Unterwegs - Samariteranstalten Fürstenwalde

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Unterwegs - Samariteranstalten Fürstenwalde
Unterwegs     DIE ZEITSCHR
                           IFT              DER SAMARITE
                                                         RANS        TA LT E N

                                                                                             elio.de
                                                                        uschi dreiucker / pix

Gastkommentar
Gabi Moser –
Mitarbeiterin der Ev. Jugendarbeit im Kirchenkreis Oderland-Spree

Korczak-Schule
Aufbruch in die Pädagogik des 21. Jahrhunderts

Unterwegs mit...
... Ulrike Menzel –                                                 02 2019
Theologischer Vorstand der Samariteranstalten ab 1. September
Unterwegs - Samariteranstalten Fürstenwalde
INHALT

Einblicke
TITELTHEMA
    4    Aufbruch - Mitarbeitervertretung
    6    Gastkommentar: Gabi Moser
    8    Text in „Leichter Sprache“

    9 Katharina von Bora-Haus
    10 Christophorus-Werkstätten            6             9
    12 Burgdorf-Schule

MITTENDRIN – DIE BEwOHNERSEITEN

    15 Aufbruch

    19 Aus den Bereichen: Verwaltung
    20 Korczak-Schule
                                                 12
    23 Aus den Bereichen:
       Erwachsenenwohnbereiche
    24 So bunt ist unser Glaube
    26 Katharina von Bora-Haus
    27 Glaubensbekenntnis heute                           16
    28 Gemeinnützige aufwind GmbH
                                                     20
UNTERwEGS MIT...

    30 ... Ulrike Menzel, Theologischer
       Vorstand der Samariteranstalten

                                                          22
                                                28

                                 30

2    UNTERwEGS 2/2019
Unterwegs - Samariteranstalten Fürstenwalde
DIE SEITE DREI

                                             ...wer aufbricht, der kann hoffen
Liebe Leserin, Lieber Leser,
Bei dieser Zeile fange ich spontan an zu    „Vertraut den neuen Wegen, auf die der       macht. Hinter allem, was uns Menschen
summen. „Vertraut den neuen Wegen“ –        Herr uns weist, weil Leben heißt: sich       gelingt und worin wir scheitern, erwartet
das Lied mit dieser Zeile liebe ich. Und    regen, weil Leben wandern heißt.“ Das        uns Gott mit seiner Zukunft. Was wir ge-
ich finde, es passt wunderbar zu dem        passt zu meiner persönlichen Situation.      meinsam für eine gute Zukunft der Sa-
Neuanfang, den wir in den Samariteran-      Ich stand schon einige Male vor neuen        mariteranstalten gestalten werden, sind
stalten durch den Wechsel im theologi-      Wegen und landete anderswo, als ich mir      Stationen dem hellen, weiten Land Got-
schen Vorstand nun gemeinsam gestal-        vorher gedacht hatte. Doch es wurde          tes entgegen, in dem alle Menschen will-
ten. Der Theologe Klaus-Peter Hertzsch      immer gut. Ich fühlte mich bald am rech-     kommen sind. Darauf können wir
dichtete „Vertraut den neuen Wegen“         ten Fleck und so gebraucht, wie ich bin.     vertrauen und gemeinsam die Herausfor-
1989 zu einer Hochzeit im August. Die       Mein Konfirmationsspruch zieht sich wie      derungen anpacken, die sich in den Sa-
Gäste nahmen die abgezogenen Lied-          ein roter Faden durch mein Leben: „Des       mariteranstalten Tag für Tag und in den
blätter in ihre Gemeinden mit und sangen    Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg,       nächsten Jahren stellen.
das Lied dort weiter. „Vertraut den neuen   aber der Herr allein lenkt seinen Schritt“
Wegen“ tat in der Unruhe und den Äng-       (Sprüche 16,9).                              Die interessanten Perspektiven in diesem
sten 1989 in der DDR gut und bestärkte                                                   Heft regen an und ermutigen zum Auf-
in der Aufbruchsstimmung, die zur fried-    Nun bin ich in den Samariteranstalten an-    bruch. Ich danke der Redaktion für die
lichen Revolution vor 30 Jahren führte.     gekommen und gespannt auf die neuen          guten Ideen und die Mühe und wünsche
                                            Wege mit Ihnen allen. Ich freue mich dar-    allen viel Freude beim Lesen!
„… wer aufbricht, der kann hoffen …“        auf, Sie kennenzulernen und zu entdek-
Das erleben wir persönlich jeden Tag.       ken, was Gott mit uns gemeinsam vorhat.      Ihre
Wenn wir nach dem Aufwachen liegen-         Mitten in dem, was Menschen in die
bleiben würden, könnten wir die Erfah-      Wege leiten und entscheiden, glaube ich
rungen des Tages nicht machen. Wir          auch Gott am Werk. Denn Gott selbst ist      Pfarrerin Ulrike Menzel
brechen auf – äußerlich und innerlich.      aufgebrochen. Er ist in Jesus Mensch ge-
Wir hoffen darauf, gut durch den Tag zu     worden, um unser Leben bis in die letzte
kommen, Neues zu lernen, Herausforde-       Konsequenz zu teilen und allen Men-
rungen zu bewältigen, mit manchem bes-      schen befreiend nahezukommen. Damit
ser fertig zu werden als gestern. An        ging Gott neue Wege. So radikal mensch-
manchen Tagen fällt das Aufbrechen          lich wurde noch nie ein Gott erlebt und
leichter als an anderen. Das liegt daran,   geglaubt. „Er selbst kommt uns entge-
was wir für den Tag erhoffen oder be-       gen. Die Zukunft ist sein Land. Wer auf-
fürchten. Hoffnungen beflügeln, Ängste      bricht, der kann hoffen in Zeit und
lähmen. Vertrauen ist nötig, um aufzu-      Ewigkeit. Die Tore stehen offen. Das
brechen. Denn niemand weiß beim Auf-        Land ist hell und weit.“ Diese herrliche
brechen, ob sich die Hoffnungen oder        Perspektive kann uns helfen, nicht in
Befürchtungen erfüllen werden.              dem stecken zu bleiben, was uns Sorgen

                                                                                                                 UNTERwEGS 2/2019   3
Unterwegs - Samariteranstalten Fürstenwalde
TITELTHEMA

                                                                                                       Aufbruch...
… darin steckt Neugier, Energie, Hoffnung, Mut und Vertrauen,
aber auch das wort „Bruch“.

                                              E   twas geht zu Ende, möglicherweise
                                                  kaputt. Unsicherheit, Ängste und
                                              Zweifel sind keine seltenen Begleiter von
                                                                                           Nicht selten steckt in einem Aufbruch der
                                                                                           Wunsch nach Veränderung. Oft sind es
                                                                                           Notlagen, Situationen der Unzufrieden-
                                              Aufbrüchen. Es schwingt Trauriges und        heit, der Stagnation im privaten oder be-
                                              Endgültiges mit, vielleicht das Loslassen    ruflichen Umfeld oder einfach, wenn
                                              von etwas Wertvollem oder Liebgewon-         eine Lebensphase die nächste abwech-
                                              nenem. Aufbruch kann Abschied bedeu-         selt. Aufbruch bedeutet Veränderung.
                                              ten oder Neuanfang.                          Jeden Morgen brechen wir auf: …in den
                                                                                           neuen Tag, ins Leben, zu unseren Aufga-
                                              Was heißt nun Aufbruch? Wann ist ein         ben, zu vertrauten oder zu neuen Zielen.
                                              Aufbruch erforderlich oder sinnvoll?         Wir sind von kulturellen und gesell-
                                              Wohin führt er? Wer bricht mit wem zu        schaftlichen Aufbrüchen geprägt. Jeder
                                              welchem Ziel auf und warum? Wie ist          von uns hat seine persönlichen Aufbrü-
                                              die Ausgangslage? Welche Vorbereitun-        che. Die Frage ist, wie wir damit umge-
                                              gen müssen getroffen werden? Was             hen. Gestalten wir sie aktiv mit? Lassen
                                              bleibt zurück? Jeder setzt dabei seine ei-   wir zu, dass andere sie für uns gestalten?
                                              genen Prioritäten.
                                                                                           Manchmal bleibt keine Zeit, sich auf
                                                                                           einen Aufbruch vorzubereiten, wenn zum
                                                                                           Beispiel Naturkatastrophen über uns her-
Die gute alte Zeit                                                                         einbrechen. Wenn wir in die krisen- und
wir sollten uns hüten vor der hinterlistigen Vergangenheit, sie will uns                   kriegsgeschüttelten Regionen und Län-
unbedingt festhalten im großzügig angelegten Käfig angenehmer                              der der Welt schauen, ist die Motivation
Erinnerungen und Gewohnheiten.                                                             nicht schwer nachzuvollziehen, weshalb
                                                                                           viele Menschen ihre Heimat und alles,
Sie will, daß wir ihr die Treue halten für alle Zeiten,                                    was sie damit verbindet, verlassen. Die
sie verklären und verherrlichen.                                                           Menschen hegen mit ihrem Aufbruch die
                                                                                           Hoffnung auf bessere Zustände. Das gibt
Sie will uns abhalten vom Aufbruch in das verheißungsvolle Land Zukunft,                   ihnen die Kraft, sich – oft unter Lebens-
will uns fesseln an das Bekannte und Bewährte.                                             gefahr – auf den Weg zu machen.
                                                                                           In unserem Land, in unserer Stadt und in
wir sollten uns hüten vor der guten alten Zeit, sie stiehlt uns sonst                      den Samariteranstalten sind wir in der
eine ganze Menge Leben.                                                                    glücklichen Lage, unsere Aufbrüche
                                                                                           unter weniger dramatischen Bedingun-
© Irmgard Adomeit, 2015, Aus der Sammlung Gott und die welt, Ernst Ferstl,                 gen gestalten zu können. Und doch tun
https://www.aphorismen.de/suche?text=die+gute+alte+zeit&autor_quelle=Ernst+Ferstl          wir uns bisweilen schwer damit. Es
                                                                                           scheint dann fast so, dass wir Verände-

