VERSTETIGTER KONFLIKT MIT NEUEN ESKALATIONSSTUFEN - Wachsende Unsicherheit in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo)
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FEBRUAR
2021
VERSTETIGTER KONFLIKT MIT
NEUEN ESKALATIONSSTUFEN
Wachsende Unsicherheit
in der Demokratischen
Republik Kongo (DR Kongo)
Zusammenfassung
M it dem Fokus auf drei konfliktreiche Regionen beschreibt
dieses Dossier die sich verschlechternde Sicherheitslage
in den östlichen Provinzen der DR Kongo im Jahr 2020. Neben
interessen treiben die Konfliktparteien an. Strukturelle Defizite
sorgen dafür, dass den ständig neu aufflammenden Gewalther-
den kaum Einhalt geboten wird. Am Beispiel von fünf regionalen
Angehörigen der staatlichen Sicherheitskräfte wie der kongolesi- Konflikten werden Konfliktursachen und Akteur:innen punktuell
schen Armee FARDC sind zahlreiche Milizen für die gewaltvollen aufgezeigt. Die daraus resultierenden politischen Forderungen
Übergriffe und anhaltenden Konflikte verantwortlich. Dabei han- umfassen unter anderen die Bekämpfung der Straflosigkeit, das
delt es sich sowohl um lokale als auch aus den Nachbarländern Schaffen von Alternativen wie wirtschaftliche Perspektiven für
stammende Milizgruppen. Der andauernde Machtkampf inner- v.a. junge Menschen, ein umfassendes und nachhaltiges Demobi-
halb der kongolesischen Regierung und überregionale Partikular- lisierungsprogramm und eine Reform des Sicherheitsapparates.
1. Einleitung
D ie rohstoffreichen Ostprovinzen der DR Kongo an
der Grenze zu Burundi, Ruanda und Uganda sind von
anhaltender Gewalt durch über 130 bewaffnete Gruppen
Sicherheitskräfte und politische Vertreter:innen seit Jahr-
zehnten mitverantwortlich für die anhaltende Unsicher-
heit und Gewalt. Insbesondere in den Provinzen Nord- und
geprägt. Die Lage wird durch die gestiegene Anzahl und Süd-Kivu sowie Ituri ist für das Jahr 2020 ein Anstieg
Fragmentierung unterschiedlicher Gruppen zusehends der gewaltvollen Übergriffe einhergehend mit Massakern,
unübersichtlicher. Innerhalb der historisch gewachse- Vernichtungen ganzer Dörfer und gewaltvollen Vertrei-
nen Spannungen zwischen lokalen Gruppen, die sich in bungen zu verzeichnen. Neue Konflikte entstehen auch
Konflikten um Macht, Land und Rohstoffe ausdrücken, durch Fluchtbewegungen. Aufgrund des fehlenden staat-
zeichnen sich neue Gewaltdynamiken ab. Ein staatliches lichen Schutzes und der mangelnden Sicherheit bilden
Regulativ, in der Verantwortung die Sicherheit der Bevöl- sich vielerorts Bürgerwehren, die zum Teil gewaltvolle
kerung zu gewährleisten, fehlt. Vielmehr sind staatliche Vergeltungsaktionen verüben. Die seit Jahren anhaltendepolitische Krise in der Hauptstadt Kinshasa trägt zu den 6.858 Menschenrechtsverletzungen im ganzen Land.
Konflikten in den fragilen Ostprovinzen bei. Das bedeutete einen Anstieg von 35% im Vergleich zum
gleichen Zeitraum im Jahr 2019.2 Dieser Anstieg ist ins-
Im Laufe des Jahres 2020 verhinderte die zunehmende besondere auf die Zunahme gewaltvoller Übergriffe durch
Spaltung zwischen dem politischen Lager von Präsident bewaffnete Gruppen in den Provinzen Ituri, Nord-Kivu,
Félix Tshisekedi und dem seines Vorgängers Joseph Ka- Süd-Kivu und Tanganjika zurückzuführen.
bila eine seit langem benötigte, kohärente Strategie zur
Stabilisierung des Ostkongos. Die Machtkämpfe in der Die gewaltsamen Übergriffe sind in der Provinz Ituri im
Hauptstadt dominieren das politische Geschehen und Gebiet um die Städte Irumi und Bunia, in der Provinz
den Politiker:innen wird vorgeworfen, sich hauptsächlich Nord-Kivu im Gebiet um die Städte Beni, Masisi und Ruts-
mit sich selbst und ihren jeweiligen Widersachern zu be- huru und im Süd-Kivu in den Hoch- und Mittelplateau-Ebe-
schäftigen sowie bestehende Konflikte in den Ostregio- nen an der Grenze zu Burundi und Ruanda im Gebiet um
nen zu nutzen, um politische Allianzen zu besiegeln bzw. die Städte Uvira und Fizi sowie Mwenga zu verorten.3
gegeneinander auszuspielen.
Die zunehmende Gewalt geht von verschiedenen be-
Ebenfalls alarmierend ist auch der Einfluss der Nachbar- waffneten Gruppen aus, die sich aus unterschiedlichen
länder auf die nicht endende Gewalt. Ruanda und Ugan- Gründen organisieren. Bei einigen Gruppen sind die Bünd-
da haben seit Jahrzehnten Verbindungen zu bewaffneten nisse über lange Zeit gewachsen, andere sind neu ent-
Gruppen und Rebellionen in Ituri und Nord-Kivu und ver- standen. Einige verfolgen ideologische, andere politische
folgen wirtschaftliche und politische Interessen. Ruan- oder wirtschaftliche Interessen, andere gründen sich zur
da, das an Nord-Kivu grenzt, hat sich in dieser Provinz Verteidigung oder begehen Racheakte und Vergeltungs-
stärker engagiert, während Uganda eine größere Rolle in aktionen für die ihnen angetanen Verbrechen.
