Staat und Kirche Trennung von

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Trennung
                        von
Staat und Kirche

         Thesen der
    HUMANISTISCHEN UNION
2
Trennung
          von
Staat und Kirche

                 Thesen
  erstellt von einer Expertengruppe
  der HUMANISTISCHEN UNION
                1995
Autorenverzeichnis

Prof. Edgar Baeger, Dipl.-Ing., lehrt Elektronik an der Fachhochschule Aalen. Autor zahl-
reicher Veröffentlichungen zum Thema Trennung von Staat und Kirche. Mitglied im Beirat
der HUMANISTISCHEN UNION.

Dr. Gerhard Czermak, Richter am Verwaltungsgericht Augsburg. Stellv. Vorsitzender des
Bundes für Geistesfreiheit, Augsburg.

Johann-Albrecht Haupt, Jurist, Beamter im Kultusministerium Niedersachsen.

Andrea Melbert, Juristin, Reg.-Rätin im Ministerium des Innern des Landes Brandenburg,
Bereich Staats- und Verfassungsrecht.

Prof. Dr. Johannes Neumann, lehrt Rechts- und Religionssoziologie an der Universität
Tübingen; Professor für Kirchenrecht an der Universität Mannheim. Autor zahlreicher Pu-
blikationen zum Staatskirchenrecht.

Jürgen Roth, Politologe, Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Bündnis 90/DIE GRÜNEN im
Bundestag, Mitglied im Bundesvorstand der HUMANISTISCHEN UNION.

Prof. Ulrich Vultejus, Amtsrichter a.D., Honorarprofessor an der Fachhochschule Hil-
desheim/Holzminden, Bundesvorsitzender der HUMANISTISCHEN UNION.

                           HUMANISTISCHE UNION e.V.
                           Bräuhausstr. 2, 80331 München
                           Tel. 089/22 64 41 (Fax 22 64 42)
Inhalt

Vorwort (J.Roth)                                                     7

Thesen zum Staat-Kirche-Verhältnis                                  11

Kapitel 1: Kirche und Staat
                 These 1 Verträge (J. Neumann)                      13

Kapitel 2: Kirche und Finanzen
                 These 2 Kirchensteuer (G. Czermak)                 18
                 These 3 Staatsleistungen (J.-A. Haupt)             24
                 These 4 Subventionen (G. Czermak)                  26

Kapitel 3: Kirche und Bildung
                 These 5 Theologische Fakultäten (J. Neumann)       31
                 These 6 Religionsunterricht (J. Neumann)           34

Kapitel 4: Kirche und Arbeitsrecht
                 These 7 Arbeitsrecht (J. Roth)                     40

Kapitel 5: Kirche und öffentliche Einrichtungen
                 These 8 Militärseelsorge (J. Roth)                 44
                 These 9 Medien (E. Baeger)                         47
                 These 10 Sakrale Symbole (E. Baeger)               48

Die Situation in den neuen Bundesländern (A. Melbert)               49

Nachwort:
Historische Anmerkungen zum Staat-Kirche-Verhältnis (U. Vultejus)   52

Glaubensfreiheit, Kirchenprivilegien
und die sogenannte Partnerschaft von Staat und Kirche
Thesen der HUMANISTISCHEN UNION von 1973 (Nachdruck)                57
Vorwort