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Unterwegs - Samariteranstalten Fürstenwalde
TITELTHEMA

                                                Aufbruch
                                                Alles hat stets seine Zeit. Mensch! wage es und sei bereit,
                                                tapfer deinen weg zu gehen und mutig nach vorne zu sehen!

                                                Der Mensch, der neuen Raum betritt mit vertrauensvollem Schritt,
                                                dem Neuen ruhig entgegensieht, erlebt, daß überall Freude blüht.

                                                Gehe über die Schwelle heiter, blick nicht zurück, die Reise geht weiter.
                                                Der Tag hat erneut viel Schönes bereit. Öffne die Augen gespannt und weit!

                                                Bleib nicht so sehr am Alten hängen, will der Abschied auch bedrängen.
                                                Laß loß! Gott geht dir immer voraus. Nirgendwo ist hier dein Haus.

                                                Alles Leben ist in guten Händen, und des Lebens Rufen wird nie enden.
                                                Alles jedoch hat stets seine Zeit. Zum Aufbruch drum, sei gerne bereit.

                                                © Irmgard Adomeit, 2015, Aus der Sammlung Gott und die welt
                                                https://gedichte.xbib.de/Adomeit%2C+Irmgard_gedicht_Aufbruch.htm

rungen fürchten und es fällt uns mitunter   Wo begegnet uns das Thema „Aufbruch“         sich Dinge verändern. Mögliche Ängste
nicht leicht, Gewohntes abzulegen.          – im Kleinen oder Großen – in den Sa-        und Widerstände können reduziert oder
                                            mariteranstalten? Zunächst immer dort,       gänzlich abgebaut werden. Letztendlich
Was bedeutet Aufbruch für die Sama-         wo Menschen sind, die sich auf verän-        würde sich solch eine Vorgehensweise
riteranstalten? Seit ihrer Gründung im      derte Situationen einstellen müssen. Das     positiv auf das Miteinander im Lebens-
Jahr 1892 ist es den Samariteranstalten     können Klienten sein, die zum Beispiel       und Arbeitsalltag der Menschen in den
gelungen, gemäß ihrer Satzung, die Be-      von zu Hause in einen Wohnbereich oder       Samariteranstalten auswirken.
treuung von Menschen sicherzustellen.       innerhalb der Samariteranstalten umzie-
Durch die unterschiedlichen wirtschaft-     hen. Das können Mitarbeiterinnen oder        Wie Aufbrüche ganz real und im Alltag
lichen und politischen Voraussetzungen      Mitarbeiter sein, die neu zu uns kommen      aussehen können, hängt immer auch
in den mehrfach wechselnden gesell-         oder in einen anderen Arbeitsbereich         davon ab, welcher Anlass zugrunde liegt.
schaftlichen Systemen mussten und müs-      wechseln. Ganz konkret wären da zum          An dieser Stelle kann jeder mutig eigene
sen sich die Samariteranstalten immer       Beispiel Leitungswechsel in verschiede-      Ideen in seinem Bereich entwickeln. So
wieder neu erfinden und sind sich den-      nen Bereichen zu nennen, die in den letz-    könnten durch Ihr Engagement Aufbrü-
noch in ihrer Bestimmung treu geblieben.    ten Monaten erfolgten. Zurzeit erleben       che und Übergänge mit Herz achtsam ge-
                                            wir gerade die Übergabe des Staffelsta-      staltet werden.
Damit das so bleibt, ist eine hohe Flexi-   bes auf der Vorstandsebene und in der
bilität aller Mitarbeiterinnen und Mitar-   Schulleitung der Burgdorf-Schule. Wir        Ein Sprichwort sagt: „Wer aufbricht,
beiter erforderlich. Es braucht eine hohe   verabschieden im September Herrn             kommt auch an.“ Wichtig ist die Ent-
Aufmerksamkeit und Achtsamkeit nach         Voget nach 17-jähriger Tätigkeit in den      scheidung zum Aufbruch. Das erfordert
innen und außen, um sich bewusst zu ma-     Samariteranstalten aus dem aktiven Ar-       Mut und manchmal auch Risikobereit-
chen, wo wir stehen (wollen) in der Ge-     beitsleben. Gleichzeitig begrüßen wir        schaft. Aufbruch und Veränderung bleibt
sellschaft.                                 Frau Menzel, die die Funktion des Theo-      ein immerwährender Prozess, bei dem es
                                            logischen Vorstandes übernehmen wird.        darum geht, zu gegebener Zeit einen Per-
Was können oder müssen wir als Dienst-      Hier sind Aufbrüche und Umbrüche             spektivwechsel vorzunehmen und – wo
leister tun, um den sich ständig wandeln-   spürbar im Sinne von Übergängen. Sie         es angebracht ist, sich von Altem zu tren-
den gesellschaftlichen und finanziellen     brechen nicht plötzlich über uns herein,     nen und Neues zu wagen.
Bedingungen Rechnung zu tragen. An          sondern stellen Prozesse dar, die transpa-                                    Gerd Gesche
welcher Stelle sind Aufbrüche sinnvoll,     rent gestaltet wurden.
nötig oder sogar unvermeidbar? Was
sollte sich zum Besseren verändern? Wo      Je besser es gelingt, solche Aufbrüche
gibt es gute Traditionen im Umgang mit      auch im alltäglichen Leben in den Sama-
Aufbrüchen und Veränderungen? Was in        riteranstalten als Übergänge transparent
den Samariteranstalten ist gut gewach-      für die betroffenen Menschen zu gestal-
sen? Was ist zufriedenstellend, kann so     ten, umso leichter können Klienten, Mit-
bleiben? Nicht alles muss neu erfunden      arbeiterinnen und Mitarbeiter nachvoll-
werden.                                     ziehen und verstehen, wie oder warum

                                                                                                                   UNTERwEGS 2/2019   5
Unterwegs - Samariteranstalten Fürstenwalde
GASTKOMMENTAR

                       Zwischen Aufbruch und Verzweiflung
Flucht ist für Menschen, die einen Ort, ihre Familie und ihr Heimatland gegen ihren
willen verlassen müssen, ein wechselbad zwischen Aufbruch und Verzweiflung.
Vor dem Gefühl eines persönlichen Aufbruchs dominiert über eine längere Zeit
zunächst die pure Verzweiflung.