Ituri gespielt hat. Gerade was die Teilhabe am Rohstoff-
1
reichtum der östlichen Provinzen der DR Kongo angeht, Hinzu kommen bewaffnete Gruppen aus den Nachbar-
scheint die Strategie darin zu bestehen, nichtstaatlich ländern Uganda, Ruanda und Burundi, die sich zum Teil
kontrollierte Zonen zu schaffen, um die Ausbeutung von mit kongolesischen Milizen verbünden, sich aber auch
Ressourcen und deren Handel zu erleichtern. gegenseitig bekämpfen. Diese Gruppen kooperieren
auch mit Teilen der kongolesischen Armee FARDC, die
Von Januar bis Oktober 2020 dokumentiert das Men- in sich gespalten ist.
schenrechtsbüro der Vereinten Nationen (UNJHRO)
2.1. Rolle der kongolesischen Armee FARDC
V iele Berichte stellen fest, dass zahlreiche Menschen-
rechtsverletzungen in der DR Kongo auch durch
staatliche Sicherheitskräfte begangen werden. Der jüngs-
oder wurden in Folge von Verhandlungen und Demobilisie-
rungskampagnen in die Armee integriert. Gleichzeitig gilt
die kongolesische Armee mit ihren ca. 134.000 Soldat:in-
te Bericht des VN-Menschenrechtsbüros dokumentiert, nen5 als eine der am schlechtesten ausgerüsteten und
dass für 41% der dokumentierten Menschenrechtsverlet- bezahlten Armeen weltweit. Immer wieder gibt es daher
zungen die kongolesische Armee oder andere staatliche Deserteure aus den Reihen der FARDC auch aus höheren
Akteure verantwortlich sind.4
militärischen Rängen, die Soldaten um sich gruppieren,
um eigene Partikularinteressen zu verfolgen. Die mangel-
Die FARDC selbst ist keine geeinte Streitkraft, sondern hafte innere Struktur, die völlig unzureichende Ausbildung,
vielmehr ein Flickenteppich. Die FARDC-Truppen bestehen Ausrüstung und Finanzierung sowie der fehlende politische
neben den Regierungsstreitkräften aus ehemaligen Mitglie- Wille lassen in ihrer Gesamtheit nicht auf eine schnelle Ver-
dern verschiedener Milizen. Diese sind entweder desertiert besserung der Lage der Armee schließen.
2
ÖNZ | Februar 20212.2. Rolle der MONUSCO
D ie VN-Friedensmission MONUSCO ist seit mehr als
zwanzig Jahren in der DR Kongo präsent, hat ein
Jahresbudget von einer Milliarde US-Dollar und verfügt
lesischen Sicherheitskräften eingedämmt werden und
der politische Prozess, der zu den Wahlen im Jahr 2023
führt, muss auf friedliche Weise fortgesetzt werden.“6
über etwa 18.000 Blauhelmsoldat:innen. Ihr Mandat wur- In den drei Provinzen Nord- und Südkivu sowie Ituri ist
de aufgrund der anhaltenden angespannten Sicherheits- aufgrund der anhaltenden Unsicherheit ein Rückzug der-
lage jährlich verlängert und zum Teil erweitert, um ge- zeit nicht vorgesehen.7 Ein punktueller Überblick über die
meinsame Operationen mit der FARDC wie bspw. gegen Gewaltdynamiken im Jahr 2020 soll im Folgenden näher
die Miliz ADF durchzuführen. Die Rolle der MONUSCO ist aufgezeigt werden.
in der kongolesischen
Bevölkerung sehr um- S O UTH S UD AN N
stritten. In der Kritik
DEMOCRATIC
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DEMOCRATIC
steht vor allem der feh-
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tivität der Mission, die ANGOLA
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mit Milizen. Die MONU- MAMBASA Albert
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vor dem Dilemma, dass Oicha
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auch mit dem Koopera- LUBERO
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tionspartner FARDC im- ko Lub Lake
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mer wieder im Konflikt National Park
KIVU Virunga
steht. Bilati National
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WALIKALE
Park
Lu b Mabenga Rutshuru
ongo RUTSHURU Bunagana International
Seit Oktober 2020 Masisi boundary
Walikale
wird erneut über einen MASISI NYIRAGONGO KIVU Province
Lake
Goma
MANIEMA UVIRA Territory
schrittweisen Rück- Kivu Kigali
Kahuzi-Biega Kalehe Bugarula Kigali National capital
zug der Blauhelme National Park KALEHE IDJWI RWA N D A
KABARE Goma Chief town –
diskutiert. Für einen Kabare Bukavu provincial
Shabunda Walungu Uvira Chief town –
generellen Rückzug WALUNGU territorial
der Blauhelme müssen Mwenga National park
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SHABUNDA Selected road
laut dem VN-Generalse- MWENGA UVIRA
Bujumbura or track
SOUTH KIVU Uvira
kretär Guterres jedoch
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mehrere Bedingungen Lake
erfüllt werden: „Die
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C 0 km 100
FIZI
OF THEma C ON G O
MAPgrax 2016
MAPgrafix 2016
Bedrohung durch die Fizi
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bewaffneten Gruppen Kabambare Lake © Rift Valley Institute 2016
Tanganyika
MANIEMA
Boundaries and names shown do not imply
muss von den kongo- www.riftvalley.net endorsement by the RVI or any other body
3
ÖNZ | Februar 20213. Süd-Kivu
(Mittel – und Hochplateau-Ebenen)
E in dominierender Konflikt im Süd-Kivu besteht zwi-
schen der Banyamulenge-Gemeinschaft, einer Ki-
nyamulenge – sprachigen Minderheit innerhalb der
8
Integrität entstanden. Ihr kriminelles Handeln, welches
von Dorfbesetzungen, Vergewaltigungen, Anwendung
sexueller Gewalt und Tötungen bis zur Zerstörung von
kongolesischen Gesellschaft, und diversen lokalen Ge- Eigentum durch Inbrandsetzung, Plünderungen von Ge-
meinschaften. Nach dem Völkermord in Ruanda und der treidespeichern, Vieh und Feldern reicht, hat jedoch
Ankunft von Hunderttausenden Geflüchteten aus Ruanda weitreichende Konsequenzen und trägt immer wieder
im Jahr 1994 haben sich die Ressentiments gegen die neu zur eskalierenden Gewalt bei. Oftmals verfolgen die
Banyamulenge zusätzlich verstärkt. Diese Vorurteile in- jeweiligen Befehlshaber zum einen ihre eigene Agenda.
