Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession: Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

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Der österreichische Arbeitsmarkt in der
großen Rezession: Entwicklungen und
wirtschaftspolitische Maßnahmen
    Ab Mitte 2008 begann sich die Arbeitsmarktlage in Österreich im Zuge der internationalen                        Alfred Stiglbauer1
    Finanz- und Wirtschaftskrise zu verschlechtern. Dabei handelte es sich um eine der stärksten
    krisenhaften Episoden auf dem österreichischen Arbeitsmarkt in der Zweiten Republik. Gegeben
    die Stärke des Rückgangs der realen Wirtschaftsleistung waren die Auswirkungen jedoch
    überraschend gering. Der Grund dafür lag im Rückgang der gesamten Arbeitsstunden, der
    wesentlich stärker ausfiel als die Reduktion der Beschäftigung in Personen. Die Verringerung
    der Arbeitszeit war viel markanter, als dass sich dies nur durch die Kurzarbeit erklären lässt.
         Im internationalen Vergleich gibt es Unterschiede, inwieweit in einzelnen Ländern die
    Beschäftigung in Personen bzw. die Arbeitsstunden je Beschäftigten reduziert wurden. Öster-
    reich gehört mit Deutschland zu jenen Ländern, in denen die Arbeitszeit je Beschäftigten am
    stärksten zurückging; dies ermöglichte es, dass mehr Personen in Beschäftigung verblieben.
    Seit einigen Monaten verbessert sich die Arbeitsmarktsituation in Österreich wieder. Aber die
    Arbeitslosenzahlen und die Anzahl der AMS-Schulungsteilnehmer sind immer noch höher als
    vor der Krise. Bei der Beschäftigung wurde das Vorkrisenniveau ebenfalls noch nicht erreicht.

Im Zuge des durch die internationale                       Blickwinkeln dargestellt. Neben der
Finanzkrise ausgelösten Konjunktur-                        Entwicklung von Beschäftigung und
einbruchs schrumpfte im Jahr 2009 die                      Arbeitslosigkeit werden auch Verände-
Weltwirtschaft erstmals seit der Welt-                     rungen der Arbeitszeit dargestellt. Darü-
wirtschaftskrise 1929 bis 1933. Auch                       ber hinaus wird ein internationaler Ver-
in Österreich kam es zum stärksten                         gleich angestellt und auf die Entwick-
Wachstumseinbruch der Zweiten Repu-                        lung der letzten Monate eingegangen.2
blik: 2009 ging das reale BIP um 3,9 %                         Die vorliegende Studie gliedert sich
zurück, gemessen am Vorquartal war                         wie folgt: Kapitel 1 stellt die Lage auf
der Einbruch im ersten Quartal 2009                        dem Arbeitsmarkt zum Zeitpunkt des
am stärksten (–2,1 %). Angesichts die-                     Höhepunkts der Krise dar – zu Som-
ses dramatischen Wachstumseinbruchs                        merbeginn bzw. im zweiten Quartal
erscheint der Begriff „große Rezession“                    2009. Es wird gezeigt, wie stark sich
durchaus gerechtfertigt (im Folgenden                      die Beschäftigung reduziert und die
wird aber zumeist einfach von „der                         Arbeitslosigkeit erhöht hat. Ein Ver-
Krise“ gesprochen).                                        gleich mit früheren Perioden zeigt, dass
    Der österreichische Arbeitsmarkt                       es zwar eine schwere Krise, aber nicht
reagierte ziemlich rasch auf diese Vor-                    die schwerste Krise auf dem österrei-
gänge. In der vorliegenden Studie                          chischen Arbeitsmarkt in der Zweiten
werden die Folgen der Rezession auf                        Republik war, vor allem, wenn man
den Arbeitsmarkt aus verschiedenen                         bedenkt, dass es sich um den stärksten
1
    Oesterreichische Nationalbank, Abteilung für volkswirtschaftliche Analysen, alfred.stiglbauer@ oenb.at. Der
    Autor dankt dem Gutachter und Walpurga Köhler-Töglhofer für eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen und
    Korrekturen. Redaktionsschluss: 31. Juli 2010.                                                                  Wissenschaftliche
2
    Die vorliegende Studie kann lediglich eine grobe Skizze der Geschehnisse auf dem Arbeitsmarkt liefern. Einen    Begutachtung:
    allgemeinen Überblick über die makroökonomischen Auswirkungen der großen Rezession und die nachfolgende         Andreas Buzek,
    Erholung der österreichischen Wirtschaft bieten Ragacs und Vondra (2009, 2010) sowie Scheiblecker (2010). Vor   Bundesministerium
    einem Dreivierteljahr erschien bereits ein Bericht zum österreichischen Arbeitsmarkt in der Krise (Mahringer,
    2009). Dessen Schwerpunkte sind jedoch anders gesteckt als in der vorliegenden Arbeit. Ausführliche Arbeits-    für Arbeit, Soziales
    marktstatistiken und -auswertungen zum Krisenjahr 2009 finden sich in AMS (2010a) und BMASK (2010).             und Konsumenten-
    Hinweise zu international vergleichender Literatur finden sich in Kapitel 3.                                    schutz

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Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession:
Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

                          Wachstumseinbruch seit der Weltwirt-                        Wirtschaftswachstums an und Kurz-
                          schaftskrise 1929 gehandelt hat. Kapi-                      fristprognosen für die Wirtschafts-
                          tel 2 widmet sich den Gründen, warum                        tätigkeit, wie z. B. der Konjunkturindi-
                          im Vergleich zum Ausmaß des Wachs-                          kator der Oesterreichischen National-
                          tumseinbruchs die Folgen für den                            bank (OeNB), wurden von Mal zu Mal
                          Arbeitsmarkt relativ gemäßigt verlau-                       nach unten revidiert. Grafik 1 (rechte
                          fen sind. Dazu gehören Maßnahmen                            Abbildung) zeigt die tatsächliche Wirt-
                          der aktiven Arbeitsmarktpolitik, wie                        schaftsentwicklung anhand der (mit
                          Schulungen des AMS und die Kurz-                            Verzögerung veröffentlichten) Werte
                          arbeit. Es wird aber auch gezeigt, dass                     aus der Volkswirtschaftlichen Gesamt-
                          das Ausmaß der Stundenreduktion be-                         rechnung (VGR). Das Wachstum des
                          trächtlich war. In Kapitel 3 werden die                     realen BIP verringerte sich im zweiten
                          Entwicklungen in Österreich in eine                         Quartal 2008 gegenüber dem Vorquar-
                          internationale Perspektive gesetzt. Die                     tal, um in den darauf folgenden Quar-
                          Veränderung der Arbeitsmarktlage in                         talen einen dramatischen Einbruch zu
                          den EU-Staaten war äußerst heterogen.                       erleben. Auch die Meldungen im Rah-
                          Dies liegt einerseits daran, dass der                       men des Frühwarnsystems des Arbeits-
                          Wachstumseinbruch nicht in allen EU-                        marktservice (AMS) deuteten auf einen
                          Mitgliedstaaten gleich dramatisch war.                      bevorstehenden Anstieg der Arbeitslosig-
                          Andererseits gibt es aber auch Unter-                       keit hin: Die beabsichtigten Kündigungen
                          schiede im Ausmaß, in dem sich Be-                          stiegen im Vorjahresvergleich an und
                          schäftigung (gemessen in Personen)                          nahmen im Sommer 2008 deutlich zu
                          und Arbeitszeit verändert haben. Kapi-                      (Grafik 1, linke Abbildung).3 Die Ent-
                          tel 4 zeigt auf, dass sich die Arbeits-                     wicklung der tatsächlichen Arbeitslosig-
                          marktlage in Österreich seit Mitte des                      keit folgte den Vorwarnungen mit einer
                          Jahres 2009 verbessert hat, jedoch noch                     Verzögerung von wenigen Monaten.
                          keineswegs das Vorkrisenniveau hin-                             Als im dritten Quartal 2008 die
                          sichtlich Beschäftigung und Arbeits-                        österreichische Wirtschaft zu schrump-
                          losigkeit erreicht ist. In Kapitel 5 wird                   fen begann, war die Lage auf dem
                          eine Zusammenfassung geboten und                            Arbeitsmarkt noch gut. Im Folgequar-
                          Schlussfolgerungen gezogen.                                 tal trat jedoch auch hier eine deutliche
                                                                                      Verschlechterung ein. Grafik 2 (linke
                          1 Beschäftigung und Arbeitslosig-                           Abbildung) zeigt die Entwicklung an-
                            keit am Höhepunkt der Krise                               hand monatlicher Registerdaten, das
                          1.1 Rapide Verschlechterung der                             heißt die Beschäftigungs- bzw. Arbeits-
                              Arbeitsmarktlage ab Mitte 2008                          losenzahlen und gemeldeten offenen
                          Spätestens Mitte 2008 mehrten sich die                      Stellen, die vom Hauptverband der
                          Anzeichen für eine Verschlechterung                         Sozialversicherungsträger – HSV) bzw.
                          auf dem Arbeitsmarkt. Vorlaufindikato-                      AMS jeweils zu Monatsende veröffent-
                          ren kündigten einen Einbruch des                            licht werden. Die zeitliche Darstellung
                          3
                              Laut einer Bestimmung des Arbeitsmarktförderungsgesetzes sind Betriebe ab einer Größe von 20 Arbeitnehmern
                              verpflichtet, mindestens 30 Tage vor dem Aussprechen der Kündigung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern,
                              dies dem AMS zu melden. Die Werte für die betroffenen Arbeitnehmer schwanken saisonal stark. Daher werden in
                              Grafik 1 Veränderungen im Jahresabstand dargestellt. Auch die dadurch gewonnenen Zahlen weisen noch eine
                              beträchtliche Fluktuation auf; aufgrund von unregelmäßigem Saisonverlauf und Meldeverhalten schwankt das
                              Timing der eingehenden Meldungen. Außerdem gibt es das Problem, dass Unternehmen in aufeinanderfolgenden
                              Monaten teilweise für dieselben Personen Meldungen abgeben und diese Mehrfachmeldungen in den Daten nicht
                              identifiziert werden können. Deshalb wurde die Reihe für Grafik 1 mithilfe zentrierter, gleitender Drei-Monats-
                              Mittelwerte geglättet.