                            T    iefste Verzweiflung und Trauer, lieb-
                                 ste Menschen verloren zu haben.
                            Verzweiflung darüber, dass die Nachbar-
                                                                         denkt sich der junge Syrer, während er in
                                                                         seiner Muttersprache mit Gedichten und
                                                                         kleinen Versen sich die Trauer von der
                            schaft, das eigene Haus, das ganze Dorf      Seele schreibt. Während die Musik von
                            in Schutt und Asche liegt durch Bomben       Fayrouz und Oum Kulthum, der Geruch
                            und der Weg zurück versperrt scheint. Ver-   von Manakish, das Shisha Rauchen und
                            zweiflung darüber, dass man sein Studium     die Gemeinschaft mit anderen verzwei-
                            abbrechen musste, kurz vor der Beendi-       felten Landsleuten ihm Trost spendet.
                            gung, weil der junge syrische Student zum
                            Militär eingezogen werden sollte und es      „Kirche, Kirsche, Küche – das klingt
                            drohte, dass er auf Landsleute schießen      alles gleich“. Im Integrationskurs lachen
                            muss. Es blieb ihm nur die Flucht, wäh-      sie über einen Witz, der die Runde macht,
                            rend andere bleiben müssen, und der Dik-     während vorsichtig die ersten zaghaften
                            tator sich Land und Leute gefügig bombt.     Kontakte zu Deutschen aufgenommen
                            Dabei war ein gesellschaftlicher Auf-        werden: Ein Syrer steigt in ein Taxi. Der
                            bruch und das Ende der Diktatur im Hei-      Taxifahrer fragt kurz angebunden: „Wo-
                            matland zum Greifen nah. Es folgt die        hin?“ Der Syrer antwortet prompt und
                            verzweifelte Sorge und Angst um die An-      ohne nachzudenken: „Akkusativ“.
                            gehörigen, die zurückblieben, und wei-
                            terhin um ihr Leben bangen, in den           Biblisch betrachtet hat Flucht ebenfalls
                            Bombennächten. Schuldgefühle plagen          viel mit Aufbruch zu tun. Flucht kann
                            ihn: werde ich meinen Vater und meine        Menschen neue Wege zeigen, die sich für
                            Mutter gesund wiedersehen können?            sie öffnen. Durch Flucht bricht etwas auf.
                            Meine Geschwister, meine Freunde?            Bewegung kommt ins Leben und es er-
                            Meine Liebste, die ich verlassen musste?     öffnen sich neue Sichtweisen, vielleicht
                                                                         auch Lösungen und Chancen. Alles hat
                            Wut wechselt sich mit Verzweiflung auch      seine Zeit, der persönliche Aufbruch
                            im sicheren Deutschland ab: diese ver-       auch – und so erlebe ich jetzt, 3 Jahre
                            maledeite und komplizierte deutsche          nach der großen Fluchtbewegung, dass
                            Sprache – „die werde ich nie lernen“,        sich bei vielen Geflüchteten trotz ihrer

                                       Fürstenwalde ist für Brandenburger Verhältnisse
                                       sensationell interkulturell gut aufgestellt.

6   UNTERwEGS 2/2019
Unterwegs - Samariteranstalten Fürstenwalde
GASTKOMMENTAR

weiterhin bestehenden Sorgen etwas Ent-       nicht allen gefallen, aber wenn wir den
                                                                                           ZUR PERSON
scheidendes geändert hat: der Kopf ist        „Aufbruch“ Schutzsuchender ernstneh-
viel mehr im Hier und Jetzt…. Und nicht       men und wollen: dies ist keine Einbahn-
mehr nur zur Hälfte in Fürstenwalde und       straße, ebenso wenig wie es die
zur anderen Hälfte im Heimatland, in Ge-      Bemühungen um die Integration ist. Des-
danken bei den zurückgelassenen Lieb-         halb: wie wäre es, wenn Sie selber „auf-
sten. Um das Positive in dem Status           brechen“, neue Wege beschreiten und
„Flucht“ wahrnehmen zu können, muss           diesen Geschäften – falls noch nicht
der Kopf frei sein. Um ein positives Ge-      getan – auch mal einen Besuch abstat-
fühl in Bezug auf „Aufbruch“ zu erleben,      ten?? Es lohnt sich, versprochen!
brauchen Schutzsuchende das Gefühl
von persönlicher Sicherheit, das Erleben      Mahatma Gandhi hat zum Thema „Auf-
von Respekt, Empathie statt Menschen-         bruch“ gesagt: „Sei Du selbst die Verän-
feindlichkeit, das Miteinander Lachen         derung, die Du Dir wünschst für diese
und verlässliche Freunde….                    Welt“. Und so haben viele der in den letz-   Gabi Moser
                                              ten 3 Jahren zu uns gekommenen Schutz-       Jahrgang 1963; geboren in Österreich;
Immer mehr Neu-Angekommene lassen             suchenden hart für und an ihrem persön-      Sozialpädagogin und Krankenschwester
sich nicht beirren und gestalten ihren per-   lichen Aufbruch gearbeitet. Die ersten
sönlichen „Aufbruch“ mit allen Sinnen         schließen ihre Ausbildungen ab oder          1989 in spannenden Zeiten zum Studie-
und viel Energie. Wenn die Verzweiflung       haben angefangen zu studieren. Andere        ren nach Berlin gekommen in Fürsten-
hinter sich gelassen werden kann und          haben – sich wieder sicher fühlend – ge-     walde Freunde, Arbeit und Raum für
nicht mehr jedes Wort auf Deutsch über-       heiratet und Familien gegründet. Wie-        Engagement gefunden, seit 2007 Mitar-
legt werden muss vor dem Sprechen –           derum andere leiden sehr unter ihren         beiterin der Ev. Jugendarbeit im Kir-
dann kann die Energie fließen. Haben Sie      Kriegs-, Folter- und Fluchterlebnissen,      chenkreis Oderland-Spree, Faible fürs
schon bemerkt, wie viele neue Geschäfte       sind depressiv, fühlen sich gelähmt. „Die    Vernetzen von Kirche und Kommune im
es in Fürstenwalde gibt, deren Inhaberin-     deutschen Worte fallen aus dem Kopf“ –       ländlichen Raum rund um Fürsten-
nen und Inhaber einen sogenannten             so beschrieb ein traumatisierter Jugend-     walde, wünscht sich mehr Empathie,
„Fluchthintergrund“ haben?? Der Imbiss        licher seine Schwierigkeiten mit dem         eine klarere Haltung der Offenheit und
in der Bergstraße, wo es mittags bis 16       Deutsch lernen. Manchen der Jugendli-        mehr freundliche Neugier gegenüber
Uhr Manakish - kleine levantinische Piz-      chen und jungen Erwachsenen fehlt die        zugewanderten Menschen
zen – gibt. Die Barbershops, die rund um      Struktur der Familie, die organisatorische
die Eisenbahnstraße aus dem Boden ge-         Hand der Mutter – die sie schrecklich
schossen sind und die auch zunehmend          vermissen. Sie alle brauchen noch Zeit
von deutschen Männern genutzt werden.         um im positiven Sinne „aufbrechen“ zu
Das Café „Alefgan“ in der nördlichen Ei-      können, um stabil zu werden, damit sie
senbahnstraße, das mit arabischen Sü-         ihr Leben wieder selbst gestalten und
ßigkeiten, Kaffee und Kuchen aufwartet.       selbst bestimmen. Sie sind noch nicht so
Die Lebensmittelläden, betrieben von          weit, den Prozess für ihren Aufbruch und
Arabern und Kurden – wo es genug Pe-          ihre Veränderungen selbst in die Hand zu
tersilie für den Tabouleh Salat gibt….        nehmen. Seien Sie geduldig, hören Sie zu
Der syrische Imbiss im Wasserturm am          und lassen Sie den Schutzsuchenden
Bahnhof… usw. Fürstenwalde ist für            Zeit. Zeit heilt die Wunden. Alles hat
Brandenburger Verhältnisse sensationell       seine Zeit: auch der persönliche Auf-
interkulturell gut aufgestellt. Ich finde     bruch und das Ja-Sagen zu unserer Ge-
das wunderbar. Aufbruch und Verände-          sellschaft.                                                     nächste Seite:
rung an allen Ecken und Enden. Das mag                                       Gabi Moser                       Text in leichter Sprache

                                                                                                                 UNTERwEGS 2/2019   7
Unterwegs - Samariteranstalten Fürstenwalde
Zwischen
  KATHARINAAufbruch   und Verzweiflung
           VON BORA-HAUS

Flucht bedeutet, dass Menschen zum Beispiel:          Wenn sie in Deutschland sind lernen sie deutsch.
• Einen Ort                                           Wenn sie deutsch sprechen können machen manche
• Ihre Familie                                        Menschen einen Laden auf.
• Ihr Land                                            Zum Beispiel gibt es in Fürstenwalde viele Läden
verlassen müssen, obwohl sie das gar nicht wollen.    die von geflüchteten Menschen aufgemacht wurden.
Wenn man flieht hat man viele Gefühle.                Zum Beispiel:
Man kann verzweifelt sein.                            • Es gibt in der Bergstraße Manakish.
Das bedeutet,                                            Das ist eine kleine syrische (gesprochen: sürische)
dass man nicht mehr weiß was man machen soll.            Pizza.
Man ist verzweifelt und traurig wenn man flieht.      • Es gibt einen Barber-Shop.
Weil man zum Beispiel:                                   Das ist ein Friseur.
• Liebe Menschen verloren hat.                        • Es gibt das Café Alefgan in der Einbahnstraße.
• Die Nachbarschaft verliert.                            Dort gibt es arabische Süßigkeiten,
• Der ganze Ort im Krieg zerstört wurde.                 Kaffee und Kuchen.
• Man nicht weiter zur Schule gehen kann.             • Es gibt auch Lebensmittel-Läden die von
                                                         geflüchteten Menschen eröffnet werden.
In manchen Ländern ist Krieg,                         • Es gibt noch vieles mehr in Fürstenwalde,
dann müssen die Menschen fliehen.                        was geflüchtete Menschen eröffnet haben.
Wenn sie nicht fliehen,
müssen die Männer zur Armee und kämpfen.              Jeder kann in diese Läden gehen – Versuchen Sie es
Wenn sie nicht fliehen,                               doch auch einmal.
werden die Menschen angegriffen.
Wenn man flieht hat man auch Angst und große Sorge.   Mahatma Gandhi war ein sehr bekannter Mann.
Zum Beispiel:                                         Er hat für Gerechtigkeit gekämpft.
• Um die Menschen die noch dageblieben sind.          Mahatma Gandhi hat einmal gesagt:
• Um die Familie, die nicht fliehen konnte.           „Sei du selbst die Veränderung,
• Um die Freunde, die nicht fliehen konnten.          die Du Dir wünschst für die ganze Welt“.