Die HUMANISTISCHE UNION setzt sich seit         licher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
ihrer Gründung im Jahre 1961 dafür ein,         auf     dem     Prüfstand     der   internen
staatliche und kirchliche Angelegenheiten zu    Diskussionen. Diese Auseinandersetzung
entflechten. Diese Haltung wird öffentlich      wird - gerade in der römisch-katholischen
immer wieder als antiklerikaler Reflex diffa-   Kirche - überlagert von dem Konflikt zwi-
miert. Feindbilder treten an die Stelle von     schen den Vertretern äußerst vorsichtiger
Gesprächen, Dogmen verdrängen den Dia-          Reformansätze und einer am Ende der Ära
log.                                            Papst Johannes Pauls II. fundamentalistisch
                                                erstarrten Kurie. Die Frage der Zukunftsfä-
Inzwischen haben aber längst immer mehr         higkeit bleibt aber auf der Tagesordnung. Je
Christinnen und Christen innerhalb der Kir-     länger die unumgänglich notwendige Öff-
chen begriffen, daß die Verbeamtung des         nung verschoben wird, um so heftiger wird
Klerus der Seelsorge mehr schadet als nützt.    sie in nicht allzu ferner Zukunft über die
Jede bürokratische Großorganisation genießt     kirchlichen Institutionen hereinbrechen.
den warmen Regen staatlicher Subventionen.      Autoritäre Gemeinschaften können Re-
Keine Organisation aber hat so zahlreiche       formen länger aufhalten als Demokratien.
Privilegien wie die Kirchen. Als einzige        Diese Erfahrung lehrt uns die Geschichte.
können sie den Einzug ihrer Mitglieds-          Doch der Veränderungsdruck wird schließ-
beiträge dem Finanzamt überlassen.              lich so stark, daß ihn kein Unfehlbarkeits-
                                                dogma stoppen kann.
Wer die Debatte innerhalb der Kirchen ver-
folgt, kann - bei allem Beharrungsvermögen      Eine pluralistische Demokratie kann jedoch
der Oberen - erste Anzeichen für einen          den Stand der innerkirchlichen Debatte nicht
Wandel      der     überkommenen      Staats-   zum alleinigen Kriterium für ihre Neube-
finanzierung nicht übersehen. Die Diskus-       stimmung des Verhältnisses zwischen Staat
sion in den evangelischen Landeskirchen         und Kirche machen. Immer mehr Menschen
über die Entstaatlichung der Militärseelsorge   gehören keiner der beiden großen christli-
dürfte erst der Anfang sein. Es steht bereits   chen Konfessionen an. Ihr Anteil an der Be-
die Kirchensteuer und die Behandlung kirch-     völkerung ist auf über 30% gestiegen. Das
staatlich anerkannte Monopol der Kirchen       sönliche Angelegenheit jeder und jedes ein-
für Religion und Weltanschauung ist unwie-     zelnen. Der Staat hat dafür zu sorgen, daß
derbringlich dahin. Erwin Fischer hat dies     sie sich frei entscheiden und diese Entschei-
mit seinem Buchtitel "Volkskirche ade!"        dung unbehelligt leben können. Den Staat
knapp und treffend beschrieben (s. Seite 17,   geht es dabei nichts an, ob sich die Bürgerin-
Literatur).                                    nen und Bürger einer Religionsgesellschaft
                                               anschließen oder nicht.
Das Ende der Volkskirchen hat weitrei-
chende Konsequenzen: Der Staat ist nicht       Es entspricht dem Wesen der meisten Glau-
länger dem Bestandsschutz von bestehenden      bensgemeinschaften, daß ihre unterschiedli-
Organisationen verpflichtet, sondern der       chen Überzeugungen erhebliche Auswir-
Vielfalt unterschiedlicher Weltanschauun-      kungen auf ihre jeweilige Organisationsform
gen. Die Verflechtung staatlicher und kirch-   haben. Bei den innerkirchlichen Diskussio-
licher Angelegenheiten ist an ihrem ge-        nen sind deshalb von jeher Glaubens- und
schichtlichen Ende angekommen. Sie ist         Organisationsfragen schwer voneinander zu
schon immer teilweise verfassungswidrig,       trennen. Die Kirchengeschichte bietet zahl-
teilweise verfassungsrechtlich bedenklich.     reiche anschauliche Beispiele für diese enge
Das ist nicht neu! Neu ist die veränderte      Verknüpfung: Glaubensfragen sind immer
gesellschaftliche Situation.                   auch Machtfragen; das erklärt die Verbitte-
                                               rung, mit der sie ausgetragen werden. Bis
Der Staat darf die großen christlichen Kir-    zur Aufklärung war es im Christentum unbe-
chen gegenüber anderen gesellschaftlichen      stritten, daß weltliche und geistliche Macht
Institutionen nicht länger bevorzugen, aber    zwar unterschiedlicher Natur waren, aber
auch nicht benachteiligen. Er ist vielmehr     keineswegs getrennt im Sinne einer Macht-
verpflichtet, den gesellschaftlichen Raum, in  balance.
dem sich die verschiedenen Glaubens- und
Weltanschauungsgemeinschaften bewegen Das Spannungsverhältnis zwischen einer
gegen Benachteiligungen und Diskriminie- liberalen, demokratischen Verfassung und
rungen zu verteidigen.                        der tradierten Organisationsform gerade der
                                              katholischen Kirche wird von immer Men-
Der Handlungsauftrag des Staates leitet sich schen als als unerträglich empfunden. Es sei
ab aus der Verpflichtung zum Schutz der aber davor gewarnt, dieTrennung von Staat
persönlichen Grundrechte und ihrer institu- und Kirchen dadurch zu gefährden, daß von
tionellen Ausformung. Ansatzpunkt ist die seiten des Staates in die Belange der Kirchen
Glaubens- und Gewissensfreiheit des ein- hineingeredet wird. Die Selbstorganisation
zelnen. Wer als Christin oder Christ dem der Kirchen muß frei bleiben. Ob der Papst
persönlichen Glauben Ausdruck verleihen die Bischöfe ernennt oder ob die Gemeinden
möchte, muß das unbehelligt und frei tun ein Mitspracherecht haben, ist eine Ange-
können. Ob im Rahmen der traditionellen legnheit der Kirchen selbst und nicht des
Kirchen oder auf andere Weise, ist per- Staates. Gleiches gilt auch für das Verbot
der Priesterehe oder für die Stellung der       müssen, ihre Beiträge zu bezahlen, haben
Frauen. Konkordate und Kirchenverträge -        große Probleme. Sie zu lösen, kann nicht die
nach denen z.B. die Kirchen vor Bestellung      Aufgabe staatlicher Einrichtungen sein.
eines Erzbischofs, Landesbischofs oder Kir-
chenpräsidenten sich bei der Landesre-       Ein Ende des staatlichen Kirchensteuerein-
gierung darüber zu vergewissern haben, ob    zugs sollte jedoch nicht überstürzt von oben
gegen die Person des zu Bestellenden "Be-    verfügt und durchgeführt, sondern im
denken allgemein-politischer Natur be-       Gespräch vorbereitet werden. Das setzt aber
stehen" - haben keinen Platz in der mo-      voraus, daß auch die Kirchenleitungen bereit
dernen Gesellschaft.                         sind, sich dem Dialog zu stellen. Sogar die
Die Grenzen der Selbstverwaltung ist frei-   Überwindung verfassungswidriger Privile-
lich da erreicht, wo die Kirchen den Bereich gien muß vorbereitet und durch Übergangs-
der Glaubensverkündung verlassen und         regelungen begleitet sein. In diesem Zu-
gesellschaftliche Felder bearbeiten. Hier hatsammenhang muß auch der soziale Schutz
selbstverständlich der uneingeschränkte      kirchlicher ArbeitnehmerInnen Berücksich-
staatliche Grundrechtsschutz zu gelten. Wer  tigung finden. Sollten die Kirchen jedoch
anstelle des Staates dessen Aufgaben unter   weiterhin unbeeindruckt von den gesell-
Berufung auf das Subsidiaritätsprinzip über- schaftlichen Veränderungen an ihrer privile-
nimmt, hat die Vorgaben des Grundgesetzes    gierten Sonderrolle festhalten, wird die Zeit
zu achten. So dürfen Mitarbeiterinnen und    für eine gütliche Trennung knapp. Die Kir-
Mitarbeiter in kirchlichen sozialen Ein-     chen müssen dann mit einer gesellschaftli-
richtungen nicht weniger Rechte haben als    chen Debatte rechnen, die über ihre Köpfe
ihre Kolleginnen und Kollegen in vergleich-  hinweggeht. Die Auseinandersetzung um die
baren kommunalen Institutionen.              Streichung eines Feiertages im Zusam-
                                             menhang mit der Finanzierung der Pflege-
Die Freiheit der Gläubigen und ihrer Kir- versicherung sollte ihnen eine ernste War-
chen, sich nach ihren Überzeugungen zu nung sein, den eigenen politischen Einfluß
organisieren, sollte konsequent umgesetzt nicht länger zu überschätzen.
werden. Freiheit und Selbstbestimmung
können jedoch nicht bedeuten, daß die Be- Den Kritikern außerhalb der Kirchen sei in-
stimmung der Tätigkeitsfelder und die des angeraten, die Debatte um die Änderung
Fragen der Finanzierung dem gesellschaft- der einschlägigen Bestimmungen des Grund-
lichen Diskurs entzogen und der staatlichen gesetzes bzw. der Weimarer Reichs-
Obhut übertragen werden. Derart traditiona- verfassung auch als Chance für den Dialog
listisches Gebaren ist unvereinbar mit dem und den Abbau gegenseitiger Feindbilder zu
ansonsten stets beanspruchten Nutzen von nutzen. Die Gemeinsamkeiten mit der inner-
Freiheit und Selbstbestimmung. Organisati- kirchlichen Opposition sind größer als die
onen, die den eigenen Mitgliedern so wenig organisatorische Distanz vermuten läßt. Die
Vertrauen entgegenbringen, daß sie diese of- große Aufgabe, überkommene Privilegien
fenbar durch das Finanzamt dazu bewegen abzubauen und die demokratische Vielfalt in
Staat und Gesellschaft voranzubringen,
macht die Zusammenarbeit über alte Gräben
hinweg nötig und möglich. Die Reform des
Staatskirchenrechts mit einem Hebel für die
Schwächung der Kirchen zu verwechseln,
könnte jedoch diesen politischen Re-
formprozeß verzögern. Stärke oder Schwä-
che der Kirchen entscheidet sich an ihrer Fä-
higkeit, die gesellschaftlichen Anfor-
derungen derZukunft zu bewältigen. Das -
oft staats-kritische - Eintreten einzelner
kirchlicherPersönlichkeiten und Organi-
sationen für Wahrung der Menschenrechte
ist durchaus breiter Unterstützung wert.
Auch hier sind Koalitionen notwendig und
möglich. Es wäre fatal, durch bestimmte An-
griffe von außen die ausgesprochen hetero-
genen Kräfte innerhalb der Kirchen zu-
sammenzuschweißen und so die Reform-
kräfte zu schwächen. Die Forderung nach
einer Trennung von Staat und Kirche sollte
daher auch in Zukunft losgelöst bleiben von
der Auseinandersetzung über die Inhalte der
Glaubenslehren selbst. Die Trennung von
Thron und Altar könnte sich dann sogar als
Chance für die kirchliche Erneuerung er-
weisen.
ergibt sich, daß die Begründung neuer
                                                Staatsleistungen verfassungswidrig ist.