tensivierten sich während der Kongokriege Anfang der Sie werden aber auch von politischen Machthaber:innen
Jahrtausendwende, als die Banyamulenge mit den ruan- instrumentalisiert, was weit über einen interkommunalen
dischen Truppen in der DR Kongo gleichgesetzt wurden. Konfliktkontext hinausgeht.
Dieser Konflikt hat seit 2019 auf kommunaler Ebene Seit Beginn des Jahres 2020 verübten verschiedene Mai
erneut zugenommen. In den Hoch- und Mittelplateau- Mai-Gruppen (darunter Yakutumba, Aochi, Ebuela, René,
Ebenen um die Städte Uvira, Fizi und Mwenga im Süd- Mulumba, Biloze Bishambuke, die den Gemeinschaften
Kivu verschärfte sich die Gewaltdynamik zwischen den Babembe, Banyindu und Bafuliru angehören) wiederholt
Babembe-, Bafuliru-, Banyindu-, Bavira- und Banyamulen- systematische Angriffe gegen die Banyamulenge-Bevöl-
ge-Gemeinschaften. Von rein „ethnisch-motivierter“ Ge- kerung, wobei Dörfer niedergebrannt und Viehherden ge-
walt zu sprechen, wird allerdings der Komplexität der raubt werden. Ebenso nehmen Konflikte zwischen den
Gewaltursachen nicht gerecht. Die Gruppen sind selbst Mai Mai-Gruppen selbst zu.
oftmals intern gespalten und suchen sich auch nach In-
teressenslagen immer wieder neue Verbündete. Dabei Eine weitere Komponente ist der temporäre Zusammen-
ist die politische Manipulation von Jugendlichen und Ge- schluss einiger lokalen Gruppen mit Milizen aus den
meindeführer:innen ein verbreitetes Mittel, um Identitäts- Nachbarländern. Seit Beginn der politischen Krise im
muster in Konflikten um Land und natürliche Ressourcen Anrainerstaat Burundi im Jahr 2015 ist eine Zunahme
zu benutzen. Der Konflikt um Macht begünstigt zudem der aus Burundi kommenden bewaffneten Gruppen wie
sexualisierte Gewalt, die von den Konfliktparteien auch FNL (Forces Nationales de Libération), RED-Tabara und
bewusst eingesetzt wird. Zu den in diesem Kontext akti- FOREBU (seit 2017 FPB) in den Mittel- und Hochplateau-
ven bewaffneten Gruppen gehören verschiedene lokale Ebenen zu beobachten.
Bürgerwehren, sogenannte Mai Mai, aber auch bewaffne-
te Gruppen aus Reihen der Banyamulenge-Gemeinschaft, FOREBU (Forces Républicaines du Burundi) wurde nach
namentlich Ngumino und Twiganeho, sowie bewaffnete dem gescheiterten Putsch gegen Burundis Präsidenten
Gruppen ruandischen Ursprungs (FDLR, CNRD) und Grup- Pierre Nkurunziza 2015 gegründet und besteht größ-
pierungen aus Burundi (FNL, FOREBU, RED-Tabara). tenteils aus Überläufern des burundischen Militärs. Im
Süd-Kivu rekrutierte die Miliz überdies zahlreiche Burun-
Der Kivu Security Tracker dokumentiert im Jahr 2020 der:innen, die meistens aufgrund politischer Verfolgung
585 gewaltsame Vorfälle mit 1.175 Opfern, von denen geflohen sind. Im Jahr 2017 hat sich aus FOREBU die
330 Menschen starben. 9
neue Bewegung FPB (Forces Populaires du Burundi) ge-
bildet. Eine weitere aktive burundische Miliz ist RED-Ta-
Die Mai Mai-Bürgerwehren sind vordergründig zu Zwecken bara (Résistance pour un État de Droit au Burundi).
der Selbstverteidigung und zum Schutz der territorialen
4
ÖNZ | Februar 2021Ein weiterer lokaler Akteur ist die mit den Banyamulenge neho und Gumino-Milizen stellen eine ständige Gefährdung
assoziierte Miliz Twiganeho. Die zweite bewaffnete Grup- für die Zivilbevölkerung in den Mittel- und Hochplateaus
pe, die den Banyamulenge nahe steht, nennt sich Ngumino dar. Anfang August 2020 befreite die FARDC beispiels-
und setzt sich zum Teil aus desertierten Soldat:innen der weise die zwei Orte Mabuo und Bududia, die tagelang von
kongolesischen Armee FARDC zusammen. Seit Januar einer Mai Mai-Gruppe besetzt worden waren. Während der
2020 agiert sie unter der Leitung des abtrünnigen Oberst Besetzung kam es zu zahlreichen Plünderungen und Zer-
Michel Rukunda. Die Konflikte der diversen Mai Mai-Grup- störung von Häusern sowie Vergewaltigungen, Folter und
pen untereinander sowie die Zusammenstöße mit Twirwa- Erschießungen von Dorfbewohner:innen.