Manchmal ist man dann auch wütend,                    In den letzten 3 Jahren sind viele Menschen
wenn man in einem neuen Land ist.                     nach Deutschland geflohen.
Dann muss man eine neue Sprache lernen.               Viele Menschen leben jetzt hier.
Zum Beispiel müssen die Menschen                      Einige haben eine Ausbildung angefangen und
die nach Deutschland kommen deutsch lernen.           sind schon fast fertig.
Deutsch ist eine sehr schwere Sprache.                Einige haben neue Freunde kennen gelernt.
                                                      Einige haben eine neue Familie gegründet.
In der Bibel wird schon über Flucht geschrieben.      Einige leiden sehr unter dem Erlebtem in eigenem
In der Bibel steht,                                   Land.
dass Flucht den Menschen neue Wege zeigt.             Einige lernen die deutsche Sprache nur sehr langsam.
In der Bibel steht, dass Flucht                       Einigen fehlt die Familie sehr.
auch eine Lösung und eine Möglichkeit sein kann.      Sie brauchen einfach mehr Zeit
Um bei Flucht auch an etwas Guten zu denken,          um auch das Gute an der Flucht zu sehen.
muss man sich konzentrieren.                          Dafür brauchen sie auch Unterstützung.
                                                      Alles hat seine Zeit,
Wenn man flieht ist man in Sicherheit.                auch dass man sich in Deutschland wohlfühlen kann.
Wenn man flieht lernt man nette Menschen kennen.                                                      Mario Stein
Wenn man flieht bekommt man Respekt.
Wenn man flieht hat man neue Möglichkeiten.
Wenn man flieht kann man auch wieder Lachen und
neue Freunde finden.

Viele Menschen die nach Deutschland fliehen,
leben gern in Deutschland.

    8   UNTERwEGS 2/2019
Unterwegs - Samariteranstalten Fürstenwalde
KATHARINA VON BORA-HAUS

                                                              Umbrüche und Aufbrüche
Immer wieder brechen wir Menschen auf, weil wir uns an Veränderungen
anpassen müssen oder weil wir Veränderungen erreichen wollen.
weil wir unzufrieden oder neugierig sind, weil wir vertrieben werden
oder flüchten müssen.

D    er 8. Mai 1945 – für diejenigen, die
     dieses Datum erlebt haben, ist die-
ses ein Bedeutendes. Für die einen ver-
                                             zu brauchen angefreundet. Sie haben
                                             Vor- und Nachteile abgewogen, Einrich-
                                             tungen verglichen und überlegt, wie sie
                                                                                          klar ist und wir es geschafft haben auf-
                                                                                          zubrechen, uns zu bewegen, brauchen
                                                                                          wir auch immer wieder mal eine Pause,
bindet sich damit die Kapitulation, der      ihr Zimmer einrichten können. Sie sind       Zeiten der Stabilität und Konsolidierung.
Zusammenbruch. Für andere bedeutet es        oft offen für neue Begegnungen und neh-
das Ende des Krieges, es ist der Tag der     men Angebote, Unterstützung und Bera-        Es reicht also nicht, aufzubrechen und
Befreiung und der Beginn eines neuen         tung gerne an. Für andere war der Einzug     das Ziel zu kennen. Wir brauchen auch
Aufbruchs. 9. November 1989 – für die        eine dringende Notwendigkeit, weil sie       Ausdauer, Beharrlichkeit und müssen
meisten Menschen ein Tag, an dem Er-         in ihrer Wohnung nicht (mehr) gepflegt       uns immer wieder gegenseitig helfen und
starrung und Beton aufgebrochen wurde,       werden konnten, beispielsweise nach          zum Durchhalten motivieren.
an dem das Unglaubliche geschah und          einem Schlaganfall. Dann ist die Bewäl-
Freiheit erlebt wurde; für andere ein Tag,   tigung dieser Veränderung schwieriger,       Denn die nächsten Herausforderungen
an dem es vorbei war mit der vertrauten      der Verlust wird stärker erlebt, es fällt    stehen vor der Tür. Unsere Gesellschaft
Ordnung und alten Gewissheiten.              schwerer, das Positive zu erkennen.          wird älter und es wird sehr viele Men-
                                                                                          schen geben, die Unterstützung und
Die Bewohner unseres Hauses haben            Es ist eine Stärke, wenn wir für Verände-    Pflege brauchen. Doch schon heute gibt
schon so einige Aufbrüche, Umbrüche,         rungen offen und bereit sind, neue Wege      es nicht genug Pflegekräfte. Wir brau-
Zusammenbrüche, Krisen, Staats- und          zu gehen. Dabei ist es hilfreich, über un-   chen deshalb gute Arbeitsbedingungen
Gesellschaftsordnungen und Wende-            seren Tellerrand hinauszublicken. Wir        um Mitarbeiter gewinnen und behalten
punkte erlebt. Nicht wenige mussten          bekommen Anregungen und erkennen oft         zu können und viele Ideen, um den Beruf
1945 ihre Heimat verlassen, innerhalb        Lösungen für eigene Probleme.                attraktiver zu machen. Wir müssen uns
kurzer Zeit mit dem Allernötigsten auf-                                                   noch stärker mit den Chancen der Digi-
brechen. Dieser unfreiwillige Aufbruch       Wir Mitarbeitenden in der Altenpflege        talisierung beschäftigen. Und wir brau-
war eine Zeit der Not, des Mangels, eines    erleben in den letzten Jahren einen an-      chen differenzierte Wohnformen, z.B. für
Lebens im Provisorium und geprägt von        dauernden Aufbruch. Schnell aufeinan-        jüngere pflegebedürftige Menschen und
Angst und großer Verunsicherung. Ob          derfolgende Pflegereformen haben uns         mehr Betreuungsangebote für Intensiv-
durch die große Politik oder im privaten     permanent beschäftigt. Gleichzeitig ent-     pflege, Tagespflege und Hospize.
Leben durch Verluste von Angehörigen,        wickelten wir unsere Strukturen für eine
des Arbeitsplatzes, durch Krankheiten        bessere Betreuung von Menschen mit           Wenn wir die Lust und die Neugier auf
oder Trennungen, alle Umbrüche er-           einer Demenz weiter, erarbeiteten Rah-       Neues behalten, werden wir bereit sein,
fordern immer wieder das Handeln, die        mendienstpläne, neue Richtlinien und         aufzubrechen, durchzuhalten und unsere
Bewältigung der Veränderungen. Sie be-       Standards, gestalteten Räume neu und         Ziele erreichen.
einflussen das Leben tiefgreifend und        lernten, eine neue Pflegesoftware für un-                                 Reinhard weiß
wirken bis in die Gegenwart hinein.          sere Dokumentation zu nutzen.Und die
                                             nächste Reform zur Pflegeaus-
Wir Menschen erleben Umbrüche und            bildung und das neue umfangrei-
Veränderungen verschieden. Es kann           che Verfahren zu den Qualitäts-
eine negative Erfahrung sein, eine exi-      prüfungen fordern uns weiter
stenzielle Erschütterung, die es möglichst   heraus.
schnell zu überwinden gilt. Es kann aber
auch zum Aufbruch für einen Neuanfang        Auch wenn die vielen Reformen
werden, Chancen eröffnen und unge-           und Veränderungen die Situation
ahnte Kräfte in uns freilegen.               der Altenpflege verbessern sollen
                                             und wir mit unseren Zielen das
Manche Bewohner unseres Hauses haben         Katharina von Bora-Haus immer
den Umzug in das Katharina von Bora-         weiter entwickeln wollen, be-
Haus schon lange vorher überlegt und         deuten diese Veränderungen
sich oft Jahre vorher angemeldet. Sie        auch Anstrengungen, mitunter
haben eine eigene Entscheidung getrof-       Stress, Unsicherheit und manch-
fen und hatten Zeit, sich mit dem Gedan-     mal fühlt sich der eine oder an-
                                                                                    neue Pflegesoftware für unsere Dokumentation
ken, eines Tages Unterstützung und Hilfe     dere überfordert. Wenn das Ziel

                                                                                                                   UNTERwEGS 2/2019   9
Unterwegs - Samariteranstalten Fürstenwalde
CHRISTOPHORUS-WERKSTÄTTEN