   Thesen zum Staat-Kirche-                     These 4: Subventionen
          Verhältnis                            Kulturelle und soziale Aktivitäten der Kir-
                                                chen und der sonstigen weltanschaulichen
                                                Gemeinschaften sind nach den gleichen
                                                Grundsätzen zu fördern wie die aller anderen
These 1: Verträge                               Gruppierungen. Insbesondere sind die religi-
Konkordate und Kirchenverträge dienen der       ös-weltanschaulichen Gemeinschaften - un-
dauerhaften Sicherung kirchlicher Privile-      abhängig von ihrer Rechtsform - formal
gien. Sie sind nicht nur überflüssig, sondern   gleich zu fördern, so daß eine Privilegierung
schädlich, weil ihr Inhalt dem parlamentari-    der Großkirchen ausscheidet.
schen Entscheidungsprozeß weitgehend
                                                Veranstaltungen missionarischen Charakters
entzogen ist.
                                                sind nicht förderungsfähig. Örtliche religiös-
Diese Verträge können, wie andere Ver-
                                                weltanschaulich geprägte Monopole sind un-
träge, gekündigt werden, auch wenn sie
                                                zulässig und nach und nach abzubauen.
keine Kündigungsklausel enthalten.
                                                These 5: Theologische Fakultäten
                                                Den Kirchen und Weltanschauungsge-
These 2: Kirchensteuer                          meinschaften steht es frei, ihre Mitarbeiterin-
Die Verfassung gesteht den Kirchen, soweit      nen und Mitarbeiter in eigenen Bildungsein-
sie öffentlich-rechtliche Körperschaften        richtungen aus- und fortzubilden.
sind, das Recht zu, eigene Steuern zu er-       Die traditionellen theologischen Fakultäten
heben. (Art. 140 GG in Verb. mit 137            haben wegen ihrer Kirchen- und Glaubens-
WRV)                                            bindung, die der Freiheit der Wissenschaft
Die Verfassung enthält keine Regelung des       entgegensteht, an den Universitäten keinen
Einzugs kirchlicher Steuern durch den Staat.    legitimen Platz. Sie sind deshalb in reli-
Der Steuereinzug durch den Staat verletzt in    gionswissenschaftliche      Fakultäten     um-
eklatanter Weise das Gebot der Trennung         zugestalten.
von Staat und Kirche.                           Das kirchliche Mitspracherecht bei der
                                                Besetzung der Hochschullehrerstellen stellt
                                                einen Eingriff die Autonomie der Wissen-
These 3: Staatsleistungen                       schaft dar.
Nach der Verfassung sind die Staats-            Konkordatslehrstühle sind verfassungswidrig
leistungen abzulösen (Art. 140 GG in Verb.      und deshalb aufzuheben.
mit 138 WRV). Dieser Verfassungsauftrag
ist endlich auszuführen.
Aus dem ausdrücklichen Verfassungsauftrag These 6: Religionsunterricht
Es ist nicht Aufgabe des religionsneutralen
Staates, in einem von ihm verantworteten
Unterricht religiöse oder weltanschauliche
Unterweisung zu betreiben.
Ein Religionsunterricht nach den Grund-
sätzen der Religionsgemeinschaften ist am
religiösen Bekenntnis ausgerichtet. Da zu
ihm niemand gezwungen werden kann, ist
auch der Zwang zu einem Ersatz unzulässig.
Wenn der Staat angesichts der kulturellen
Vielfalt der modernen Gesellschaft Unter-
richt über die vielfältigen religiösen Über-
zeugungen anbietet, muß dieser Unterricht
allen Schülern und Schülerinnen offen
stehen.

These 7: Arbeitsrecht
Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer in kirchlichen Einrichtungen hat das
allgemeine Arbeits- und Sozialrecht zu
gelten mit seinem ohnehin wirksamen Tole-
ranzschutz.

These 8: Militärseelsorge
Eine besondere Militärseelsorge in staatli-
cher Trägerschaft ist von der Verfassung her
unzulässig.

These 9: Medien
Kirchen dürfen in den öffentlich-rechtlichen
Medien nicht gegenüber anderen gesell-
schaftlichen Gruppen bevorzugt werden.

These 10: Sakrale Symbole
Auf sakrale Symbole ist im Bereich aller öf-
fentlichen Institutionen zu verzichten.
These 1: Verträge:
                 Kapitel 1

