Der Lehr- und Forschungswald der ETH in Sedrun
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Der Lehr- und Forschungswald der ETH in Sedrun Übersicht über den Lehr- und Forschungswald der ETH in Sedrun . (Bild: swisstopo, JA100120, JD100042 ) Der Lehr- und Forschungswald der ETH Repräsentativ für wesentliche liegt auf dem Gebiet der Gemeinde Tu- Teile des Schweizer Gebirgswaldes jetsch und umfasst mit den Waldteilen Der Lehrwald liegt zwischen Vorderrhein Tgom, Surrein, Bugnei und Udatsch, ins- ( 1300 m ü. M. ) und Waldgrenze ( 1900 gesamt eine Fläche von 176 Hektaren. Seit m ü. M. ) und erstreckt sich über alle vier 1973 besteht zwischen der ETH Zürich und Hauptexpositionen. Er deckt damit mehr- der Gemeinde ein Vertrag, welcher der heitlich die subalpine Stufe ab, reicht aber ETH die Nutzung dieser Wälder bei Sedrun auch in die hochmonte Stufe hinunter und für die Forschung und Lehre ermöglicht. liegt ausserhalb des Verbreitungsareals der Im Gegenzug steht die ETH zusammen Tanne. Demzufolge treten die hochmonta- mit der Fachstelle für Gebirgswaldpflege nen Standortstypen als Ausprägungen ohne dem lokalen Forstdienst bei der Bewirt- Tanne auf. Der natürlichen Vegetation ent- schaftung beratend zur Verfügung. Das sprechend, besteht der Lehrwald durchwegs Bildungszentrum Wald in Maienfeld kann aus Fichtenbeständen ( Picea abies ), die den Lehrwald ebenfalls zur Aus- und Wei- überwiegend einschichtig aufgebaut sind. In terbildung nutzen. Die Ausführung der den höheren Lagen, besonders am Osthang Holzschläge und der Verkauf des Holzes ( Uaul Prau Nausch + Uaul Tgom ), haben erfolgt unter der Leitung und in der Ver- sich zum Teil ausgeprägte Rottenstrukturen antwortung des lokalen Forstdienstes. ausgebildet. Die im Lehrwald vorkommen- 22
Steckbrief des Lehr- und Forschungswaldes Sedrun ( www.fe.ethz.ch / sedrun ) Waldeigentümer Gemeinde Tujetsch Fläche 176 ha Lage im Gelände Hanglagen der Hauptexpositionen Nord, Ost, Süd und West Höhenlage 1300 m ü. M. ( am Vorderrhein ) – 1900 m ü. M. ( Waldgrenze ) Klima Übergangszone ozeanisch – kontinental Jahresniederschlag 1250 mm ( Tal ) – 1600 mm ( obere Waldgrenze ) Mittlere Jahrestemperatur Talboden 5 – 6 °C, Waldgrenze 2,5 – 3,5 °C ( N- & E-Expositionen ) Muttergestein Silikate kristallinen Ursprungs Böden Braunpodsole ( tiefere Lagen ), Podsole ( höhere Lagen ) Waldtypen Fichtenwälder der hochmontanen und subalpinen Stufe den Standorts- und Bestandestypen können Auf den 1. Januar 1973 trat dann der erste für eine ansehnliche Fläche unserer Gebirgs- Vertrag « über die Anlage von Versuchs- wälder als repräsentativ angesehen werden. flächen » zwischen der Gemeinde Tujetsch und dem damaligen Institut für Waldbau Entstehung der ETH in Kraft, und Ernst Ott wurde als Da die standörtlichen und ökologischen Be- Versuchsleiter eingesetzt. Damals war für dingungen im Gebirgswald erheblich anders diese Position das Wählbarkeitszeugnis sind als jene im Flachland, strebte die ETH eine zwingende Voraussetzung. Ernst Ott Anfang der 1970er-Jahre die Intensivierung war von 1980 bis 1998 auch Privatdozent der Lehre und Forschung in den Gebirgs- für Gebirgswaldbau an der ETH und prägte wäldern an. Dies sollte mit der Schaffung damit eine ganze Generation von Forst- von Plenterwald-Versuchsflächen gesche- ingenieuren. In dieser Zeit sind zahlreiche hen, u. a. in Sedrun. Am 29. Juni 1972 Forschungsarbeiten und Publikationen zum schrieb der damalige ETH-Waldbauprofes- Gebirgswaldbau entstanden, bei vielen da- sor Hans Leibundgut an den Kantonsforst- von spielten Versuche und Beobachtungen inspektor Conradin Ragaz : « . . . möchten wir in den Beständen des Lehrwalds Sedrun uns zukünftig vermehrt mit Problemen des eine wichtige Rolle. Nach der