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Der Greifensee Symbiose von Naherholung und Naturschutz? Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich NGZH 224. Stück | 2022 Florentina Gartmann und Frank Auderset
Umschlagbild-Collage: Im oberen Bild zu sehen ist der «Aaspitz» mit Blick Richtung Mönchaltorf und die Berge. Strukturreiche Uferbereiche, abwechslungs reiches Riedgebiet, landwirtschaftlich genutzte Flächen und Siedlungsraum prägen die Land- schaft rund um den Greifensee. Das Bild unten links zeigt eine Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica), die gerade von einer Erdhummel be- sucht wird. Dieser Blütenschmuck in den Riedwiesen am Greifensee soll auch im neu renaturierten Gebiet «Stocklen» in Fällanden einen neuen Lebensraum erhalten. Das Bild Fotos: unten rechts zeigt eine Sumpf-Heidelibelle Luftaufnahme: AWEL, 2019 (Sympetrum depressiusculum), welche flache, Sumpf-Heidelibelle: Stefan Kohl periodisch trockenfallende Gewässerstellen Sibirische Schwertlilie mit Hummel: schnell entdeckt und besiedelt. Hansruedi Wildermuth
Der Greifensee Symbiose von Naherholung und Naturschutz? Herausgegeben von Florentina Gartmann und Frank Auderset Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich NGZH 224. Stück | 2022 Naturforschende Gesellschaft in Zürich www.ngzh.ch
Impressum Das Neujahrsblatt der NGZH erscheint einmal ©2022 jährlich auf den 2. Januar (Berchtoldstag) Naturforschende Gesellschaft in Zürich als Ergänzung zur Vierteljahrsschrift. Herausgeber Mit Unterstützung von: Naturforschende Gesellschaft Else v. Sick Stiftung, Zürich in Zürich NGZH Gemeinde Fällanden Gemeinde Mönchaltorf, Redaktion Jubiläumsfonds ZKB Florentina Gartmann und HUNZIKER BETATECH AG, Winterthur Frank Auderset Gemeinde Schwerzenbach Adressen der Herausgeber Ernst & Theodor Bodmer Stiftung, Zürich Florentina Gartmann Gemeinde Maur Hintergasse 5 Treuhandbüro Gfeller AG, Dübendorf CH — 8615 Wermatswil flo.gartmann@gmail.com Stadt Uster, Kulturförderung Frank Auderset ASUG Riedschutz Greifensee, Greifensee Maurstrasse 29a FKZ Fischereiverband Kanton Zürich CH — 8117 Fällanden frank.auderset@ggaweb.ch Gadola Bauunternehmungen, Riedikon und Oetwil am See Gestaltung und Satz Gossweiler Ingenieure AG, Dübendorf Barbara Hoffmann GNVU Gesellschaft für Natur und Vogelschutz www.barbara-hoffmann.com Uster Rotary Stiftung am Greifensee, Uster Druck Energie Uster AG, Uster Koprint AG, Alpnach Dorf Naturschutzverein Dübendorf Naturschutzverein Mönchaltorf Auflage NHVE Natur- und Heimatschutzverein Egg 3 000 SCvG Segelclub vom Greifensee, Uster Bezug SFV Schweizerischer Fischerei-Verband, Bern Sekretariat a. i. Sportfischer Verein Glattal, Dübendorf Fritz Gassmann Sportfischer Verein Uster am Greifensee, Limmatstrasse 6 Niederuster CH — 5412 Vogelsang sekretariat@ngzh.ch Verein Museen Maur VSG Verband zum Schutz des Greifensees Nikon Europe B.V., Amsterdam, ZN Schweiz, Egg Maurstrasse 29a PROSPERIS Sustainable Wealth CH — 8117 Fällanden Management AG, Zürich info@greifenseeschutz.ch Genossenschaft NF-Zeltplatz am Greifensee, Maur Katharina Walters, Kilchberg ISSN Markus Ryffels’s GmbH, Worb 0379-1327
Der Greifensee Symbiose von Naherholung und Naturschutz? Herausgegeben von Florentina Gartmann und Frank Auderset
