Das Röhricht kehrt zurück
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Fachbeiträge Abb. 1: Fraßgeschützte Initialpflanzungen unterstützen die Wiederherstellung der Rohrkolbenröhrichte am Bienener Altrhein – insbesondere der Röhrichte des Schmalblättrigen Rohrkolbens (Typha angustifolia). Foto: A. Vossmeyer Achim Vossmeyer, Martin Brühne, Corinna Roers, Jennifer Piechowiak, Konrad Niehues Das Röhricht kehrt zurück Erste Ergebnisse aus dem LIFE-Projekt „Reeds for LIFE – Lebendige Röhrichte“ Das Naturschutzzentrum im Kreis Kleve e. V. führt im Rahmen des LIFE-Projektes „Reeds for LIFE – Lebendige Röhrichte“ seit 2018 verschiedene Maßnahmen zur Förderung und Entwicklung der Röhricht- bestände am Bienener Altrhein durch. Schwerpunkt ist dabei zum einen die Kontrolle der Nutria, nachdem der negative Einfluss der invasiven Art auf die Rohrkolben-Röhrichte nachgewiesen wurde. Zum anderen wurden fraßgeschützte Initialpflanzungen angelegt, um die Röhrichtbestände wiederherzu- stellen. In diesem Beitrag werden erste Ergebnisse vorgestellt. Altgewässer sind prägende Elemente der warum sie meist als Naturschutzgebiete ler Meer“. Dieses ist zudem wesentlicher niederrheinischen Auen. Sie bereichern (NSG) unter Schutz gestellt wurden. Bestandteil des EU-Vogelschutzgebietes die vielerorts ausgeräumte Landschaft, „Unterer Niederrhein“. bieten vielen bedrohten Pflanzen- und Der Bienener Altrhein ist eines dieser be- Tierarten Lebensraum und zeichnen sich sonderen Altgewässer. Er liegt am Unte- Das FFH-Gebiet umfasst eine Fläche von durch eine hohe Artenvielfalt aus. Infolge ren Niederrhein im Kreis Kleve rechts circa 650 Hektar und ist aufgrund sei- des Gewässerausbaus können am Rhein rheinisch in den Gemeinden Rees und ner hohen vegetationskundlichen Vielfalt heute keine neuen Altgewässer mehr ent- Emmerich. Zusammen mit seiner südli- und seines faunistischen Artenreichtums stehen. Gerade deshalb kommt dem Er- chen Hochflutrinne „Rosau“ sowie dem von gesamtstaatlich repräsentativer Be- halt der Altarme in der Rheinaue mit ihren im Deichhinterland liegenden Millin- deutung. Prägender Bestandteil des Ge- vielfältigen, aufgrund der Wasserstands- ger und Hurler Meer bildet der Biene- bietes sind die Gewässer des Bienener dynamik oft sehr spezifischen und zuneh- ner Altrhein den Kern des Flora-Fauna- Altrheines, der „Rosau“ und des Millinger mend seltenen Biotopen eine besondere Habitat-Gebietes (kurz FFH-Gebiet) und Hurler Meeres mit dem FFH-Lebens Bedeutung zu. Dies ist einer der Gründe, „NSG Bienener Altrhein, Millinger raumtyp 3150 „Natürliche eutrophe Seen Meer und Hurler Meer und NSG Empe- und Altarme einschließlich ihrer Ufer- 22 Natur in NRW 1/2021
