Fragen immer gern, so erfuh- weine gestreift waren, fiel uns ein Frisch- ren wir, dass die kleinen Füchse verwaist ling besonders auf: Er war weiß, auf 12 UNTERwEGS 2/2019
BURGDORF-SCHULE wird uns ganz sicher bleiben, wie ein Tierpark gewiss ein Höhepunkt, Abigail Jungtier mal versucht hat, ein Huhn zu ist schnell ein fester Bestandteil unserer erlegen. Wir Besucher jenseits des Zau- Besuche geworden. Sie ist sehr zutrau- nes wussten, es ist schon tot, aber der lich und kommt meist angerannt, wenn kleine Luchs kämpfte trotzdem mit dem sie uns sieht. Wir dürfen ihr immer einen Vogel, bis seine Mama genug von dem Apfel und eine Möhre mitbringen. Als Spektakel hatte, das Huhn kurzerhand Alex sie das erste Mal sah, meinte er: auffraß. Auch diese Erfahrung war für „Oh. Ein Bär!“. Ich intervenierte und er- unsere Schüler äußerst lehrreich: Tiere klärte, dass Bären keine Hörner haben. fressen auch Tiere, dies beobachteten wir Daraufhin taufte Mike sie auf „Blonde auch bei den Eulen oder Greifvögeln. Kuh“, nun hat Abi ihren Spitznamen. Für uns Erwachsene (uns begleitete regelmä- Zum Abschluss unserer Rundgänge ging ßig eine Schulbegleiterin für Ola aus dem es immer zu den Ziegen und Schafen. Haus Jona, meist Frau Kaminsky) waren Hier durfte nach Herzenslust gefüttert der Tod des vertrauten Fuchses, des Vier- werden, die Tüten mit dem Futter gibt es fraßes – ihm war es vermutlich im letzten ja zu kaufen. Das war für Ola, Lenny und Sommer zu warm – oder der beiden Elche Mike zum Beginn unserer Besuche oft schwer zu verdauen. Während der Fuchs noch schwierig und mit Angst verbun- ein hohes Alter erreichte, waren die an- den, Alex hingegen hatte keine Scheu. deren Tiere noch jung, der Tod der impo- Für uns war es schön zu sehen, wie all- santen Elche ging uns besonders nah. Sie der alte „Herr Fuchs“ mählich das Vertrauen in die eigene Cou- starben an einem Virus, alle Versuche, sie rage wuchs und sich am Ende alle zu retten, scheiterten. Die Tierparkmit- seinem Fell befanden sich keine Streifen, trauten, die frechen und stets drängeln- arbeiter litten darunter sehr. Wir haben sondern Punkte. Damit hatten wir wieder den Tiere zu füttern und natürlich auch gelernt, wie mühsam, aufopfernd und ko- einen Grund zu fragen. Wir erfuhren, zu streicheln. Im April wurden die ersten stenintensiv die Tierpflege ist, waren bei dass sich in seiner Familie wohl mal ein Zicklein geboren, es war für uns alle eine der Eröffnung der Eulenburg dabei, Mike Hausschwein befunden haben muss und Freude, sie im Leben zu begrüßen. Wuss- hat es sogar in die Zeitung geschafft. Wir dessen Gene auch noch in späteren Ge- ten wir doch, dass es im Februar einen durften den Uhu Luna streicheln und nerationen auftauchen können. Es war Einbruch mit schlimmer Tierquälerei ge- schauten einmal überraschend dem schön zu sehen, dass die Frischlinge gern geben hatte, wo es lange unklar war, ob Waschbär ins Gesicht. Und eines Tages gemeinsam toben, so ging es im Wild- Heidi, die stets so zutrauliche, weiße Zie- zeigte sich sogar der Rehbock, er hatte schweingehege mitunter ebenso lebhaft ge diese überhaupt überleben würde. Hat eine Gefährtin bekommen. Ein Bauer aus zu wie bei uns in den Hofpausen! sie zum Glück, und ihre Jungen auch. Al- der Gegend fand im letzten Sommer ein lerdings ist sie nach diesem schlimmen Rehkitz und hatte es bei sich auf dem Hof Als wir im Spätsommer 2018 mit unse- Erlebnis deutlich zurückhaltender ge- großgezogen. So richtig „dankbar“ war ren Besuchen begannen, hatten die worden. es aber (natürlich!) nicht, fraß dem Bau- Luchse Kiara und Django zwei Jungtiere. ern den Garten kahl. Er entschloss sich, Da durften wir nicht zu nah an den Zaun Unsere Zeit im Tierpark nähert sich lang- sein Ziehkind in den Tierpark zu geben, kommen, schon wurden wir angeknurrt, sam dem Ende. Was bleibt? Es war ein und wer weiß, vielleicht entsteht ja doch so aufmerksam passten die Eltern auf spannendes, besonderes Jahr, wo wir