„Chancengleichheit besteht nicht darin, dass jeder einen Apfel pflücken darf,
sondern dass der Zwerg eine Leiter bekommt.“
(Reinhard Turre)

                                 PassGenau – Schlüssel für Arbeit und
                                             Aufbruch in die Zukunft
  nklusion – Motor zum Aufbruch               Dienstes geleistet. Das Interesse an Aus-   selbst zu verwirklichen. Seine Stärken
I Inklusion bedeutet Chancengleichheit
und ist unser Weg. Inklusion ist die Ein-
                                              gelagerten Arbeitsplätzen seitens Be-
                                              schäftigter der Christophorus-Werkstät-
                                                                                          und Kompetenzen sind die Bausteine,
                                                                                          zwischen denen Mörtel gegeben werden
beziehung von Menschen in die Gesell-         ten wächst. Im Frühjahr 2017 erhielten      muss, so dass er als gefestigtes Bauwerk
schaft. Das Ziel von gelebter Inklusion       Frau Pahlke, Frau Steffen und Frau Ein-     im Arbeitsleben bestehen kann. Der Teil-
ist erreicht, wenn es normal ist, verschie-   horn den Auftrag von der Leitung, ein       nehmer allein ist planender Hauptakteur.
den zu sein. Der Mensch wird akzeptiert       Konzept „an der Schnittstelle zum ersten    Er bestimmt und wird bestärkt.
und kann unabhängig von Geschlecht,           Arbeitsmarkt“ zu entwickeln. 2018 ent-
Alter, Herkunft, Religion, Bildung, Be-       stand daraus der Bereich PassGenau.         Am Beginn steht die Wunschäußerung.
hinderung oder anderen Merkmalen                                                          In Beratungs- und Zukunftsplanungsge-
gleichberechtigt und selbstbestimmt an        Frau Pahlke: „Jobcarving ist das, was ich   sprächen werden Wünsche und Vorstel-
dieser teilhaben. Teilhabe, trotz der Un-     unter unserem Angebot „PassGenau“ im        lung gesammelt und erste Inputs
terschiede, Teilhabe in allen Lebensbe-       Bereich Berufliche Integration verstehe -   gegeben. Ziel ist es immer, so genau wie
reichen. So auch im Bereich der Arbeit.       nämlich ein PassGenaues Angebot für         möglich die Wünsche zu ermitteln. Die
Aktuell arbeiten 13 Beschäftigte der          Menschen mit Behinderung oder anderen       Suche nach einem geeigneten Betrieb,
Christophorus-Werkstätten auf Ausgela-        Zielgruppen wie auch für Betriebe des er-   die Bewerbung und das betriebliche
gerten Arbeitsplätzen. Diese sind auf         sten Arbeitsmarktes für eine gelingende     Praktikum sind weitere Schritte.
konkreten Wunsch bzw. Initiative der          nachhaltige Berufliche Inklusion.“
Teilnehmer selbst entstanden.                                                             Ziel ist es, den Teilnehmer an einen Ar-
                                              Frau Pahlke, Teamleiterin, Jobcoach und     beitsplatz seiner Wahl zu vermitteln. Die
Ausgelagerte Arbeitsplätze sind pauschal      Mitarbeiterin des Sozialen Dienst, ist      berufliche Förderung erfolgt in den ver-
betrachtet betriebsintegrierte Arbeits-       verantwortlich für Beratung, Diagnostik     schiedensten betrieblichen Einsatzmög-
plätze für Werkstattbeschäftigte in Un-       und Tests, Clearing und Verhandlungen.      lichkeiten. Orte wie: Kfz-Werkstatt,
ternehmen des ersten Arbeitsmarktes.          Die Jobcoachs Frau Steffen und Frau         Pferdehof, KITA, Küche, Haustechnik…
Das umfasst Betriebe verschiedenster          Einhorn sind die Integrationsbegleiter      - nichts ist unmöglich. Notwendige För-
Branchen, verschiedenster Größenord-          und verantwortlich für die fachliche Un-    derungen in den Basisanforderungen an
nungen, auch Integrationsfirmen. Unsere       terstützung, sind Begleiter der Teilneh-    die Teilhabe auf dem betrieblichen Ar-
Beschäftigten sind in Dienstleistungs-,       mer im Anleitungs- und Arbeitsprozess.      beitsplatz (selbständige Anfahrt, Hygie-
Handwerks- und sozialen Einrichtungen                                                     neausweis, Sägen-, Gabelstapler- oder
tätig. Prinzipiell könnte wohl in jedem       Der Jobcoach begleitet „maßgeschnei-        Pkw-Führerschein, bebilderte Tagespla-
Unternehmen ein Nischenarbeitsplatz für       derte Arbeitsplätze für Menschen mit Be-    nung, …) erfolgen zeitgleich. Wir Jobco-
die Fähigkeiten und Wünsche von einem         hinderung“ und entlastet gleichzeitig       achs sind verantwortlich, diese Bedarfe
Beschäftigten gefunden werden. Ausge-         durch die Übernahme bestimmter Tätig-       zu sehen und den Teilnehmer auf den er-
lagerten Arbeitsplätzen gehen Praktika        keiten Fachkräfte (Quelle: Hötten und       folgreichen Abschluss von Basisanforde-
oder eine Ausgelagerte Berufliche Bil-        Hirsch S.172). PassGenau bietet dem         rungen vorzubereiten.
dungen voraus.                                Teilnehmer berufliche Orientierung, Be-
                                              gleitung am Arbeitsplatz, zwei An-          PassGenau arbeitet jeden Teilnehmer auf
Jobcoaching – berufliche                      sprechpartner in der Begleitung sowie       Augenhöhe im Betrieb ein. Damit ver-
Inklusion möglich mache                       Qualifikation und Lernen im Betrieb. Wir    bunden ist eine enge Zusammenarbeit
Die Begleitung und Betreuung von Teil-        unterstützen Teilnehmer auf ihrem per-      von PassGenau mit dem sozialen und be-
nehmern auf Ausgelagerten Arbeits- und        sönlichen Entwicklungsweg, sich selbst      ruflichen Umfeld des Teilnehmers. Im
Berufsbildungsplätzen als Einzelarbeits-      besser kennenzulernen und dadurch           Betrieb wird versucht, einen betriebli-
plätze wurde bis einschließlich 2017          Selbstvertrauen zu gewinnen. Der Teil-      chen Unterstützer/Anleiter zu finden.
durch eine Mitarbeiterin des Sozialen         nehmer wird schrittweise befähigt, sich     Um Teilnehmer beraten und vermitteln

