Immer wieder schön, immer wieder anders: Sonnenaufgang am Brunnenkogelhaus mit Blick Richtung Zuckerhütl.
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Immer wieder schön, immer wieder anders: Sonnenaufgang am Brunnenkogelhaus mit Blick Richtung Zuckerhütl. 38 DAV 2/2020
Stubai & Ötztal Heiter Vom Stubai ins Ötztal bis wolkig Auf der Mehrtagestour vom Stubai ins Ötztal begeistern neben der Landschaft vor allem I Stützpunkte wie die Neue Regensburger Hütte – rechtzei- ch bin heilfroh“, sagt Herbert Ofer tig zum 150-jährigen Jubiläum hinter der Empfangstheke, während der Sektion Regensburg wurde die nächsten Gäste mit ihren Rucksä- dort im letzten Sommer der cken und Stöcken gerade noch recht- neue Anbau fertiggestellt. zeitig vor dem Gewitter in die Hütte stol- Text und Fotos: Stefan Herbke pern und sich nach dem gebuchten Schlafplatz erkundigen. Der Pächter der Neuen Regensburger Hütte freut sich über den Umbau der 1930 erbauten, denkmalge- schützten Hütte und den im Sommer 2019 fertiggestellten Anbau, der das alte Neben- gebäude ersetzt. „Früher hatten wir im Keller zwei Duschen für 80 Leute und we- nige Waschbecken, jetzt haben wir neue Waschräume und neue Zimmer.“ Die Neue Regensburger Hütte lebt vom Stubaier Höhenweg, der längst ein Selbst- läufer ist und sogar internationales Publi- kum anzieht. Doch abseits davon gibt es DAV 2/2020 39
Stubai & Ötztal andere schöne Steige wie den von der Mil- eine Pause ein – aber nur kurz, denn der paar Fotos, die die Speisekarte schmü- deraunalm über den Ring, auf denen man Weg zieht sich, und für den Nachmittag cken. „Ich fotografiere recht viel, aber ich die Hütte erreichen kann. Eine traumhaf- sind Gewitter vorhergesagt. tue es eigentlich nicht gern“, gibt sie zu. te, überraschend einsame Tour, auf der Also weiter, auf teils schmalem Steig hi- „Das ist genauso wie Kuchen backen; ich man anfangs auf einem Forstweg im dich- nauf zum Ring, einer Aussichtskanzel backe viel, ich mach’s nicht so gern – aber ten Wald an Höhe hoch über dem sie gelingen.“ So wie die Käsesahne, der gewinnt – und Postkartenblick Stubai und vis-à- Hüttenklassiker. auf die Stubaier dann mit Postkar- vis vom Habicht. Während Martina backt, starten wir in Dreitausender tenblick auf die Und hinüber zur Richtung Dresdner Hütte. Ein paar Trail- vergletscherten Neuen Regens- runner überholen uns auf dem traumhaf- Stubaier Dreitau- burger Hütte, die ten Weg durch einen Wiesenboden, in sender immer wir kurz vor dem dem der von einem Gletscher gespeiste oben entlangläuft. Im hohen Gras unter ersten Regenschauer erreichen. Sonnig Bach mäandert – und ein paar Schafe ne- den Lärchen und Zirben verstecken sich und hell ist dagegen der nächste Morgen, ben üppig blühendem Wollgras frühstü- überall Schwammerl, die wir schweren keine Wolke am Himmel – und keiner un- cken. Nach dem Grün wird es karg, wir Herzens stehen lassen. Denn der Rucksack terwegs. Nur Martina, die Hüttenwirtin, wechseln ins Geröll, folgen den Markie- ist voll und auf dem Weg ins Ötztal sind war schon draußen. „Ich genieße jeden rungen und entdecken unter großen Blö- wir noch mehrere Tage unterwegs. Doch Morgen den Sonnenaufgang“, erzählt sie, cken letzte Eisreste. Ein teilweise gesicher- für das Blaubeerbuffet legen wir gerne „da habe ich meine Ruhe.“ Und Zeit für ein ter Steig führt überraschend gut durch 40 DAV 2/2020