Ge- wieder eine Rehherde? ihren Nachwuchs auf. Der Fürstenwalder legenheit hatten, viele Tiere zu betrach- Heimattiergarten beteiligt sich am Nach- ten, wo die Wege zum und vom Tierpark Wir sind aufgebrochen und haben dem zucht- und Auswilderungsprogramm die- Raum und Zeit boten für vielfältigste Na- Kreislauf des Lebens zugesehen, es war ser fast schon ausgestorbenen Tierart im turbeobachtungen. eine sehr besondere Zeit! Harz. Doch die Jungtiere kamen für die- Anke Lüth ses Auswilderungsgebiet nicht in Frage, Für die Jungs war das plötzliche Auftau- (seit einiger Zeit im Besitz einer denn es waren zwei männliche Tiere. chen des schottischen Hochlandrindes im Tierpatenschaft für ein Mufflon) Luchse haben in Freiheit sehr große Re- viere, im Harz leben bereits viele Männ- chen. Zum Glück jedoch fand sich im benachbarten Polen ein Gebiet, was groß wir haben gelernt, wie mühsam, genug war für „unsere beiden Jungs“. So aufopfernd und kostenintensiv die Tierpflege ist. wurden sie, gechipt und mit GPS-Sen- dern versehen, in die Freiheit entlassen. Die Mitarbeiter in Fürstenwalde hoffen nun auf neuen Nachwuchs, allerdings ist Django herzkrank und benötigt schon Medikamente. Vielleicht hat es dennoch mit der Paarung geklappt. In Erinnerung UNTERwEGS 2/2019 13
BURGDORF-SCHULE Ehrenamt im Tierpark Interview mit Frau Arozarena S eit September 2018 besuchen vier Schüler der 2a gemeinsam mit einem Schulbegleiter aus dem Haus Jona und Kommen Sie täglich, bei jedem Wetter hierher? Fast. Also, wenn es doll regnet und mir einmal wöchentlich den Heimattier- schneit, komme ich nicht. Aber wenn es garten in Fürstenwalde. Dabei freuten halbwegs gut ist, dann komme ich von 9 wir uns besonders über die sehr gepfleg- bis 13 Uhr, manchmal auch länger, hab ten Beete und Wege. Während unserer ich einen Arzttermin, auch kürzer. Und Rundgänge trafen wir regelmäßig eine wenn ich Lust habe, komme ich auch ältere Dame, Frau Gertraude Arozarena. Sonnabend und Sonntag. Sie ist 74 Jahre alt, kommt immer mit dem Fahrrad, freut sich, dass sie sich Worüber freuen oder ärgern Sie sich hier nützlich machen kann (dies sind ihre im Heimattiergarten? Worte). Gern beantwortete sie meine Fra- Freuen tue ich mich, dass die Leute das gen und posierte auch für ein Foto. anerkennen und auch Dankeschön sagen, wenn es ordentlich aussieht. Und ärgern Frau Arozarena, wie kam es dazu, dass tue ich mich manchmal um die Unver- Sie aufgebrochen sind, sich hier um die nunft der Eltern. Dass sie ihren Kindern Wege, Blumen und Beete zu kümmern? nicht beibringen, wie es sich gehört. Sie Ja, das ist ganz einfach. Ich bin seit Jah- schreien die Tiere an, sie kreischen, sie ren hier im Tierpark und mache immer rennen und sie machen eigentlich oft einen Handarbeitsstand. Und wenn ich nicht das, was sie sollen. Und das macht mich so umgeschaut hab, dann hab ich mich ein bisschen traurig. immer gedacht: Oh Gott, dass sieht alles aus... Und irgendwann, nach Jahren, hab Gibt es etwas, was Sie anderen Men- ich mich getraut und den Chef gefragt, ob schen mit auf den Weg geben möchten? es ihm angenehm ist, dass ich ein biss- Ach ja, eigentlich gibt es vieles. Men- chen harke. Da hat er gesagt: „Gerne. schen müssten etwas umsichtiger sein. Kommen Sie her, machen Sie, was Sie Und sie dürften nicht überall alles hin- denken, wir freuen uns darüber!“ Und werfen, wo sie gehen und stehen, fällt das jetzt bin ich seit zwei Jahren hier und Bonbonpapier, da wird der Kaffeebecher mache das ehrenamtlich, kümmere mich hingeschmissen, das Papier vom Essen um die Blumen, mache die Beete in Ord- fliegt hin, obwohl der Mülleimer nur nung, fege, harke und räume auf, wie es einen Meter daneben steht. Man müsste mir gefällt. die Kinder und die Jugend mehr zur Ord- nung erziehen. Im Guten. 14 UNTERwEGS 2/2019
mittend r in die Bewohner-Seiten Samariterfest 2019 Aufbruch Text von Günter Kaufmann Text von Christina Gläser Text von Ilse Prüfer Bild von Renate Petzold