Inhalt Summary 6 Vorwort 8 Einleitung 10 Entstehung der Greifensee-Landschaft 17 Frühe Besiedlung 31 Hauslabor für die Eawag-Wasserforschung 44 Wasserqualität: Entwicklung — Zustand — Ausblick 57 Elimination von Spurenstoffen aus dem Abwasser 70 Ein Leben im Verborgenen: Grossmuscheln 75 Fische und Fischerei — eine bewegte Geschichte 83 Seeufer-Ökomorphologie im Vergleich 96 Flora und Vegetation 103 Symbiosen in Pfeifengras-Streuewiesen 120 Lebensraumförderung — Renaturierungsbeispiele 137 Ökologische Infrastruktur und Vernetzung 149 Libellen und Heuschrecken 157 Amphibien und Reptilien 169 Entwicklung der Vogelwelt 176 Rückkehr des Bibers 193 Schützen und in die Zukunft führen — eine kantonale Aufgabe 199 Verband zum Schutz des Greifensees (VSG) 210 Greifensee-Stiftung: Für Mensch und Natur 227 Ausblick 236 Anhang AutorInnen 242 Dank 245 Abbildungsnachweis 247
6 Summary Lake Greifensee, located to the east of the city of Zurich, is a pop- ular local recreation area and is known for its rich flora and fauna, wide reed beds and well protected natural shore areas. It is the second largest lake and, when including its surroundings, the second largest nature reserve in the canton of Zurich. This is based on a protection ordinance issued as early as 1941 and updated in 1994. As a water and migratory bird reserve, Lake Greifensee is of both national and international importance. On sunny weekends, many visitors and people participating in sports occupy the coveted bathing and barbecue spots on the shores. The paths around the lake are often busy with walkers, skaters and bikers. Raising the awareness of the population regarding the sustainable interaction with nature is therefore a central task. The Greifensee Foundation in Uster, founded in 1997 by the lake-side communities, has clear mandates from the canton: to inform the population about the nature reserve, to deploy the rangers and to operate the Silberweide nature station. The Association for the Protection of the Lake Greifensee (VSG), which exists since 1929, is publishing this pop- ular scientific overview of Lake Greifensee together with the Zurich Society for Natural Sciences (NGZH). This book ideally comple- ments the volume on the neighbouring “Pfäffikersee”, which was published in 2016 as “NGZH-Neujahrsblatt”. In 1967, Lake Greifensee was named the “dirtiest lake in Europe” at an international symposium of water protection experts in Salzburg. Since then, its condition has improved markedly thanks to wastewater treatment plants and other measures. For the Swiss Federal Institute of Aquatic Science and Technology (abbreviated Eawag, Dübendorf ), the Lake Greifensee is a kind of in-house laboratory. This is why it is probably one of the best researched lakes in the world. This publication covers a wide range of topics: Geology, archaeology, ecomorphology, water research and water quality, wastewater treatment, fish and fisheries, flora and vegetation, reptiles and amphibians, as well as insects and birds. In addition, the demanding tasks of protected area management and visitor guidance are presented. In their conclusion, the two editors ven- ture on a look into the future of the lake Greifensee.
