Der Konflikt in Kolumbien - Paola Galano Toro Doktorandin, ICR 26.05.21, Zürich - International Conflict Research

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Der Konflikt in Kolumbien - Paola Galano Toro Doktorandin, ICR 26.05.21, Zürich - International Conflict Research
Konfliktforschung II

Der Konflikt in
Kolumbien
Paola Galano Toro
Doktorandin, ICR
26.05.21, Zürich
Der Konflikt in Kolumbien - Paola Galano Toro Doktorandin, ICR 26.05.21, Zürich - International Conflict Research
Überblick

1.   Einleitung
2.   Beteiligte Akteure
3.   Historischer Hintergrund
4.   Ausbruch und Verlauf des Konfliktes
5.   Erklärungsansätze
6.   Auswirkungen
7.   Friedensversuche – Diskussionsfragen I
8.   Heutige Situation – Diskussionsfragen II

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Der Konflikt in Kolumbien - Paola Galano Toro Doktorandin, ICR 26.05.21, Zürich - International Conflict Research
Einleitung: Interner Konflikt in Kolumbien (1964-)

• Land im Norden vom Südamerika
• 51’049’498 Einwohner: 70% Weiss/mestizo, 4.4%
  Ureinwohner, 9.34% Afro-Kolumbianer (DANE 2019)
• Demokratie mit Präsidialsystem: Präsident Iván Duque
  (seit 2018)
• 1’141’748 km2, organisiert in 32 “departamentos”
• Längster laufender Konflikt in der westlichen Hemisphäre
  (ICTJ 2008)  FARC und ELN eine der ältesten
  Rebellengruppen (Flores 2014)
• Mehrere Akteure beteiligt, profitieren vom Drogenhandel
• Immer noch laufend trotz Friedensvertrag 2016

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Der Konflikt in Kolumbien - Paola Galano Toro Doktorandin, ICR 26.05.21, Zürich - International Conflict Research
Beteiligte Akteure

• Mehrere Akteure: nicht nur FARC gegen den kolumbianischen
  Staat
• Bewaffnete Gruppen:
- Links-Guerrillas: FARC, ELN, EPL, M-19, usw. (seit 1960er)
- Paramilitärische Verbände (AUC 1997-2006) (seit 1980er)
- Kriminelle Banden: Drogenhändler

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Der Konflikt in Kolumbien - Paola Galano Toro Doktorandin, ICR 26.05.21, Zürich - International Conflict Research
Historischer Hintergrund I
• Teil des spanischen Imperiums bis 1819
• Unabhängigkeitskriege (1811-1822): Gebiet umstritten
  zwischen Spanien und Venezuela
• Gran Colombia (1819-1831): Venezuela, Kolumbien,
  Panama und Ecuador
• Föderalismus vs. Zentralisierung, Konservative vs.
  Liberale (Hauptparteien)
• Wichtige Parteiaktivitäten in den Regionen: Verbindungen
  zu lokalen Eliten, regionale Armeen (Lopez-Alves 2000)
• Kein nationales Programm zur Staatsbildung (Soifer
  2015)
• Schwacher Staat und zentrale Armee: abhängig von
  Grundbesitzer (Lopez-Alves 2000)
• 9 interne Kriege bis 1948

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Historischer Hintergrund II

• La Violencia (1948-1958): Konservative vs. Liberale
- Tod von liberalem Politiker Jorge Gaitán (1948)
- Gewalt der konservativen Regierungen auf liberale
  Gruppen
- Entstehung vieler liberalen Guerrillas und bewaffneten
  Rechtsgruppen
- 1953: Militärische Regierung führt einen Waffenstillstand
  ein  viele liberale Guerrillas werden demobilisiert
- 1958: (Mangelhafte) Lösung durch “Frente Nacional” 
  beide Parteien teilen sich die Macht ein

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Ausbruch und Verlauf
Neuer Konflikt oder Erweiterung der Violencia?
• Selbstverteidigungsgruppen der “Violencia”: pájaros und guerrillas
• Einige liberale und kommunistische Guerrillas sind noch mobilisiert nach 1958
   Von der Vereinbarung zur Machtaufteilung ausgeschlossene Guerillas weiterhin mobilisiert (CFR
     2017)
   Kommunistische Bedrohung (kalter Krieg) von immer noch mobilisierten Gruppen
   1964 Regierung versucht diese erfolglos einzugrenzen (Díaz Pabón 2018)
• Guerrillas, welche die “Operación Marquetalia” überlebt hatten, würden nachher zu FARC und ELN
  (Flores 2014)
• Unterschiedliche Phasen (Díaz Pabón 2018)

              1964-                 1991-                 2002-                2016-
              1982                  1998                  2010                 2021