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Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession:
                                                                                                                                           Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

                                                                                                                                                                   Grafik 1

Vorboten der Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation
AMS-Frühwarnsystem und Entwicklung                                                                            Entwicklung des realen BIP
der Arbeitslosigkeit
Veränderung zum Vorjahr                                                      Veränderung zum Vorjahr          Wachstum gegenüber Vorquartal in %
    8.000                                                                                            80.000    2

    6.000                                                                                            60.000    1
    4.000                                                                                            40.000
                                                                                                               0
    2.000                                                                                            20.000
                                                                                                              –1
       0                                                                                                 0
                                                                                                              –2
–2.000                                                                                              –20.000

–4.000                                                                                              –40.000   –3
            Jän. 08

                      März 08
                                Mai 08

                                         Juli 08
                                                   Sep. 08

                                                             Nov. 08
                                                                       Jän. 09

                                                                                 März 09
                                                                                           Mai 09

                                                                                                                   Q1 08     Q2 08     Q3 08       Q4 08   Q1 09   Q2 09

                      Arbeitslose (rechte Achse)
                      Angemeldete Kündigungen (linke Achse)

Quelle: AMS, OeNB.

reicht von Anfang 2008 bis zum Höhe-                                                                          Stellen war bereits im Großteil des Jah-
punkt4 der krisenhaften Situation auf                                                                         res 2008 leicht negativ gewesen. Auch
dem Arbeitsmarkt im Juni 2009. Der                                                                            hier trat zu Beginn des Jahres 2009
üblichen Praxis folgend, werden Verän-                                                                        eine deutliche Verschlechterung ein.
derungen im Jahresabstand gemessen.                                                                           Die Arbeitslosenzahlen stiegen im Jah-
    Das Beschäftigungswachstum lag in                                                                         resvergleich ab Jahresende 2008. Die
der ersten Jahreshälfte 2008 bei rund                                                                         Zunahme im Juni 2009 betrug knapp
80.000 Personen, was rund 2,3 % der                                                                           60.000, das heißt in ähnlicher Größen-
unselbstständigen Beschäftigung ent-                                                                          ordnung wie die Veränderungen der
spricht. Im dritten und vierten Quartal                                                                       unselbstständigen Beschäftigung.
2008 verlangsamte sich das Beschäfti-                                                                             Grafik 2 (rechte Abbildung) zeigt
gungswachstum beträchtlich und war                                                                            die Entwicklung anhand der Umfrage-
ab Jahresbeginn 2009 negativ. Im Juni                                                                         daten aus der Eurostat-Arbeitskräfteer-
2009 betrug der Rückgang der unselbst-                                                                        hebung (Mikrozensus) vom Jahres-
ständigen Beschäftigung rund 60.000                                                                           beginn 2008 bis zum zweiten Quartal
Beschäftigungsverhältnisse gegenüber                                                                          2009. Wegen der deutlichen konzep-
dem Vorjahresmonat (knapp –1,9 %).                                                                            tionellen Unterschiede5 zwischen den
Das Wachstum des Bestands an offenen                                                                          Registerdaten und der Arbeitskräfteer-
4
     Die Annahme, den „Höhepunkt“ der Krise auf dem Arbeitsmarkt im Juni 2009 zu sehen, ist eine Vereinfachung,
     die dazu dient, zu verhindern, dass durch ständige Variation des Zeitfensters der Betrachtung Verwirrung erzeugt
     wird; nicht alle Datenreihen verlaufen synchron. So wurde der höchste Zuwachs im Jahresabstand bei den Arbeits-
     losenzahlen Ende März 2009 gemessen, bei den Beschäftigtenzahlen Ende August 2009. Die saisonbereinigte
     Reihe der Registerarbeitslosenquote erreichte ihr Maximum im September 2009. Bezüglich der Messfragen wird
     auf den Anhang dieser Studie verwiesen.
5
     Ein Grund für den günstigeren Verlauf der Beschäftigung laut Mikrozensus ist, dass auch Beschäftigungsverhält-
     nisse in geringem Stundenausmaß erfasst sind. Laut Daten des HSV ging im Zuge der Krise das Wachstum der
     geringfügigen Beschäftigung zwar zurück, blieb jedoch im Verlauf der gesamten Krise positiv; die geringfügig
     Beschäftigten sind aber nicht in der – normalerweise – betrachteten Registerbeschäftigung enthalten. Die unter-
     schiedliche Entwicklung zwischen unselbstständiger Beschäftigung und Gesamtbeschäftigung in Grafik 2 (rechte
     Abbildung) erklärt sich daraus, dass die Selbstständigenzahlen relativ stärker zurückgingen als die Anzahl der
     unselbstständig Beschäftigten.

GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/10                                                                                                                                                              29
Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession:
Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

                                                                                                                                                                               Grafik 2

Rasche Verschlechterung der Arbeitsmarktlage ab Jahresmitte 2008
Monatsdaten von Sozialversicherung und AMS                                                                               Quartalsdaten aus der Arbeitskräfteerhebung
Veränderung zum Vorjahresmonat                                                          Veränderung zum Vorjahresmonat   Veränderung zum Vorjahresquartal
100.000                                                                                                        25.000    100.000

 80.000                                                                                                        20.000     80.000

 60.000                                                                                                        15.000     60.000

 40.000                                                                                                        10.000     40.000

 20.000                                                                                                         5.000     20.000

       0                                                                                                            0          0

–20.000                                                                                                        –5.000    –20.000

–40.000                                                                                                       –10.000    –40.000

–60.000                                                                                                       –15.000    –60.000

–80.000                                                                                                       –20.000    –80.000
                                                                                                                                   Q1 08     Q2 08    Q3 08    Q4 08   Q1 09   Q2 09
                                                                              Jän. 09
                                                                    Nov. 08
               Jän. 08

                                                                                         März 09
                                                          Sep. 08
                         März 08

                                                                                                   Mai 09
                                   Mai 08

                                                Juli 08

                  Registerbeschäftigung (linke Achse)                                                                                  Beschäftigte insgesamt
                  Vorgemerkte Arbeitslose (linke Achse)                                                                                Unselbstständig Beschäftigte
                  Offene Stellen (rechte Achse)                                                                                         Arbeitslose

Quelle: HSV, AMS, Statistik Austria.