         Kirche und Staat

Konkordate und Kirchenverträge dienen           (können).
der dauerhaften Sicherung kirchlicher
Privilegien. Sie sind nicht nur überflüssig,    2. Es ist verständlich und richtig, wenn die
sondern schädlich, weil ihr Inhalt dem          Kirchen, als Organisationen religiöser Inter-
parlamentarischen Entscheidungsprozeß           essen, gemäß Art. 4 GG in zentralen Be-
weitgehend entzogen ist. Diese Verträge         langen ihres Selbstverständnisses nicht staat-
können, wie andere Verträge, gekündigt          licher Anordnung unterworfen sein wollen.
werden, auch wenn sie keine Kündigungs-         Sie sind durch Art. 137 III WRV in Verb.
klausel enthalten.                              mit Art. 140 GG ermächtigt, "selbständig in-
                                                nerhalb der Schranken des für alle geltenden
                                                Gesetzes" ihre inneren Angelegenheiten zu
Begründung:                                     ordnen und zu verwalten. Durch die Kir-
                       I                        chenverträge jedoch werden sie über die
1. Der Verfassungsstaat, als Organisati-        Schranken des für alle geltenden Gesetzes
onssystem einer pluralen Gesellschaft, in der   herausgehoben. Sie bilden Staaten im Staate.
unterschiedliche, teilweise divergierende In-   Das hat weitreichende und vielfältige Fol-
teressen ausgeglichen werden müssen, ord-       gen!
net innerstaatliche Angelegenheiten kraft
seiner Hoheit und Organisationskompetenz        3. Die Kirchen als Organisationen religiöser
durch von ihm gesetzte Normen. Das födera-      Interessen haben, wie alle anderen Organi-
tive System versucht eine Machtbalance          sationen und Interessengruppen auch, das
zwischen Kommunen, Ländern und den In-          Recht, mit dem Staat auf die gleiche Weise
teressen des Bundes auszutarieren: Die Be-      Kontakte zu pflegen. Deshalb erübrigt sich
troffenen werden gehört und in den Normie-      beispielsweise die Regelung in den neuen
rungsprozeß einbezogen, doch sie sind nicht     Kirchenverträgen, die den Kirchen das Recht
direkt an den Entscheidungen beteiligt.         auf eine Vertretung am Sitz der Landes-
Mit keiner anderen Körperschaft des öf-         regierung zusichert. Dieses Recht ist selbst-
fentlichen Rechts, etwa Universitäten, Kam-     verständlich und kein Privileg der Kirchen.
mern und dgl. hat je die öffentliche Gewalt     Durch die förmliche Aufnahme in einen sol-
Verträge dieser Art abgeschlossen. Sie un-      chen Vertrag jedoch wird das Selbstver-
terstehen vielmehr völlig der Sat-              ständliche zum Privileg. Darum geht es den
zungkompetenz des Gesetzgebers. Das             Kirchen! Und genau dies verstößt gegen die
schließt nicht aus, daß bestimmte De-           von der Verfassung gebotene Gleichheit!
tailfragen (vertraglich) geregelt werden        Einzelne, notwendig erscheinende ver-
tragliche Regelungen, etwa über die Nutzung     Bevölkerungsanteile existierten, begannen
von Gebäuden, Mitwirkung im Bildungs-           die Länder nun - um der "Parität" willen -
oder Sozialbereich u. dgl. können in der all-   auch mit den evangelischen Kirchen "Verträ-
gemein üblichen Weise vertraglich geregelt      ge" abzuschließen.
werden.
                                                Hierbei tauchte ein neues Problem auf: Hatte
                      II                        man sich bei den Konkordaten um ihre
4. Die Tatsache, daß der Verfassungsstaat       völkerrechtliche Qualität streiten können, so
mit den Kirchen besondere "Verträge" ab-        stellte sich hier die Frage nach der juristi-
schließt, verdankt ihren Ursprung vorkon-       schen Natur solcher "Kirchenverträge". Ge-
stitutionellen Entwicklungen, als der Kaiser,   bannt von dem Wunsch, den evangelischen
als weltlicher Herrscher, mit dem Papst, als    Kirchen das Gleiche zu geben wie der katho-
geistlichem Oberhaupt und weltlichem            lischen, unterzog man sich nicht der Mühe
Herrn, schlußendlich kontraktierte, wenn        einer nüchternen methodologischen Reflexi-
Kampfmaßnahmen erfolglos           geblieben    on. Eine solche hätte die rechtliche Frag-
waren. Monarch paktierte mit Monarch: Es        würdigkeit dieser Art von Verträgen of-
ging um die gegenseitige Stabilisierung ihrer   fenkundig werden lassen. Sie entstammen
Machtpositionen; es ging gemeinsam gegen        einer längst vergangenen absolutistischen
jene, die diese gefährden konnten: die Für-     Epoche und einer durch und durch undemo-
sten und Prälaten, die Städte und Bürger.       kratischen Denkweise.
Nach dem I. Weltkrieg nutzte der "Hl.           Von besonderer Bedeutung jedoch waren
Stuhl" die Gunst der Stunde, um mit den         zwei folgenschwere Konkordate, beide mit
vielen neuen kleinen Staaten, die (noch)        faschistischen Diktaturen abgeschlossen:
keine internationale Reputation besaßen,
Konkordate zu schließen, so mit Lettland        a) Das mit den Lateran-Verträgen verbun-
(1922), Polen (1925), Rumänien (1927) und       dene Italienische Konkordat von 1929, das
Litauen (1927).                                 die katholische Religion zur Staatsreligion
                                                und die kirchliche Eheschließung zur einzig
Das Konkordat mit Bayern von 1924 ist ty-       rechtmäßigen erklärte, die Freiheitsrechte
pisch für eine solche Interessenkoalition:      "im Interesse der einzig wahren Religion"
Rom war um die Vorrangstellung und die          aufhob, dem Faschismus politische Loyalität
Gewährleistung finanzieller Ressourcen der      zusicherte und sich von ihm zahllose Pri-
Katholischen Kirche besorgt, Bayern wollte      vilegien gewährleisten ließ.
dem Deutschen Reich gegenüber seine             b) Seit Anfang der zwanziger Jahre bemühte
außenpolitische Souveränität dokumentieren.     sich der Vatikan um den Abschluß eines
Die Konkordate mit Preußen (1929) und           Konkordates mit dem Deutschen Reich:
Baden (1932) befriedigten zwar nicht die        Dabei standen für den Vatikan vor allem fol-
kirchlichen Erwartungen, sicherten der Kir-     gende Ziele im Vordergrund:
che aber dennoch weitreichende Privilegien.      Gewährleistung der Privilegien sowie Si-
Da in beiden Ländern starke protestantische     cherung der staatlichen Zuschüsse,
 alleinige Geltung des katholischen Ehe-       cherischen      und vertragsbrüchigen Re-
rechts und Sicherung der katholischen           gierung geschlossenen Vertrag nicht in
Schulen und des Religionsunterrichts sowie      Frage stellten.
 die Sonderstellung der Militärseelsorge.
Von deutscher Seite war allein die Reichs-                          III
wehr an einem Konkordat interessiert: sie       Als im Jahr 1954 das Land Niedersachsen
wollte keine "Zivilisten" in der Militärseel-   das Schulwesen gesetzlich neu ordnete und
sorge!.                                         bekenntnisfreie Schulen einführte, drang der
Die demokratischen Regierungen sahen sich       Bund auf Einhaltung dieses Konkordates.
nicht in der Lage, die Forderungen Roms zu      Das Bundesverfassungsgericht wies 1957
erfüllen, obwohl der Vatikan gerade katho-      den Antrag der Bundesregierung zurück, ob-
lische Reichskanzler dazu zwingen wollte.       wohl das Gericht davon ausging, daß das
Adolf Hitler jedoch glaubte, durch ein Kon-     Reichskonkordat "nach der damaligen staats-
kordat sowohl seine internationale Reputa-      rechtlichen Lage" zu innerstaatlich ver-
tion heben und eine eigenständige Militär-      bindlichem Recht geworden sei.
seelsorge etablieren (Art. 27), als auch den
"politischen Katholizismus" (in Form der        Nichts dürfte die unparlamentarische
Zentrumspartei), der auch Rom seit An-          Komponente solcher Vertragsabschlüsse
beginn unbequem war, ausschalten zu             besser beleuchten, als der Entstehungsvor-
können (Art. 31 und 32). Weitere Ver-           gang dieses "Vertrages", bei dem das
tragsinhalte waren der Austausch von Bot-       Parlament gänzlich ausgeschlossen war, und
schaftern (Art.3), die Sicherung des katho-     der dekuvrierende geheime Anhang!
lischen Religionsunterrichts und der Be-        Dieses Verfahren war jedoch nicht nur ein
kenntnisschule (Art. 21-25). Bei der Bestel-    der damaligen politischen Situation geschul-
lung von Bischöfen wurde dem Staat ein          deter "Fehler", vielmehr ist es geradezu ein
Einverständnisrecht zugestanden (Art. 14);      Wesensmerkmal aller Verträge mit den Kir-
die Ernannten hatten vor Besitzergreifung       chen: Gemäß ihrer vorkonstitutionellen
ihrer Diözese den Treueid zu leisten (Art.      Herkunft wird stets auf die gleiche Weise
16). Im Blick auf die von Hitler geplante       vorgegangen: Der Hl. Stuhl bzw. die
Wiederaufrüstung wurden in einem ge-            (Landes-)Kirchen legen den Ländern Ver-
heimen Anhang Sonderregelungungen für           tragsentwürfe vor, die weithin den Texten
den Mobilmachungsfall zugunsten der Geist-      bestehender Verträge nachempfunden sind;
lichen getroffen!                               der Verhandlungsspielraum wurde und wird
Das NS-Regime hat das Konkordat vielfach        von den Regierungen meist als sehr gering
gebrochen. Der Vatikan hat dennoch stets        angesehen. Vor allem aber glaubte keine Re-
daran festgehalten, wohl wissend, welch         gierung, sich dem Vorwurf der Kirchen-
kostbares Pfand er damit in der Hand hatte.     feindlichkeit aussetzen zu dürfen, der bei
Umso erstaunlicher war es, daß nach dem         Einwendungen sicher erhoben würde. Erst
Ende des Nazi-Regimes die demokratischen        die fertig ausgehandelten und unterzeichne-
Regierungen diesen mit einer verbre-            ten Verträge wurden und werden dem Parla-
ment zur Beschlußfassung und zur Über-         bei der Auswahl der Lehrkräfte an öf-
führung in staatliches Recht vorgelegt. Was    fentlichen (!) Schulen, Schulgottesdienst und
bleibt den Parlamenten anderes übrig als zu-   Gebet werden zugesichert. Damit sind (fast)
zustimmen, wollten sie nicht ihre Regierung    alle kirchlichen Wünsche erfüllt. Nur eines
desavouieren? Das Selbstbewußtsein der         fehlt noch: die Alleinverbindlichkeit der
heutigen Parlamente - vor allem in Religi-     kirchlichen Eheschliessung und der geistli-
onsangelegenheiten - hält keinen Vergleich     chen Ehegerichtsbarkeit!
mit den Ständen Badens und Württembergs
im 19. Jahrhundert aus!                       Dieses     Modell unverfrorener Maximal-
Das Land Niedersachsen, das die "Revolte"     forderungen wurde nach Eingliederung der
angeführt hatte, weil seine Volksvertretung   Gebiete der DDR fortgesetzt. In allen neuen
unter Berücksichtigung des allgemeinen        Bundesländern - bis Sommer 1994 noch mit
Wohls ein neues, demokratisches, auf glei-    Ausnahme Brandenburgs - wurden mit den
che Bildungschancen ausgerichtetes Schul-     evangelischen Landeskirchen "Verträge"
gesetz beschlossen hatte, bot bereits 1954    nach dem gleichen Muster geschlossen:
den evangelischen Kirchen einen Vertrag an.   Verhandlung auf der Grundlage (west-)
Zum ersten Mal wird nun den Kirchen ein       kirchlicher Entwürfe; Vertragsabschluß zwi-
"Öffentlichkeitsauftrag" zugeschrieben; in    schen Landesregierung und Landeskirchen
salbungsvollen Umschreibungen werden vor      mit nachträglicher - rein formaler - Ratifizie-
allem ihre Privilegien gesichert und die fi-  rung durch den Landtag. Dank der beachtli-
nanziellen Zuschüsse gewährleistet. Das Par-  chen Quote an Pfarrern in den Landtagen be-
lament hatte diesem "Loccumer Kirchen-        reitete das kaum Schwierigkeiten. Etwaige
vertrag" nur noch zuzustimmen. - Ein          Einwände, wie sachlich sie auch begründet
Schelm, wer Böses denkt!                      waren, wurden - wie nach 1945 - mit dem
                                              Hinweis auf die "Kirchenfeindlichkeit" des
Nun folgte in deutschen Landen eine Kette verflossenen Systems diskreditiert!
von Verträgen mit den Kirchen! Kaum ein
Land wollte zurückstehen. Doch Bayern er-                           IV
klomm im Jahr 1974 die Spitze mit seiner 5.Was wäre allenfalls regelungsbedürftig?
Novellierung des Konkordats von 1924: Nun Die fortgesetzte Privilegierung der Groß-
wurde vor allem - aber wegen der "Parität" kirchen ist zweifellos verfassungswidrig.
nicht nur - der katholischen Kirche alles Ebenso verletzen die neuen Zusagen von
gegeben, was sie begehrte: Theologische Fa- Staatsleistungen an die Kirchen das Ablöse-
kultäten    und     sogenannte    "Konkor- gebot des Art. 140 GG in Verb. mit Art. 138
datslehrstühle" in theologiefernen Lehrge- WRV. Danach sind "Staatsleistungen an die
bieten      (Philosophie,     Gesellschafts- Religionsgesellschaften durch die Landesge-
wissenschaften und Pädagogik), Lehreraus- setzgebung" abzulösen.
bildung, Kirchliche Gesamthochschule, Vereinbarungen über die Zusammenarbeit
Einfluß auf die Erziehung der Schüler in all- im sozialen Bereich wären im Einzelfall
gemeinbildenden (!) Schulen, Mitwirkung denkbar, dürften allerdings angesichts der
zunehmenden Privatisierungstendenzen im        Literatur:
Sozialbereich künftig kein Gegenstand kir-     Czermak, Gerhard, Staat und Weltanschauung. Eine
chenvertraglicher Regelung mehr sein!          Auswahlbibliographie, Berlin - Aschaffenburg 1993,
Wenn überall "mehr Markt" angesagt sein        bes. 119 - 132;
soll, kann es für die Kirchen und ihre Un-     ders., Grundsätzliche Anmerkungen zum Evangeli-
ternehmen keine konkurrenzfreien Räume         schen Kirchenvertrag des Landes Mecklenburg-Vor-
geben!                                         pommern vom 20.1.1994, in: Materialien und Informa-
Die in den Verträgen festgeschriebenen Sub-    tionen zur Zeit 1994/H.2, 18-21 (im Auftrag der HU-
ventionen für die Kirchen widerstreiten den    MANISTISCHEN UNION erstellt und im Rechtsaus-
in anderen Bereichen geforderten Re-           schuß des Landes vorgetragenes Gutachten; abgedruckt
striktionen solcher Maßnahmen.                 ohne Titel);
Die vertraglich gesicherten Privilegierungen   Listl, Josef (Hsg.) Die Konkordate und Kirchenverträge
der Kirchen widersprechen weithin auch den     in der Bundesrepublik Deutschland, 2 Bde., Berlin
Vereinheitlichungstendenzen der Euro-          1987;
päischen Union. Das Vertragssystem wäre        Feine, Hans-Erich, Kirchliche Rechtsgeschichte. Die
                                                                             5
somit abzubauen.                               katholische Kirche Köln-Wien 1972;
                                               Fischer, Erwin, Volkskirche ade! Trennung von Staat
                                                                                   4
                                               und Kirche, Berlin - Aschaffenburg 1993, bes. 163 ff.;
                                               Heussi, Karl, Kompendium der Kirchengeschichte, Tü-
                                                       13
                                               bingen 1976;
                                               Neumann, Johannes, Grundriß des katholischen Kir-
                                               chenrechts, Darmstadt 1981/84, bes. 349;
                                               Neumann, Johannes, Zur religiösen Legitimation der
                                               Staatsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland, in:
                                               Gesellschaft und Religion hg. v. J. Albertz, Berlin
                                               1991, 77-118. Als Broschüre erschienen bei: HUMANI-
                                               STISCHE UNION, München.
These 2: Kirchensteuer
                  Kapitel 2