                         1982-                   1998-                 2010-                        7
                         1991                    2002                  2016
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Erste Phase (1964-1991):
Entstehung vom Konflikt und 1991 Verfassung

             •   Erste Versuche, die Linksguerrillas militärisch zu bekämpfen
             •   Legalisierung von Selbstverteidigungsgruppen (1960er, 1970er)
             •   Neue Gruppen: EPL (1965), M-19 (1974)
             •   Friedensversuche mit ELN und FARC
1964-1982    •   Repressiver Staat, Versuch das Gewaltmonopol zu stärken

             •   Betancourt (1982-1986): Erste formelle Friedensprozesse mit Guerrillas
             •   Gründung der UP (Partei der FARC) (1984)
             •   Vargas (1986-1990): Friedensversuche mit M-19 und andere, UP macht politische Gewinne
             •   Einige Akteure profitieren von Instabilität
1982-1991    •   1991 Verfassung: Rechte für ethnische Gruppen, Öffnung der Demokratie und mehr Partizipation

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Der Konflikt in Kolumbien - Paola Galano Toro Doktorandin, ICR 26.05.21, Zürich - International Conflict Research
Zweite Phase (1991-2010): Paramilitär, Uribe und militärischer
Crackdown

          •    Gaviria (1990-1994): Friedensversuch mit FARC
          •    Demobilisierte vs. mobilisierte Guerrillas
          •    Verstärkung von FARC-EP: schwacher Staat und Drogenhandel (Samper 1994-1998)
1991-1998 •    Verstärkung von Paramilitär: politische Ämter, Zusammenbindung unter AUC

          • Pastrana (1998-2002): Frieden mit der Guerrillas als Wahlmandat, nicht erfolgreich
          • Dezentralisierung führt zur lokalen, regionalen Macht von bewaffnete Gruppen
1998-2002 • Paramilitär von den Eliten unterstützt um den Staat zu verteidigen

             • Uribe (2002-2010): Militärischer Ansatz gegen Guerrillas, Frieden mit Paramilitär
             • Plan Colombia: Sicherheit nimmt zu trotzt Menschenrechtsverletzungen
             • AUC wird aufgelöst, neue Banden entstehen
2002-2010

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Dritte Phase (2010-2021): Auf dem Weg zum Frieden

            • Manuel Santos (2010-2018): Unterschiedlicher Ansatz zu Uribe
            • 2016 Formeller Friedensvertrag mit FARC-EP: Widerstand von Uribe
2010-2016

            • Implementierung von Friedensvertrag im Jahr 2016
            • Noch kein Friedensvertrag mit ELN abgeschlossen (DW 2021)
            • Mobilisierung von kleineren Guerrillas und damit verbundenem Anstieg von
              Drogenhandel & Produktion
2016-2021   • Heute: Mobilisierung von Jungen wegen Ungleichheit

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PAUSE

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Erklärungsansätze

Grievances/motive: Warum sind die Rebellengruppen überhaupt entstanden?
• Ungleichheit: Exklusion von Machtverteilung, vertikale Ungleichheit und Landverteilung
• Konflikt trotz Demokratie
Greed/opportunity: Warum haben die Rebellengruppen so lange überlebt?
• Illegale Aktivitäten: Finanzierung von Rebellengruppen
• Schwacher Staat: fehlendes Gewaltmonopol (Selbstverteidigung), bewaffnete Gruppen übernehmen
  Staatsaktivitäten (Steuern, öffentliche Gütern)
• Terrain: Urwald und Gebirge

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Grievances: Macht-, Einkommen- und Landungleichheit

• Weniger geeignet für Erklärungen basiert auf horizontaler Ungleichheit  nicht-ethnischer Konflikt
• Beschränkte Demokratie bis 1936: autoritäre Regierungen in den Regionen kontrolliert von politischen
  Parteien (López-Alves 2000)
• Machtduopol der Frente Nacional (1958-1978)
• Vertikale Ungleichheit: Ungleiche Landverteilung in ländliche Gebiete und ökonomischer Nachteil von
  Bauern  gemäss Studien kein klarer Effekt feststellbar, trotzdem oft in den Medien als Erklärung erwähnt
  (Flores 2014)

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Grievances II: Vertikale Ungleichheit und ökonomische Rechte (Flores
2014)
• Privilegierung der ökonomischen Rechten von politisch machtvollen Akteure
• Führt zur Konflikt aufgrund:
   Zwangsmittel von privilegierten Gruppen und unerfüllte Erwartungen von benachteiligten Gruppen
   Solidarität mit der Eigengruppe (ökonomisch) und weniger Legitimität vom Staat
• Landkonflikte des 19. und 20. Jh.: Hacendados (Grudbesitzer) vs. Campesinos/colonos (Bauern)
• Nach La Violencia, Landkonflikte durch Gewalt gelöst  Selbstverteidigungsgruppen von Bauern und
  unabhängige Republiken
• Trotzt Landreformen, Konzentration vom Landeigentum und Gewalt von Staat zu Bauern