Fachbeiträge Abb. 2: Röhricht- und Schwimmblattvegetation am Bienener Altrhein 1995 (links) und 2017 (rechts). Ein Großteil der See- und Teichrosen sowie des Röhrichts ist verschwunden – insbesondere auch die Inseln des Schmalblättrigen Rohrkolbens im Altrhein. Fotos: Naturschutzzentrum im Kreis Kleve und A. Vossmeyer vegetation mit Schwimm- und Wasser- Röhricht (Phragmitetum australis) so- Als Ursache für den Rückgang der Rohr- pflanzenvegetation“. Hierunter versteht wie das Wasserschwaden- (Glycerietum kolben-Röhrichte konnte der Fraß durch man den eigentlichen Wasserkörper mit maximae) und das Schmalblatt-Rohr die Nutria (Myocastor coypus) eindeutig seinen speziellen Pflanzengesellschaften kolben-Röhricht (Typhetum angustifoliae) nachgewiesen werden (Vossmeyer et al. sowie den wechselnassen Uferbereich mit (Woike 1986; Follmann & Kleikamp 2016). Die Schädigung durch die Nutria seinen Röhrichten und Seggenriedern. 1991). Bis auf das Schilf-Röhricht hat- ist deshalb so nachhaltig, weil sie insbe- ten jedoch alle übrigen Röhrichtgesell- sondere die Rhizome und den Vegetati- Die Vegetationszonierung des Altrheines schaften in den letzten Jahrzehnten einen onskegel frisst. Dadurch ist ein Neuaus- war früher gut ausgeprägt. Es fanden sehr starken Rückgang zu verzeichnen. trieb der Pflanzen nicht mehr möglich. sich Wasserpflanzen- und Röhrichtgesell- So wiesen zwischen 1995 und 2011 die In der Folge kommt es zusätzlich durch schaften in beispielhafter Abfolge. Prä- hochwüchsigen Röhrichte einen Verlust Wind und Wellenschlag zur Erosion der gende Wasserpflanzengesellschaften wa- von 65 Prozent (16 Hektar) auf. Die Rohr- Feinsedimente und zu einer Absenkung ren beispielsweise die Seerosengesell- kolben-Röhrichte waren nahezu vollstän- der schlammigen Uferzone, in der somit schaft (Myriophyllo-Nupharetum) und dig verschwunden (Abb. 2). Die ehemals keine natürliche Wiederansiedlung durch die Seekannen-Gesellschaft (Nymphoide- ausgeprägten Röhrichtinseln im Altrhein, Aussaat und Keimung stattfinden kann. tum peltatae). In der Röhrichtzone fanden bestehend aus Schmalblättrigem Rohrkol- Da Röhrichte ein wichtiger Lebensraum sich unter anderem das Teichbinsen-Röh- ben (Typha angustifolia), sind heute nicht für eine speziell angepasste Fauna wie In- richt (Scirpetum lacustris), die Kalmusge- mehr vorhanden. sekten und Röhrichtvögel sind und auch sellschaft (Acoretum calami), das Schilf- für Fische als Rückzugsort und Laichplatz eine große Rolle spielen, wird durch ihren Rückgang das Schutzgebiet in seiner öko- logischen Funktion massiv negativ verän- dert. Dies führt letztlich zu einer Verrin- gerung der biologischen Vielfalt und ge- fährdet den Wert des Schutzgebietes ins- gesamt. Speziell an Röhrichte gebundene Tierarten haben in der Umgebung zudem so gut wie keine Ausweichmöglichkeiten. LIFE-Projekt „Lebendige Röhrichte – Reeds for LIFE“ Um dem Rückgang der Röhrichte ent- gegenzuwirken, wurde 2017 im Rah- men des LIFE-Programmes der EU ein Projekt zum Schutz und zur Förderung der Röhrichte am Bienener Altrhein be- antragt. Dieses wurde 2018 bewilligt. Neben der EU fördern auch das Land Nordrhein-Westfalen, der Kreis Kleve, der Deichverband Bislich-Landesgrenze, die Stöckmann-Stiftung und die HIT-Umwelt- Stiftung das Projekt. Die Laufzeit beträgt siebeneinhalb Jahre bis Ende 2025. Das Projektgebiet umfasst die beiden FFH- Gebiete „NSG Grietherorter Altrhein“ und „NSG Bienener Altrhein mit Millinger Abb. 3: Lage des Projektgebietes am rechten Unteren Niederrhein. Kartengrundlage: Land NRW und Hurler Meer“ (Abb. 3). (2020), Gewässerstationierungskarte gsk3c, TK25, dl-de/zero-2-0, Bezirksregierung Köln, Geobasis NRW. Natur in NRW 1/2021 23