                                            hebung weichen die Größenordnungen                                           können, wie sich die gegenwärtige Lage
                                            manchmal ab; qualitativ ergibt sich je-                                      zur Vorkrisensituation darstellt.
                                            doch eine ähnliche Entwicklung für                                               Die Anzahl der Arbeitslosen stieg
                                            Beschäftigung und Arbeitslosigkeit.                                          um 57.000. Dazu kommt noch ein
                                                                                                                         Zuwachs bei den Personen in Schulun-
                                            1.2 Betroffenheit nach Sektoren und                                          gen des AMS um knapp 16.000. Ein
                                                Personengruppen                                                          Großteil dieses Arbeitslosenanstiegs ist
                                            Tabelle 1 zeigt die Entwicklung einzel-                                      auf wenige Sektoren zurückzuführen.
                                            ner Sektoren im Vergleich zu den ag-                                         Allein in der Sachgütererzeugung
                                            gregierten Zahlen zu Beschäftigung                                           wuchs die Arbeitslosigkeit um 15.000
                                            und Arbeitslosigkeit bis zum Höhe-                                           Personen. Besonders betroffen waren
                                            punkt der Krise.6 Der zeitliche Rah-                                         dabei die Metallwarenindustrie sowie
                                            men der Darstellung – vom Beginn der                                         der Maschinen- und Fahrzeugbau.
                                            Krise bis zu ihrem Höhepunkt – reicht                                        Stark war der Anstieg der Anzahl der
                                            von Ende Juni 2008 bis Ende Juni 2009.                                       Arbeitslosen auch im Bauwesen, im
                                            Für die Daten aus der Arbeitskräfteer-                                       Gastgewerbe und insbesondere im
                                            hebung wird die Veränderung im zwei-                                         Handel und in der Arbeitskräfte-
                                            ten Quartal 2009 gegenüber dem Vor-                                          überlassung, wobei letzterer Sektor zu
                                            jahresquartal herangezogen. In Kapi-                                         einem Großteil Beschäftigte an den
                                            tel 4 (Tabelle 4) wird in analoger Weise                                     Sachgütersektor vermittelt.
                                            die Zeit von Ende Juni 2008 bis Ende                                             Der starke Beschäftigungsrückgang
                                            Juni 2010 betrachtet, um beurteilen zu                                       in der Sachgütererzeugung (rd. –42.000)

                                            6
                                                Die Zuordnung der Arbeitslosen zu Branchen richtet sich nach jenem Wirtschaftszweig, in dem der Arbeitslose
                                                zuletzt tätig war.

30                                                                                                                                       GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/10
Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession:
                                                                                                         Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

und in der Arbeitskräfteüberlassung                                        es aber auch einige Sektoren, deren Be-
(–18.000) ist besonders augenfällig. In                                    schäftigung kräftig wuchs. Neben den
der Leiharbeit ist die Beschäftigung                                       Finanzdienstleistungen (knapp 5.000)
relativ (mit –23 %) am stärksten zu-                                       kam es im Unterrichtswesen, im Ge-
rückgegangen. Die betroffenen Arbeit-                                      sundheits- und im Sozialbereich zu Be-
nehmer sind im Vergleich zur Stamm-                                        schäftigungszuwächsen zwischen 4.000
belegschaft in den Unternehmen schlech-                                    und 7.000.
ter gestellt (schlechtere Bezahlung und                                        Laut Arbeitskräfteerhebung kam es
geringere Sozialleistungen) und tragen                                     zu einer Veränderung der tatsächlich
auch ein größeres Arbeitsplatzrisiko                                       geleisteten Arbeitsstunden von –5,2 %
(vgl. OECD, 2010). In Summe ist die                                        (ohne Selbstständige). Die Arbeitszeit-
Beschäftigung in diesen beiden Bran-                                       reduktion war somit deutlich stärker
chen etwa im gleichen Ausmaß zurück-                                       als die Reaktion der Beschäftigung
gegangen wie in der Gesamtwirtschaft.                                      (–1,8 %). Die beiden für Österreich
Markante Beschäftigungsrückgänge gab                                       gebräuchlichen Arbeitslosenquoten ver-
es auch im Bauwesen und im Handel.                                         änderten sich absolut in ähnlichem
    In dieser Zeit der allgemeinen Ver-                                    Maß: Register- bzw. Eurostat-Quote
schlechterung der Arbeitsmarktlage gab                                     stiegen um 1,5 bzw. 1,6 Prozentpunkte.

                                                                                                                                Tabelle 1

Verschlechterung der Arbeitsmarktlage bis zum Höhepunkt der Krise
                                                                      Veränderung zwischen Juni 2008 und Juni 2009

                                                                                            Arbeitslosigkeit        Unselbstständige
                                                                                                                    Beschäftigung

Registerdaten
Gesamt absolut (in Personen bzw.
Beschäftigungsverhältnissen1)                                                                             56.945              –60.617
Gesamt relativ (in %)                                                                                       31,9                 –1,8
Personen in AMS-Schulungen                                                       15.773
Offene Stellen                                                                  –16.659

Ausgewählte Sektoren:                                                                       in Personen
Sachgütererzeugung                                                                                        15.273              –42.614
Bauwesen                                                                                                   4.467               –5.720
Handel                                                                                                     8.056              –10.664
Beherbergung und Gastronomie                                                                               5.123               –2.830
Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften                                                             7.528              –18.154
Finanzdienstleistungen                                                                                       256                4.880
Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung                                                     502               –3.358
Erziehung und Unterricht                                                                                     649                4.466
Gesundheitswesen                                                                                             229                5.740
Sozialwesen                                                                                                1.568                7.052
Arbeitskräfteerhebung2
Gesamt absolut (in Personen)                                                                              53.000                      0
Gesamt relativ (in %)                                                                                        36,4                   0,0
Arbeitsstunden je Quartal (in %)                                                    –5,2

Arbeitslosenquote                                                     in Prozentpunkten
Registerquote                                                                         1,5
Eurostat-Quote                                                                        1,6

Quelle: BMASK, Statistik Austria.
1
    Unselbstständige Beschäftigungsverhältnisse ohne Bezieher von Karenz- und Kindergeld.
2
    Vergleich Q2 09 mit Q2 08.

GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/10                                                                                                                            31
Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession:
Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

                              Hinsichtlich der betroffenen Perso-                    keit. Kriterium (1) bedeutet – zuge-
                          nengruppen sei auf Mahringer (2009),                       gebenermaßen etwas willkürlich –
                          Scheiblecker (2010), AMS (2010a) und                       eine Beschränkung auf „signifikante“
                          BMASK (2010) verwiesen. Männer                             Arbeitsmarktkrisen. Kriterium (2)
                          waren wegen der starken Konzentra-                         dient dazu, Perioden zu selektieren,
                          tion auf den Sachgütersektor von der                       in denen es einen Rückgang der
                          Krise stärker betroffen als Frauen. Aus-                   Arbeitsnachfrage gegeben hat. Im Zuge
                          ländische Arbeitskräfte wurden von                         des zuwanderungsbedingten Angebots-
                          der Verschlechterung der Arbeits-                          schocks auf dem Arbeitsmarkt zu
                          marktlage zwar schneller getroffen als                     Beginn der 1990er-Jahre gab es par-
                          inländische, letztendlich aber (relativ                    allel zum Anstieg der Arbeitslosigkeit
                          gesehen) nicht stärker. Jugendliche                        ein beträchtliches Beschäftigungs-
                          Arbeitnehmer waren vom Beschäfti-                          wachstum.
                          gungsrückgang und von steigender                               Die zeitliche Bestimmung der
                          Arbeitslosigkeit mehr betroffen als                        Arbeitsmarktkrisen erfolgt ebenfalls
                          Arbeitnehmer im Haupterwerbsalter                          auf simple Weise: Als Beginn wird der
                          oder Ältere.                                               erste Monat festgelegt, in dem die An-
                                                                                     zahl der Arbeitslosen im Jahresabstand
                          1.3 Historisch betrachtet eine                             zunimmt, als Ende jener Monat, in dem
                              schwere, aber nicht außer-                             die Veränderungen der Arbeitslosigkeit
                              gewöhnliche Krise                                      wieder negativ werden (oder nahezu
                          Die jeweils zum Monatsende veröffent-                      null sind).7 Für die Beschäftigungs-
                          lichten Registerdaten vom HSV und                          reihen wird die gleiche zeitliche
                          AMS liegen – im Gegensatz zu den                           Abgrenzung verwendet wie für die
                          Daten aus der VGR und zu Umfrage-                          Arbeitslosenzahlen. Grafik 3 stellt die
                          daten – bis fast zum Beginn der Zwei-                      Datenreihen für insgesamt sieben
                          ten Republik vor. Deshalb erlauben                         Arbeitsmarktkrisen in der Zweiten
                          diese Daten einen Vergleich der jüngs-                     Republik dar.
                          ten Rezession mit der Beschäftigten-                           Die linke (Arbeitslosigkeit) und
                          und der Arbeitslosigkeitsentwicklung                       die rechte Abbildung (Beschäftigung)
                          in früheren Phasen, in denen sich                          in Grafik 3 sind beinahe spiegelbild-
                          die Arbeitsmarktsituation markant ver-                     lich. Die Beschäftigungsveränderung
                          schlechtert hat.                                           ist allerdings häufig größer, was auf
                              Um eine Auswahl unter den krisen-                      einen Rückgang des Arbeitsangebots
                          haften Episoden auf dem Arbeitsmarkt                       schließen lässt (siehe dazu auch Ab-
                          zu treffen, werden die folgenden Krite-                    schnitt 1.4).
                          rien angewandt: (1) Der höchste An-                            Es zeigt sich, dass die jüngste
                          stieg der Arbeitslosigkeit muss mindes-                    Arbeitsmarktkrise – sowohl von ihrem
                          tens 1 % der unselbstständigen Ge-                         Ausmaß (gemessen am höchsten bzw.
                          samtbeschäftigung ausmachen. (2) Der                       tiefsten Punkt) als auch von ihrer Länge
                          höchste Rückgang der Beschäftigung                         gesehen – im oberen Bereich liegt. Der
                          muss zumindest halb so groß gewesen                        Anstieg der Arbeitslosigkeit war aller-
                          sein wie die Zunahme der Arbeitslosig-                     dings in der Krise zu Beginn der