7 Keywords Lake Greifensee / ZH, wetland, mire landscape, landscape history, lake shore settlement, water quality, landscape analysis, nature reserve, protection ordi- nance, recreation landscape, biodiversity, population development, conservation, dragonflies, grasshoppers, large mussels, amphibians, reptiles, birds, beaver, fishing, flora and vegetation, symbioses in straw meadows, renaturation measures
8 Vorwort Martin Neukom Regierungsrat und Vorsteher der Baudirektion des Kantons Zürich Der Greifensee ist perfekt. Wie fürs Bilderbuch hingemalt, ent- spricht er mit seiner überschaubaren Ausdehnung dem, was uns vorschwebt, wenn wir das Wort «See» hören. Dieser Inbegriff eines Sees lädt dazu ein, ihn zu durchqueren oder zu umrunden, singend oder keuchend, je nach Kondition und Ambition. Dabei wird offensichtlich, wie sehr seine Anziehungskraft auch von seinem Umfeld ausgeht, einem 21 Quadratkilometer grossen Schutzgebiet. Zusammen ergibt dies eines der grössten Naturschutzgebiete des Kantons Zürich mit einer entsprechend grossen Artenvielfalt. Das Problem ist nun, dass dieses perfekte Ensemble nicht irgendwo abgeschieden und schwer erreichbar liegt, sondern in einer dicht besiedelten Umgebung. Von dort strömen die Menschen auf der Suche nach Erholung zu Tausenden an seine Ufer. Mensch stösst auf Natur, Mensch stösst auf Mensch — die Konflikte sind vorpro- grammiert. Da mutet es wie ein Wunder an, dass es insgesamt so gut gelingt, das Interesse am Schutz mit dem Interesse an vielfäl- tigen Nutzungen zu koordinieren. Dieses Wunder hat eine Geschichte. Einer der markan- testen Momente war der Juni 1941, als der Regierungsrat die Ver- ordnung zum Schutze des Greifensees erliess. Es war die Zeit, als sogar der Sechseläutenplatz in die landwirtschaftliche Produktion einbezogen wurde. Den Greifensee und seine Umgebung vor dem Zugriff des Plans Wahlen zu bewahren, brauchte einiges an Weit- blick. Es brauchte aber auch die bereits gemachten Erfahrungen mit der Verletzlichkeit des Greifensees und seiner Umgebung. Nicht von ungefähr war 1929 der Verband zum Schutze des Greifen sees (VSG) gegründet worden. Mitten in der Weltwirtschaftskrise kaufte der Verband Land um den See und schützte es so vor der Überbauung. Die Verordnung von 1941 brachte dann das Bauver- bot für Bauten am See und in den Rieden sowie Hindernisse für die Entwässerung von Feuchtgebieten. Trotzdem, das zeigen die vielen weiteren Stationen dieser Geschichte, war damit nur ein Anfang gemacht. Der Druck auf den See nahm weiter zu und löste neue Reaktionen aus, etwa die neue Schutzverordnung von 1994 oder die Gründung der Greifensee-Stiftung durch die sieben Seegemeinden 1997, mit der diese den Kanton bei der Umsetzung der Schutzverordnung unterstützen. Mit der Festsetzung des
9 Vorwort Naturschutz-Gesamtkonzepts durch den Regierungsrat 1995 wurde der Greifensee zum landschaftlichen Vorranggebiet. Unwidersprochen bleiben solche Schritte natürlich nicht, denn sie bringen Einschränkungen mit sich. Das spontane Schwim- men an einem beliebigen Ort ist auf einmal nicht mehr erlaubt, und das erzeugt Kommunikationsbedarf. Vor Ort sind hierfür vor allem die Greifensee-Ranger zuständig, die die Einhaltung der Regeln überwachen. Nicht minder wichtig ist aber der Einsatz des VSG, der Greifensee-Stiftung und meiner Baudirektion (BD). Diese spielt auch deswegen eine besondere Rolle, weil sie auf so vielfältige Weise mit dem Greifensee verbunden ist, was sich übrigens auch in diesem Neujahrsblatt zeigt: Sechs Artikel stammen von An gehörigen der BD. Dort ist die Archäologie angesiedelt, die sich mit den Pfahlbauten am Greifensee befasst, welche seit 2011 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Vertreten sind ferner die Fischerei- und Jagdverwaltung, die Fachstelle Naturschutz, die Geoinformation und Hydrometrie sowie der Gewässerschutz. Der Greifensee hat somit auch in der Verwaltung eine beachtliche Breitenwirkung. Nicht zu vergessen sind die vielen Auftragsnehmer, mit denen der Kanton seine Unterhaltsarbeiten ausführt: Landwirte, Forstbetriebe, Landschaftsgärtner, Zivil- dienstleistende etc. Sie alle unterstützen die Erhaltung und För- derung dieses höchst komplexen und attraktiven Biotops. Sie alle dienen dem Schutz des Greifenseegebiets und erhalten seine Attraktivität. Diese Besonderheit ist wie gesagt zweischneidig und zieht immer wieder neue Aktivitäten an, auf die reagiert werden muss. Im Moment ist es das Stand-up-Paddling, morgen wieder etwas anderes. Ich bin aber sicher, dass wir mit unseren vielfältigen Kompetenzen darauf angemessen reagieren können. Ich ver spreche mir auch viel von der Sensibilisierung künftiger Genera- tionen, wie sie auf der Naturstation Silberweide vollzogen wird. Letztlich ist alles eine Frage des Wissens und Wertschätzens, und in diesem Licht betrachte ich auch das vorliegende Neujahrsblatt. Ich wünsche Ihnen viel Freude damit!