      Kirche und Finanzen

Die Verfassung gesteht den Kirchen, so-                  A. Fehlende rechtspolitische
weit sie öffentlich-rechtliche Körper-                 Legitimation der Kirchensteuer
schaften sind, das Recht zu, eigene Steu-        Äußerst vielfältig sind die Argumente, mit
ern zu erheben. (Art. 140 GG in Verb. mit        denen amtskirchlich orientierte Verteidiger
137 WRV)                                         des herrschenden Systems der Kirchen-
Die Verfassung enthält keine Regelung            steuer, eines "finanzverfassungsrechtlichen
des Einzugs kirchlicher Steuern durch            Unikats" (so selbst Josef Isensee1) operieren.
den Staat. Der Steuereinzug durch den            Die Forderung nach völliger Abschaffung
Staat verletzt in eklatanter Weise das Ge-       der Kirchensteuer wird oft sehr emotional
bot der Trennung von Staat und Kirche.           und irrational diskutiert, zumal schon um die
                                                 70 % der bundesdeutschen Bevölkerung die
Begründung:                                      Kirchensteuer generell ablehnen.
In der öffentlichen Diskussion über die Kir-
chensteuer geraten zwei Argumenta-               I. Zum Freund-Feind-Denken
tionsebenen immer wieder durcheinander.          Meist fühlen sich die Verteidiger des Sy-
Zu unterscheiden ist die Frage, ob die lan-      stems sehr angegriffen, obwohl selbst er-
desrechtlich geregelte Kirchensteuerer-          klärte Kirchengegner den Kirchen niemals
hebung durch staatliche Behörden nach dem        das Recht abstreiten, ihre Mitgliedsbeiträge
Grundgesetz zulässig ist, von der Frage, wel-    (um solche handelt es sich der Sache nach)
che Folgen die Abschaffung der Kirchen-          nach Belieben entsprechend dem kirchlichen
steuer und ihr Ersatz durch ein rein kirchen-    Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG in
internes Beitragsystem rechts- und kir-          Verb. mit Art 137 III WRV) zu erheben.
chenpolitisch haben würde.                       Auch eine Einziehung mit Hilfe staatlicher
Die praktischen Folgen können in der             Gerichte würde den Kirchen sicher niemand
verfassungsrechtlichen Diskussion nur inso-      verweigern wollen. Mehr verlangt selbst das
weit von Bedeutung sein, als sie Rück-           Gesetzbuch der katholischen Kirche nicht2.
schlüsse auf die Auslegung des Grund-            Insofern ist, auch angesichts der anders-
gesetzes erlauben. Ist die staatliche Kirchen-   artigen Regelung in allen vergleichbaren
steuererhebung in ihrer konkreten Ausge-         Ländern, die große Aggressivität mancher
staltung verfassungsrechtlich unzulässig, so
                                                     1
sind die Folgen hinzunehmen. Die Ver-            1
                                                        JuS 1980, 94/98.
                                                 2
fassung hat allemal den Vorrang vor prakti-           can. 222 § 1 CIC; ferner can. 1260, 1262; can. 1263 enthält
                                                     im Hinblick auf Deutschland die Zulassung "partikularer Ge-
schen Erwägungen.
                                                     setze und Gewohnheiten", die dem Diözesanbischof "weiter-
                                                     gehende Rechte einräumen"
Verteidiger des Kirchensteuersystems ("bei-                    Vereinigungen mit staatlichen Zwangsmit-
spielhaft" etwa Martin Lohmann, Ressortlei-                    teln Mitgliedsbeiträge einzuziehen. Der-
ter beim Rheinischen Merkur3) nicht recht                      artige Kirchenfinanzierung gibt es von allen
verständlich.                                                  vergleichbaren Staaten nur noch in größeren
                                                               Teilen der Schweiz.
II. Einige Gesichtspunkte der Systemver-
teidiger (stichwortartig):                                     2. Die beiden Großkirchen (das sind nur die
Es handele sich um antikirchliche Propa-                       wichtigsten Religionsgemeinschaften, die
ganda; ohne Kirchensteuer sei der Sozi-                        "Kirchensteuern" erheben) verwenden von
alstaat nicht oder nur mit Einschränkungen                     den derzeit ca. 16 Mrd. Kirchensteuer ledig-
zu verwirklichen; Kirchensteuer spare dem                      lich um die 8 % für allgemein-öffentliche
Staat Geld; die kirchlichen Sozialein-                         kirchliche Sozialeinrichtungen. Die sich für
richtungen stünden den Bürgern ungeachtet                      die öffentliche Hand hieraus ergebenden
ihrer Weltanschauung zur Verfügung; Kir-                       Einsparungen betragen nur einen Teil des-
chensteuer beuge der Verödung der Kultur                       sen, was sich an staatlichen Mindereinnah-
vor; Kirche müsse als unverzichtbarer                          men allein aus der steuerlichen Absetz-
Wertevermittler in der pluralistischen Ge-                     barkeit der Kirchensteuern ergibt, von den
sellschaft gefördert werden; das Lohn-                         Kosten der Militär- und Anstaltsseelsorge,
steuereinzugsverfahren sei äußerst prakti-                     den enormen Kosten der theologischen Fa-
kabel, effektiv und kostengünstig; Kirchen-                    kultäten, des Religionsunterrichts und
steuer garantiere bessere Steuergerechtig-                     anderer Ausgaben zugunsten der Kirchen
keit; ihr Fortfall führe zu gesellschaftlich un-               ganz abgesehen.
erwünschten Entwicklungen in der Kirche
usw. Man preist sie als zu exportierendes3. Eine Reduzierung kirchlicher Sozialein-
Modell.                                  richtungen auf Grund reduzierter kir-
                                         cheneigener Einnahmen hätte daher kaum
III. Gewichtige Punkte sprechen demge- Auswirkungen auf den Bestand der ohnehin
genüber für die Ersetzung des Kirchen- weitestgehend von Staat und Kommunen fi-
steuermodells durch ein Modell rein kir- nanzierten Einrichtungen, allenfalls auf die
cheneigener Beitragsleistung:            Trägerschaft.