Pensionie- Gebirgswaldbaus befassen. ( . . . ) Zu diesem rung von Ernst Ott wurde seine Stelle zu Zweck möchten wir in einigen Gebirgswäl- einer Assistenzprofessur aufgewertet, und dern grössere Versuchsflächen als Lehr- und im Jahr 2000 übernahm Harald Bugmann Forschungsobjekte einrichten. ( . . . ) Nach mit der Professur für Gebirgswaldökologie langem Suchen sind wir zum Schluss ge- den Lehrwald. Im Jahr 2004 entstand da- langt, dass sich die Abteilungen . . . der Wal- raus die heutige Professur Waldökologie, dungen von Sedrun für diesen Zweck aus- welcher der Lehrwald weiterhin zugeord- gezeichnet eignen würden. » net ist. Bündner Wald 2 /2012 23
Zwischen 1979 und 1988 wurde im Uaul Surrein versucht, die Verjüngung durch das Anlegen von schlitzförmigen Bestan desöffnungen einzuleiten. Dieses Vorge hen war grundsätzlich erfolgreich, bis der Sturm Vivian und die darauf folgenden Käferschäden ab 1990 praktisch nur noch Zwangsnutzungen zuliessen. Heute hat sich die Situation beruhigt, und im Winter 2007/ 08 konnte wieder ein ordentlicher Uaul Bugnei im Juli 2010. (Bild: Christoph Märki ) Holzschlag durchgeführt werden. Mittels einer Seillinie wurden einerseits vorhande Ausbildung ne Verjüngungsstützpunkte freigestellt und Wie bereits bei der Einrichtung des Lehr andererseits neue Bestandeslücken für die walds, soll auch heute noch den besonde Ansamung geschaffen. ren Eigenschaften der subalpinen Gebirgs Die Bestände am Südhang ( Uaul Bugnei ) wälder in Lehre und Forschung Rechnung sind erst seit 1989 mit einer lastwagenbe getragen werden : Dem Unterricht im fahrbaren Strasse erschlossen. Durch grosse Gebirgswaldbau ist an der ETH nach wie vor Sturmschäden ( Vivian ) und die folgenden eine eigene Veranstaltung mit Exkursionen Käferschäden wurde der westliche Teil des gewidmet. Nach der Pensionierung von Uaul Bugnei fast vollständig entblösst, wei Ernst Ott hat Monika Frehner diesen Lehr ter östlich kam es verbreitet zu Streuschä auftrag übernommen, der seit der Bo den. Der Schutz der Bahnlinie, der Strasse lognaReform eng mit dem Unterricht in und der Siedlung unterhalb des Uaul Bug Gebirgswaldökologie verzahnt ist. Einen nei wird heute mit temporären Lawinen Schwerpunkt der Veranstaltung, die sich verbauungen und Steinschlagschutznetzen mittlerweile « Gebirgswaldmanagement » gewährleistet. Damit die Wiederbewaldung nennt, bilden die mehrtägigen Exkursionen. möglichst schnell vor sich geht, wurden Eine davon findet in Sedrun statt, wo Stand umfangreiche Pflanzungen vorgenommen, orte im Uaul Surrein und Bugnei sowie bei in denen bald die ersten PflegeEingriffe er Tschamut besucht werden. Zudem hat sich folgen werden. seit zwei Jahren eine internationale Exkursi on etabliert, während der jeweils amerikani Naturwaldreservat Uaul Prau Nausch sche Austauschstudenten der Uni Freiburg Seit 2007 besteht innerhalb des Lehr und im Breisgau die Bestände im Lehrwald be Forschungswaldes das Naturwaldreservat suchen. ( NWR ) Uaul Prau Nausch, was mit « Wald auf schlechter Wiese » übersetzt werden Bewirtschaftungsgeschichte kann. Es erstreckt sich über eine Fläche von Während Jahrhunderten standen die nach rund 65 Hektaren. umfangreichen Rodungen verbliebenen Der Uaul Prau Nausch gehört zum Netzwerk Waldungen des Tujetsch unter dem Einfluss der Schweizer Naturwaldreservate, einem des kommunalen Weidganges, welcher erst Kooperationsprojekt von WSL, ETH und in den 1990erJahren abgeschafft wurde. BAFU. Zudem dient es als Refugium für selte 24
