Bloß nicht in den Dreck! - TL Aviation
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Magazin Flugsicherheit Bloß nicht Der Einflug in Instrumenten- flugbedingungen bedeutet für VFR-Piloten ein hohes Risiko. in den Dreck! Die EASA hat der Gefahr daher im März eine besondere Veranstaltung gewidmet. O restis Giannoukos macht einen depunkt Kilo ab, wechselt auf die Frequenz was in dieser Situation überhaupt noch richtig angespannten Eindruck, als er im von Langen Information und schaltet den ADF zu machen war, wird er im anschließenden Cockpit der Piper Arrow Platz nimmt. vom NDB Lima aufs NDB Bot um. Die kurze Debriefing erfahren. Genauer gesagt, in einem Flight Navigation Beschäftigung mit der Avionik nutzt Tobias, Procedure Trainer II (FNPT II) der Mönchen- um seinen Trainee per Mausklick in eine dich- Beachtliche Todesrate gladbacher Flugschule TL Aviation, den Inha- te Bewölkung zu tauchen. Als der wieder auf- Der Italiener, der vor ihm im Simulator saß, ber Tobias Lehmann mit dem Cockpitlayout sieht, sieht er nichts mehr. Zumindest das Flug- hatte weniger Geschick. „Der hat sich im Funk dieses Musters versehen hat. Darin hat der zeug hat Orestis jetzt im Griff und führt mittels gar nicht mehr gemeldet und ist der absin- griechische PPL-Inhaber mit 150 Stunden Flug- Kompass, Turn Coordinator und künstlichem kenden Bewölkung einfach stumpf nach unten erfahrung noch nie gesessen. Und nun soll er Horizont eine saubere Umkehrkurve aus. Doch ausgewichen, bis er im Boden war“, berichtet damit von der Homebase der Flugschule (EDLN) so leicht lässt Tobias ihn nicht auskommen. der Flugschulinhaber. Auch den dänischen ins nahe Dortmund (EDLW) fliegen. Gleich nach Als der Grieche im Funk hört, dass sich auch Piloten zuvor hatte es gerissen: Der hatte in dem Start steigt der junge Pilot mit 1000 Fuß das Wetter in Mönchengladbach dramatisch den Wolken die Lageorientierung verloren und pro Minute und droht so ohne Freigabe in den verschlechtert und er keinerlei Chancen mehr war in einen Spiralsturz geraten. Beide Fälle Luftraum des benachbarten Düsseldorfer Air- auf Sichtflugbedingungen dorthin hat, erklärt spiegeln die wirkliche Todesrate von in IMC ports zu geraten. Tobias, derweil in die Rolle er umgehend seine Notlage und erbittet Hilfe geratenen VFR-Piloten ziemlich gut wider. Rund des Lotsen geschlüpft, weist ihn auf die viel durch ein Vectoring nach Weeze, wo er bei 14 Prozent, also etwa jeder siebte, aller Un- zu hohe Steigrate hin. Orestis korrigiert, setzt VMC-Minima gerade noch sicher landen kann. fälle in der Allgemeinen Luftfahrt sind wetter- seine Positionsmeldung über dem Pflichtmel- Damit hat er so ziemlich alles richtig gemacht, bedingt, die Hälfte davon, so die EASA, sei 84 aerokurier 5/2019
Flugschulinhaber und Trainer Tobias Lehmann sorgte mit Funksprüchen und Sichtbedingungen im Simulator für eine realistische Anspannung der Teilnehmer beim ungewollten Einflug in IMC. Fotos: Frank Martini, EASA (2), Patrick Holland-Moritz (1) auf „VFR into IMC“ zurückzuführen. Unter stunden, aber keinerlei IFR-Ausbildung ver- Für die Teilnehmer war dieses Erlebnis ein diesem Titel hatte die Agentur Ende vergan- fügen. Im echten Fliegerleben wäre ein Sechs- Highlight, weil sie noch nie zuvor in einem genen Jahres eingeladen, sich auf einen der tel von ihnen aufgrund der im FNPT II luftfahrtzugelassenen Simulator trainieren zwölf Plätze für ihre Veranstaltung am 13. und simulierten Bedingungen auch tatsächlich konnten. Gerade deswegen legten die Orga- 14. März in Mönchengladbach zu bewerben. verunglückt – trotz allerbester Vorbereitung nisatoren größten Wert auf die Feststellung, Die Piloten sollten dafür entweder über einen und dem Wissen, mit welchem Problem sie dass ihr Programm keinesfalls als IMC- LAPL oder einen PPL mit mindestens 50 Flug- im Simulator konfrontiert werden. Notfalltraining missverstanden werden dürfe. Begrüßung der zwölf Teilnehmer bei der EASA in Köln, ehe es für zwei Tage zur Flugschule TL Aviation an den Flughafen nach Mönchenglad- bach ging. Auf jede Simulator-Session folgten ausführliche Debriefings und Interviews, in denen das Erlebte besprochen und festgehalten wurde. aerokurier 5/2019 85