1. Es kann nicht Aufgabe des dem Grundsatz                     4. Positive Folge einer Reduzierung kirch-
der inhaltlichen Distanziertheit (Prinzip der                  licher Träger wäre eine Verringerung der
Nichtidentifikation) und organisatorischen                     weithin vorhandenen verfassungswidrigen
Trennung von Staat und Religion4 ver-                          kirchlichen Monopole im Sozialbereich. Das
pflichteten Staats sein, für außerstaatliche                   BVerfG hat in seinem Sozialhilfeurteil den
3
                                                               gegen starken Widerstand der Städte 1961
   Die Neue Ordnung 47 (1993) 412 - 422; auch in W. Ocken-
                                                               neu eingeführten Grundsatz des Vorrangs
  fels/ B. Kettern, Streitfall Kirchensteuer 61-75.
4
   Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 I WRV; vgl. auch Art. 137 III   der "freien Träger" vor denen der öffentli-
  (WRV - Selbstbestimmungsrecht - und Art. 138 WRV -fi-        chen Hand, das sind überwiegend kirchliche,
  nanzielle und vermögensrechtliche Trennung)
verfassungskonform eingeschränkt: Bei der                     gar als "unreligiös" zu bezeichnen sind.
Neuerrichtung sozialer Einrichtungen müsse                    Dabei wird die Kirchensteuer weit über-
Art. 4 GG (Glaubensfreiheit) beachtet                         wiegend (ca. 65 -70 %) für Personal des in-
werden. Das bedeutet, daß eine Grund-                         nerkirchlichen Bereichs verwendet. Das Be-
versorgung mit weltanschaulich neutralen                      harren auf der Kirchensteuer zielt also we-
Einrichtungen vorhanden sein muß.5                            sentlich auf Zahler, die mit der Kirche nichts
                                                              im Sinn haben: Es handelt sich - trotz der
5. Die Kirchensteuer begünstigt den Zen-                      Möglichkeit des "Kirchenaustritts" - um eine
tralismus der amtskirchlichen Hierarchie mit                  Sonderform der Unehrlichkeit, die übrigens
ihrem üppig ausgestatteten Personal- und                      in der Pastoralkonstitution des 2. Vatikan-
Machtapparat. Sie nimmt daher indirekt von                    ums (Art. 76) indirekt deutlich verurteilt
Staats wegen und also illegitim Einfluß auf                   wurde.
die innerkirchlichen Strukturen.
                                                              9. Die Kirchensteuer ist Relikt einer histo-
6. Ärmere und "entschlacktere" Kirchen, die                   risch älteren Rechtsschicht. Sie hatte einmal,
sich mehr auf ihre ureigenen Kräfte stützen                   unter völlig anderen Verhältnissen, ihre
müßten, könnten einen mindestens gleich-                      Rechtfertigung angesichts einer volkskirchli-
wertigen Einfluß auf die Wertebildung in der                  chen Struktur. Von einer Volkskirche kann
Gesellschaft nehmen. Sie müßten mehr auf                      selbst im Westen Deutschlands seit langem
ihre - nun im Durchschnitt überzeugteren -                    nicht mehr die Rede sein6, in den neuen
Mitglieder Rücksicht nehmen als auf po-                       Bundesländern nicht einmal als Restbestand.
litische Instanzen.
                                                              10. Innerkirchlich wird die Kirchensteuer
7. Einer völlig kircheneigenen Beitrags-                      auch von katholischer Seite seit langem kriti-
verwaltung bliebe es unbenommen, für ge-                      siert: z.B. von H. Barion7: sie sei eine "neo-
rechte Beiträge und ihre gerechte Verteilung                  konstantinische Verfremdung", die nach ei-
mit Regionalausgleich usw. zu sorgen und                      nem neuen Kierkegaard rufe; von O. v. Nell-
auch den Einfluß von Großspendern zu regu-                    Breuning8: "...in der freiheitlichen Land-
lieren.                                                       schaft unseres Verfassungs- und Staatskir-
                                                              chenrechts ist dieser Anachronismus ein er-
8. Ein kircheneigenes Beitragssystem würde                    ratischer Block". Eine ausführliche Broschü-
auch aus folgendem Grund die kirchliche                       re des "Bensberger Kreises"9 befaßt sich u.a.
Glaubwürdigkeit erhöhen: Aus viel-                            mit den Problemen Geld als Machtfaktor in
schichtigen Gründen, insbesondere auch des                    der Weltkirche, Bürokratisierung und Kon-
sozialen "Zwangs" (Rücksicht auf Familien-                    zentration,    Identitätsverlust,    Arbeitge-
angehörige, auf kleinere Arbeitgeber), zah-                   berproblematik. Ergebnis einer anderen Lö-
len selbst solche Bürger Kirchensteuer, die                   sung sei: geringere Einnahmen, aber keine
keinerlei Kirchenbindung mehr haben oder                      6
                                                                vgl. E. Fischer, Volkskirche ade!, Berlin/Aschaffenburg 41993
                                                              7
                                                                DÖV 1966, 361/367.
5                                                             8
     BVerfGE 22/188 = NJW 1967/ 1795; eindringlich H. Weber     DÖV 1970, 148/154.
                                                              9
    ZevKR 1991, 253/264.                                        Zu einigen Aspekten der Kirchenfianzierung. Bonn 31992.
Verarmung;     relative    politische Un-
abhängigkeit, Stärkung der Basis, öku-                      2. Das bedeutet folgendes: Da es sich um die
menische Solidarität u.a). In dem 1990 ge-                  Erhebung eines Mitgliedsbeitrags einer
gründeten "Verein zur Umwidmung von Kir-                    außerstaatlichen Organisation in Form einer
chensteuern e.V."10 haben verschiedene                      Steuer handelt (ein finanzverfassungs-
kirchliche        Gruppierungen        zu-                  rechtlich einmaliger Fall), ist ein gewisses
sammengefunden.                                             Maß an institutionellem Zusammenwirken
                                                            von Staat und Religionsgemeinschaften be-
Resultat: Rechtspolitisch ist die Kirchen-                  griffsnotwendig erforderlich. Formellrecht-
steuer nicht mehr zu rechtfertigen. Der Vor-                lich liegt nur dann eine Steuer vor, wenn der
sitzende der Deutschen Bischofskonferenz,                   Staat auf Antrag des Steuergläubigers ("Kir-
Karl Lehmann11, hat schon 1974 in Anleh-                    che") Rückstände zwangsweise beitreibt.
nung an E.-W. Böckenförde geschrieben:                      Um die Steuer rationell erheben zu können,
"Es gibt im Kern der politischen Ordnung                    hat der Steuergläubiger nach der o.gen. Be-
keine Verbindung mehr zur Religion ... Die                  stimmung das Recht, die Steuerdaten der öf-
Religion wird zu einer Angelegenheit des In-                fentlichen Hand mitgeteilt zu bekommen
teresses einzelner Bürger. Sie ist kein Be-                 ("bürgerliche Steuerlisten"). Es sind nur
standteil der staatlichen Ordnung."                         diese zwei Minimalvoraussetzungen, die die
                                                            Verfassung garantiert. Sie erfordern freilich
   B. Verfassungsrechtliche Argumente                       den Erlaß von Landesgesetzen. Dabei könnte
   gegen den Einzug kirchlicher Steuern                     - unstreitig - der Landesgesetzgeber be-
               durch den Staat                              stimmen, daß die Kirchensteuer nur von
Bisher so gut wie unbekannt geblieben ist                   kirchlichen Stellen verwaltet werden soll12.
die Erkenntnis, daß auch bei grundsätzlicher                Hätte man sich damit begnügt, wären zahl-
Beibehaltung der Kirchensteuer als einer öf-                reiche Rechtsprobleme nicht entstanden.
fentlich-rechtlichen Zwangsabgabe aus
Rechtsgründen erhebliche Änderungen er-                     3. Zur Weimarer Zeit war die alte Ortskir-
forderlich sind.                                            chensteuer schrittweise in eine Diözesan-
1. Die Regelung des GG als oberster Rechts-                 bzw. Landeskirchensteuer umgewandelt
norm lautet wie folgt:                                      worden. Zentralisiert und vereinheitlicht
"Die Religionsgesellschaften, welche Kör-                   wurde das System erst nach 1945. Erst jetzt
perschaften des öffentlichen Rechts sind,                   auch verzichtete man nahezu allgemein auf
sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen                 kircheneigene Steuerbehörden und ging auf
Steuerlisten nach Maßgabe der landes-                       das praktische und höchst effektive System
rechtlichen Bestimmungen Steuern zu er-                     des Abzugs von der Lohnsteuer über, wobei
heben." (Art. 140 GG in Verb. mit Art. 137                  der Arbeitgeber kostenlos auch die Kirchen-
VI WRV)                                                     steuer abzuführen hat. Die Aufgaben der frü-
10                                                          heren Kirchensteuerämter übertrug man auf
   1. Vors.: Dr. Magdalene Bussmann, Sylviastr. 14, 45131
 Essen.
11                                                          12
  In H. Howes: Gesellschaft ohne Christentum Düsseldorf       vergl. BVerfGE 19, 206/217 = NJW 1966, 147; E 73,
 1974, 124/131.                                              308/399.
Wunsch der Kirchen landesgesetzlich auf         lassung der Steuerverwaltung durch den
die Finanzämter. Die Rechtsspraxis hat, auf-    Staat nahezu allgemein nicht problematisiert
bauend auf den o.gen. Minimalerfor-             wurde. Auch das BVerfG hat in seiner an-
dernissen, in der BRD ein komplexes Sys-        sonsten "liberalen" grundlegenden Entschei-
tem staatlicher Verwaltung mit zum Teil         dung E 19, 206 (die Einführung "staatskirch-
skurrilen Folgen geschaffen; zugunsten der      licher Rechtsnormen" sei durch das GG ver-
Kirchen, versteht sich.                         wehrt) und in einer Reihe anderer ein-
                                                schlägiger      Entscheidungen      keinerlei
4. Völlig übersehen hat man dabei folgen-       Rechtsproblem erkannt. Offenbar war man
des: Die Kirchensteuer, im 19. Jh. aus den      so sehr von der Effizienz und eingefahrenen
historischen Notwendigkeiten der Trennung       Selbstverständlichkeit    des    Lohnsteuer-
von Staat und Kirche im Zuge der allmähli-      abzugsverfahrens beeindruckt, daß man ein
chen Ablösung der staatskirchlichen Rechts-     Rechtsproblem nicht erkennen mochte. Da-
formen ("Thron und Altar") entstanden,          her durfte das praktische Verfahren auf gar
wurde 1919 in den Zusammenhang einer            keinen Fall indirekt verhindert werden. Dies
weitgehenden verfassungsrechtlichen Tren-       zeigen die Behandlung der Verpflichtung
nung von Staat und Kirche gestellt. Dieser      des Arbeitgebers, für seine Arbeitnehmer die
Trennungsgrundsatz wird heute als striktes      Kirchenlohnsteuer einzubehalten und abzu-
Verbot institutioneller Verflechtungen staat-   führen sowie die Behandlung des Problems
licher und kirchlicher Organe verstanden,       des Religionsvermerks auf der Lohn-
wobei jede Ausnahme einer speziellen            steuerkarte.
verfassungsrechtlichen Rechtfertigung be-
darf. Trotzdem haben unter der Geltung des      b) Die Verpflichtung des Arbeitgebers zum
GG alle Kirchensteuergesetze ein Instru-        (kostenlosen!) Einbehalt der Kirchenlohn-
mentarium zumindest fakultativer sehr weit-     steuer erschien dem Bundesverfassungs-
gehender Zusammenarbeit staatlicher und         gericht13 - trotz damals kontroverser Debatte
kirchlicher Organe geschaffen. Insbesondere     - so problemlos, daß es eine Verfassungsbe-
die wichtige Erhebung der Kirchensteuer als     schwerde nicht einmal zur Entscheidung an-
Zuschlagsteuer zur Lohn- und Einkom-            nahm. Die Begründung: Das Kirchen-
mensteuer ist geradezu ein Musterbeispiel       lohnsteuerverfahren sei verfassungsgemäß
einer staatskirchlichen Rechtsform ge-          (eine vom Bundesverfassungsgericht und der
worden.                                         herrschenden Meinung noch nie überprüfte
                                                begründungslose These). Die Arbeitgeber
5a) Die Mißachtung der (theoretisch aner-       seien lediglich Beauftragte des Steuerfiskus.
kannten) Grundprinzipien der weltanschau-       Der Arbeitgeber unterstütze dabei "im Rah-
lichen Neutralität und der Trennung von         men seiner sozialstaatlich gebotenen Für-
Staat und Kirche geht in Rechts- und Staats-    sorgepflicht zugleich seine Arbeitnehmer in
praxis ganz allgemein trotz des aussage-        der vereinfachten Erfüllung der ihnen ob-
kräftigen Verfassungstextes sehr weit.          liegenden Kirchensteuerpflicht". Dabei
Bei der Kirchensteuer fällt auf, daß die Zu-    13
                                                     BVerf.GE 44, 103 = NJW 1977, 1282.
werden die Mitgliedsbeiträge für Religions-    Bemühungen der Rechtsprechung sind, zeigt
gemeinschaften eingezogen, die frei darüber    das Problem des Vermerks der (fehlenden)
verfügen können. Eine Indienstnahme Pri-       Religionszugehörigkeit auf der Lohnsteu-
vater für öffentliche Aufgaben mag zwar        erkarte. Art. 136 III 1 WRV (über Art. 140
u.U. möglich sein, aber doch nicht, wenn bei   GG Verfassungsbestandteil) sagt klipp und
ihrer Erfüllung ein wichtiges Verfas-          klar: "Niemand ist verpflichtet, seine religi-
sungsprinzip (institutielle Trennung von       öse Überzeugung zu offenbaren." Zwar gilt
Staat und Religion) mißachtet wird und so-     eine Ausnahme für den Fall, daß von der
gar ein andersgläubiger oder religionsloser    Kenntnis Rechte oder Pflichten abhängen,
Arbeitgeber gezwungen wird, für eine von       doch muß dabei selbstverständlich Art. 4
ihm abgelehnte Glaubensgemeinschaft ko-        GG beachtet sein! Das BVerfG hat das Pro-
stenlos tätig zu sein, um das mit einer Tä-    blem ("in dubio pro ecclesia") 1978 so "ge-
tigkeit lediglich für den Staat zu             löst": Das Kirchenlohnsteuerverfahren ist
"begründen".                                   verfassungsgemäß. Es erfordert aus "Zweck-
                                               mäßigkeitsgründen" einen Vermerk über die
c) Die Rechtsprechung des Bundesfinanz-        Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit
hofs14 scheut nicht einmal davor zurück, die   eines Arbeitnehmers zu einer steuerbe-
Pauschalisierung der Lohnkirchensteuer zu-     rechtigten    Religionsgemeinschaft.     Aus
sammen mit der Pauschalisierung der Lohn-      diesem Grund ist eine Grundrechtsverlet-
steuer zuzulassen, wobei der Arbeitgeber im    zung "noch nicht" anzunehmen. Die Ein-
Einzelfall nachweisen muß, daß der jewei-      schränkung des schrankenlosen Fundamen-
lige Arbeitnehmer keiner steuerberechtigten    talrechts der Glaubensfreiheit, dessen Teila-
Religionsgemeinschaft angehört, um einer       spekt Art. 136 III 1 WRV ist, aus bloßen
unberechtigten Zahlung zu entgehen. Dabei      Zweckmäßigkeitsgründen, entgegen dem
kann der Arbeitgeber i.d.R. bei Teilzeitbe-    klaren Wortlaut der Verfassung: ein verfas-
schäftigten, weil er auf die Vorlage der       sungsrechtlicher Abgrund! (BVerfGE 49,
Lohnsteuerkarte verzichten muß, den ge-        375 = NJW 1979, 209)
forderten Nachweis nicht einmal führen. Die
Aufteilung ist laut BFH nach einer          e) Ohne den Lohnsteuerkarten-Vermerk und
Schätzung zwischen evangelischen und        die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Ab-
römisch-katholischen          Steueranteilenführung der Kirchenlohnsteuer wäre
vorzunehmen. Die Anteile der anderen be-    allerdings in der Tat das wie geölt funk-
rechtigten Religionsgemeinschaften fallen   tionierende System des Kirchenlohnsteuer-
dabei unter den Tisch. Besonders pikant ist verfahrens beendet. Die Kirchen müßten ein
die Pauschalisierung der Kirchenlohnsteuer  eigenes Erhebungsverfahren entwickeln.
in den neuen Bundesländern, wo die Kir-     Allerdings gelingt es anderen Großorganisa-
chenzugehörigkeit ja die Ausnahme ist.      tionen wie Gewerkschaften und Volks-
                                            parteien mit Hilfe der EDV ebenfalls ganz
d) Wie fadenscheinig die z.T. komplizierten gut, ihre Mitglieder zu verwalten, ohne daß
14
                                            sie darüber klagen. Wie unnötig die Miß-
 BFHE 159,82 = BStBl II 1990, 993.
achtung der Verfassung ist, zeigt die Tat-
                                         ersetzt werden.. Aber schon das geltende
sache, daß evangelisch-lutherische und ka-
                                         Verfassungsrecht (GG) untersagt die staatli-
tholische Kirche in Bayern seit eh und je bis
                                         che Einziehung der Kirchensteuer (Verstoß
heute ganz freiwillig die Kirchenein-    gegen den Trennungsgrundsatz). Schon Art
kommensteuer durch Kirchensteuerämter    und Ausmaß der damit verbundenen
verwalten. Eine Ersetzung des staatlichenRechtsprobleme sprechen dagegen. Selbst
Kirchenlohnsteuereinzugs durch eine kir- wenn man die staatliche Kirchensteu-
cheneigene Steuerverwaltung würde zahl-  erverwaltung für zulässig halten wollte, so
reiche verfassungsrechtliche Ungereimthei-
                                         ist sie doch auf gar keinen Fall verfassungs-
ten, z.T. schwerwiegender Art, beseitigen.
                                         rechtlich gefordert. Die Kirchensteuerge-
                                         setze der Länder sollten daher entsprechend
                                         geändert werden. Das wäre selbst nach Auf-
            C. Folgerungen               fassung des bislang äußerst kirchenfreundli-
Aus allgemeinen rechtpolitischen Gründen chen BVerfG ohne jedes verfassungs-
sollte die Kirchensteuer abgeschafft und rechtliches Risiko.
durch ein kircheneigenes Beitragssystem