10 Einleitung Florentina Gartmann und Frank Auderset Der Greifensee ist bekannt für seine vielfältige Flora und Fauna, die weiten Riedflächen und vielen naturbelassenen Uferbereiche. Ein Wanderweg führt entlang dem Naturschutzgebiet rund um den See. Vier Stunden Natur pur. Unterwegs finden sich Restau- rants, Gasthäuser, Besenbeizen und Badeanstalten. Nicht zu ver- gessen eine schön angelegte Naturstation am oberen See-Ende — die «Silberweide» in Mönchaltorf — und neuerdings auch ein Beobachtungsturm am unteren Ende des Sees im neu renaturier- ten Gebiet «Stocklen» in Fällanden. Velofahrer, Biker und Skater benutzen den Radweg, der eigens für diesen Zweck rund um den See herum gebaut wurde. Dieser führt entlang dem Naturschutz- gebiet; es gibt also keinen Grund, mit Rädern irgendwelcher Art auf die für Fussgänger gedachten Wanderwege auszuweichen. Wer aufs Wasser möchte, erkundigt sich bei der Schifffahrts- Genossenschaft Greifensee (SGG) in Maur betreffend Rundfahrten oder spielt selber Kapitän — Bootsvermietungen gibt’s in Greifen- see, Niederuster und in Maur. Rund um den See sind Vereine und Interessensgemeinschaften verschiedener Themenbereiche aktiv. Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen begegnen sich. Die einen suchen Ruhe, Erholung und Naturerlebnisse, gehen mit dem Hund spazieren, erleben gemütliche Urlaubstage in der Jugendherberge in Fällanden oder auf den drei Campingplätzen am Seeufer in Maur. Die anderen trainieren für neue persönliche Bestzeiten am Greifenseelauf, am Uster Triathlon oder kämpfen als Regattasegler um die vordersten Plätze an der Greifensee- Meisterschaft. Besondere Anlässe sind am Ostermontag das Blau- eierschwimmen in Uster und im Juni die nationale Ruderregatta mit internationaler Beteiligung in Maur. Die letzte Dokumentation über den Greifensee erschien 1993 (Mühlethaler et al.) —› Verband zum Schutz des Greifensees. Die nun vorliegende Publikation erlaubt, wichtige Aspekte des zweit grössten Sees im Kanton Zürich aus verschiedenen Blickwinkeln neu zu beleuchten und dabei auch einen Ausblick in die Zukunft zu wagen. Das vorliegende Werk ist auch eine aktuelle Ergänzung zum NGZH Neujahrsblatt 2016 «Der Pfäffikersee» (Ott und Spillmann 2016).