3.1. Kipupu
Im Juli 2020 sorgte das Massaker im Ort Kipupu für
mediale Aufmerksamkeit. Verschiedene Quellen berich-
ten, dass Gumino-Millizen den Ort angegriffen haben. Als
Politiker Martin Fayulu und dem Friedensnobelpreisträ-
ger Denis Mukwege) – von einem Massaker an 22010
Einwohner*innen durch die Banyamulenge gesprochen.
Auslöser galt ein vorangegangener Angriff auf die Ort- Der Kivu Security Tracker dokumentiert insgesamt 18
schaft Kalingi im Hochland, bei dem hunderte Kühe der Tote11. Laut MONUSCO wurden mehrere Häuser nieder-
Banyamulenge gestohlen wurden. gebrannt, acht Personen getötet, sieben Personen star-
ben durch gelegte Häuserbrände, elf Personen wurden
Laut Berichten ist Kipupu Stützpunkt der Mai Mai-Gruppe verletzt und mindestens 213 Personen gelten als ver-
Ebuela Mutetezi Trésor. Der Angriff ereignete sich am misst, zudem wurden mehrere Frauen vergewaltigt.12
16. Juli 2020 und sorgte für eine aufgeheizte Diskus- Die gegenseitigen Beschuldigungen und Feindschaften
sion bezüglich der Todeszahlen und der Verantwortung haben in diesem Konflikt eine besorgniserregende Es-
für dieses Massaker. In den kongolesischen Medien und kalationsstufe erreicht und werden stark politisiert, was
sozialen Netzwerken wurde – unter anderem durch be- in sozialen Medien durch gegenseitige Hassbotschaften
kannte und einflussreiche Persönlichkeiten (wie dem befeuert wird.
3.2. Minembwe
D es Weiteren sind auch die gewaltvollen Ereignisse
vor allem um die Stadt Minembwe beunruhigend. Die
schwelenden interkommunalen Konflikten werden durch
mune mit einer Verwaltungsbehörde zu verleihen sowie
einen Bürgermeister aus der Banyamulenge-Gemein-
schaft zu benennen.
den Einfluss von Deserteur:innen aus der kongolesischen
Armee auf lokale bewaffnete Gruppen verstärkt. Nach An- Die offizielle Einsetzung des Bürgermeisters am 28.
gaben des Präsidenten der Zivilbevölkerung von Minemb- September 2020 unter Anwesenheit einer hochrangi-
we, William Étabo, sollen 19 Dörfer in den Gebieten von
13
gen Delegation bestehend aus dem Verteidigungs- und
Uvira, Fizi und Mwenga in der Provinz Süd-Kivu von den Veteranenminister Aimé Ngoy Mukena, dem Minister
verschiedenen lokalen und ausländischen Milizen kont- für Dezentralisierung Azarias Ruberwa, dem General-
rolliert werden. Zu diesen bewaffneten Gruppen gehören stabchef der Armee General Célestin Mbala und dem
sowohl Mai Mai-Gruppen wie die Biloze Bishambuke als Gouverneur der Provinz Süd-Kivu sorgte landesweit für
auch Twirwaneho-Milizen sowie bewaffnete Gruppen aus Empörung. Viele Stimmen, auch von Seite der katholi-
Ruanda und Burundi. schen Kirche, sprachen von dem Versuch, das Land zu
balkanisieren14. Der Gouverneur von Süd-Kivu hingegen
Ende September nahm der Konflikt eine neue politische vertrat die Ansicht, dass die Einsetzung des Bürger-
Dimension an, als versucht wurde, der Gemeinde Mi- meisters dazu beitragen könne, Frieden in der Region
nembwe endgültig den Status einer vollwertigen Kom- zu schaffen. Präsident Tshisekedi hob das Dekret, mit
5
ÖNZ | Februar 2021dem Minembwe zu einer ländlichen Gemeinde erhoben Ausschuss einzusetzen, um eine dauerhafte Lösung in
wurde, am 8. Oktober 2020 auf und kündigte an, einen diesem anhaltenden Konflikt zu finden.
4. Nord-Kivu
D ie Bewohner:innen der Provinz Nord-Kivu haben
seit den 1990er-Jahren verstärkt unter den gewalt-
tätigen Auseinandersetzungen zu leiden. Milizen, wie
rer, Guidon Shimiray Mwissa. Seine Verhaftung durch die
kongolesischen Sicherheitskräfte bleibt weiterhin aus.