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Illegale Aktivitäten: Drogenhandel und Koka Ernte
• Meist gebrauchte Erklärung für lange Dauer des Konflikts (Flores 2014)  Kolumbien als ein perfektes
  Beispiel für das «feasibility model» (Collier et al.)
• Natürliche Ressourcen sind umkämpft und dienen der Finanzierung von Konfliktakteuren (Angrist &
  Kugler 2008)
• Studien fokussieren sich auf den Kokainboom in den 1980er Jahren (Flores 2014):
   Gewalt geht von Drogenkartellen aus vor allem in Städten (Angrist & Kugler 2008)
   Kokainhandel und –Produktion finanzieren Linksguerrillas und Paramilitär
   Kokablätter ab 1994 in Kolumbien geerntet  mehr Gewalt in Departementen, wo Koka angebaut
    wird (Angrist & Kugler 2008)

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Quelle: Angrist & Kugler (2008)   16
Illegale Aktivitäten II: Goldabbau

• Seit dem Gold boom 2008, ist Gold der neue Antrieb vom Konflikt (Idrobo et al. 2014):
   Rund 20% der Gemeinden in Kolumbien haben Goldressourcen
   Illegaler Goldabbau ist mit einem Anstieg vom Gewalt verbunden
   Kampf um Kontrolle von Gebieten mit Goldressourcen
• Rebellengruppen, welche sich durch illegale Aktivitäten finanzieren, üben keine Gewalt aus die nicht
  unmittelbar zu Einkommen führt.

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Quelle:
Idrobo et
al. (2014)

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Schwacher Staat
• Militärisch realisierbare Rebellion: Rebellengruppen können nicht einfach vom Staat überwältigt werden
  aufgrund von schwachem Staat
• Entstehung von Selbstverteidigungsgruppe: Staat konnte Sicherheit von diverse Gruppen nicht
  gewährleisten
• Staat muss in den von Rebellen besetze Regionen nachher seine Funktionen erfüllen

                                       1964                                          2005

             Daten: Lee and Zhang (2017)                                                               19
Günstiges Terrain

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1989-2019

Daten: UCDP
(2019)
              21
Auswirkungen

• 220’000 Tote und 25’000 Verschwundene
• Zwangsverschiebungen: 7m. IDPs (2017)  illegale
  Landverteilung
• Entführungen (z.B. Ingrid Betancourt 2002) rund 25’000 Personen
• Ermordung wichtiger politischen Figuren:
   Drei Präsidentschaftskandidaten
   Ehemaliger Kulturminister
   Mitglieder neuer politischen Parteien
• Aushöhlung der Demokratie (Uribe Präsidentschaften 2002-2010)
• “Falsos positivos”: Zivilisten umgebracht und nachher als Guerrillas
  bzw. Paramilitär präsentiert
• Ethnische Gruppen (indigenen, Afro-Kolumbianer) hart betroffen

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Friedensversuche

• Formelle Friedensverfahren vs. militärische Ansätze: Manuel Santos vs. Uribe
• Mehrere Friedensprozesse mit mehreren Akteuren
• 1991 Verfassung: Demokratisierung, Dezentralisierung  unerwünschte Folgen
• Friedensvertrag 2016 mit FARC:
   Abgelehnt nach Referendum  zu milde Konsequenzen für Rebellen (keine Bestrafung, Gründung
     einer politischer Partei)
   Kongress stimmte für eine überarbeitete Version vom Friedensvertrag

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Diskussionsfragen

Welcher Ansatz im Falle von Kolumbien, militärische Lösung oder
Friedensprozesse, findet ihr am besten und warum?

Ist “power-sharing” immer eine “faire” Lösung für alle Akteure? Insbesondere
im Fall von nicht-ethnischen Konflikten.

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Heutige Situation

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Diskussionsfragen (II)

Ist vertikale Ungleichheit gleich wichtig wie horizontale Ungleichheit?

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Referenzen
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    colombia-hint-at-deep-problems.

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•   DW. 2021. “Gobierno de Duque Suspendería Órdenes de Extradición de ELN, Si Se Abre Negociación de Paz.” DW. https://www.dw.com/es/gobierno-de-
    duque-suspendería-órdenes-de-extradición-de-eln-si-se-abre-negociación-de-paz/a-57500868.
                                                                                                                                                             27
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