10   UNTERwEGS 2/2019
CHRISTOPHORUS-WERKSTÄTTEN

zu können, die einer Aufnahme in eine         heißt Simone Steffen. Mein Arbeitsplatz      schnippeln, Kuchen machen, Platten ma-
Werkstatt für Menschen mit Behinderung        heißt Küchenkraft in der Kalt-Küche. Ich     chen – mit Unterstützung meiner Kolle-
skeptisch bzw. konträr gegenüber stehen,      arbeite dort seit 7. Mai 2018. Meine Ar-     gen. Ich finde es schön, dass wir das
wird eine den Christophorus-Werkstätten       beitszeit ist von 6:30 Uhr bis 14:00 Uhr.    erreicht haben, dass ich hier arbeiten
ferne Beratungsstelle notwendig. Hierfür      Die Arbeit ist manchmal schwer. Sie ge-      kann. Ich bin glücklich, so wie es ist. Ich
plant PassGenau einen Raum/Büro, zen-         fällt mir sehr gut. Ich muss beachten: die   fühle mich wohl bei euch.“
tral in Fürstenwalde gelegen.                 Hygiene einhalten, Hände waschen und
                                              saubere Sachen anziehen. Ich wünsche         Frau Steffen: „2018 wechselte ich aus
Aufbruch – wunsch nach Normalität             mir, dass ich noch mehr lernen kann (Ser-    dem regulären Gruppendienst in die Ab-
Unser Aufbruch begann mit gesetzlichen        vice, Schreiben und Lesen). Ich möchte       teilung BBI und forciere als Jobcoach die
Veränderungen, vermehrter Nachfrage,          noch lernen, mehr Kalt-Küche und auch        betriebliche Integration. Nun bin ich auf
Wünsche für neue berufliche Herausfor-        mal Warm-Küche zu sein. Ich kann rich-       dem Weg in eine neue Rolle. Ich darf Ar-
derung und den Qualifizierungen zu Job-       tig gut sauber machen und Ware einräu-       beitsplätze finden, entwickeln und an-
coachs.                                       men. Besonders viel Spaß macht mir die       passen. Im Betrieb bin ich ein
                                              Arbeit mit den Bewohnern (Essen aus-         „Brückenbauer“, zeige mein Interesse für
Frau Einhorn: „In meinem beruflichen          teilen und fragen, wie es geschmeckt         den Betrieb und dessen Zusammen-
Werdegang konnte ich häufig von den           hat). Mein Tagesablauf ist von Montag –      hänge. Und ich arbeite mit und erkenne
Beschäftigten in der Werkstatt den            Freitag gleich: Frühstück, Salat, Nach-      darüber sowohl Handlungs- und Lern-
Wunsch nach einem normalen Leben,             tisch, Kuchen, Essen austeilen, Abwasch,     schritte als auch Anforderungen. Als Job-
„ein Leben, wie da draußen“, hören. Ich       Saftrunde, sauber machen. Dienstag und       coach sehe mich als Begleiter und
wollte die Beschäftigte trösten. Ich zählte   Donnerstag kommt die Ware, die ich ver-      Berater. Der Teilnehmer soll handlungs-
die Schwierigkeiten und Hürden eines          räume. Erst kontrolliert einer, der lesen    fähiger werden. Als Jobcoach höre ich
´normalen´ Lebens mit einem unguten           kann und dann kann ich loslegen.             aktiv zu und paraphrasiere bis mein Ge-
Gefühl auf, denn tauschen wollte ich                                                       genüber sagt, ja, genau das habe ich ge-
nicht. Ich genoss und genieße mein            Frühstück vorbereiten heißt: die Wohn-       meint, da soll es hingehen.“
selbstbestimmtes Leben mit allem Drum         bereichs-Wagen abräumen und bestük-
und Dran.                                     ken mit Frühstück. Butter = selbst           PassGenau wendet sich einem Personen-
                                              geschnittene, Wurst + Käse, Obst, Milch,     kreis zu, dem die berufliche Teilhabe auf
Heute bin ich dankbar für meine Lebens-       Kaffeesahne, Brot, Marmelade und den         dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Für-
erfahrungen, sie haben mich zu dem wer-       Kaffeebehälter. Ines macht dann weiter       stenwalde und Umgebung noch nicht ge-
den lassen, was ich bin. Der Wunsch           mit Brötchen und Suppe. Es ist ´ne           lungen ist. Die Christophorus-Werkstät-
nach einem „normalen Arbeitsleben“            Menge, was da rauf kommt, auf so einen       ten Fürstenwalde erweiterten mit diesem
kann nun selbstbestimmt und professio-        kleinen Wagen. Salat ist nicht immer.        Angebot ihren gelebten Inklusionspro-
nell von mir begleitet seine Erfüllung fin-   Manchmal gibt’s dann Suppe. Salat gibt’s     zess und sichern ihren Standort für die
den. Nun werde ich als Jobcoach               auch zum Abendbrot. Wir bereiten den         Zukunft, gewinnen neue Kunden und ein
arbeiten, mit einem guten Bauchgefühl.        selbst zu. Manche Rezepte kenne ich          neues Image. Gleichzeitig erfüllt die
Ich werde ein „Menschenbegleiter“ sein,       schon auswendig. Mich freut es, wenn’s       Werkstatt ihren Rehabilitationsauftrag:
der dem Teilnehmer mit Hilfe zur Selbst-      dann alle wird. Das ist ein Zeichen, dass    der „Übergang von behinderten Men-
hilfe und Selbstverantwortung in die          es geschmeckt hat.                           schen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
Vielfalt des Lebens begleitet. Der Teil-                                                   ist durch geeignete Maßnahmen zu för-
nehmer wird selbstbestimmt ausprobie-         Kuchenvorbereitung heißt: Montags gibt       dern...“ (siehe Gesetzliche Grundlagen
ren und scheitern dürfen, denn das gehört     es Waffeln mit Frucht und Sahne, diens-      AAP) Das übergeordnete Ziel ist der so-
zum ´normalen´ Leben dazu.“                   tags gibt’s Obsttorten, mittwochs Rosi-      zialversicherungspflichtige Arbeitsplatz
                                              nen- oder Milchbrötchen, donnerstags         eines Teilnehmers. Die Betriebe sind auf
Fr. Franke: „Ich bin 47 Jahre alt und         dann Blechkuchen und freitags Biskuit-       diese Angebote durch uns vorzubereiten,
wohne in Fürstenwalde/Spree. Ich mache        rollen. Ich bereite das mit zu. Brötchen     dahingehend verstehen wir die Angebote
in meiner Freizeit: Fahrrad fahren, Pad-      muss ich teilen, dann wird abgezählt. Zu-    des Bereichs PassGenau.
deln (im Drachenboot), Sport (im Fit-         schneiden machen aber die anderen, weil
ness-Studio), Abendschule, Feiern und         die Stücke gleich sein sollen.               Weitere Ausgelagerte Arbeitsplätze sind
im Urlaub reisen.                                                                          zu besetzen. Auf der Homepage der Chri-
                                              Ich freue mich, dass ich hier viel mitwir-   stophorus-Werkstätten sind die aktuellen
Ich habe in Küche, Holz, Gärtnerei und        ken kann, dass ich mitmachen kann in         Stellenausschreibungen einzusehen.
HWD (Hauswirtschaftsdienst) gelernt.          der Küche: Salate putzen, Gemüse                            Simone Steffen / Jane Einhorn
Jetzt arbeite ich als Küchenkraft. Das ist
in der Firma F&B Senioren Service-Cen-
ter im „Haus Am Dom“ (Senioren-Pfle-
geheim). Meine Chefin heißt Madlen
                                                            „wenn ich wissen will, was ich werden will,
Dietrich. Sie ist die Küchen-Chefin und                     muss ich wissen wer ich bin.“
ganz lieb und nett. Meine Kollegen sind
auch sehr nett, freundlich, liebevoll und
hilfreich in der Küche. Mein Jobcoach

                                                                                                                    UNTERwEGS 2/2019   11
BURGDORF-SCHULE

                                                                          Tierparkprojekt
Mit dem Musicalprojekt fing alles an. Nachdem feststand, dass wir vier Schülern
aus unserer Klasse die Teilnahme daran ermöglichen wollten,überlegte ich,
was die anderen Kinder in der Zeit erleben könnten. Denn „nur“ in der Schule
bleiben wollten wir nicht. So entschloss ich mich in enger Absprache
mit meinen Kolleginnen, mit Alex, Mike, Olasubumi (Ola) und Lennard (Lenny)
jeden Mittwoch in den Fürstenwalder Heimattiergarten aufzubrechen.

                            A    us den Erfahrungen vergangener
                                 Jahre wusste ich, dort gibt es viel zu
                            entdecken, zu bestaunen und zu beob-
                                                                          und in den Park gebracht worden waren.
                                                                          Als es ihnen dann im Behelfsquartier zu
                                                                          eng wurde, zogen sie um, unser alter
                            achten. Darauf wollte ich besonderen          Fuchs bekam neben dem Vielfraß ein
                            Wert legen, wir würden jedem Kind ein         neues Zuhause. Hier konnten wir ihn
                            bestimmtes, heimisches Tier zuordnen,         immer gut beobachten, und schon bald
                            es über diesen langen Zeitraum, bei           entwickelte sich ein Ritual. Wir sangen
                            jedem Wetter und in verschiedenen Jah-        ihm regelmäßig ein Ständchen. „Fuchs,
                            reszeiten betrachten.                         du hast die Gans gestohlen...“. Uns kam
                                                                          es vor, als würde er jeden Mittwoch auf
                            Die ersten Besuche dienten der Orientie-      uns warten, erwartungsvoll schaute er
                            rung, die Kinder lernten den Weg dorthin      uns (und wahrscheinlich auch den ande-
                            kennen, wir waren ja immer zu Fuß un-         ren Besuchern) entgegen. Leider ist unser
                            terwegs. Wir machten uns mit den Sani-        Herr Fuchs im März gestorben. Für
„Blonde Kuh“ Abigail        täreinrichtungen vertraut, für die vier       meine Schüler eine traurige, aber auch
                            Jungs waren ein Picknick im Park ebenso       wichtige Erfahrung. Davon später mehr.
                            wichtig wie eine Pause auf dem Spiel-         Nun also sangen wir den Jungtieren
                            platz und wenn möglich, auch die ab-          unser Lied vor, sie hatten sich inzwischen
                            schließende Fütterung der ewig hung-          gut im größeren Gehege eingelebt. Was
                            rigen Ziege und Schafe.                       haben wir mit ihnen alles erlebt! Eines
                                                                          der Tiere brach sich einen Lauf, musste
                            Dann ging es los. Mike würde die Wild-        operiert werden. Der andere Fuchs kam
                            schweine, Alex die Luchse, Ola den            immer aus seinem Versteck, wenn unser
                            Fuchs und Lenny die Ziegen genauer be-        Lied erklang. So sammelten wir viele
                            obachten. Eigentlich standen die Rehe         Eindrücke, erfuhren Wissenswertes, was
                            auch mit auf der Liste, aber wir erfuhren,    wir, zurück in der Schule, aufs Arbeits-
                            dass bis auf einen Rehbock alle anderen       blatt brachten und für den Tierparkord-
                            Tiere verstorben waren. Und dieser ver-       ner sammelten.
                            steckte sich meist so geschickt, dass wir
                            unseren Plan mit ihm aufgaben.                Mikes Wildschweine boten viel Raum
                                                                          für Beobachtungen. Im Herbst sammel-
                            Wir begannen unsere Beobachtungen mit         ten wir für sie Eicheln und durften –
                            dem Fuchs. Wir lernten, dass er schon         selbstverständlich nach Rücksprache –
                            sehr alt war, gut zehn Jahre, und damit       diese auch verfüttern. Die Kinder erleb-
                            die Lebenserwartung „seiner Kollegen“         ten, wie sich die Tiere um diese zankten,
                            in freier Wildbahn deutlich übertroffen       meist gewann die größte Sau. Wir sahen,
                            hatte. Zu Beginn unserer Besuche lebte        wie gern die Wildschweine buddeln oder
                            der alte „Herr Fuchs“, wie wir ihn bald       sich in ihren Kuhlen wälzten, lernten,
                            nannten, noch im Gehege neben den Prä-        dass sie Allesfresser sind. Eines Tages,
Uhu Luna
                            riehunden, ihm gegenüber fanden wir           Anfang März, lag einer der Sauen plötz-
                            eines Tages zwei sehr kleine Jungtiere        lich mit mehreren Frischlingen ganz nahe
                            vor. Die Tierparkmitarbeiter beantworte-      am Zaun – nanu? Während vier Minisch-
                            ten unsere Fragen immer gern, so erfuh-       weine gestreift waren, fiel uns ein Frisch-
                            ren wir, dass die kleinen Füchse verwaist     ling besonders auf: Er war weiß, auf