Wer den Steig von der Milderaunalm über den Ring wählt, der wird mit schönen Ausblicken über das Stubai belohnt (r.u.) und darf sich auf der Neuen Regensburger Hütte über die gute Küche von Martina Ofer freuen. Faszinie- rend ist die Etappe auf dem Stubaier Höhenweg zur Dresdner Hütte mit dem Zuckerhütl vis-à-vis. DAV 2/2020 41
VON OST NACH WEST eines heißen Sommers auf die traurigen DURCH DIE Eisreste blickt, der kommt ins Grübeln. STUBAIER ALPEN Ein ausgeaperter Gletscher sieht nie schön Charakter: Abwechslungsreiche Mehrtagestour auf guten, wenn aus, doch was man dort sieht, verschlägt auch manchmal recht schmalen einem dann doch die Sprache: Kaum zu Steigen. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderlich, glauben, wie viel Dreck sich auf dem Eis kurze Stellen sind mit Draht- angesammelt hat. Unverständlich, warum seilen gesichert. Leichtsteig- kaputte Bierbänke gleich neben der Berg- eisen sind für den Anstieg in die Grawagrubennieder (bis station Eisgrat nicht einfach weggeräumt in den Hochsommer steiles werden. Die dunklen Gewitterwolken, die Schneefeld) und bei Ausaperung für den Schaufel- und Gais- zügig in den Himmel wachsen, passen zur karferner (Anstieg auf dem düsteren Stimmung auf dem sterbenden Gletscherpfad) hilfreich, aber für geübte Geher nicht zwin- Gletscher, wo immer mehr Felsinseln gend nötig. Der Anstieg vom mitten im gar nicht mehr ewigen Eis auf- Wannenkarsee auf die Wilde tauchen. Rötespitze ist bis zum Gipfel weglos und erfordert einen Auf der Hildesheimer Hütte scheint geübten Blick fürs Gelände. wieder die Sonne: Das Gewitter hat sich An- und Rückreise: Mit der Bahn nach Innsbruck und mit dem Bus ins Stubaital. Von Zwiesel- verzogen, und Gustav Fiegl, der seit 28 stein mit Bus zum Bahnhof Ötz, mit dem Zug nach Innsbruck und mit dem Bus zurück ins Stubai. Jahren die Hütte bewirtschaftet, hat ein Beste Zeit: Anfang Juli bis Ende September. Gespür für den perfekten Umgang mit Etappen: seinen Gästen. „Für mich ist es das 1) Neustift im Stubaital (993 m) – mit dem Bus nach Krößbach (1102 m) – Milderaunalm (1671 m) Schönste, wenn ich mit den Leuten reden – Neue Regensburger Hütte (2286 m, regensburgerhuette.at). o 1435 Hm, a 250 Hm, 5 Std. kann“, sagt Gustav. Nur eins stört ihn: 2) Neue Regensburger Hütte – Grawagrubennieder (2880 m) – Dresdner Hütte (2302 m, dresdnerhuette.at). o 985 Hm, a 970 Hm, 6 Std. „Alle haben ein Handy, das ist eine Kata- 3) Dresdner Hütte – Bildstöckljoch (3116 m) – Hildesheimer Hütte (2899 m, hildesheimerhuette.at). strophe.“ Natürlich kann er nichts dage- Alternativ mit der Gondel zur Bergstation der Schaufeljochbahn und kurzer Abstieg zur gen sagen, schließlich spielen damit auch Hildesheimer Hütte. o 835 Hm, a 240 Hm, 4 Std. seine Kinder, aber das Hüttenleben leidet 4) Hildesheimer Hütte – Gamsplatzl (3019 m) – Siegerlandhütte (2710 m, siegerlandhuette.com). o 345 Hm, a 535 Hm, 3 Std. darunter. „Früher haben wir Hüttenaben- 5) Siegerlandhütte – Windachtal – Wannenkarsee (2639 m) – Wilde Rötespitze (2965 m) – de gemacht, wo man gesungen hat“, erin- Brunnenkogelhaus (2735 m, brunnenkogelhaus.at). Alternativ vom Wannenkarsee Abstieg nert er sich, „das gibt’s heute nicht mehr. auf dem Anstiegsweg und auf markiertem Steig zum Brunnenkogelhaus. o 1115 Hm, a 1090 Hm, 6 1⁄2-7 Std. Die Gitarre in der Stube hängt mehr, als 6) Brunnenkogelhaus – Brunnenbergalm (1972 m) – Zwieselstein (1462 m). o 45 Hm, a 1320 Hm, dass auf ihr gespielt wird.