These 3: Staatsleistungen
Nach der Verfassung sind die Staats-            lischen Kirche zufließt. Für "Zwecke der
leistungen abzulösen (Art. 140 GG in            Pfarrbesoldung und -versorgung" sowie für
Verb. mit Art. 138 Abs 1 WRV). Dieser           "kirchenregimentliche Zwecke" wendet da-
Verfassungsauftrag ist endlich einzulösen.      mit der Staat (d.h. die Bundesländer) den
Aus     dem    ausdrücklichen      Verfas-      Religionsgemeinschaften allgemeine Steu-
sungsauftrag ergibt sich, daß die Be-           ergelder zu. Die Zahlungsverpflichtung ist in
gründung neuer Staatsleistungen ver-            der Regel in Kirchenverträgen und Konkor-
fassungswidrig ist.                             daten festgeschrieben. Die Staatsleistungen
                                                werden in der Regel historisch ge-
Begründung:                                     rechtfertigt, nämlich insbesondere unter Hin-
Staatsleistungen werden in Deutschland un-      weis auf die Säkularisation zu Beginn des
ter Berufung auf den fortgeltenden Art. 138     19. Jahrhunderts, wie sie im Reichs-
Abs. 1 der Reichsverfassung von 1919 an         deputationshauptschluß von 1803 vorge-
Kirchen, vor allem an die beiden großen         sehen war. Damals sei den Kirchen die mate-
Amtskirchen in allen neuen und nahezu allen     rielle Basis für ihr seelsorgerisches Wirken
alten Bundesländern (Ausnahme Hamburg           entzogen worden.
und Bremen) in hohem Umfang gezahlt.            Die deutschen Verfassungen (Reichsver-
Nach den Ansätzen in den Haushaltsplänen        fassung von 1919, Grundgesetz von 1949)
dürfte es sich 1994 um einen Betrag von 700     verlangen zwingend die Ablösung der
Millionen DM handeln, der etwa jeweils zur      Staatsleistungen. Dieses Verfassungsgebot,
Hälfte der evangelischen und der katho-         eine selbstverständliche Konsequenz aus der
Trennung von Staat und Kirche, aus der            und deren Umfang bisher niemand auch nur
Aufhebung der staatlichen Kirchenhoheit           annähernd hat feststellen können. Schließ-
und aus der Bekenntnisneutralität des Staa-       lich gibt es auch keine Rechtfertigung dafür,
tes, haben der Bund und die Länder bis heu-       daß die Gesamtheit der Steuerbürgerinnen
te mißachtet. Das Thema ist kirchlicherseits      und -bürger den auf fünf bis sieben Milli-
zunehmend tabuisiert worden. Es wird so ge-       arden DM jährlich geschätzten Ausfall an
tan, als bestehe die Ablösung der Staatslei-      Einkommens- und Lohnsteuer trägt, der da-
stungen eben darin, daß sie weitergezahlt         durch entsteht, daß die gezahlte Kir-
werden. Diese Staatsleistungen steigen in         chensteuer als Sonderausgabe bei der Be-
weiten Bereichen Jahr für Jahr im gleichen        rechnung der Steuerschuld abgezogen
Maße wie die Beamtengehälter.                     werden kann.