12   UNTERwEGS 2/2019
BURGDORF-SCHULE

                                            wird uns ganz sicher bleiben, wie ein         Tierpark gewiss ein Höhepunkt, Abigail
                                            Jungtier mal versucht hat, ein Huhn zu        ist schnell ein fester Bestandteil unserer
                                            erlegen. Wir Besucher jenseits des Zau-       Besuche geworden. Sie ist sehr zutrau-
                                            nes wussten, es ist schon tot, aber der       lich und kommt meist angerannt, wenn
                                            kleine Luchs kämpfte trotzdem mit dem         sie uns sieht. Wir dürfen ihr immer einen
                                            Vogel, bis seine Mama genug von dem           Apfel und eine Möhre mitbringen. Als
                                            Spektakel hatte, das Huhn kurzerhand          Alex sie das erste Mal sah, meinte er:
                                            auffraß. Auch diese Erfahrung war für         „Oh. Ein Bär!“. Ich intervenierte und er-
                                            unsere Schüler äußerst lehrreich: Tiere       klärte, dass Bären keine Hörner haben.
                                            fressen auch Tiere, dies beobachteten wir     Daraufhin taufte Mike sie auf „Blonde
                                            auch bei den Eulen oder Greifvögeln.          Kuh“, nun hat Abi ihren Spitznamen. Für
                                                                                          uns Erwachsene (uns begleitete regelmä-
                                            Zum Abschluss unserer Rundgänge ging          ßig eine Schulbegleiterin für Ola aus dem
                                            es immer zu den Ziegen und Schafen.           Haus Jona, meist Frau Kaminsky) waren
                                            Hier durfte nach Herzenslust gefüttert        der Tod des vertrauten Fuchses, des Vier-
                                            werden, die Tüten mit dem Futter gibt es      fraßes – ihm war es vermutlich im letzten
                                            ja zu kaufen. Das war für Ola, Lenny und      Sommer zu warm – oder der beiden Elche
                                            Mike zum Beginn unserer Besuche oft           schwer zu verdauen. Während der Fuchs
                                            noch schwierig und mit Angst verbun-          ein hohes Alter erreichte, waren die an-
                                            den, Alex hingegen hatte keine Scheu.         deren Tiere noch jung, der Tod der impo-
                                            Für uns war es schön zu sehen, wie all-       santen Elche ging uns besonders nah. Sie
der alte „Herr Fuchs“
                                            mählich das Vertrauen in die eigene Cou-      starben an einem Virus, alle Versuche, sie
                                            rage wuchs und sich am Ende alle              zu retten, scheiterten. Die Tierparkmit-
seinem Fell befanden sich keine Streifen,   trauten, die frechen und stets drängeln-      arbeiter litten darunter sehr. Wir haben
sondern Punkte. Damit hatten wir wieder     den Tiere zu füttern und natürlich auch       gelernt, wie mühsam, aufopfernd und ko-
einen Grund zu fragen. Wir erfuhren,        zu streicheln. Im April wurden die ersten     stenintensiv die Tierpflege ist, waren bei
dass sich in seiner Familie wohl mal ein    Zicklein geboren, es war für uns alle eine    der Eröffnung der Eulenburg dabei, Mike
Hausschwein befunden haben muss und         Freude, sie im Leben zu begrüßen. Wuss-       hat es sogar in die Zeitung geschafft. Wir
dessen Gene auch noch in späteren Ge-       ten wir doch, dass es im Februar einen        durften den Uhu Luna streicheln und
nerationen auftauchen können. Es war        Einbruch mit schlimmer Tierquälerei ge-       schauten einmal überraschend dem
schön zu sehen, dass die Frischlinge gern   geben hatte, wo es lange unklar war, ob       Waschbär ins Gesicht. Und eines Tages
gemeinsam toben, so ging es im Wild-        Heidi, die stets so zutrauliche, weiße Zie-   zeigte sich sogar der Rehbock, er hatte
schweingehege mitunter ebenso lebhaft       ge diese überhaupt überleben würde. Hat       eine Gefährtin bekommen. Ein Bauer aus
zu wie bei uns in den Hofpausen!            sie zum Glück, und ihre Jungen auch. Al-      der Gegend fand im letzten Sommer ein
                                            lerdings ist sie nach diesem schlimmen        Rehkitz und hatte es bei sich auf dem Hof
Als wir im Spätsommer 2018 mit unse-        Erlebnis deutlich zurückhaltender ge-         großgezogen. So richtig „dankbar“ war
ren Besuchen begannen, hatten die           worden.                                       es aber (natürlich!) nicht, fraß dem Bau-
Luchse Kiara und Django zwei Jungtiere.                                                   ern den Garten kahl. Er entschloss sich,
Da durften wir nicht zu nah an den Zaun     Unsere Zeit im Tierpark nähert sich lang-     sein Ziehkind in den Tierpark zu geben,
kommen, schon wurden wir angeknurrt,        sam dem Ende. Was bleibt? Es war ein          und wer weiß, vielleicht entsteht ja doch
so aufmerksam passten die Eltern auf        spannendes, besonderes Jahr, wo wir Ge-       wieder eine Rehherde?
ihren Nachwuchs auf. Der Fürstenwalder      legenheit hatten, viele Tiere zu betrach-
Heimattiergarten beteiligt sich am Nach-    ten, wo die Wege zum und vom Tierpark         Wir sind aufgebrochen und haben dem
zucht- und Auswilderungsprogramm die-       Raum und Zeit boten für vielfältigste Na-     Kreislauf des Lebens zugesehen, es war
ser fast schon ausgestorbenen Tierart im    turbeobachtungen.                             eine sehr besondere Zeit!
Harz. Doch die Jungtiere kamen für die-                                                                                        Anke Lüth
ses Auswilderungsgebiet nicht in Frage,     Für die Jungs war das plötzliche Auftau-                    (seit einiger Zeit im Besitz einer
denn es waren zwei männliche Tiere.         chen des schottischen Hochlandrindes im                    Tierpatenschaft für ein Mufflon)
Luchse haben in Freiheit sehr große Re-
viere, im Harz leben bereits viele Männ-
chen. Zum Glück jedoch fand sich im
benachbarten Polen ein Gebiet, was groß
                                                       wir haben gelernt, wie mühsam,
genug war für „unsere beiden Jungs“. So                aufopfernd und kostenintensiv die Tierpflege ist.
wurden sie, gechipt und mit GPS-Sen-
dern versehen, in die Freiheit entlassen.