Guidon gehört zu dem NDC-R-Flügel der NDC. Die NDC
die ursprünglich aus Ruanda stammende FDLR (Forces spaltete sich im Juli 2020 in zwei Flügel und kontrol-
Démocratiques de Libération du Rwanda) und die NDC lierte bis dahin ein größeres Territorium als jede andere
(Nduma Défense du Congo) bzw. NDC-R (Nduma Défense bewaffnete Gruppe im Nord-Kivu. Beide NDC-Gruppen
du Congo-Rénové), sind seit vielen Jahren in der Region kollaborieren je nach Interessenslage mit anderen Milizen
aktiv. Die FDLR sorgt seit ihrer Gründung nach dem Völ- wie der FDLR oder auch gegen diese. So wurden Teile
kermord in Ruanda im Jahre 1994 als Überbleibsel der der NDC-R auch zu einem Partner für die in der Region
genozidären Interahamwe und nun in der zweiten bzw. operierenden kongolesischen Armeeeinheiten.
dritten Generation in der Region agierend, wenn auch
personell und truppenmäßig geschwächt, für Gewalt und Der Kivu Security Tracker dokumentierte im Nord-Kivu
Vertreibungen. 1.197 gewaltvolle Übergriffe im Jahr 2020, bei denen
2.549 Menschen Opfer von Gewalt durch bewaffnete
Die NDC-Miliz hat seit ihrer Gründung im Jahr 2007/08 Akteure wurden. Dies betrifft Formen der Gewalt wie
mit mehreren Tausend Mitgliedern ein ausgefeiltes Sys- Tötungen, Massenvergewaltigungen, Entführungen und
tem von Machtstrukturen im Nord-Kivu aufgebaut. Der politische Repression. Allein die Zahl der gewaltsamen
NDC-Milizenführer Ntabo Nataberi Sheka wurde am 23. Tötungen liegt bei 517 Zwischenfällen mit 1.199 Op-
November 2020 für Kriegsverbrechen zu lebenslanger fern.15 Im Folgenden werden zwei Regionen aufgezeigt,
Haft verurteilt. Am 7. Juni 2019 erließ die kongolesische in denen die Gewalt besonders präsent ist.
Justiz einen Haftbefehl gegen einen weiteren Milizenfüh-
4.1. Beni
D as ressourcenreiche Grenzgebiet zwischen der DR
Kongo und dem Nachbarland Uganda wird in hohem
Maße von Milizen heimgesucht. Besonders in dem Gebiet
im Jahr 2020 verantwortlich sein, im Vergleich zu 195
Toten im Jahr zuvor. Berichten zufolge sollen auch lokale
Milizen Gräueltaten unter dem Namen der ADF verübt
um die Stadt Beni werden seit dem Jahr 2014 bis heute haben. Zahlreiche Bemühungen sowie die Intensivierung
regelmäßig Massaker an der Zivilbevölkerung verübt. Al- der Zusammenarbeit zwischen Truppen der MONUSCO
lein im Jahr 2020 sind laut Angaben der zivilgesellschaft- und der kongolesischen Armee FARDC konnten bislang
lichen Plattform La Lucha (La Lutte pour le Changement) keine Befriedung der Region erzielen. Im Gegenteil, im
mehr als 1.200 Menschen ums Leben gekommen . Als 16
Laufe des Jahres 2020 ist ein starkes Wiederaufleben
am häufigsten auftretender Gewaltakteur wird die Miliz der Angriffe durch mutmaßliche ADF-Milizen in der Region
ADF (Forces Démocratiques Alliées) genannt. Die ADF zu verzeichnen. Das liegt u.a. daran, dass die ADF in der
ist im Jahr 1995 als Zusammenschluss mehrerer ugan- Region tief verwurzelt ist. In den letzten Jahren koordi-
discher Rebellengruppen unter muslimischer Führung nierte sie die Angriffe auch zusammen mit verschiedenen
entstanden. Sie wird der Massaker an Tausenden von Mai Mai-Milizen und den FDLR-Milizen. Laut Berichten der
Zivilist:innen als auch der Verursachung erheblicher ma- Congo Research Group soll die ADF auch mit Teilen der
terieller Schäden in den letzten fünf Jahren beschuldigt. kongolesischen Armee kollaborieren. Einzelnen FARDC-
So soll sie für den Tod von mehr als 640 Zivilist:innen
6
ÖNZ | Februar 2021Generälen wird vorgeworfen, Geschäfte im Gold- und Aufgrund der vermehrten militärischen Operationen der
Holzhandel mit der ADF zu betreiben. FARDC scheint das kongolesische Militär in der Region
zunehmend zur Zielscheibe des Konflikts zu werden. Von
Präsident Tshisekedi hatte im Oktober 2019 eine groß den acht Zusammenstößen zwischen der FARDC und der
angelegt Offensive gegen die ADF angekündigt und ver- ADF, die der Kivu Security Tracker im August 2020 do-
sprochen, die Region bis zum Ende des Jahres zu befrie- kumentierte, war die ADF in sieben Fällen der Initiator.
den. Trotz der Rückeroberung einiger ADF-Stützpunkte Angesichts der Verflechtung der ADF mit anderen lokalen
gelang es nicht, die Miliz nachhaltig zu destabilisieren. bewaffneten Gruppen und Teilen der FARDC erfordert
Die Militäroperation um die Stadt Beni und in der südli- eine erfolgreiche Schwächung der Miliz ein verstärktes
chen Ituri-Provinz führte sowohl zu massiven Vertreibun- Engagement neben den militärischen Operationen.
gen als auch zu Vergeltungsmaßnahmen der ADF an der
lokalen Bevölkerung.