“ Dafür kommen 3 1⁄2 Std. immer mehr Wanderer auf die Hildeshei- Karten: Alpenvereinskarte, Blatt 31/1, Stubaier Alpen – Hochstubai, 1:25.000; mer Hütte, vor allem seitdem die Hütten- für die erste Etappe evtl. noch Blatt 31/5, Innsbruck und Umgebung, 1:50.000. runde „Söldens stille Seite“ in DAV Pa- norama vorgestellt wurde. „Ich hätte nie den steilen Hang unter der Grawagruben- Gegenanstieg geht es endgültig bergab zur gedacht, dass die Geschichte so einen nieder und damit vom Schatten in die großen, vielbesuchten Dresdner Hütte. Boom auslöst“, wundert Gustav sich noch Sonne. Moränen erinnern daran, dass Egal wie man es dreht und wendet, auf heute. Noch mehr freut er sich allerdings einst der Grawandferner unter der Ruder- der Etappe zur Hildesheimer Hütte berührt über den im Sommer 2019 fertiggestellten hofspitze bis unter den Sattel reichte. Der man zwangsläufi g das Anbau mit neuen Zwei- Stubaier Höhenweg führt hier durch eine Skigebiet des Stubaier Gar nicht mehr er- und Dreier-Zimmern. ewiges Eis von Eis geformte Landschaft. Mit jedem Gletschers. Auch ohne „Die Zahl der Schlaf- Meter bergab wird es grüner, alle paar Skibetrieb zieht es in plätze hat sich nicht er- Meter plätschert Wasser, und wer einen diesen heißen Sommern höht“, erzählt Gustav, wirklich idyllischen Platz aufsuchen viele Urlauber in kühlere „wir haben jetzt weniger möchte, der sollte keinesfalls den kurzen Höhen, wo die Temperaturen zwar erträg- Lager, aber dafür etwas mehr Komfort.“ Gegenanstieg zum Mutterberger See ver- lich, dafür die Aussichten gar nicht rosig Davon profitieren auch die Wirtsleute. „In säumen. Nach einem anstrengenderen sind. Als Skifahrer kennt und schätzt man unserem alten Zimmer haben wir jeden den Stubaier Gletscher, doch wer am Ende 42 DAV 2/2020
Stubai & Ötztal Einladend: Die Stuben und der traumhafte Wiesenboden gleich hinter der Neuen Regensburger Hütte. Verbindend: Wer rastet, der findet schnell Freunde. DAV 2/2020 43
Ton gehört – und jetzt im Neubau genie- ßen wir die Ruhe.“ Die genießen wir auch. Beim Übergang zur Siegerlandhütte sind wir erst einmal komplett allein unterwegs. Zumindest fast, denn beim Anstieg zum Gamsplatzl ent- decken wir Steinböcke, die uns neugierig beobachten. Über vom Gletscher glattge- schliffene Felsrücken und viel Geröll errei- chen wir den Übergang – und freuen uns über neue Ausblicke. Eindrucksvoll die Sonklarspitze mit ihrem Hängegletscher und dem immer noch großen Triebenkar- lasferner, wunderschön der Triebenkarsee, faszinierend das Gletschervorfeld, in dem die Vegetation langsam Fuß fasst. Wer flott unterwegs ist, der braucht nur gut drei Stunden zur Siegerlandhütte. Zu wenig für eine Tagesetappe, doch Raimund Gritsch beruhigt. „Die meisten brauchen länger“, 44 DAV 2/2020
Stubai & Ötztal Lange Abstiege auf dem Weg ins Ötztal: von der Siegerlandhütte (l.o.) hinaus ins Windachtal und zum Finale vom Brunnen- kogelhaus nach Zwieselstein (r.). das Regenwasser ist etwas zu klein.“ Das Haus bietet Platz für 24 Personen, doch für den Hüttenwirt ist das ausreichend. „Wenn du größer bist, dann ist jeder Gast eine Nummer“, sagt er. „Mir ist lieber, du kannst mit jedem reden.“ Eine Übernachtung auf dem Brunnen- kogelhaus ist der abschließende Höhe- punkt der Tour vom Stubai ins Ötztal. Der weiß der Hüttenwirt, „außerdem gibt es wir die nächsten. Damit ist die Entschei- Rundblick ist grandios – und die Stim- mit dem Scheiblehnkogel noch einen loh- dung gefallen, wir schaffen Platz im Ruck- mungen einmalig. Auch für Martin: „Man nenden Gipfel.