                          7
                              Diese simple Methode der Datierung verzerrt allerdings die zeitliche Dimension (siehe dazu den Anhang). Zudem
                              hat auch der die ausgewiesene Registerarbeitslosigkeit dämpfende Effekt der Ausweitung von AMS-Schulungen
                              (allerdings nicht sehr große) Auswirkungen auf die so berechnete Dauer der Arbeitsmarktkrise. Die Schulungs-
                              zahlen liegen allerdings erst seit 1998 vor und werden daher nicht berücksichtigt.

32                                                                                                GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/10
Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession:
                                                                                                      Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

                                                                                                                                 Grafik 3

Entwicklung in ausgewählten Arbeitsmarktkrisen
Arbeitslosigkeit                                                       Beschäftigung
Veränderung zum Vorjahr                                                Veränderung zum Vorjahr
120.000                                                                  30.000

105.000                                                                  15.000

    90.000                                                                    0

    75.000                                                              –15.000

    60.000                                                              –30.000

    45.000                                                              –45.000

    30.000                                                              –60.000

    15.000                                                              –75.000

        0                                                               –90.000

–15.000                                                                –105.000

–30.000                                                                –120.000
             1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 2527 29 31 33 3537 39 41              1 3 5 7 9 11 1315 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 3739 41
             Monat                                                                Monat
                  Februar 1952 bis Oktober 1953            November 1962 bis November 1963              Jänner 1975 bis April 1976
                  Oktober 1980 bis April 1984              Juli 1995 bis November 1996                  Mai 2001 bis April 2003
                  November 2008 bis März 2010

Quelle: AMS, HSV.

1950er-Jahre wesentlich größer. In den                                 16 Monate, von November 2008 bis
rezessiven Phasen Anfang der 1980er-                                   März 2010.8
Jahre und zu Beginn dieses Jahrtau-                                        Alle genannten Episoden der Zwei-
sends kam es zu einem vergleichbaren                                   ten Republik nehmen sich im Vergleich
Anstieg der Arbeitslosigkeit; in beiden                                zur Entwicklung während der Welt-
Fällen dauerte es aber länger (1980 bis                                wirtschaftskrise der 1930er-Jahre klein
1984 sogar wesentlich länger), bis                                     aus. Zwar war die Zunahme der
Beschäftigung bzw. Arbeitslosigkeit                                    Arbeitslosigkeit von 1929 bis 1930 mit
wieder Zuwächse bzw. Abnahmen im                                       75.000 Personen von nicht viel größe-
Jahresabstand verzeichneten.                                           rer Dimension als 2008/09. Bis 1933
    Grafik 3 zeigt weiters deutlich, dass                              kam es aber zu einem weiteren Anstieg
der Anstieg der Arbeitslosigkeit in der                                um 315.000 Personen, was insgesamt
Krise 2008 bis 2010 sehr steil war: In-                                etwa einer Verdoppelung der Arbeits-
nerhalb weniger Monate nahm die                                        losenzahlen gleichkam; die Arbeits-
Arbeitslosigkeit rapide zu. Fast ebenso                                losenquote kletterte auf über 27 %.9
rasch ging die Arbeitslosigkeit aber                                   Weiters ging die Arbeitslosigkeit in den
zurück, als die Krise abklang. Nach                                    darauffolgenden Jahren nur geringfügig
der gewählten Abgrenzung dauerte sie                                   zurück (Mitchell, 2000).

8
     Ähnlich wie bereits zu Beginn der Krise signalisierte der Indikator aus dem AMS-Frühwarnsystem auch den Rück-
     gang der Arbeitslosigkeit im Vorhinein.
9
     Bevölkerung und Arbeitsangebot waren damals wesentlich kleiner.

GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/10                                                                                                                         33
Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession:
Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

                          1.4 Geringe Effekte auf Beschäf-                          zufolge hätte die Arbeitslosenquote ein
                              tigung und Arbeitslosigkeit                           wenig stärker steigen müssen, die Dif-
                          Gemessen an Arbeitslosigkeit und                          ferenz beträgt nur knapp 0,3 Prozent-
                          Beschäftigung war die Entwicklung                         punkte.
                          zwar von beträchtlicher Größenord-                            Es gibt jedoch gute Gründe, nicht
                          nung, aber gemessen an dem dramati-                       die Arbeitslosenquote zu betrachten, da
                          schen Einbruch der Realwirtschaft im                      die Arbeitslosigkeit in der Regel nur
                          Zuge einer schweren Rezession verlie-                     abgeschwächt auf Konjunkturbewe-
                          fen die Entwicklungen auf dem öster-                      gungen reagiert. Der Grund liegt
                          reichischen Arbeitsmarkt erstaunlich                      darin, dass sich in einer Rezession typi-
                          milde.                                                    scherweise auch das Arbeitsangebot
                              Welche Entwicklung wäre zu er-                        reduziert. Manche Menschen ziehen
                          warten gewesen, wenn Beschäftigung                        sich aufgrund der schlechten Aussich-
                          und Arbeitslosigkeit gemäß den Er-                        ten auf einen Job aus dem Arbeitsmarkt
                          fahrungen der Vergangenheit auf                           zurück, andere scheinen nicht in den
                          Schwankungen des Wirtschaftswachs-                        Arbeitslosenzahlen auf, weil sie an Aus-
                          tums reagiert hätten? Grafik 4 ver-                       und Weiterbildungen im Rahmen der
                          sucht, darauf auf einfache Weise eine                     aktiven Arbeitsmarktpolitik des AMS
                          Antwort zu geben; dabei werden                            teilnehmen.10 In beiden Fällen sind die
                          Jahresdaten verwendet. Die linke Ab-                      Betreffenden nicht mehr Teil des
                          bildung zeigt ein Streudiagramm von                       Arbeitsangebots, das heißt weder be-
                          Wirtschaftswachstum und Verände-                          schäftigt, noch arbeitslos.
                          rung der Registerarbeitslosenquote im                         Dies legt nahe, die Stärke der Arbeits-
                          Zeitraum von 1985 bis 2007. Die                           marktreagibilität anhand der Beschäf-
                          durchschnittliche Beziehung zwischen                      tigtenzahlen zu beurteilen (vgl. Möller,
                          beiden Variablen ist auch als „Okun’s                     2010, für Deutschland). Grafik 4
                          Law“ bekannt. Die einfache Regres-                        (rechte Abbildung) zeigt den Zusam-
                          sionsgerade durch die Datenpunkte er-                     menhang zwischen den zyklischen
                          gibt einen Okun-Koeffizienten von –4.                     Komponenten11 der unselbstständigen
                          Eine Zunahme des Wirtschaftswachs-                        Beschäftigung (laut VGR) und dem
                          tums um 1 % dämpft daher durch-                           realen Wirtschaftswachstum. Bei der
                          schnittlich den Anstieg der Arbeits-                      Beschäftigungsreihe handelt es sich
                          losenquote um 0,25 Prozentpunkte.                         um die geschätzten Werte aus einer
                          Anders betrachtet, müsste das reale                       Regression der zyklischen Beschäfti-
                          Wachstum 2,5 % betragen, damit die                        gung auf das kontemporäre und um ein
                          Arbeitslosenquote abnimmt. In Grafik                      Jahr verzögerte BIP-Wachstum für die
                          4 sieht man einerseits den tatsächlichen                  Periode 1985 bis 2009.
                          Datenpunkt für 2009 sowie beim glei-                          Beide Reihen verlaufen relativ
                          chen BIP-Rückgang von 2009 gegen-                         gleichförmig, wobei das Beschäftigungs-
                          über 2008 (–3,9 %) den markierten                         wachstum etwas schwächer schwankt
                          Punkt auf der Regressionsgeraden, der                     als das Wirtschaftswachstum. Auch
                          sich aufgrund des durchschnittlichen                      wenn man dies berücksichtigt, legt die
                          Zusammenhangs ergeben hätte. Dem-                         Grafik nahe, dass 2009 die Reaktion

                          10
                               Wie in Kapitel 2 gezeigt wird, wurden die Schulungsmaßnahmen des AMS beträchtlich ausgeweitet.
                          11
                               Die zyklischen Komponenten sind die Differenz des tatsächlichen Wachstums und des Trendwachstums, das sich
                               aus einem HP-Filter (λ = 100) für die Reihen von 1985 bis 2009 ergibt.