11 Einleitung «Symbiose von Naherholung und Naturschutz?» Mit diesem etwas provokativen Untertitel versuchen wir das rück- sichtsvolle Zusammenleben und Kooperieren am Greifensee auf- zuzeigen und zu fördern. Im Vordergrund stehen einerseits der Umgang der vielen Erholungssuchenden am und auf dem See mit der einzigartigen, empfindlichen Natur, und andererseits das Beziehungsnetz von Pflanzen und Tieren in unseren Flachmooren von nationaler Bedeutung. Die ersten zwei Kapitel zeigen auf, wie die Greifensee-Landschaft entstanden ist und wie die Men- schen früher hier lebten. Für die Eawag — dem Wasserforschungs- institut des ETH-Bereichs — ist der See eine Art Hauslabor, daher sind die Entwicklung der Wasserqualität und der Lebewesen im See sehr genau dokumentiert. Es wird aufgezeigt, welche Metho- den heute zur Verfügung stehen, um Spurenstoffe aus dem Ab- wasser zu entfernen, welche Lebewesen im Wasser leben und was es rund um den Greifensee an Tieren und Pflanzen zu entdecken gibt. Dank wenig verbauter Uferbereiche gilt der See als naturnah und durch die ökologische Infrastruktur und Vernetzung kann die Biodiversität weiter gefördert werden. Im Kapitel —› Flora und Vegetation wird aufgezeigt, welche «Schatztruhe der Biodiversität» wir hier bereits haben. Der Greifen see ist Lebensraum zahlreicher geschützter und gefährdeter Arten. Einen anderen Blickwinkel auf die Natur ermöglicht das Kapitel —› Symbiosen in Pfeifengras-Streuewiesen. Hier sind keine Roten Listen der gefährdeten und ausgestorbenen Arten zu finden, im Fokus stehen positive Beziehungen zwischen Tier- und Pflanzenarten und ihre Bedeutung für den Menschen. Der Greifensee ist im Bundesinventar der Wasser- und Zugvogelreservate von interna- tionaler und nationaler Bedeutung aufgeführt (Bundesamt für Umwelt BAFU, Objekt Nr. 121). Jeweils am ersten Oktoberwochenende finden im Rahmen der Aktion EuroBirdWatch von BirdLife die Zug vogelbeobachtungen statt: am Samstag auf der Plattform in Schwerzenbach und am Sonntag auf dem Beobachtungsturm im Riedikerriet —› Entwicklung der Vogelwelt. Die grosse Herausforderung, die Ansprüche der Bevölkerung und des Naturschutzes zu ver einbaren und zu lenken, wird in den letzten drei Kapiteln dieses Buches beschrieben. Das Natur- und Landschaftsschutz gebiet Greifensee ist das zweitgrösste Schutzgebiet des Kantons
12 Einleitung Heute Visualisierung «ohne Schutzverordnung» Zürich. Es verdankt sein heutiges Bestehen der 1941 erlassenen Abbildung 1 Schutzverordnung. Diese wurde 1994 revidiert. Dank der Schutzver- «Zum Glück gibt es den Natur- und Landschaftsschutz, ordnung von1941 sind die Ufer des denn ohne ihn sähe es am Greifensee heute wohl anders aus», Greifensees nicht sagte Regierungspräsident Markus Kägi an der Medienkonferenz verbaut (links). vom 27. April 2018 zum Start der Jubiläumsaktivitäten «75 Jahre Ohne diese Schutzver- ordnung sähe es am kantonaler Einsatz für die Natur». Er präsentierte eine Visualisie- Greifensee heute wohl rung, auf welcher der Greifensee fast nicht wiederzuerkennen ist: anders aus (rechts). Die Ufer sind rundum verbaut —› Abbildung 1. Das Schrägluftbild auf der Titelseite zeigt den «Aaspitz», die Mündung des Aabach Mönchaltorf. Auf diesem Bild sind die Feuchtgebiete im Riediker- und Rälliker-Riet sehr gut zu erkennen, ebenso die Naturstation Silberweide hinter der Rellikerstrasse. 1997 wurde das Riediker-Rälliker-Riet renaturiert, als erstes Pro- jekt der neu gegründeten Greifensee-Stiftung —› Lebensraumförderung — Renaturierungsbeispiele. Die Umgestaltung des privaten Tier- und Streichelzoos in die «Naturstation Silberweide» dauerte einige Jahre, und die «Silberweide» wurde 2005 feierlich eröffnet —› Greifen see-Stiftung — Für Mensch und Natur.