Fachbeiträge Projektziel und Maßnahmen Ziel des LIFE-Projektes ist die F örderung und Wiederherstellung von hoch wüchsigen Röhrichten, insbesondere der Rohrkolben-Röhrichte als Bestandteil des FFH-Lebensraumtyps 3150 „Natürli- che eutrophe Seen und Altarme“ und als wichtiger Lebensraum für viele s eltene Pflanzenarten, Röhricht- und Wasser vögel sowie weitere an Röhricht gebun- dene Tierarten. Bis zum Projektende soll eine Vergrößerung der hochwüchsigen Röhrichtflächen um zwölf Hektar erreicht werden. Hierzu werden vier Maßnahmenkomplexe umgesetzt: Abb. 4: Nutriafalle in einem natürlich aufgewachsenen Röhricht des Breitblättrigen Rohrkolbens. Foto: K. Niehues ❱❱ Kontrolle der Nutria: Systematische Beseitigung der Nutria im Projektge- derrhein, speziell am Bienener Altrhein, 2. mithilfe eines Frühwarnsystems biet, um überhaupt eine Wiederher- wurde ab den 2000er-Jahren eine deutli- eine Ausbreitung verhindert werden stellung insbesondere der Rohrkolben- che Zunahme beobachtet. (Frühwarnung und schnelle Reak- Röhrichte zu ermöglichen. tion / Tilgung) und Nutrias können pro Jahr bis zu drei Würfe ❱❱ Fraßgeschützte Initialpflanzungen: An- mit je fünf Jungen haben. Zudem sind 3. Managementpläne für etablierte Arten lage von rund 1,5 Hektar umzäunter Nutrias bereits mit fünf bis sechs Mona- erstellt und umgesetzt werden (lokale Anpflanzungen mit verschiedenen au- ten geschlechtsreif, sodass sie in kurzer Kontrolle und Eindämmung). tochthonen Röhrichtarten, um hier Ini Zeit hohe Populationsdichten aufbauen tialen für eine weitere Ausbreitung zu können. Für das Projektgebiet wurde im Rah- etablieren. men der Antragstellung ein solcher Ma- Die Nutria ist eine gebietsfremde Art, die nagementplan erstellt und wird im lau- ❱❱ Dynamisierung der Wasserstände: nach der EU-Verordnung 1143/2014 „Prä- fenden LIFE-Projekt bereits erfolgreich Steuerung des Wasserstandes des Bie vention und Management der Einbringung umgesetzt. nener Altrheines im Hinblick auf eine und Ausbreitung invasiver gebietsfremder optimale Röhrichtentwicklung und Arten“ aufgrund ihrer negativen Auswir- Die Nutria ist in NRW keine jagdbare Art. Förderung der natürlichen Keimungs- kungen als invasiv eingestuft wird. Nach Der Abschuss ist den Jagdausübungsbe- bedingungen für Röhrichtsamen bei dieser dreistufigen Verordnung sollen rechtigten im Rahmen der ordnungsge- gleichzeitiger Berücksichtigung des mäßen Jagdausübung jedoch erlaubt und Schutzzieles der Fischfauna. Der Was- 1. die Einbringung von invasiven Arten auch amtlich zugelassene Bisam- und Nu- serstand des Altrheines lässt sich über verhindert werden (Prävention), triafänger dürfen die Tiere fangen und tö- eine Schleuse steuern. ❱❱ Rodungsmaßnahmen: Rodung von drei Hektar Weidengebüsch auf ehemaligen 80 Röhrichtstandorten. 