Forschungsschwerpunkt Verjüngung Da im Schutzwald die Verjüngung, insbe- sondere nach Käfer- und Windwurfschä- den, aber auch nach Holzschlägen möglichst schnell den fehlenden Altbestand ersetzen soll, sind die Kenntnisse über die idealen Bedingungen für die Ansamung und das Aufwachsen essenziell. Zu erwähnen sind auf diesem Gebiet u. a. die Dissertationen von Peter Brang ( 1996 ) und Monika Freh- ner ( 2000 ) : Sie haben umfangreiche Unter- suchungen durchgeführt zu den minimalen bzw. idealen Bedingungen für die Ansamung und Verjüngung, z. B. bezüglich der Licht- verfügbarkeit und damit der minimalen Lü- Toctoc, der Dreihzehenspecht des Uaul Prau ckengrösse bei Holzschlägen. Ihre Ergebnisse Nausch. (Illustration : Flurin Mengelt ) haben Eingang gefunden in den allseits be- kannten NaiS-Ordner ( Frehner et al., 2005 ). ne Tier- und Pflanzenarten wie zum Beispiel In einem kleineren Versuch konnte gezeigt den Dreizehenspecht. Auch aus touristischer werden, dass mit Bodenschürfungen, durch Sicht ist das neue Reservat von grossem die alles organische Material ( Bodenvege- Wert. Der Erlebnispfad « Auf dem Weg zum tation inkl. oberste Wurzelschicht, Humus ) Urwald » gibt Einblicke in die Besonderheiten entfernt wird, in Samenjahren sehr gute und die Entwicklung des Gebirgswaldes. Für Ansamungserfolge erzielt werden können. die Kinder übernimmt der Specht « Toctoc » Die geschürften Flächen stellten über mehr die Führung durch das Waldreservat. als fünf Jahre ein geeignetes Keimbeet für kleine Fichten dar und dienen heute als An- Forschung schauungsobjekte bei der Ausbildung. Durch die langfristige Ausrichtung des Lehr- Eine wichtige Rolle spielen die Samenjahre walds sind Forschungsprojekte über längere auch bei der Entwicklung der Waldausdeh- Zeiträume möglich. Dank der Zusammenar- nung an der oberen Waldgrenze im Uaul beit mit der Praxis ( Forstdienst, Gebirgswald- Bugnei. Für die erfolgreiche Verjüngung pflegegruppe GWG, Fachstelle für Gebirgs- braucht es das Zusammenspiel von mehreren waldpflege ) können Forschungs-Themen Faktoren, u. a. eben von Samenjahren, wes- aufgegriffen werden, welche eine hohe Rele- halb die Verjüngung und damit die Verschie- vanz für die Bewirtschaftung von Gebirgswäl- bung der Waldgrenze nach oben in Phasen dern haben. Zudem kann aus den verschiede- und nicht kontinuierlich verläuft. Zudem nen Projekten mit der Zeit das Verständnis für konnte gezeigt werden, dass sich die erhöh- das Ökosystem Gebirgswald – ähnlich einem ten Sommertemperaturen in den Neunziger- Puzzle – laufend zusammengesetzt, ergänzt jahren direkt im Dickenwachstum der jungen und erweitert werden. Im Folgenden gehen Fichten niederschlugen, was die Bedeutung wir auf aktuelle und einige abgeschlossene der Temperatur auf dieser Höhe als limitie- Projekte der letzten 15 Jahre ein. renden Faktor bestätigt ( Bolli, 2004 ). Bündner Wald 2 /2012 25
beeinflusst das Wachstum der Jungbäume sehr stark, sei es direkt über die Lichtverfüg- barkeit und die Länge der Vegetationszeit oder indirekt über Schneeschimmelinfek- tionen ( Herpotrichia juniperi ), welche vor allem den Zuwachs der mittelgrossen Jung- bäume ( Höhe 31 – 60 cm ) beeinflussten. In einem zweiten Feldexperiment analysierte sie, wie dreijährige, gepflanzte Jungfichten auf künstlichen Wildverbiss ( Triebschnitt ), Das Waldreservat Uaul Prau Nausch. Schneeschimmelinfektionen und Konkur- (Bild: Christoph Märki ) renz durch die Bodenvegetation reagieren. Der Triebschnitt der Jungbäume war im Catherine Cunningham ( 2006 ) hat den ersten Untersuchungsjahr leicht positiv für Einfluss der ökologischen Bedingungen den Zuwachs, im zweiten Jahr aber stark im Frühling auf die natürliche Fichtenver- negativ. Sobald sich die Bodenvegetation jüngung untersucht. Der Frühlingsschnee etabliert hatte, unterdrückte sie durch Be- schattung das Wachstum der Jungfichten. ANZEIGE Schneeschimmelinfektionen wurden erst im zweiten Jahr beobachtet ; sobald diese aber Für jeden das Richtige! auftraten, waren sie verbunden mit redu- ziertem Zuwachs. Derzeit sind wir daran, die langfristige Überlebens- und Entwick- lungstendenz dieser Bäume auszuwerten, um den Einfluss dieser Störungen zu quan- tifizieren. 