13 Einleitung Der Greifensee hiess ursprünglich «Glatse» (Althochdeutsch «glat» Abbildung 2 = glänzend, schimmernd, hell, klar), sein heutiger Name ist seit Ausschnitt aus Ende des Mittelalters vom Ort Greifensee abgeleitet (Greifensee, «Grosse Landtafel des Zürcher Gebiets», 2006). In seiner Form ähnelt der See einem Fisch —› Abbildung 2. 1763, Plan A 122, Das Bild «Die Fluh in Maur» zeigt den idyllischen Greifen Staatsarchiv Zürich. see vor gut 200 Jahren —› Abbildung 3. Der Wasserstand war damals ein Meter höher als heute, die Wasserqualität hervorragend, der Seegrund unbelastet und die Fischer, die sogenannten «Weidlüt», hatten ihre Netze voll mit Fisch —› Fische und Fischerei — Eine bewegte Geschichte. Wie sich der Zustand des Sees seither veränderte, zeigt das Kapitel —› Wasserqualität: Entwicklung — Zustand — Ausblick. Mit der Glattkorrektion im 19. und 20. Jahrhundert (Brunner, 2017) wurden die Glatt begradigt, viele versumpfte Flächen melioriert und manches Leid durch Hochwasser verhin- dert. Der Wasserstand wurde mit dem Bau des Greifenseewehrs
14 Einleitung 1891 um gut einen Meter abgesenkt. Mit der Erstellung eines Über- Abbildung 3 falls- und Fallenwuhrs am Auslauf des Sees wurde die Verhinderung «Die Fluh in Maur» von von allzu niedrigem und allzu hohem Wasserstand in der Glatt Johann Jakob Wetzel (1781—1834), angestrebt (RRB 1890/2391). Die im Wehr eingebaute Schleuse entstanden vor 1819. sollte die Schifffahrt zwischen dem Greifensee und der Glatt er- Original Aquarell: möglichen. Das Wehr ist heute nicht mehr in Betrieb, die Schleuse Museen Maur, längst mit Steinen und Kies aufgefüllt —› Abbildung 2, Seeufer-Ökomor- Herrliberger- phologie im Vergleich. Die Baudirektion des Kantons Zürich ist seit 2021 Sammlung Burg. daran, ein Renovationsprojekt für den Seeauslauf zu erarbeiten. Der nautische Star auf dem Greifensee ist das Dampfschiff «Greif». Das älteste mit Steinkohle befeuerte Dampfschiff der Schweiz wurde 1895 erbaut und verfügt über 24 Passagierplätze. Unverkennbar tönt die Dampfpfeife der «Greif» über den See —› Abbildung 4. Informationen zur Geschichte der Greifensee-Schiff- fahrt und ihrer Flotte: www.dampfschiff-greif.ch / www.sgg-greifensee.ch
15 Einleitung Abbildung 4 (oben) Abbildung 5 (unten) Das Dampfschiff «Greif» ist seit 1895 auf dem In grüner Farbe ist das hydrologische Einzugsge- Greifensee im Einsatz. biet des Geifensees bezeichnet. Hydrologischer Atlas der Schweiz. HYDROmaps, Bilanzierungs- gebiet 120017.