34                                                                                               GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/10
Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession:
                                                                                              Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

                                                                                                                           Grafik 4

Erwartbare und tatsächliche Entwicklung
Okun’s Law 1985 bis 2007                                          Beschäftigung und Wirtschaftswachstum
Veränderung der Registerarbeitslosenquote in Prozentpunkten       in %
 2,0                                                                2

                                                                   1
 1,5
            2009
                                                                   0
 1,0
                                                                  –1

 0,5                                                              –2

                                                                  –3
 0,0
                                                                  –4
–0,5
                                                                  –5

–1,0                                                              –6
       –6      –4        –2          0        2         4     6     1985       1990       1995       2000           2005      2009
       Reales Wirtschaftswachstum in %                                     Zyklische Komponente des BIP-Wachstums
            Durchschnittlicher Zusammenhang 1985 bis 2007                  Geschätzte zyklische Komponente
                                                                           des Beschäftigungswachstums
Quelle: OeNB, eigene Berechnungen.

der Beschäftigung schwächer war, als                              stärker stiegen als jene für passive
man angesichts des Wachstumsein-                                  Arbeitsmarktpolitik (Arbeitslosengeld
bruchs erwarten konnte. In weiterer                               und Notstandshilfe).
Folge wird gezeigt, dass sich dies                                    Die Arbeitsmarktpakete beinhalten
dadurch erklären lässt, dass die durch-                           insbesondere Maßnahmen zur Bera-
schnittliche Arbeitszeit je Beschäftigten                         tung, Ausbildung und Beschäftigung
in Österreich stark abnahm, wodurch                               Jugendlicher und junger Erwachsener.
vergleichsweise viele Arbeitnehmer in                             Zu den weiteren Maßnahmen gehört
Beschäftigung verblieben.                                         die Förderung der Einstellung von
                                                                  Wiedereinsteigern, älteren Arbeitneh-
2 Gründe für die relativ geringe                                  mern und Menschen mit besonderen
  Verschlechterung der Arbeits-                                   Bedürfnissen („Kombilohn Neu“). Im
  marktlage
                                                                  Rahmen der „Aktion 4.000“ wird die
Wirtschaftspolitische Maßnahmen tru-                              Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen
gen erheblich zur Abmilderung der                                 (oder von Langzeitarbeitslosigkeit Be-
Krise auf dem Arbeitsmarkt bei. Viele                             troffenen) in öffentlichen oder gemein-
direkt arbeitsmarktrelevante Maßnah-                              nützigen Tätigkeiten beträchtlich sub-
men wurden im Rahmen der beiden                                   ventioniert. Auch mit der „Aktion
„Arbeitsmarktpakete“ des Jahres 2009                              +6.000“ wurde bei Jugendlichen mit
beschlossen. Indirekt wirkten weiters                             geringen Arbeitsmarktchancen eine
die beiden „Konjunkturpakete“ und die                             Subventionierung der Lohn- und Lohn-
letzte Steuerreform. Überdies wurden                              nebenkosten beschlossen. Änderungen
für 2009 die Mittel des AMS für aktive                            bei der Altersteilzeit machen es älteren
Arbeitsmarktpolitik um 27 % auf über                              Arbeitnehmern nun noch leichter, ihre
1,1 Mrd EUR aufgestockt. Tabelle 2                                Arbeitszeit vor dem Pensionsantritt zu
zeigt, dass im Jahr 2009 die Ausgaben                             reduzieren. Weiters wurde eine Reihe
für aktive Arbeitsmarktpolitik relativ                            von Qualifizierungsmaßnahmen be-

GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/10                                                                                                                 35
Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession:
Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

                                                                                                                                           Tabelle 2

                          Ausgaben für Arbeitsmarktpolitik in Österreich
                                                                                                          2009         2008         Veränderung

                                                                                                          in Mio EUR                in %
                          Aktive Leistungsarten (z. B. Qualifizierungsmaßnahmen, inklusive Kurzarbeit)      1.119,51      882,24             31,4
                          Passive und aktivierende Leistungsarten (z. B. Arbeitslosengeld)                  4.147,33     3.411,16            21,6
                          Insgesamt                                                                        5.266,84     4.293,40             23,6

                          Quelle: AMS (2010b).

                          schlossen („Qualifizierungsbonus“, Er-                         Personen in Schulungen im Jahresab-
                          leichterungen bei der Bildungskarenz,                          stand um etwa 16.700 zugenommen
                          Kurse für Migranten, eine Qualifizie-                          hat. Grafik 5 (linke Abbildung) zeigt,
                          rungsoffensive für den Gesundheits-                            dass diese kräftige Zunahme von einem
                          und Sozialbereich). In der Krise war                           ohnehin bereits hohen Niveau der An-
                          eine starke Zunahme der Bildungska-                            zahl an Schulungsteilnehmern erfolgte.
                          renz in Verbindung mit einer finanziel-                        Zwischen 1998 und 2009 (Jahres-
                          len Förderung (dem Weiterbildungs-                             durchschnitte) hat sich die Anzahl der
                          geld) zu verzeichnen. Gegenüber dem                            Schulungsteilnehmer stetig erhöht (eine
                          ersten Halbjahr 2009 wuchs die Anzahl                          Abnahme gab es nur 2007 und 2008)
                          der Förderfälle um etwa 70 %12 (bzw.                           bzw. mehr als verdreifacht – von
                          knapp 3.000 in absoluten Zahlen).                              20.000 auf über 60.000. Grundsätzlich
                              Für eine detailliertere Darstellung                        ist dieser Anstieg positiv zu bewerten –
                          der arbeitsmarktpolitischen Maßnah-                            sowohl die Europäische Kommission
                          men sei auf BMWFJ (2010) verwiesen.                            als auch die OECD forcieren seit Jahren
                          Auf eine vieldiskutierte Maßnahme,                             den stärkeren Einsatz solcher (und an-
                          die Kurzarbeitshilfe, wird in Ab-                              derer) Instrumente der aktiven Arbeits-
                          schnitt 2.2 gesondert eingegangen.                             marktpolitik. Angesichts des hohen
                                                                                         Mitteleinsatzes und der Vielzahl der
                          2.1 Aus- und Weiterbildungs-                                   Instrumente bedarf es aber auch einer
                              maßnahmen des AMS                                          geeigneten Evaluierung.13
                          Viele Maßnahmen der aktiven Arbeits-
                          marktpolitik sind Aus- und Weiterbil-                          2.2 Hohe Kurzarbeitszahlen im
                          dungen. Diese schlagen sich in den                                 Vergleich zum letzten Wirt-
                          „Schulungsteilnehmerzahlen“ des AMS                                schaftsabschwung
                          nieder, die von diesem ebenso wie die                          Die Kurzarbeit ist das wohl meistbe-
                          Arbeitslosenzahlen monatlich publi-                            achtete Instrument der aktiven Arbeits-
                          ziert werden. In Tabelle 1 wurde be-                           marktpolitik im Verlauf der Krise ge-
                          reits dargestellt, dass zwischen Juni                          wesen. Dabei reduziert ein sich in einer
                          2008 und Juni 2009 die Anzahl der                              Absatzkrise befindliches Unternehmen

                          12
                               Vorläufiger Wert laut BMASK.
                          13
                               Einer Untersuchung von Lutz und Mahringer (2007) zufolge, sind die Beschäftigungseffekte von Maßnahmen der
                               fachlichen Qualifizierung erheblich größer als von Maßnahmen, die zur Unterstützung der Arbeitssuche und
                               -aufnahme dienen (z. B. Berufsorientierung, Bewerbungstraining). Zu hinterfragen ist auch die Sinnhaftigkeit
                               des Mehrfachbesuchs der gleichen Kurse durch Arbeitslose. Beispielsweise kritisierte Sozialminister Hundstorfer
                               Ende Mai 2010, dass eine dreimalige Absolvierung des Kurses „Wie bewerbe ich mich richtig?“ in Zukunft nicht
                               mehr vorkommen dürfe (Der Standard, 25. Mai 2010).