70 Im Folgenden werden die Maßnahmen 60 Anzahl gefangener Nutrias „Kontrolle der Nutria“ und „Fraßge- schützte Initialpflanzungen“ näher erläu- 50 tert und erste Entwicklungen aufgezeigt. 40 Kontrolle der Nutria 30 20 Obwohl seit fast 100 Jahren zunächst nur vereinzelt frei lebende Nutrias in Deutsch- 10 land angetroffen wurden, etablierten sie sich erst zu Beginn der 1960er-Jahre 0 Jan 19 Feb 19 Mär 19 Apr 19 Mai 19 Jun 19 Jul 19 Aug 19 Sep 19 Okt 19 Nov 19 Dez 19 Jan 20 Feb 20 Mär 20 Apr 20 Mai 20 Jun 20 Jul 20 Aug 20 Sep 20 Okt 20 Nov 20 an mehreren Stellen. Mit Aufgabe der Nutriafarmen in Deutschland seit den 1990er-Jahren nahmen die Freilandpopu- lationen stark zu (Scheide 2013). Am Nie- Abb. 5: Monatssummen der im Rahmen des LIFE-Projektes gefangenen Nutrias. 24 Natur in NRW 1/2021
Fachbeiträge PFLANZPLAN / BEREIT- ART BEREITSTELLUNG STELLUNGSJAHR DES STÜCKZAHL DES AUTOCHTHONEN PFLANZGUTES STÜCKZAHL GESAMT GESAMT AUSGANGS REAL GEPFLANZT PLANUNG DEUTSCHER NAME LATEINISCHER NAME MATERIALS ALS 2018 2019 2020 2021 Schmalblättriger Rohrkolben Typha angustifolia Samen 7.000 120 1.900 1.896 3.042 6.958 Breitblättriger Rohrkolben Typha latifolia Samen 1.500 250 456 120 826 Wasserschwaden Glyceria maxima Samen 1.500 528 264 600 1.392 Schilf Phragmites australis Samen 1.500 552 600 720 1.872 Schlank-Segge Carex gracilis Samen/ggf. Triebe 500 300 432 240 972 Ufer-Segge Carex riparia Samen/ggf. Triebe 500 480 480 Summe 12.500 120 3.530 3.648 5.202 12.500 Tab. 1: Pflanzplan und bisher gepflanzte Röhrichtarten mit Stückzahlen (orange hinterlegt: bereits gepflanzt; gelb: geplante Pflanzung). Die Stück- zahlen beziehen sich auf aus Samen oder Trieben vorgezogene Setzlinge mit einem Topfdurchmesser von neun Zentimetern. ten. Bei Ablieferung des Schwanzes er- fangener Nutrias lagen im letzten Viertel- Fraßgeschützte halten sie dafür eine Prämie. Dieses Sys- jahr unter zehn Tieren (Abb. 5). Regelmä- Initialpflanzungen tem reichte aber bisher nicht aus, um die ßig werden nur noch aus der Umgebung stark wachsenden Bestände der Nutria einwandernde Tiere am Rand des Gebie- wirksam zu reduzieren, weil es eher zu ei- tes gefangen. ner nachhaltigen Bewirtschaftung führt Im Rahmen des LIFE-Projektes ist ge- als zu einer effektiven Reduzierung der Zur Effizienzkontrolle des Nutriafangs plant, auf insgesamt 1,5 Hektar Fläche Population. werden innerhalb des Schutzgebietes jähr- Röhricht anzupflanzen und durch Zäune lich revierübergreifende Streifjagden von oder Gittermatten vor Fraß zu schützen. Im LIFE-Projekt erfolgt die Kontrolle etwa vier Stunden auf Nutria entlang des Tabelle 1 gibt einen Überblick über die und Beseitigung der Nutria mithilfe spe- Altrheines durchgeführt. Die Streifjagd bisher gepflanzten Arten und Stückzahlen. zieller tierschutzgerechter Lebendfallen dient zudem – wie auch die systematische Das Artenspektrum konzentriert sich auf aus blickdichten