“ Als Bergführer war Rai- sack und halten beim weiteren Anstieg die meint, nach 13 Jahren hast du bereits alles mund schon immer viel auf Hütten unter- Augen offen. wegs, als Pächter lernt er die andere Seite Mit der Schwammerlsuche geht die Zeit kennen – und wundert sich über die Er- schnell vorbei, und schon erreichen wir wartungshaltung einiger Gäste. „Auf der die letzten Zirben und damit die Wald- einen Seite suchen sie die Ruhe und Ein- grenze. Kurz darauf müssen wir uns ent- samkeit – und dann fragen sie nach WLAN. scheiden: entweder auf direktem Weg zum Und beschweren sich über fehlende Steck- Brunnenkogel oder mit einem Umweg dosen oder über Zimmer ohne Licht.“ zum Wannenkarsee. Der zählt zu den Der nächste Tag beginnt ungewohnt. schönsten Bergseen Tirols und erinnert gesehen“, schwärmt er, „aber es gibt im- Statt bergauf geht es erst einmal bergab, mit seiner Färbung eher an die Karibik. mer wieder spezielle Momente.“ So wie hinaus ins kilometerlange Windachtal. Sanfte Wiesen umgeben den See auf der diesen Abend, an dem sich ringsum die Schöner wäre es natürlich, wenn man einen Seite, während gegenüber mächtige Gewitter entladen und Regenschauer oben entlanglaufen könnte. Damit wäre Blockfelder und sogar ein Blockgletscher wie Vorhänge den Ausblick verhüllen – auch eine großartige Umrundung des bis zum Ufer reichen. Daneben zeigt sich während am Brunnenkogel kein einziger Windachtales möglich – und die Sieger- das Gelände gut gangbar, und so steigen Tropfen fällt. Mit Blick auf die Ötztaler landhütte läge nicht mehr ab- wir weglos hinauf zur Wilden Dreitausender steigen wir anderntags ab Grandioser seits, sondern im Zentrum Rötespitze – und genießen von und wählen bei der malerischen Brun- mehrerer Wanderwege. Doch dem fast 3000 Meter hohen nenbergalm einen kleinen, aber lohnen- Tiefblick ins Ötztal das ist ein Wunschgedanke, Gipfel einen grandiosen Tief- den Umweg. Hoch über dem Talboden und so steigen auch wir ab blick ins Ötztal. Der weitere quert der Steig wie eine Promenade die und wechseln gefühlt vom Weg ist klar vorgegeben: Im- Hänge, ehe es bei Zwieselstein ein letztes Berg ins Tal. Umso schwieriger mer dem Kamm nach geht es Mal bergab geht und wir bei der Talher- ist es, sich noch einmal zu motivieren für im Auf und Ab zum Brunnenkogel, auf berge, einer Selbstversorgerhütte der Sek- den kraftraubenden Anstieg zum Brun- dem in einmaliger Lage das Brunnenko- tion Regensburg, die Tour beenden. Und nenkogelhaus. Steil führt der Steig durch gelhaus thront. Bereits seit dem Jahr 1888 froh sind, dass die Beine endlich Pause ha- den Zirbenwald, der angenehmen Schat- steht auf dem Gipfel ein Schutzhaus. Das ben; zurück ins Stubai geht es ganz ent- ten spendet – und so manche Versuchung alte Steingebäude wurde im Sommer 2007 spannt mit Bus und Bahn. bereithält. Gleich neben dem Steig entde- von der Familie Gstrein durch eine cken wir die ersten Steinpilze. Noch wäh- neue, moderne Holzhütte ersetzt. „Wir Die Um- und Anbauten auf der Neu- rend wir überlegen, ob sie die letzte Etappe haben die Hütte zu 98 Prozent perfekt en Regensburger und der Hildes- heimer Hütte fi ndet Stefan Herbke im Rucksack heil überleben, entdecken gebaut“, freut sich Martin Gstrein (bergsuechtig.de) gut gelöst – für noch heute, „nur der Wassertank für die Gäste wie für die Wirtsleute. DAV 2/2020 45
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