36                                                                                                       GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/10
Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession:
                                                                                                                                    Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

                                                                                                                                                       Grafik 5

Wichtige Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Österreich
AMS-Schulungen und Kurzarbeit 1998 bis 2009                                                            Kurzarbeit im Verlauf der Krise
in Personen                                                                             in Personen    in Personen
90.000                                                                                      45.000     60.000

80.000                                                                                        40.000
                                                                                                       50.000
70.000                                                                                        35.000

60.000                                                                                        30.000   40.000

50.000                                                                                        25.000
                                                                                                       30.000
40.000                                                                                        20.000

30.000                                                                                        15.000   20.000

20.000                                                                                        10.000
                                                                                                       10.000
10.000                                                                                         5.000

      0                                                                                           0         0
                               2001

                                             2003
                                      2002
                 1999

                                                           2005

                                                                                                                Okt. 08
                                                                                                                Nov. 08
                                                                                                                Dez. 08
                                                                                                                 Jän. 09
                                                                                                                Feb. 09
                                                                                                                März 09
                                                                                                                Apr. 09
                                                                                                                 Mai 09
                                                                                                                 Juni 09
                                                                                                                  Juli 09
                                                                                                                Aug. 09
                                                                                                                Sep. 09
                                                                                                                Okt. 09
                                                                                                                Nov. 09
                                                                                                                Dez. 09
                                                                                                                 Jän. 10
                                                                                                                Feb. 10
                                                                                                                März 10
                                                                                                                Apr. 10
                                                                                                                 Mai 10
                                                                                                                 Juni 10
          1998

                                                                                       2009
                                                                  2006
                                                    2004

                                                                         2007
                                                                                2008
                        2000

                 Schulungsteilnehmer (über 55 Jahre) (linke Achse)                                              Stichtag
                 Schulungsteilnehmer (25 bis 54 Jahre) (linke Achse)                                                  Ist-Teilnehmer
                 Schulungsteilnehmer (15 bis 24 Jahre) (linke Achse)                                                  Angemeldete Arbeitnehmer
                 Zur Kurzarbeit angemeldete Arbeitnehmer
                 (rechte Achse)

Quelle: AMS, BMASK.

die Arbeitszeit14 für seine Beschäftigten.                                                             besonders stark war. Die gesamten
Diese erhalten einen teilweisen Ersatz                                                                 Kosten für dieses Instrument beliefen
für den mit der Arbeitszeitreduktion                                                                   sich im Jahr 2009 auf 114 Mio EUR.
verbundenen Verdienstentgang, der auf                                                                      Den Höchststand erreichte die
dem fiktiven Arbeitslosengeld basiert.                                                                 Kurzarbeit im Frühjahr und Sommer
Im Zuge der beiden Arbeitsmarktpa-                                                                     2009. Im April 2009 betrug die Anzahl
kete wurde die Dauer der Kurzarbeits-                                                                  der Anmeldungen fast 57.000 (Grafik 5,
unterstützung auf bis zu 24 Monate                                                                     rechte Abbildung). Ab August 2009
ausgedehnt. Im Durchschnitt des Jah-                                                                   gingen die Meldezahlen stetig und rasch
res 2009 betrug die Anzahl der geneh-                                                                  zurück und im Juni 2010 lagen sie nur
migten Kurzarbeitsfälle über 40.000 –                                                                  noch bei etwa 8.000 Personen.
das ist rund das Achtfache im Vergleich                                                                    Die genaue Betrachtung zeigt zu-
zur letzten Krise 2001/02 (Grafik 5,                                                                   dem, dass die Unternehmen weniger
linke Abbildung).15 Nach Branchen be-                                                                  kurzarbeiten ließen als es den Anmel-
trachtet, wurde die Kurzarbeit in ers-                                                                 dezahlen entspricht. Grafik 5 (rechte
ter Linie in der Automobil- und -zulie-                                                                Abbildung) zeigt weiters die Anzahl
ferindustrie sowie im Maschinenbau                                                                     der tatsächlich in Anspruch genomme-
eingesetzt, das heißt in Branchen, in                                                                  nen Förderfälle (Ist-Teilnehmer).16 Der
denen der Rückgang der Produktion                                                                      Höchststand wurde somit ebenfalls im

14
     Das Ausmaß der Arbeitszeitreduktion kann zwischen 10 % und 90 % betragen.
15
     Kurzarbeitszahlen vor 2001 liegen nicht vor.
16
     Aufgrund des Umstands, dass die Abrechnungen erst mit beträchtlicher Verzögerung erstellt werden, liegen für
     2010 noch keine endgültigen Zahlen vor.

GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/10                                                                                                                                                       37
Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession:
Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

                          April 2009 mit knapp 38.000 Personen                       reduzieren. Andererseits sank aber
                          erreicht.                                                  auch die wöchentliche Normalarbeits-
                              Über das gesamte Jahr betrachtet,                      zeit im Zuge der Krise. Beides trug
                          gab es 2009 im Durchschnitt rund                           wesentlich zur Reduktion der Arbeits-
                          26.000 Förderfälle, wobei die durch-                       stunden bei. Einer Auswertung von
                          schnittliche Arbeitszeitreduktion bei                      Daten der Arbeitskräfteerhebung zu-
                          etwa 26 % lag (BMWFJ, 2010). Auf-                          folge wurde in Österreich die Arbeits-
                          grund dieser Angaben lassen sich die                       zeit je Beschäftigten zu knapp 45 %
                          Beschäftigungsauswirkungen der Kurz-                       durch den Abbau von Überstunden
                          arbeit grob schätzen. Wenn man an-                         und zu mehr als 55 % durch eine
                          nimmt, dass anstelle der Arbeitszeitre-                    Reduktion der Normalarbeitszeit ver-
                          duktion in 26.000 Fällen eine Kündi-                       kürzt (OECD, 2010). Wie groß war
                          gung von 26 % dieser Arbeitnehmer                          der Beitrag der Kurzarbeit? Bei einer
                          erfolgt wäre, dann ergäbe sich ein Be-                     Auswertung der Stundendaten aus der
                          schäftigungseffekt von knapp 6.800                         Arbeitskräfteerhebung und unter Zu-
                          oder 0,2 % der unselbstständig Be-                         grundelegung der zuvor erwähnten
                          schäftigten. Derartige Berechnungen                        Teilnehmerzahl von 26.000 und einer
                          sind nicht unproblematisch (siehe dazu                     Arbeitszeitreduktion von 26 % ergibt
                          Abschnitt 3.3). Dennoch zeigt dieses                       sich, dass der Beitrag der Kurzarbeit zur
                          Ergebnis, dass es nicht nur die Kurz-                      Gesamtreduktion der Arbeitsstunden
                          arbeit sein kann, die einen stärkeren                      um 5,2 % sich lediglich auf 0,26 Pro-
                          Beschäftigungseinbruch verhindert hat.                     zentpukte belief.
                          2.3 Arbeitszeitreduktion                                   3 Österreich im internationalen
                          Neben den arbeitsmarktpolitischen                            Vergleich
                          Maßnahmen war ganz allgemein die                           Wie stellen sich die Verschlechterun-
                          Reduktion der gesamten Arbeitsstun-                        gen auf dem österreichischen Arbeits-
                          den der Grund für die vergleichsweise                      markt im internationalen Vergleich
                          geringen Auswirkungen auf Beschäfti-                       dar?18 Die Auswirkungen auf die jewei-
                          gung und Arbeitslosigkeit. Aus Tabelle                     ligen Arbeitsmärkte sind sehr unter-
                          1 geht hervor, dass zwischen dem zwei-                     schiedlich. Faktoren, die zu dieser
                          ten Quartal 2008 und dem zweiten                           Heterogenität beitragen, sind zum
                          Quartal 2009 die gesamten Arbeits-                         einen der Umstand, dass der makro-
                          stunden um 5,2 %17 zurückgegangen                          ökonomische Schock, gemessen am
                          sind – weitaus stärker als die Reduk-                      Rückgang des realen BIP, nicht in allen
                          tion der Beschäftigung (–1,8 %).                           Ländern gleich stark war. Zum anderen
                              Worauf ist dies zurückzuführen?                        gibt es auch Unterschiede in der Vertei-
                          Zum einen war die österreichische                          lung der Beschäftigungsreaktion auf
                          Wirtschaft vor der Krise gut ausgelas-                     Kündigungen und Reduktion der
                          tet und es gab viele Überstunden. Da-                      Arbeitszeit.
                          her war es zuerst naheliegend, diese zu

                          17
                               Die saisonbereinigten Daten der VGR ergeben einen Rückgang der Arbeitsstunden von nur 1,2 %. Das erscheint
                               nicht glaubwürdig. Auch die internationalen Vergleiche in OECD (2010) und Europäische Kommission (2009)
                               basieren auf den Arbeitszeitdaten der Arbeitskräfteerhebung.
                          18
                               Ausführliche Darstellungen zur Arbeitsmarktentwicklung in der Krise finden sich in OECD (2009, 2010), Euro-
                               päische Kommission (2009) sowie in Verick und Islam (2010) und Eichhorst et al. (2010).