Kunststoffplatten (Kas- Auswertung von Fotofallen – dem Moni- die Arten, die früher am Bienener Altrhein tenfallen, teilweise auf Flößen montiert, toring und der Abschätzung der Popula- die Röhrichtgesellschaften geprägt haben Abb. 4). Alle Fallen sind mit Fallenmel- tionsgröße der Nutria. Vor Projektbeginn und in den letzten Jahren stark zurückge- dern (MinkPolice) ausgestattet. Dies ge- lag die Streckenhöhe bei 42 bis 50 Tieren. gangen sind. Einzige Ausnahme ist hier währleistet, dass die Fallen zeitnah kon Nach zwei Projektjahren liegt sie nun bei das Schilf, das sich über die Jahre deutlich trolliert und die Tiere mit einer Kurzwaffe null. ausgebreitet hat, jedoch fast ausschließ- schnell und schmerzlos getötet werden lich in Form des landwüchsigen Schilfs. können. Dazu wurde ein Berufsjäger an- Die getöteten Tiere werden nicht ent- Dauerhaft im Wasser stehendes Schilf gibt gestellt. Das Aufstellen der Fallen wurde sorgt, sondern folgenden Verwertungen es am Bienener Altrhein kaum. Um dieses mit den Revierpächtern beziehungsweise zugeführt: zu etablieren, wurden einige Schilfpflan- -inhabern abgestimmt. Weil die Tiere mit zungen im Wasser geplant. einer Waffe getötet werden, wurde aus ❱❱ Futter für die Tiere eines benachbarten jagdrechtlichen Gründen von allen Re- Tierparks, vierpächtern eine unentgeltliche Jagder- Umzäunungen helfen laubnis erteilt. Die vertrauensvolle Zu- ❱❱ Verbleib im Gebiet als Nahrung für sammenarbeit mit der Jägerschaft vor Ort Aasfresser (Greife, Raubsäuger, Insek- ist eine wichtige Grundlage für die erfolg- ten etc.), Die Anpflanzungen innerhalb der Um- reiche Umsetzung der Maßnahme. zäunungen haben sich überwiegend posi- ❱❱ nachhaltige Fellverwertung über das tiv entwickelt (Tab. 2). Gepflanzt wurde Derzeit wird mit bis zu 29 Fallen sieben Projekt „Fellwechsel“, in den Jahren 2018 bis 2020 im Spätsom- Tage pro Woche gefangen. Seit Januar mer (August). 2020 wurde zusätzlich auch 2019 wurden bisher insgesamt 525 Nu- ❱❱ wissenschaftliche Untersuchungen. eine Pflanzung mit Schilf im Mai durch- trias mit einem Gesamtgewicht von 1,9 geführt, da diese Art als Einzige keine po- Tonnen (Einzelgewicht 0,16 bis 8,93 kg) Alternativen zum Töten der Nutria – wie sitive Entwicklung nach einer Spätsom- gefangen. Das Durchschnittsgewicht lag zum Beispiel eine Sterilisation – wurden merpflanzung zeigte. 99 Prozent der Setz- bei 3,6 Kilogramm. Da die Tiere pro Tag intensiv recherchiert und auf ihre Umsetz- linge überlebten die Wintermonate nicht. etwa ein Viertel ihres Körpergewichtes an barkeit geprüft. Sie waren jedoch allesamt Die Pflanzung im Mai 2020 hat sich dage- Nahrung zu sich nehmen, entnimmt ein nicht praktikabel, hatten keine Aussicht gen sehr positiv entwickelt, die Pflanzen Tier dem Gebiet pro Jahr rund 330 Kilo- auf ausreichenden Erfolg und wären teils sind vital. gramm Biomasse. sogar eine größere Belastung für die Tiere gewesen. Neben dem Schutz vor Fraß haben die Mittlerweile ist das Kerngebiet nahezu Umzäunungen noch eine weitere wichtige frei von Nutrias. Die Monatssummen ge- Funktion. Sie beruhigen die Strömung Natur in NRW 1/2021 25