rin mittend Bild von Sebastian Fischer Bild von Dieter Becker Bild von Thomas Kitzerow Bild von Christina Gläser Text von Günter Hausmann Text von Holger Köbsch
mittend rin Text von Martina Lupitz Bild von Andreas Rehfeld Gedanken von waltraud Diehr Bild von Klaus-Dieter Schwalbe Text von Tim Plamck
rin mittend Bild von Henry Hopf Foto und Text von Henry Hopf Text von Alexander Teske Text von Alexander Teske
AUS DEN BEREICHEN „Du musst nach Hause gehen, Herr Direktor!“ So sprach Herr A., genau, jener Herr A., der für „Die Jacke des Herrn A.“ Pate stand. E s war schon Abend, Herr A. hatte sein „Amt“ ausgeführt und den Re- steimer geleert, war nun auf dem Rück- Das Schöne an Wolken vor dem tief- blauen Himmel ist: Sie sind weder zu zählen noch zu greifen! Das Schöne an treibt. Nur ein Graffiti, das sich von der grauen Wand abhebt. So wie ein Schrei, der sagen will: „Schaut her, ich hab ge- weg zum Lutherhaus. Im Direktorat Erinnerungen aus nahezu 19 Jahren ist: lebt!“ So nehm ich, was an Mut mir brannte noch Licht. Und der hier am Sie sind weder zu zählen noch zu fassen! bleibt, und in der Dunkelheit sprühe ich Schreibtisch saß, war für Herrn A. gut zu Sie sind da, ändern sich im Laufe der das Wort „Hoffnung“ auf die Mauern erkennen. Zeit, je nach Perspektive, rufen sehr ver- meiner Zeit.“ schiedene Empfindungen hervor, ver- Vielleicht würde er das am Samariterfest blassen dann auch schon mal oder „Du musst nach Hause gehen, Herr Di- jetzt auch so sagen: „Du musst nach werden – ich möge davor bewahrt blei- rektor!“ Nicht nur Herr A.begleitet mich! Hause gehen, Herr Direktor!“ Seine laute, ben – verklärt. Paul-Gerhardt Voget markante Stimme klingt in mir nach, lässt unzählbare Bilder aufkommen. Ich „Du musst nach Hause gehen, Herr Di- gerate ins Träumen. In meiner Fantasie rektor!“ Herr A. holt mich aus meiner liege ich auf einer schönen grünen Wiese, Fantasie zurück; Wiese, blauer Himmel über mir ein weiter, strahlend blauer und Wolken unterschiedlicher Färbung Himmel an dem hier und da eine Menge verflüchtigen sich. Es ist also, mit einer kleinerer und größerer Wolken dahin- Liedzeile von Reinhard gleiten. Viele in Weißtönen changierende Mey gesagt: „Zeit für helle Wölkchen und Wolken. Hier und da mich zu gehen!“ Auf auch graue, da dunkle bis ins schwarze geht´s: Dankbar für Viele gehende Wölkchen und Wolken. und Vieles räume ich mei- nen Platz, gebe gerne Jedes Gebilde dort am Himmel weit über meine Verantwortung ab, mir birgt Erinnerung, Erfahrung, Erleb- freue mich für die Men- tes – vieles zieht über mir dahin. Gefühle schen in den Samariteran- stecken hinter den Luftschleiern der letz- stalten, insbesondere für ten Jahre: dankbare Zufriedenheit, auch Frau Menzel, dass sie Glück, hier und da Traurigkeit; gelegent- jetzt miteinander neue Er- liche Wut ist verraucht. Wie viele Men- fahrungen machen, die schen sind mir in den Jahren begegnet? Geschichte weiterschrei- Was haben sie mit mir erlebt? Frauen und ben! Dafür bleibt mir jede Männer, die in den Samariteranstalten ihr Menge Hoffnung. Und so Zuhause gefunden haben; Mitarbeiterin- verabschiede ich mich nen und Mitarbeiter, die hier waren, als mit einer anderen Lied- ich kam und hier nach dem 01. Septem- strophe von Reinhard ber bleiben; viele weitere in Einrichtun- Mey: gen, Verbänden, Verwaltungen, Politik, Geschäftspartner... Ich weiß, welche „Erinnerungen verblas- Erinnerungen ich mitnehme. Ich weiß sen, und des Tages Ruhm nicht, welche Erfahrungen sie mitneh- vergeht. Die Spuren, die men. Oder doch? Eine Mitarbeiterin hat wir heute ziehn, sind mor- es so auf den Punkt gebracht: „Es gibt gen schon verweht. Doch Tage, da hasse ich Sie, Herr Voget, und in uns ist die Sehnsucht, es gibt Tage da liebe ich Sie. Im Augen- dass etwas von uns bleibt. blick überwiegen noch die zweiten. Also Ein Fußabdruck am Ufer, ist es gut, dass Sie da sind!“ eh der Strom uns weiter- Paul-Gerhardt Voget UNTERwEGS 2/2019 19
Sie können auch lesen