denn die grünen gegen die blauen Becherchen ausgetauscht worden waren. Tatsächlich stand im Schlussbild des Filmchens eine blaue Becherreihe, an deren Stelle zu Beginn noch eine grüne gestanden hatte. „Ist das nicht erstaunlich, was sich alles vollständig unserer Wahrnehmung entzieht, obschon es direkt in unserem Blickfeld liegt, wenn wir nur auf ein bestimmtes Detail darin, in diesem Fall die Schokolade, fokussiert sind?“, fragte Mike O’Donoghue vom britischen General Aviation Safety Council (GASCo), einem der EASA-Kooperationspartner, den die Kölner Agentur für die Veranstaltung mit ins Boot geholt hatte. Der kleine Workshop ver- Immer wieder Interviews: Die EASA-Betreuer nutzten konsequent jede Gelegenheit, Eindrücke anschaulichte mit der Verengung unserer und Erfahrungen der Teilnehmer zur Dokumentation und weiteren Nutzung aufzuzeichnen. Wahrnehmung unter Anspannung sinnfällig eine der Ursachen, die zu folgenschweren Fehlentscheidungen im Cockpit beitragen können. Und macht so gleichzeitig deutlich, wo der Schwerpunkt des zweitägigen Events lag: auf dem bestmöglichen Vermeiden, über- haupt in eine solche Situation zu geraten. Systematisches Wetterbriefing Das fängt bereits am Boden mit der richtigen Flugvorbereitung an. Auch dazu hatte die EASA mit Matthias Wandel und Michael Noll vom Flugwetterdienst des DWD zwei externe Experten verpflichtet. Noll stellte nicht nur die Bestandteile einer Selfbriefing-Plattform am Beispiel pc-met vor, sondern auch, wie man deren Informationen systematisch nutzt, um Systematisches Wetterbriefing: In Gruppen erhielten die Teilnehmer Tipps und Unterweisungen Wetterereignisse entlang einer geplanten Flug- in die Nutzung von Selfbriefing-Diensten. Auch der Austausch untereinander kam nicht zu kurz. route belastbar einzuschätzen. Er regte an, eine Ampelcheckliste für das eigene Wetter- Vielmehr gehe es darum, solche Notlagen nicht dem rechten oder dem mittleren? Klar, dass briefing zu nutzen, auf der man individuelle nur von vornherein zu vermeiden, sondern sie die meisten damit noch kein Problem hatten. Mindestbedingungen festlegt – und von einem bei Misserfolg nicht auch noch unnötig zu Und umso konzentrierter und ehrgeiziger wur- Flug abzusehen, wenn auch nur eine davon verschärfen. Dazu galt es, alle Faktoren so den, als im nächsten Durchgang auf drei Reihen mit der Farbe Rot markiert wird. anschaulich wie möglich bewusst zu machen, mit je drei Becherchen gleicher Farbe in qua- „Mal ehrlich“, so Lars Mattson, Präsident die zum Entstehen solcher Notlagen und ihrem dratischer Anordnung erhöht wurde. Auch wenn des dänischen Randers Flyveklub, „bei vielen oft unglücklichen Ausgang beitragen. das die Sache ungleich komplizierter machte, beschränkt sich das Wetterbriefing doch auf lagen viele am Ende mit ihrer Antwort auf die einen Blick aus dem Fenster! Wir haben zwar Human Factors Frage nach dem Schokostückchen richtig. Als alle jede Menge Meteorologie für unsere PPL- Dass dazu auch solche gehören, die mit Me- dann aber gefragt wurde, wer denn die kleine, Prüfung gebüffelt, aber in eine so professio- teorologie gar nichts zu tun haben, wurde zum gelbe Ente oder gar die fünfte Hand, die sich nelle Nutzung der Flugwetterportale hat mich Beispiel in einem Workshop durch einen ins Bild geschoben hatte, bemerkt habe, wich noch nie jemand eingewiesen“, lobt er. Genau Hütchenspieler-Film klar. Die jeweils in kleinen die gezielt provozierte Selbstgewissheit un- dafür hat der DWD Ende vergangenen Jahres Gruppen zu beantwortende Frage lautete: Un- gläubig-fragenden Blicken. Erst die Zeitlupen- eine ZIP-Datei zum Download für jedermann ter welchem der zunächst dafür eingesetzten wiederholung der Filmsequenz ließ das Entlein ins Netz gestellt (https://bit.ly/2umkZTn), die drei farbigen Becherchen auf dem im Film nebst fünfter Hand wahrnehmbar werden. eine entsprechende Anleitung, Vorlagen für gezeigten Tisch befindet sich am Ende das Vollends perplex waren die Probanden aber, die erwähnten Checklisten und Bookmark- versteckte Schokoladenstückchen – dem linken, als sie dann auch noch gefragt wurden, wann Ordner enthält. Damit lassen sich in jedem 86 aerokurier 5/2019