4-Takt Ein weiteres aktuelles Projekt befasst sich mit der Anfälligkeit der gepflanzten Fich- ten auf den Schwarzen Schneeschimmel am Südhang ( Uaul Bugnei ). Frühere Untersu- chungen haben den Schneeschimmel vor allem an Nordhängen als Problem identifi- ziert. Bei den Pflanzungen des Forstdiens- tes Tujetsch zeigte sich aber, dass er auch an Südhängen grössere Schäden anrichten Akku-Geräte kann. Nun untersuchen wir, wo in der Be- standeslücke welche Faktoren zum Ausfall Informieren Sie sich bei unseren Service- und Verkaufsstützpunkten der Bäume führen bzw. den Schneeschim- Hoffmann & Rüesch 7270 Davos-Platz 081 413 26 44 melbefall der Bäume wie stark beeinflus- Zimmermann AG 7013 Domat / Ems 081 650 30 00 sen und wo in den bestehenden Lücken Semadeni R. 7742 Poschiavo 081 844 04 38 Christoffel R. 7127 Sevgein 081 925 29 69 aufgrund der vorherrschenden Verhältnisse Generalvertretung: AMSLER & CO. AG Tel: 052 647 36 36 Fax: 052 647 36 66 auch natürliche Ansamung erwartet werden 8245 FEUERTHALEN ZH dolmar@amsler.ch www.dolmar.ch kann. Wir hoffen, aus den Resultaten weite- 26
re wertvolle Hinweise für die waldbauliche Im Lehrwald Sedrun sind also auch fast Praxis im Gebirgswald ableiten zu können. 40 Jahre nach seiner Gründung verschie- denste Projekte im Gang, welche dank Forschungsschwerpunkt Rotten der guten Zusammenarbeit mit dem lo- Das Naturwaldreservat Uaul Prau Nausch kalen Forstdienst nicht nur der ökolo- und der angrenzende Pufferstreifen bie- gischen Grundlagenforschung, sondern ten mit ihrer ausgeprägten Rottenstruk- auch der weiteren Verbesserung des Ge- tur ausgezeichnete Möglichkeiten, um die birgswaldbaus dienen sollen. An aktuellen Entstehung und Entwicklung der Rotten Forschungsfragen aus der Praxis, welche im subalpinen Fichtenwald zu untersuchen. im Rahmen von Forschungsprojekten wie Unter anderem deshalb hat die WSL hier Master- oder Doktorarbeiten im Lehrwald die ertragskundliche Versuchsfläche « Uaul Sedrun angegangen werden könnten, sind Tgom » eingerichtet. Mittels Vergleichsflä- wir sehr interessiert. Bitte zögern Sie nicht, chenpaar soll der Einfluss der waldbaulichen mit den Autoren dieses Textes Kontakt auf- Behandlung langfristig dokumentiert und zunehmen ! quantifiziert werden können. In weiteren Untersuchungen ( Strobel, Literatur 1995 ; Zumbrunn, 2011 ) konnte aufgezeigt Angaben zur zitierten Literatur finden Sie werden, dass im Uaul Prau Nausch die Va- auf der Webseite des Lehrwaldes : riabilität des Alters innerhalb der Rotten in www.fe.ethz.ch/sedrun/archiv der Regel kleiner ist als zwischen den Rot- ten, was darauf hindeutet, dass die heute vorhandenen Rotten kontinuierlich und nicht innerhalb kurzer Zeit aufgrund eines grossflächigen Ereignisses entstanden sind. Die Rotten vergrössern sich tendenziell von Christoph Märki oben her in der Falllinie gegen unten, was auf die Bedeutung der Schneemechanik für Koordinator Lehrwald Sedrun, ETH den Verjüngungserfolg zurückzuführen sein Universitätsstrasse 22, 8092 Zürich dürfte. Die Randbäume einer Rotte ver- christoph.maerki @ env.ethz.ch zeichnen zudem einen stärkeren Zuwachs und eine höhere Stabilität als die Bäume im Zentrum, und dicht beieinanderstehen- Harald Bugmann de Fichten weisen einen eher schwächeren Radialzuwachs auf. Durch das Dichtstehen Professor für Waldökologie, ETH schützen sich die Bäume auch vor negativen Universitätsstrasse 22, 8092 Zürich Einflüssen wie zum Beispiel vor der Schnee- harald.bugmann @ env.ethz.ch last. Bündner Wald 2 /2012 27
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