Die Mitarbeiter in Fürstenwalde hoffen
nun auf neuen Nachwuchs, allerdings ist
Django herzkrank und benötigt schon
Medikamente. Vielleicht hat es dennoch
mit der Paarung geklappt. In Erinnerung

                                                                                                                    UNTERwEGS 2/2019   13
BURGDORF-SCHULE

                                                     Ehrenamt im Tierpark
                        Interview mit Frau Arozarena

                        S   eit September 2018 besuchen vier
                            Schüler der 2a gemeinsam mit einem
                        Schulbegleiter aus dem Haus Jona und
                                                                      Kommen Sie täglich, bei jedem Wetter
                                                                      hierher?
                                                                      Fast. Also, wenn es doll regnet und
                        mir einmal wöchentlich den Heimattier-        schneit, komme ich nicht. Aber wenn es
                        garten in Fürstenwalde. Dabei freuten         halbwegs gut ist, dann komme ich von 9
                        wir uns besonders über die sehr gepfleg-      bis 13 Uhr, manchmal auch länger, hab
                        ten Beete und Wege. Während unserer           ich einen Arzttermin, auch kürzer. Und
                        Rundgänge trafen wir regelmäßig eine          wenn ich Lust habe, komme ich auch
                        ältere Dame, Frau Gertraude Arozarena.        Sonnabend und Sonntag.
                        Sie ist 74 Jahre alt, kommt immer mit
                        dem Fahrrad, freut sich, dass sie sich        Worüber freuen oder ärgern Sie sich hier
                        nützlich machen kann (dies sind ihre          im Heimattiergarten?
                        Worte). Gern beantwortete sie meine Fra-      Freuen tue ich mich, dass die Leute das
                        gen und posierte auch für ein Foto.           anerkennen und auch Dankeschön sagen,
                                                                      wenn es ordentlich aussieht. Und ärgern
                        Frau Arozarena, wie kam es dazu, dass         tue ich mich manchmal um die Unver-
                        Sie aufgebrochen sind, sich hier um die       nunft der Eltern. Dass sie ihren Kindern
                        Wege, Blumen und Beete zu kümmern?            nicht beibringen, wie es sich gehört. Sie
                        Ja, das ist ganz einfach. Ich bin seit Jah-   schreien die Tiere an, sie kreischen, sie
                        ren hier im Tierpark und mache immer          rennen und sie machen eigentlich oft
                        einen Handarbeitsstand. Und wenn ich          nicht das, was sie sollen. Und das macht
                        mich so umgeschaut hab, dann hab ich          mich ein bisschen traurig.
                        immer gedacht: Oh Gott, dass sieht alles
                        aus... Und irgendwann, nach Jahren, hab       Gibt es etwas, was Sie anderen Men-
                        ich mich getraut und den Chef gefragt, ob     schen mit auf den Weg geben möchten?
                        es ihm angenehm ist, dass ich ein biss-       Ach ja, eigentlich gibt es vieles. Men-
                        chen harke. Da hat er gesagt: „Gerne.         schen müssten etwas umsichtiger sein.
                        Kommen Sie her, machen Sie, was Sie           Und sie dürften nicht überall alles hin-
                        denken, wir freuen uns darüber!“ Und          werfen, wo sie gehen und stehen, fällt das
                        jetzt bin ich seit zwei Jahren hier und       Bonbonpapier, da wird der Kaffeebecher
                        mache das ehrenamtlich, kümmere mich          hingeschmissen, das Papier vom Essen
                        um die Blumen, mache die Beete in Ord-        fliegt hin, obwohl der Mülleimer nur
                        nung, fege, harke und räume auf, wie es       einen Meter daneben steht. Man müsste
                        mir gefällt.                                  die Kinder und die Jugend mehr zur Ord-
                                                                      nung erziehen. Im Guten.

14   UNTERwEGS 2/2019
mittend
             r in
                    die Bewohner-Seiten
                    Samariterfest 2019

Aufbruch

                                                Text von Günter Kaufmann

                    Text von Christina Gläser

                         Text von Ilse Prüfer     Bild von Renate Petzold
rin
mittend

              Bild von Sebastian Fischer       Bild von Dieter Becker

              Bild von Thomas Kitzerow       Bild von Christina Gläser

                                           Text von Günter Hausmann

                                              Text von Holger Köbsch
mittend
                                                    rin

     Text von Martina Lupitz

                                    Bild von Andreas Rehfeld

Gedanken von waltraud Diehr

                               Bild von Klaus-Dieter Schwalbe

        Text von Tim Plamck
rin
mittend

                                                 Bild von Henry Hopf

              Foto und Text von Henry Hopf

                  Text von Alexander Teske

                                             Text von Alexander Teske
AUS DEN BEREICHEN

    „Du musst nach Hause gehen, Herr Direktor!“
So sprach Herr A., genau, jener Herr A., der für „Die Jacke des Herrn A.“ Pate stand.

E   s war schon Abend, Herr A. hatte
    sein „Amt“ ausgeführt und den Re-
steimer geleert, war nun auf dem Rück-
                                             Das Schöne an Wolken vor dem tief-
                                             blauen Himmel ist: Sie sind weder zu
                                             zählen noch zu greifen! Das Schöne an
                                                                                          treibt. Nur ein Graffiti, das sich von der
                                                                                          grauen Wand abhebt. So wie ein Schrei,
                                                                                          der sagen will: „Schaut her, ich hab ge-
weg zum Lutherhaus. Im Direktorat            Erinnerungen aus nahezu 19 Jahren ist:       lebt!“ So nehm ich, was an Mut mir
brannte noch Licht. Und der hier am          Sie sind weder zu zählen noch zu fassen!     bleibt, und in der Dunkelheit sprühe ich
Schreibtisch saß, war für Herrn A. gut zu    Sie sind da, ändern sich im Laufe der        das Wort „Hoffnung“ auf die Mauern
erkennen.                                    Zeit, je nach Perspektive, rufen sehr ver-   meiner Zeit.“
                                             schiedene Empfindungen hervor, ver-
Vielleicht würde er das am Samariterfest     blassen dann auch schon mal oder             „Du musst nach Hause gehen, Herr Di-
jetzt auch so sagen: „Du musst nach          werden – ich möge davor bewahrt blei-        rektor!“ Nicht nur Herr A.begleitet mich!
Hause gehen, Herr Direktor!“ Seine laute,    ben – verklärt.                                                     Paul-Gerhardt Voget
markante Stimme klingt in mir nach,
lässt unzählbare Bilder aufkommen. Ich       „Du musst nach Hause gehen, Herr Di-
gerate ins Träumen. In meiner Fantasie       rektor!“ Herr A. holt mich aus meiner
liege ich auf einer schönen grünen Wiese,    Fantasie zurück; Wiese, blauer Himmel
über mir ein weiter, strahlend blauer        und Wolken unterschiedlicher Färbung
Himmel an dem hier und da eine Menge         verflüchtigen sich. Es ist also, mit einer
kleinerer und größerer Wolken dahin-         Liedzeile von Reinhard
gleiten. Viele in Weißtönen changierende     Mey gesagt: „Zeit für
helle Wölkchen und Wolken. Hier und da       mich zu gehen!“ Auf
auch graue, da dunkle bis ins schwarze       geht´s: Dankbar für Viele
gehende Wölkchen und Wolken.                 und Vieles räume ich mei-
                                             nen Platz, gebe gerne
Jedes Gebilde dort am Himmel weit über       meine Verantwortung ab,
mir birgt Erinnerung, Erfahrung, Erleb-      freue mich für die Men-
tes – vieles zieht über mir dahin. Gefühle   schen in den Samariteran-
stecken hinter den Luftschleiern der letz-   stalten, insbesondere für
ten Jahre: dankbare Zufriedenheit, auch      Frau Menzel, dass sie
Glück, hier und da Traurigkeit; gelegent-    jetzt miteinander neue Er-
liche Wut ist verraucht. Wie viele Men-      fahrungen machen, die
schen sind mir in den Jahren begegnet?       Geschichte weiterschrei-
Was haben sie mit mir erlebt? Frauen und     ben! Dafür bleibt mir jede
Männer, die in den Samariteranstalten ihr    Menge Hoffnung. Und so
Zuhause gefunden haben; Mitarbeiterin-       verabschiede ich mich
nen und Mitarbeiter, die hier waren, als     mit einer anderen Lied-
ich kam und hier nach dem 01. Septem-        strophe von Reinhard
ber bleiben; viele weitere in Einrichtun-    Mey:
gen, Verbänden, Verwaltungen, Politik,
Geschäftspartner... Ich weiß, welche         „Erinnerungen verblas-
Erinnerungen ich mitnehme. Ich weiß          sen, und des Tages Ruhm
nicht, welche Erfahrungen sie mitneh-        vergeht. Die Spuren, die
men. Oder doch? Eine Mitarbeiterin hat       wir heute ziehn, sind mor-
es so auf den Punkt gebracht: „Es gibt       gen schon verweht. Doch
Tage, da hasse ich Sie, Herr Voget, und      in uns ist die Sehnsucht,
es gibt Tage da liebe ich Sie. Im Augen-     dass etwas von uns bleibt.
blick überwiegen noch die zweiten. Also      Ein Fußabdruck am Ufer,
ist es gut, dass Sie da sind!“               eh der Strom uns weiter-
                                                                                Paul-Gerhardt Voget

                                                                                                                  UNTERwEGS 2/2019   19
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