Die historische Begründung der Staatslei-         Die historische Begründung für die Staats-
stungen mit der Säkularisation durch den          leistungen wirkt, nahezu zweihundert Jahre
Reichsdeputationshauptschluß ist hinfällig        nach der Säkularisation, anachronistisch.
geworden dadurch, daß heute die materielle        Kriege und Vertreibungen haben gerade in
Basis für das Wirken der Kirchen durch die        den letzten zweihundert Jahren hunderttau-
Einführung der Kirchensteuer seit 1919 gesi-      senden von Menschen und vielen Institu-
chert ist. Dem lag der zutreffende Gedanke        tionen wiederholt die Existenzgrundlage ge-
zugrunde, daß nicht der Staat und damit alle      raubt, ohne daß der Staat in vergleichbarer
Bürgerinnen und Bürger, sondern allein die        Fürsorge den Betroffenen mit "Staatsleis-
den jeweiligen Kirchen Angehörenden für           tungen" auf Dauer zur Seite gestanden hätte.
die finanzielle Ausstattung ihrer Religions-      Die Kirchen, die wegen ihres noch immer
gemeinschaft die Verantwortung tragen. Es         umfangreichen Grundbesitzes ohnehin zu
gibt keine Rechtfertigung dafür, die              den reichsten Institutionen in Deutschland
Steuergelder kirchenfremder Personen für          gehören, bedürfen der Staatsleistungen am
Dotationen an die Kirchen zu verwenden.           allerwenigsten. Jedenfalls aber dürften die
                                                  seit 1919 von den Ländern an die Kirchen
Desgleichen gibt es auch keine sachliche          geleisteten Zahlungen eine mehr als ausrei-
Rechtfertigung für die sogenannten negati-        chende Kompensation für die zu Beginn des
ven Staatsleistungen, d.h. für die vielfältigen   19. Jahrhunderts erfolgte Enteignung darstel-
Abgabenbefreiungen der Kirchen (Gerichts-         len. Daher kann heute auch für die Zahlung
und     Verwaltungsgebühren,         Grundbe-     einer einmaligen "Ablösesumme", wenn sie
sitzabgaben, Steuern), deren Ausfall die Ge-      denn kirchlicherseits gefordert würde, keine
samtheit der Steuerpflichtigen tragen muß         Veranlassung bestehen.

These 4: Subventionen                      Gemeinschaften sind nach den gleichen
Kulturell und soziale Aktivitäten der Kir- Grundsätzen zu fördern wie die aller
chen und der sonstigen weltanschaulichen anderen Gruppierungen. Insbesondere
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