4.2. Rutshuru
Im Oktober 2020 flammten in einem weiteren Teil des
Nord-Kivus erneut gewaltvolle Konflikte zwischen der
Nande-Gemeinschaft und Hutu-Gruppen um die Stadt Ki-
Hutu-Familien kooperieren und gegen Nande-Gemein-
schaften vorgehen. Die Nande sind eine der größten Ge-
meinschaften im Nord-Kivu. Die Konflikte zwischen den
wanja und Rutshuru auf. Die Übergriffe auf beiden Seiten Gemeinschaften der Hutu und der Nande sind historisch
sorgen für zahlreiche Vergeltungsakte und Vertreibun- gewachsen und konzentrieren sich in erster Linie auf den
gen. Ende Oktober 2020 berichtete die MONUSCO von Zugang zu Land. Zwischen beiden Gruppen gibt es tief
etwa zwanzig Toten um die Ballungsgebiete der Städte sitzendende und seit Generationen herrschende Rivali-
Rutshuru und Kiwanja, darunter 14 Nande und 7 Hutu . 17
täten aufgrund von Nationalitätsfragen und Autonomie-
Lokale Quellen prangern die politische Manipulation der ansprüchen. Dazugehörige Konflikte über Bodenbesitz
Hutu- und Nande-Gemeinschaften an, welche zu andau- haben hier vor allem Hutu-Gemeinschaften immer wieder
erndem Misstrauen, Hass und gewaltvollen Übergriffen zum Verlassen ihrer Gebiete gezwungen.
auf beiden Seiten führt. Zudem sollen FDLR-Milizen mit
5. Ituri
A uch in der dritten östlich gelegenen Provinz Ituri hat
sich seit Juni 2019 eine erneute Gewaltdynamik ent-
wickelt. Nichtregierungsorganisationen (NRO) sprechen
che Kooperationen organisiert waren und inzwischen als
Milizen für brutale Überfälle und Massaker in der Region
verantwortlich sind. Seit März 2020 sollen Mitglieder der
von über 1.500 Toten und 200.000 Vertriebenen allein CODECO (Coopérative pour le Développement du Con-
in den Gebieten um die Städte Djugu and Mahagi. In der go) rund 300 Menschen getötet haben. Die Hierarchien
gesamten Provinz waren nach VN-Angaben Ende 2020 der CODECO sind schwierig zu durchblicken und die Hin-
1,6 Millionen Menschen auf der Flucht, doppelt so vie- termänner schwer zu benennen, da sich die Mitglieder
le wie ein Jahr zuvor. Der Hintergrund für diese Gewalt ständig neu definieren. Laut eines lokalen Analysten sei
sind wiederaufflammende Konflikte zwischen Bevölke- es für lokale Persönlichkeiten, die an Einfluss gewinnen
rungsgruppen wie den Hema-Hirten und anderen Gemein- möchten, ein gängiges Instrument, eine Miliz für die eige-
schaften sowie lokalpolitische Machtkrisen. Des Weiteren nen politischen Ziele zu gewinnen und zu benutzen. So
wehrt sich die Lendu-Gemeinschaft gegen die Ansiedlung sei es zudem unter einigen lokalen Autoritäten gängige
anderer Gemeinschaften in ihren Gebieten. Vor allem Praxis, eine bewaffnete Gruppe für eigene Interessen zu
Mitglieder der Lendu-Gemeinschaft organisieren sich in manipulieren, um später bei Verhandlungen politische
CODECO-Gruppen, die ursprünglich als landwirtschaftli- oder anderweitige einflussreiche Posten einzufordern.
7
ÖNZ | Februar 2021Politische Vertreter:innen aus Kinshasa handelten Ende lesische Armee. Im Gegenzug bekundeten die ca. 1.000
August 2020 mit einer beträchtlichen Anzahl von Mitglie- Mitglieder der FRPI die Bereitschaft, Demobilisierungs-
dern verschiedener CODECO-Gruppen einen Waffenstill- und Wiedereingliederungsmaßnahmen zu durchlaufen.
stand aus. Doch dieser zeigte bislang aufgrund fehlender Seitdem warten Hunderte Mitglieder der FRPI auf ihre
Umsetzung der Vereinbarungen wie finanzieller und wirt- Eingliederung in die FARDC. Auch aufgrund der Unzufrie-
schaftlicher Unterstützung im Zuge eines effektiven De- denheit mit den stagnierenden DDR-Programmen kommt
mobilisierungsprogramms keine nennenswerte Wirkung. es wie im November 2020 immer wieder zu Übergriffen
Nicht nur fehlt es an der Finanzierung von Programmen der FRPI vor allem auf militärische Stützpunkte.
zur Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration
(DDR) für desertierte Milizen. Ein weiteres Hindernis für Weiterhin sind neben den genannten Milizen besonders in
eine Lösung des Konflikts ist auch die seit zehn Monaten der Bergbauregion um die Stadt Djugu auch andere be-
fehlende Besoldung der FARDC-Soldat:innen. waffnete Gruppen aktiv. Am 12. September 2020 äußer-
te VN-Generalsekretär Antonio Guterres seine Besorgnis
Auch mit der Miliz FRPI (Force de Résistance Patrioti- über die anhaltende Gewalt in dem Gebiet um Irumu, an
que d‘Ituri) unterzeichnete die kongolesische Regierung der Grenze zwischen Ituri und Nord-Kivu18. Dorthin sollen
am 28. Februar 2020 einen Friedensvertrag. Das Ab- aufgrund der gegen sie gerichteten Militäroperationen
kommen beinhaltet die Bildung einer neuen politischen Teile der ADF-Miliz aus der Provinz Nord-Kivu abgewan-
Partei, die aus den Mitgliedern der Miliz bestehen wird dert sein.