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Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession:
                                                                                                Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

                                                                                                                    Grafik 6

Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum in der Krise (Q2 08 bis Q2 09)
Beschäftigungswachstum in %
  4

                                                                                                               PL
                                                                                AT
     0                                                               DE
                                                                          Euroraum-16

                                                                          EU-27
 –4
                                                                                          US

                                                                                  ES
 –8           LT
                                                                IE
                              EE

–12

                     LV
–16
         –20                –16          –12               –8                        –4                 0                4
          BIP-Wachstum in %

Quelle: Eurostat, BLS, BEA.

3.1 Große Unterschiede in den                               3.2 Anpassung der Beschäftigten-
    makroökonomischen Schocks                                   zahlen oder der Arbeitsstunden?
    und in der Beschäftigungsreaktion                       Um diese unterschiedlichen Reaktions-
Grafik 6 zeigt ein Streudiagramm der                        muster besser zu sehen, und um von
Veränderung des realen BIP und der                          der Größe und Zusammensetzung des
Veränderung der Beschäftigung für alle                      makroökonomischen Schocks zu abs-
EU-Mitgliedstaaten, die EU insgesamt,                       trahieren, zeigt Grafik 7 für dieselben
den Euroraum und die USA. Mit Aus-                          Staaten die Elastizitäten von Beschäfti-
nahme von Polen kam es in allen Län-                        gung und Arbeitsstunden19 in Bezug auf
dern zu einer Beschäftigungsreduktion.                      den Rückgang des realen BIP in der
Besonders stark war diese in den balti-                     Krise. Die Länder sind nach der Höhe
schen Staaten, in denen es aber auch zu                     der Beschäftigungselastizität geordnet.
einem dramatischeren Einbruch des                               Aus Grafik 7 wird ersichtlich, dass
Wirtschaftswachstums gekommen ist.                          die Reaktion der Stunden je Arbeitneh-
Des Weiteren gibt es Staaten, wo – ge-                      mer in den USA und in der EU (bzw.
messen an der durchschnittlichen Be-                        im Euroraum) ziemlich ähnlich war, al-
ziehung zwischen Wachstum und Be-                           lerdings war der Rückgang der Be-
schäftigung (Regressionsgerade) – die                       schäftigung in den USA bezogen auf die
Beschäftigung relativ stark gesunken ist                    Höhe des Wachstumseinbruchs weit
(Irland, Spanien und die USA) und                           stärker. Auch in einigen europäischen
jene, in denen die Reaktion der Be-                         Staaten gab es markante Beschäfti-
schäftigung nur gering war (z. B.                           gungsreaktionen; am stärksten waren
Deutschland und Österreich).                                diese in Spanien, Irland und Griechen-

19
     Für die EU-Staaten: Arbeitsstunden je Arbeitnehmer in der Haupttätigkeit.

GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/10                                                                                                                   39
Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession:
Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

                                                                                                                                                                            Grafik 7

                          Beschäftigungsanpassung: Arbeitnehmer oder Stunden je Arbeitnehmer?
                          Elastizität
                           1,4

                           1,2

                           1,0

                           0,8

                           0,6

                           0,4

                           0,2

                           0,0

                          –0,2
                                             NL

                                                                                                                                                              Euroraum-16
                                 DE

                                                                                        SE

                                                                                                                                                         ES

                                                                                                                                                                                    US
                                                  AT

                                                                                HU

                                                                                                                                               EL
                                                                                                                                SK

                                                                                                                                                                            EU-27
                                                            MT
                                                                 IT
                                                       RO

                                                                                                  CZ
                                                                                                       LT
                                                                                                            SI
                                                                                                                 FI

                                                                                                                           BG

                                                                                                                                     EE
                                                                                                                                          LV
                                                                      FR
                                        BE

                                                                                                                                                    IE
                                                                                                                      DK
                                                                           CY

                                                                                             UK

                                        BIP-Elastizität der Beschäftigung in Personen
                                        BIP-Elastizität der Stunden je Arbeitnehmer

                          Quelle: Eurostat, BLS, BEA, eigene Berechnungen.
                          Anmerkung: Die drei Mitgliedstaaten mit negativer Stundenelastizität (Luxemburg, Polen und Portugal) sind nicht in der Grafik enthalten.

                          land. Andere Staaten wiederum wiesen                                              negativen Zusammenhang zwischen
                          nur eine sehr geringe Reaktion der Be-                                            der Höhe des Anteils des Bausektors an
                          schäftigung (gemessen in Personen) bei                                            der Gesamtbeschäftigung vor der Krise
                          gleichzeitig starker Reduktion der                                                und der Veränderung der Gesamtbe-
                          Arbeitsstunden auf, wie Deutschland,                                              schäftigung im Verlauf der Krise (Euro-
                          Belgien, Österreich und Frankreich. In                                            päische Kommission, 2009). Es kann
                          weiteren Staaten waren Beschäfti-                                                 (bzw. konnte) davon ausgegangen wer-
                          gungs- und Stundenelastizität von ähn-                                            den, dass es sich dabei um eine struktu-
                          licher Größenordnung, wie z. B. in der                                            relle Veränderung in den jeweiligen
                          Tschechischen Republik, in Schweden,                                              Ökonomien handelt und die Beschäfti-
                          Slowenien und Finnland. Tendenziell                                               gung im Bausektor daher nicht mehr
                          bedeutet eine Kombination von nied-                                               das Vorkrisenniveau erreichen wird.
                          rigerer Beschäftigungs- und hoher                                                 Dies erklärt den massiven Beschäfti-
                          Stundenelastizität eine Reduktion der                                             gungsabbau in diesem Sektor.
                          Produktivität je Beschäftigten, nicht                                                 In anderen Staaten kam es im Ver-
                          notwendigerweise aber der Stunden-                                                lauf der Krise zu einer Reduktion der
                          produktivität (vgl. OECD, 2010).                                                  Exporte, wie beispielsweise in Deutsch-
                              Was ist der Grund für diese höchst                                            land und Österreich. In diesem Fall
                          unterschiedlichen Reaktionsmuster?                                                ließ sich erwarten, dass die Krise ledig-
                          Eine plausible Erklärung liegt darin,                                             lich vorübergehend sein würde; die
                          dass es in einigen Staaten im Zuge der                                            Unternehmen waren daher eher bereit,
                          Finanzkrise zum Platzen einer spekula-                                            ihre Arbeitskräfte zu halten, insbeson-
                          tiven Blase auf dem Immobilienmarkt                                               dere gut ausgebildete Arbeitnehmer,
                          und infolgedessen zu einem Einbruch                                               wie jene in der deutschen und öster-
                          im Bausektor gekommen ist. Dazu                                                   reichischen Exportwirtschaft (Möller,
                          gehören insbesondere Spanien, Irland                                              2010; OECD, 2010; The Economist,
                          und die USA. Tatsächlich gibt es einen                                            2010).