16 Einleitung Das hydrologische Einzugsgebiet des Greifensees umfasst eine Fläche von total 163,6 km2 —› Abbildung 5. Die Seefläche ist also rund zwanzigmal kleiner —› Tabelle 1. Der nord-östlich vom Greifensee liegende Pfäffikersee entwässert über den Aabach in den Greifen- see. Am Greifensee sind über 50 % des Einzugsgebietes Landwirt- schaftsfläche, 21 % Wald, 19 % Siedlungsfläche, der Rest setzt sich zusammen aus Flächen wie stehende Gewässer, Fliessgewässer und unproduktive Vegetation. Höhenlage: 435 m ü. M. Tabelle 1 Seefläche: 2 Der Greifensee in 8,45 km Länge / Breite: 6,5 km / 1,6 km Zahlen. Uferlänge: 17,4 km Maximale Tiefe: 32,3 m Mittlere Tiefe: 17,6 m Seevolumen: 148,5 Mio m3 (*) Hauptseezuflüsse: Aabach Uster, Aabach Mönchaltorf Seeabfluss: Glatt Aufenthaltszeit: 1,2 Jahre = ca. 420 Tage (*) Die im Kanton Zürich jährlich verbrauchte Trinkwassermenge entspricht etwa dem Gesamtvolumen des Greifensees... Literatur Brunner, W. 2017. Glattkorrektion Ott, E. & Spillmann, J. 2016. im 19. und 20. Jahrhundert, Der Päffikersee. Neujahrsblatt der Universität Zürich, 97 Seiten. Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, 218. Stück, 207 Seiten. Frei, B. 2006. Ortschronik Greifensee, 255 Seiten. Mühlethaler, E., Gelpke, G., Schneider, S. & König Urmi K. 1993. Der Greifensee — Eine Dokumentation. Verband zum Schutze des Greifensees. 72 Seiten.
17 Entstehung der Greifensee-Landschaft Thomas Bolliger Um das Werden der heutigen Landschaft besser zu verstehen, muss man sich mit dem tieferen Gesteinsuntergrund befassen. Dazu dienen Bohrungen und geophysikalische Methoden wie Reflexionsseismik. Detaillierte Analysen mit Datierungen und Angaben zu früheren klimatisch-ökologischen Bedingungen aus Sedimenten und den darin enthaltenen Fossilien lassen so die abwechslungsreiche Entwicklung bis zur heutigen Landschaft nachvollziehen. Der tiefe Untergrund: Kristallin und Erdmittelalter Der tiefe Untergrund im Kanton Zürich ist punktuell bekannt aus Tiefbohrungen (Küsnacht, Fehraltorf, Lindau und Weiach). Das Kristallin wurde im Kanton Zürich nur in Lindau und Weiach direkt erbohrt. Es handelt sich um komplexe Granite, Gneise und Gang- gesteine aus einer paläozoischen Gebirgsbildungsphase vor 500— 350 Millionen Jahren und damit um die ältesten in der Region nachgewiesenen Gesteine. Insgesamt zeigen sich grosse Ähnlich- keiten zu den kristallinen Gesteinen des Schwarzwaldes. Etwa ab einer Linie Fällanden-Schwerzenbach-Volketswil südwärts werden über dem Kristallin permokarbonische Sedimente vermutet, ähn- lich wie sie aus der Tiefbohrung Weiach bekannt wurden. Von anfänglich vielleicht 200 Meter könnten diese unter dem Süden- de des Greifensees auf 600 Meter anschwellen. Die mesozoische Gesteinsfolge von Trias und Jura (250 bis 145 Millionen Jahre alt) finden wir im Gebiet Lägern und weiter im Kanton Schaffhausen an der Oberfläche vor. Nach Süden tauchen diese Meeresablage- rungen unter jüngere Molasse-Ablagerungen ab. Ihre Mächtigkeit bewegt sich um 700 Meter —› Abbildung 1. Die Molasse: Abtragungs-Schutt der entstehenden Alpen Von 145 bis 25 Millionen Jahre vor heute fehlen Nachweise in der Region. Nur lokal konnten an der Lägern in Verwitterungs lehm im Karst der Oberjura-Kalke, 34 Millionen Jahre alte
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