und eine Integration der ehemaligen Milizen in die kongo-
6. Zunehmende Fälle von Entführungen
E ntführungen sind in der DR Kongo kein neues, aber
ein immer alltäglicher werdendes Problem insbeson-
dere in den beiden Kivu-Provinzen. Seit mehr als fünf Jah-
tionalpark im Süd-Kivu wurden im Jahr 2020 vermehrt
Entführungen verzeichnet. Die Zunahme von Entführun-
gen im Jahr 2020 ist mutmaßlich auch eine indirekte Fol-
ren werden in der Region um Rutshuru aber auch in der ge der Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19. Eine
Provinzhauptstadt Goma und anderen Orten im Nord-Kivu wichtige Einnahmequelle von Milizen ist die Erhebung von
Menschen entführt. Kidnapping ist zu einem Geschäft Wegzöllen an Straßensperren. Die deutlich reduzierte Mo-
geworden, bei dem organisierte Banden Zivilist:innen als bilität verringerte diese Einnahmen, weshalb sich Milizen
Geiseln nehmen, um hohe Lösegelder von ihren Verwand- verstärkt auf Entführungen und Lösegelderpressungen
ten zu fordern. Laut Human Rights Watch (HRW) haben konzentrierten. Aufgrund der Grenzschließungen fielen ei-
kriminelle Banden zwischen April 2017 und März 2020 nige Routen weg, sodass Zivilist:innen gezwungen waren,
in der Nähe des Virunga-Nationalparks in der DR Kongo alternative Routen zu benutzen, auf denen Überfälle und
mindestens 170 Menschen zur Erpressung von Lösegeld Entführungen eher vorkommen. Auch war die MONUSCO
gekidnappt, gefoltert, ermordet und dabei Frauen und aufgrund der Maßnahmen weniger mobil.20
Mädchen vergewaltigt19. Auch um den Kahusi Biega-Na-
8
ÖNZ | Februar 20217. Forderungen
A nhand der punktuell aufgeführten Konfliktherde des
Jahres 2020 wird deutlich, dass sich die Gewalt-
spirale besonders im Osten des Landes weiterdreht und
❱ lokale Verwaltungen und die Sicherheitsdienste stärker
zur Rechenschaft gezogen, Netzwerke von Schmuggel
und organisierter Kriminalität zerschlagen und die re-
sich Konflikte immer wieder neu entfachen. Daher for- gionalen Rekrutierungs- und Unterstützungsnetzwerke
dern lokale kirchliche und zivilgesellschaftliche Akteure wie bspw. der ADF-Miliz geahndet werden;
gegenüber der kongolesischen Regierung, dass:
❱ ein weitreichendes Mentoren- und Unterstützungspro-
❱ die derzeitige Rekrutierung, Ausbildung (besonders gramm für unternehmerische Initiativen aufgebaut wird,
unter den Gesichtspunkten Menschenrechtskriterien welches sich sowohl an demobilisierte Jugendliche als
und Sensibilisierung gegenüber sexualisierter Gewalt), auch an arbeitslose Jugendliche richtet, um berufliche
Besoldung sowie die Reorganisation der staatlichen Perspektiven und Lebensgrundlagen zu schaffen;
Armee entscheidend verbessert, dauerhaft begleitet
und gleichzeitig die Korruption innerhalb der Sicher- ❱ die regelmäßige Bezahlung des Militärs und der Polizei
heitsapparates ernsthaft bekämpft wird; gewährleistet wird, um die Sicherheitskräfte weniger
anfällig für Korruption und ausbeuterische Praktiken
❱ Strafverfahren gegen Angehörige des Militärs sowie an der Zivilbevölkerung zu machen;
gegen Milizionäre eingeleitet werden, die für Ver-
brechen gegen die Menschlichkeit und sexualisierte ❱ illegale Straßenbarrieren und illegale Steuer- und Zoll-
Gewalt von 1997 bis heute verantwortlich sind. Des eintreibungen konsequent beseitigt werden;
Weiteren wird ein Entschädigungsprogramm für die
Betroffenen verlangt; ❱ dem internationalen Waffenhandelsabkommen (VN-Arms
Trade Treaty) beigetreten wird, um die große Menge
❱ zusammen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen an (Klein)Waffen und Munition einzudämmen, welche
nachhaltige Programme zur Sensibilisierung, Demo- im Land kursieren und Konflikte, Armut und Menschen-
bilisierung und Wiedereingliederung von ehemaligen rechtsverletzungen begünstigen. Zudem sollte die kon-
Milizen-Mitgliedern in die Zivilgesellschaft durchführt golesische Regierung konsequent gegen die illegale
werden und langfristige Programme zur Bekämpfung Weiterverbreitung und Nutzung von Kleinwaffen und
der Armut erarbeitet werden. Dies erfordert auch die Munition durch Armeeangehörige und Milizen vorgehen.
Unterstützung von bi- oder multilateralen Partnern für
die technische und finanzielle Unterstützung;
gegenüber der internationalen Ge-
meinschaft wie VN, EU und AU, dass:
❱ politische Manipulationen der Konflikte und Konflikt-
treiber:innen in den östlichen Provinzen durch kongo- ❱ internationale Organisationen verstärkt die staatlichen
lesische Politiker:innen und einflussreiche Persönlich- Programme in den Bereichen Justiz, Armee und Sicher-
keiten für die Umsetzung von Partikularinteressen und heit vor allem auf Menschenrechtskriterien hin überprü-
Machtansprüchen beendet werden und ein ernsthaftes fen und begleiten sowie dringend benötigte Reformen
politisches Engagement zum Eindämmen der Gewalt in diesen Institutionen vorantreiben. Der Kampf gegen
gezeigt wird. Das bedeutet auch das Angehen der Straffreiheit und Korruption ist dabei die wichtigste
Ursachen für die Gewalt, wie der ungleiche Zugang Säule;
zu Land und die fehlenden wirtschaftlichen Möglich-
keiten für junge Menschen, sowie eine gerechte Roh- ❱ Entschädigungsprogramme, die über die formelle
stoffpolitik; Justiz hinausgehen, initiiert werden und Transitional
9
ÖNZ | Februar 2021Justice-Mechanismen auf der Grundlage der Gemein- gegenüber der kongolesischen Armee
schaftsjustiz eingerichtet werden; FARDC, dass:
❱ der Schutz der Bevölkerung vor Tötungen, Entführun-
❱ die MONUSCO sich wirksamer für den Schutz der Zivil-
gen, Zerstörung von Häusern und Plünderung durch
bevölkerung einsetzt;
Teile der FARDC gewährleistet wird;
❱ die internationale Gemeinschaft deutlich politischen
❱ die Sicherheit vor und die Verfolgung von einheimi-
Druck auf die Regierungen der Nachbarländer ausübt
schen und ausländischen bewaffneten Gruppen garan-
und mit Konsequenzen droht, um die Instrumentalisie-
tiert wird;
rung von bewaffneten Gruppen zu unterbinden, um
damit den illegalen Handel der natürlichen Ressourcen
❱ Korruption und politische Manipulation innerhalb der
aus den Konfliktgebieten der DR Kongo einzudämmen.