Browser Favoriten für das systematische Self- Genau darum geht es dem Safety-Promo- jedes Teilnehmerinterview, die Simulator- briefing bei flugwetter.de ganz einfach einrich- tion-Team der Kölner Agentur. Ob der Event Sessions und sonst jede denkbare Situation ten. eventuell eine Neuauflage erfährt, war zum mit einer Vielzahl an fest installierten und Ende der Veranstaltung noch nicht ausgemacht. mobilen Videokameras umfänglich zu doku- Persönliche Limits beachten Aber dass deren Teilnehmer ihre Eindrücke mentieren. Das, so Franklin, ermögliche nicht Nicht nur damit weisen die Organisatoren weit und Lernerfolge auch als Multiplikatoren mit nur eine optimale Auswertung der Veranstal- über den Teilnehmerkreis ihrer gemeinsamen in ihre Heimatländer nehmen, war gesetztes tung, aus den so gewonnenen Aufnahmen und Veranstaltung hinaus. Wer wollte, konnte die Ziel. „Wir wollen mit unserem Safety Promo- dem eingesetzten Lehrmaterial wolle man auch zwar durchaus als Anregung zum Erwerb eines tion Team näher an unsere Stakeholder in Kompendien für die Teilnehmer erstellen, die Instrument Ratings auffassen. Doch das ver- der GA heran und begreifen die Teilnehmer sie bei der Verbreitung des Themas „VFR into folgte Ziel lag, wie es der französische Pilot deswegen auch als EASA-Botschafter“, wie IMC“ in ihren Heimatländern bestmöglich Dominique auf den Punkt brachte, ganz Wendell Lynch von der Kölner Agentur erklärt. unterstützen sollen. woanders: „Die Veranstaltung hat mir sehr Deswegen hatte die auch keinen personellen geholfen, mir meine persönlichen Limits klar- Aufwand gescheut: Der Betreuungsschlüssel Neue Botschafter der Agentur zumachen und einzuhalten.“ der Teilnehmer lag an beiden Tagen durchge- Mit dieser neuen Strategie für eine Safety Pro- Von einem Piloten mit eigenem Flugzeug hend bei fast eins zu eins. Schon den passen- motion scheinen die Kölner in den Augen der und insgesamt 800 Stunden VFR-Flugerfahrung den Rahmen dafür zu finden, war eine echte zwölf Teilnehmer des Events jedenfalls gold- auf Segel- und Motorflugzeugen darf man das Herausforderung, so der Leiter des Safety- richtig zu liegen. Auch wenn ihnen über zwei durchaus als Kompliment an die Veranstalter Promotion-Teams, John Franklin: eine Flug- Tage ein fraglos anstrengendes und dicht verstehen. Und für den Skandinavier Lars war schule in der Kölner Umgebung, die neben gepacktes Programm präsentiert wurde, war am Schluss glasklar, dass er nicht nur einen einem FNPT II über ausreichend geeignete die Stimmung bis zum Ende der Veranstaltung Artikel über seine Eindrücke in Mönchen- Schulungsräume verfügt und die man für eine bestens. Zum Abschied erhielt jeder noch ein gladbach im dänischen Magazin „Flyv“ ver- solche Veranstaltung an zwei aufeinanderfol- EASA-Basecap, mit dem die frisch ernannten öffentlichen wird, sondern er das Thema auch genden Tagen komplett in Beschlag nehmen EASA-Botschafter stolz das Flugschulgebäu- in seinem Randers Flyveklub systematisch kann. Die Voraussetzungen im nahen Mön- de in Richtung Heimat verließen. ae verbreiten will. chengladbach ermöglichten unter anderem, Frank Martini Schon zur Ankunft in der Domstadt sorgte die EASA für eine entspannte Atmosphäre in der Gruppe. Die gute Stimmung hielt bis zum Schluss.
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