Fachbeiträge DEUTSCHER NAME LATEINISCHER NAME GEPFLANZT IM ENTWICKLUNG grenzung der verschiedenen, auch klein- flächigen Röhrichtgesellschaften ermögli- Schlank-Segge Carex gracilis August positiv chen. Die Befliegungen finden jeweils im Wasserschwaden Glyceria maxima August positiv Spätsommer (August / September) statt, Schilf Phragmites australis August negativ wenn das Röhricht am weitesten entwi- Schilf Phragmites australis Mai positiv ckelt ist. Schmalblättriger Rohrkolben Typha angustifolia August positiv Tabelle 3 zeigt die Entwicklung der Röh- Breitblättriger Rohrkolben Typha latifolia August positiv richtbestände des Bienener Altrheines in Tab. 2: Pflanzzeiten und Entwicklung der bisher gepflanzten Röhrichtarten von 2018 bis 2020. den Jahren 2018 bis 2020 auf. Die Ge- samtentwicklung der hochwüchsigen und fördern damit die Sedimentation und der Fraßdruck durch die Nutria auch au- Röhrichtbestände verläuft bisher sehr po- Auflandung in diesem Bereich. Durch ßerhalb der Umzäunung fast nicht mehr sitiv – insgesamt ist ein Zuwachs von den Verlust des Röhrichts aufgrund der vorhanden ist, können die Ursachen hier- 2,7 Hektar zu verzeichnen, was einer Zu- Fraßtätigkeit der Nutria ist am Bienener für im Fraßdruck durch Wasservögel oder nahme von 27 Prozent entspricht. Beson- Altrhein auch die Bodenoberfläche vieler- auch in den hydrologischen Verhältnis- ders erfreulich ist dabei, dass sich vier orts zehn bis 20 Zentimeter abgesackt, da sen zu suchen sein. So führt die Umzäu Röhrichtgesellschaften angesiedelt ha- die Wurzelpakete des Röhrichts nach und nung durch die Wasserberuhigung zu ei- ben, die zu Projektbeginn nicht mehr nach verrottet sind. Das hatte zur Folge, ner verstärkten Verlandung innerhalb und vorhanden waren. Während das Röh- dass auch bei niedrigen Wasserständen damit auch zu früherem Trockenfallen der richt des Schmalblättrigen Rohrkolbens keine Schlammflächen mehr trockenfielen Flächen. Außerhalb der Umzäunung fal- den Anpflanzungen geschuldet ist, ha- und deshalb keine Flächen mehr für eine len die Schlammflächen später trocken, ben sich die drei anderen Gesellschaf- natürliche Röhrichtkeimung vorhanden was die Ausbreitung eventuell verzögert. ten – das Strandsimsen-, Teichbinsen- und waren. Abbildung 6 zeigt diesen Effekt Letztlich sind diese Fragen im Moment Schwanenblumen-Röhricht – auf natür- sehr deutlich. Der rote Pfeil markiert eine aber noch ungeklärt. lichem Weg wieder angesiedelt. Ihr Flä- 2020 entfernte Umzäunung – innerhalb chenanteil ist jedoch noch gering. des Zaunes erfolgte die Auflandung der jetzigen Schlammfläche. Außerhalb liegt Entwicklung der Röhrichte Die größten Zuwächse verzeichnen im die Bodenoberfläche noch einige Zenti- Moment das Schilfröhricht, das Röh- meter unter Wasser. richt des Breitblättrigen Rohrkolbens so- Um den Erfolg des Projektes messen zu wie das Wasserschwadenröhricht. Auch Betrachtet man die