FARDC geahndet werden;
❱ die konsequente Strafverfolgung und Verurteilung von
sexuellem Missbrauch und Vergewaltigungen von Mäd-
chen und Frauen durch Soldaten der kongolesischen
Armee durchgeführt wird.
Fußnoten
1
https://www.crisisgroup.org/africa/central-africa/democratic-republic-con- 11 https://twitter.com/KivuSecurity/status/1285284642569031684
go/292-republique-democratique-du-congo-en-finir-avec-la-violence-cyclique-
en-ituri 12 https://monusco.unmissions.org/sites/default/files/20200806.unjhro.ana-
lyse_hauts_plateaux_en.pdf
2 https://afrique.lalibre.be/56504/rdc-pres-de-7-000-violations-des-droits-hu-
mains-de-janvier-a-octobre/ 13 Es handelt sich um die Dörfer Kamombo, Bijabu, Kamuriza, Kakagara, Kivu-
mu, Mishashu, Kabingo, Mini, Irumba, Runundu, Kenge, Kalonge und Chakira
3 https://www.aljazeera.com/news/2020/6/30/drc-violence-displaced-more- im Gebiet Fizi. Im Mwenga-Gebiet gibt er an, dass die Milizen die Dörfer
than-one-million-in-six-months-un Kalingi, Kitavi, Ilundu, Kawera und Lugabano besetzen.
4 https://www.rtbf.be/info/monde/detail_rdc-pres-de-7000-violations-des-dro- 14 Seit der Unabhängigkeit der DR Kongo im Jahr 1960 gibt es von verschiede-
its-humains-de-janvier-a-octobre?id=10650214 ner kongolesischer Seite, die immer wieder ausgesprochene Befürchtung,
dass v.a. Nachbarländer gezielt Teile des Landes annektieren wollen.
5 https://www.globalfirepower.com/country-military-strength-detail.asp?coun-
try_id=democratic-republic-of-the-congo 15 https://kivusecurity.org/graph
6 https://afrique.lalibre.be/55306/le-chef-de-lonu-propose-un-retrait-graduel- 16 h ttps://www.rfi.fr/fr/afrique/20210113-rdc-les-violences-dans-la-
et-sous-conditions-de-la-force-monusco-en-rdc/ r%C3%A9gion-de-beni-ont-fait-1200-morts-en-un-an-selon-la-lucha
7 https://www.dw.com/de/monusco-chefin-zerrougui-es-gilt-das-recht-des- 17 https://www.radiookapi.net/2020/11/01/actualite/securite/rdc-le-conflit-en-
st%C3%A4rkeren/a-55708387 tre-hutu-et-nande-rutshuru-fait-environ-20-morts-en
8 Kinyamulenge ist dem Kinyarwanda sehr ähnlich. Kinyarwanda ist die offizielle 18 https://reliefweb.int/report/democratic-republic-congo/concerned-deadly-
Landessprache in Ruanda und wird in weiteren zwei Ländern als Mutterspra- violence-democratic-republic-congo-secretary
che von einem Teil der Bevölkerung gesprochen.
19 h ttps://www.hrw.org/fr/news/2020/07/30/rd-congo-kidnappings-et-viols-en-
9
https://kivusecurity.org/graph serie-dans-le-parc-des-virunga
10 https://www.congoforum.be/fr/2020/07/sud-kivu-martin-fayulu-exige-une- 20 https://blog.kivusecurity.org/how-the-coronavirus-risks-further-weakening-
enquete-internationale-pour-elucider-le-massacre-de-220-personnes-a-epupu- the-kivus/
congoforum/
10
ÖNZ | Februar 2021Abkürzungsverzeichnis
ADF Forces Démocratiques Alliées
AU Afrikanische Union
CNRD Conseil National pour le Renouveau et la Démocratie
CODECO Coopérative de Développement du Congo
DDR Désarmement, Démobilisation et Réintégration
DR Kongo Demokratische Republik Kongo
EU Europäische Union
FARDC Forces Armées de la République Démocratique du Congo
FDLR Forces Démocratiques de Libération du Rwanda
FNL Forces Nationales de Libération
FOREBU/FPB Forces Républicaines du Burundi/Forces Populaires du Burundi
FRPI Force de Résistance Patriotique d‘Ituri
HRW Human Rights Watch
La Lucha La Lutte pour le Changement
MONUSCO Mission der Vereinten Nationen für die Stabilisierung
in der Demokratischen Republik Kongo
NDC/NDC-R Nduma Défense du Congo/Nduma Défense du Congo-Rénové
NRO Nichtregierungsorganisation
RED-Tabara Résistance pour un État de Droit au Burundi
UNJHRO Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen
VN Vereinte Nationen
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11
ÖNZ | Februar 2021Sie können auch lesen