Entwicklung der Ini- können, werden jährliche Drohnenbeflie- diese Zunahmen sind überwiegend auf tialpflanzungen innerhalb und außerhalb gungen der Teilgebiete Bienener Altrhein eine natürliche Ausbreitung zurückzufüh- der Umzäunungen, so ist aktuell bei al- und Empeler Meer sowie flächendeckende ren. Die Anpflanzungen dieser drei Ar- len Arten festzustellen, dass vor allem Befliegungen des gesamten Projektgebie- ten umfassen jeweils nur ein paar Hundert im fraßgeschützten inneren Bereich eine tes in den Jahren 2018, 2021 und 2024 Quadratmeter. Ausbreitung stattfindet, direkt außerhalb durchgeführt. Dabei werden hochauflö- angrenzend dagegen kaum (Abb. 7). Da sende Orthophotos erstellt, die eine Ab- Insgesamt zeigt sich, dass vor allem der Schmalblättrige Rohrkolben aktuell die geringsten Ansiedlungs- und Ausbrei- tungstendenzen zeigt. Es macht deshalb Sinn, dass gerade diese Art bei den Ini- tialpflanzungen den größten Anteil ein- nimmt (Tab. 1) und besonders gefördert wird. Das Röhricht des Schmalblättri- gen Rohrkolbens nahm früher am Biene- ner Altrhein mit 2,3 Hektar einen erheb- lichen Flächenanteil ein und prägte das Landschaftsbild. Ausblick Die ersten Ergebnisse stimmen zuver- sichtlich, dass das Projekt seine Zielset- zungen erreichen kann. Die letzten Initi- alpflanzungen sind bereits für 2021 vor- gesehen und werden damit ein Jahr früher als geplant fertiggestellt. Noch schlep- pend verläuft die Etablierung des Schmal Abb. 6: Luftbild mit Initialpflanzungen im September 2020 – 0: Rohrkolben-Anpflanzungen beider blättrigen Rohrkolbens. Hierauf wird in Arten von 2015 bis 2017 – inzwischen flächige Bestände. 1: Anpflanzung mit Schmalblättrigem den nächsten Jahren besonders zu achten Rohrkolben 2018. 2: Schilf-Anpflanzung vom Mai 2020. 3: Anpflanzungen mit Schmalblättrigem Rohrkolben 2020. Roter Pfeil: Zaunverlauf bis August 2020, der die verstärkte Sedimentation und sein. Zudem gibt es stellenweise ein star- Auflandung durch die Umzäunung verdeutlicht. Foto: AG Drones kes Aufkommen von Weiden (Salix sp.) – 26 Natur in NRW 1/2021
Fachbeiträge Abb. 7: Mit Gittermatten geschützte Initialpflanzung mit Schmalblättrigem Rohrkolben im September 2018 (links) sowie im Juli 2020 (rechts). Inner- halb der Umzäunung hat sich der Bestand flächig entwickelt. Außerhalb ist noch keine wesentliche Ausbreitung feststellbar. Fotos: A. Vossmeyer Kreis Kleve. Natur und Landschaft, 61. Jg. (1986) bedingt durch die niedrigen Wasserstände. web/babel/media/biotop_lrt_katalog_ Heft 3: 79–84. Dies kann sich negativ auf die Röhricht 30mai2014_neu.pdf. entwicklung auswirken und erhebliche Scheide, D. (2012): Ökologie, Verbreitung, Schä- Pflegemaßnahmen nach sich ziehen. Auch den und Management von „Myocastor coypus“ in hier muss man die Entwicklung im Auge Deutschland im internationalen Vergleich. Mün- ZUSAMMENFASSUNG behalten und rechtzeitig gegensteuern. chen, GRIN Verlag. Link: https://www.grin.com/ document/205074, Diplomarbeit an der Univer- Zur Wiederherstellung der Röhrichte – sität Trier: 123 S. LITERATUR insbesondere der Rohrkolbenröhrichte – Vossmeyer, A., Ahrendt, W., Brühne, M. & am Bienener Altrhein wird aktuell ein LIFE- Follmann, G. & M. Kleikamp (1991): Floren- M. Büdding (2016): Der Einfluss der Nutria auf wandel und Vegetationsentwicklung im Bereich Projekt durchgeführt, dessen Schwer- die Entwicklung von Rohrkolben-Röhrichten – Er- des Bienener Altrheins (Kreis Kleve, Nordrhein- gebnisse eines Anpflanzversuches von Rohrkol- punkt zum einen die Kontrolle und Be- Westfalen). Natur und Landschaft, 66. Jg. (1991) ben in einem Altrhein am Unteren Niederrhein. seitigung der Nutria ist, zum anderen die Heft 3: 141–145. Natur in NRW Heft 3/2016: 36–40. Anlage von fraßgeschützten Initialpflan- LANUV (2014): Biotop- und Lebensraumtypen- zungen verschiedener Röhrichtarten. Ziel Woike, M. (1986): Errichtung und Sicherung katalog Stand 2014. Link: http://methoden. schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft ist es, innerhalb der Projektlaufzeit rund naturschutzinformationen.nrw.de/methoden/ mit gesamtstaatlicher repräsentativer Bedeu- zwölf Hektar Röhricht zu entwickeln. Die tung – Beispiel: Alter Rhein bei Bienen-Praest, bisher umgesetzten Maßnahmen zeigen nun erste Erfolge. So konnte der Nutria- Bestand am Altrhein auf sporadische FLÄCHE [M²] RÖHRICHTGESELLSCHAFT VERÄNDERUNG VERÄNDERUNG Einzeltiere reduziert werden, gleichzeitig ABSOLUT [M²] PROZENTUAL [%] 2018 2020 setzt inzwischen eine deutliche Röhricht entwicklung ein. Bisher haben sich rund Schilfröhricht (Phragmitetum australis) 59.517 67.467 7.950 13 2,7 Hektar Röhricht neu entwickelt, wobei Wasserschwadenröhricht 27.389 34.203 6.814 25 die größten Zuwächse das Schilfröhricht, (Glycerietum maximae) das Röhricht des Breitblättrigen Rohr- Rohrglanzgrasröhricht 8.853 11.179 2.326 26 kolbens und das Wasserschwadenröh- (Phalaridetum arundinaceae) Rohrkolbenröhricht aus Breitblättrigem richt zeigen. Es konnten sich zudem vier 4.408 12.291 7.883 179 Rohrkolben ( Typhetum latifoliae) Röhrichtgesellschaften etablieren, die am Kalmusröhricht (Acoretum calami) 1.945 2.102 157 8 Altrhein zwischenzeitlich verschwunden Igelkolbenröhricht (Sparganietum erecti) 17 884 867 5.100 waren. Rohrkolbenröhricht aus Schmalblättrigem Rohrkolbenröhricht 0 760 760 / AUTOREN ( Typhetum angustifoliae) Dipl.-Biol. Achim Vossmeyer Strandsimsenröhricht 0 482 482 / Dipl.-Biol. Martin Brühne (Bolboschoenetum martimi) B. Sc. Landschaftsökologie Corinna Roers Teichbinsenröhricht (Scirpetum lacustris) 0 191 191 / M. Sc. Landschaftsökologie Jennifer Piecho- Schwanenblumenröhricht wiak 0 168 168 / (Butometum umbellati) Revieroberjäger Konrad Niehues Gesamt 102.129 129.727 27.598 27 Naturschutzzentrum im Kreis Kleve e. V. Rees-Bienen Tab. 3: Entwicklung der hochwüchsigen Röhrichte (CF2 des Biotoptypenschlüssels NRW – LANUV vossmeyer@nz-kleve.de 2014) im Teilgebiet Bienener Altrhein sowie Empeler Meer zwischen 2018 und 2020. Natur in NRW 1/2021 27
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