40                                                                                                                         GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/10
Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession:
                                                                         Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

                                                                                              Tabelle 3
     Abgesehen davon gibt es möglicher-
weise auch länderspezifische Unter-         Geschätzte permanente
schiede in der Bereitschaft der             Auswirkungen der Kurzarbeit auf
Unternehmen, ihre Arbeitskräfte zu          die Beschäftigung
halten, bzw. verändert sich diese über                               Dauerhafte Wirkung auf die
die Zeit. In den USA wurde seit                                      Beschäftigung
den 1970er-Jahren auf einen Rück-                                    in %          in 1.000
gang der Arbeitsnachfrage zunehmend                                                Personen
stärker mittels Kündigungen agiert,         Portugal                        0,01                 0,4
während die Reduktion der Arbeits-          Dänemark                        0,06                 1,5
                                            Frankreich                      0,09                18,1
zeit an Bedeutung verloren hat              Niederlande                     0,09                 5,6
(OECD, 2010). Hallock (2009) stellt         Ungarn                          0,09                 3,0
für die USA einen Bedeutungsverlust         Österreich                      0,12                 4,0
                                            Spanien                         0,24                30,3
des „impliziten Kontrakts“ zwischen         Tschechische Republik           0,43                17,3
Arbeitgebern und Arbeitnehmern fest,        Deutschland                     0,73               221,5
im Rahmen dessen sich beide Seiten          Italien                         0,74               124,0
                                            Finnland                        0,78                15,3
einer langfristigen Kooperation ver-        Belgien                         1,27                43,3
pflichtet fühlen und diese für die
                                            Quelle: OECD (2010).
Arbeitgeber z. B. bedeutet, Kündigun-
gen zu vermeiden. Dies könnte eben-
falls zu dem Unterschied zwischen den       freiwillige Reduktion der Arbeitszeit je
USA und Europa in der Krise beigetra-       Beschäftigten durch die Firmen und die
gen haben. In jenen europäischen            interne Flexibilität der Arbeitszeit, wie
Ländern, in denen der Beschäftigungs-       sie etwa durch Arbeitszeitkonten in vielen
rückgang sehr groß war, ging dieser         Kollektivverträgen vorgesehen ist, spiel-
vor allem zulasten von Leiharbeits-         ten eine größere Rolle (Möller, 2010).
kräften, für die der implizite Kontrakt          Einfache Berechnungen der Aus-
nicht gilt, wie insbesondere das Beispiel   wirkungen von Kurzarbeit, wie sie bis-
Spanien zeigt.                              her für Österreich und Deutschland ge-
                                            nannt wurden, stellen wohl die Ober-
3.3 Ein internationaler Vergleich der       grenze der tatsächlichen Auswirkungen
    Effekte der Kurzarbeit                  dar, denn zum einen könnte es sich um
Viele Staaten setzten in der Krise auf      Mitnahmeeffekte handeln (die Arbeits-
das bereits bestehende Instrument der       plätze hätten auch ohne Kurzarbeitsbei-
Kurzarbeit, veränderten es (etwa durch      hilfe weiter bestanden) und zum ande-
Verlängerung) oder führten die Kurz-        ren könnte es sein, dass die Arbeits-
arbeitsunterstützung neu ein (OECD,         plätze erst nach dem Auslaufen der
2010). Bezogen auf die Höhe der Ge-         Kurzarbeitsbeihilfe verloren gehen.
samtbeschäftigung war der Einsatz der       Letztendlich müsste man die „kontra-
Kurzarbeit in Deutschland intensiver        faktische“ Entwicklung kennen, das
als in Österreich. Durch eine analoge       heißt die Entwicklung der Beschäfti-
Berechnung, wie in Abschnitt 2.3 für        gung ohne Kurzarbeit, die naturgemäß
Österreich, käme man auf einen Be-          nur geschätzt werden kann. Die OECD
schäftigungseffekt von 350.000 Personen     (2010) unternahm den Versuch einer
oder etwa 1 % der Gesamtbeschäftigung.      solchen Schätzung der kontrafaktischen
Auch in diesem Fall kann die Kurzarbeit     Entwicklung mithilfe einer panelöko-
nur einen Teil der geringen Reaktion        nometrischen Untersuchung für 19 EU-
der Beschäftigtenzahlen erklären. Die       Mitgliedstaaten, um die permanenten

GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/10                                                                                            41
Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession:
Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

                                                                                                                                     Grafik 8

                          Saisonbereinigte Arbeitslosenquoten Juni 2008 bis Juni 2010
                          in %
                          11

                          10

                           9

                           8

                           7

                           6

                           5

                           4

                           3
                           Juni 08         Sep. 08        Dez. 08   März 09        Juni 09      Sep. 09          Dez. 09   März 10    Juni 10

                                     Eurostat-Quote Euroraum-16     Registerquote AT         Eurostat-Quote AT
                          Quelle: OeNB.

                          Wirkungen der Kurzarbeit auf die Be-                          4.1 Immer noch mehr Arbeitslose
                          schäftigung zu quantifizieren.                                    und weniger Beschäftigte als vor
                               Die Ergebnisse sind in Tabelle 3                             der Krise
                          dargestellt. In einer Reihe von Ländern                       Tabelle 4 geht mehr ins Detail und
                          leistete die Kurzarbeit einen wesentli-                       stellt wie Tabelle 1 einen Vergleich mit
                          chen Beitrag zur Beschäftigungssiche-                         Juni 2008 her. Diesmal beziehen sich
                          rung, insbesondere in Deutschland,                            die Daten aber auf die gegenwärtige
                          Italien und Finnland. Am höchsten war                         Situation (Ende Juni bzw. das erste
                          der Effekt in Belgien mit rund 1,3 %                          Quartal 2010), um beurteilen zu
                          der Beschäftigung. Für Österreich er-                         können, ob sich Beschäftigung und
                          gibt sich ein geringerer Wert von 0,12 %,                     Arbeitslosigkeit bereits wieder auf dem
                          der auch etwas kleiner ist als die grobe                      Vorkrisenniveau befinden.
                          Schätzung von 0,2 % in Abschnitt 2.3.                             Die Situation hat sich zwar gegen-
                                                                                        über Juni 2009 entspannt, aber den-
                          4 Deutliche Erholung sichtbar                                 noch gibt es immer noch 40.000
                          Seit Mitte 2009 ist in Österreich eine                        Arbeitslose mehr und knapp 20.000
                          Entspannung der Arbeitsmarktlage fest-                        Beschäftigte weniger als Mitte 2008.
                          stellbar. Grafik 8 zeigt die beiden saison-                   Auch die Anzahl der Schulungsteil-
                          bereinigten Arbeitslosenquoten für Öster-                     nehmer liegt noch um 25.000 über
                          reich: die Eurostat-Quote und eine                            dem Vorkrisenniveau. Auswertungen
                          saisonbereinigte Registerquote. Beide                         der AMS-Datenbank zeigen zudem,
                          Quoten stiegen bis Mitte 2009 und fallen                      dass sich – abgesehen von der Kurz-
                          seither wieder, wobei der Rückgang                            arbeit – das Niveau der Fördermaß-
                          der Eurostat-Quote wesentlich stärker                         nahmen durchwegs noch über dem
                          ausfällt als jener der Registerquote. Die                     Vorkrisenniveau befindet. Weiters
                          Grafik zeigt auch, dass sich im Euro-                         legen die Ergebnisse der Arbeits-
                          raum die Arbeitslosenquote zwar bei                           kräfteerhebung nahe, dass sich die
                          10 % stabilisiert hat, jedoch im Durch-                       gesamten Arbeitsstunden gegenüber
                          schnitt noch nicht zurückgegangen ist.                        2009 zwar erhöht haben, aber immer

42                                                                                                   GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/10
Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession:
                                                                                                        Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

                                                                                                                            Tabelle 4

Gegenwärtige Arbeitsmarktlage im Vergleich zum Vorkrisenniveau
                                                                              Veränderung zwischen Juni 2008 und Juni 2010

                                                                                                   Arbeitslosigkeit Unselbstständige
                                                                                                                    Beschäftigung

Registerdaten1
Gesamt absolut (in Personen bzw. Beschäftigungsverhältnissen2)                                               40.095        –19.505
Gesamt relativ (in %)                                                                                          23,2           –0,6
Personen in AMS-Schulungen                                                              25.398
Offene Stellen                                                                          –9.617

Ausgewählte Sektoren:                                                                              in Personen
Sachgütererzeugung                                                                                            5.811        –45.222
Bauwesen                                                                                                      3.092         –6.742
Handel                                                                                                        6.789         –7.564
Beherbergung und Gastronomie                                                                                  4.626         –4.944
Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften                                                                3.491         –7.364
Finanzdienstleistungen                                                                                          139          4.789
Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung                                                        874          8.049
Erziehung und Unterricht                                                                                      1.099         11.715
Gesundheitswesen                                                                                                454          6.548
Sozialwesen                                                                                                   2.468         10.266
Arbeitskräfteerhebung3
Gesamt absolut (in Personen)                                                                                  1.700        –14.300
Gesamt relativ (in %)                                                                                            1,0          –0,4
Arbeitsstunden je Quartal (in %)                                                           –2,1

Arbeitslosenquote                                                             in Prozentpunkten
Registerquote                                                                               1,0
Eurostat-Quote                                                                              0,4

Quelle: BMASK, Statistik Austria.
1
  Beschäftigungsdaten beziehen sich wegen einer Klassifikationsänderung auf einen Vergleich von Mai 2010 mit Mai 2008.
2
  Unselbstständige Beschäftigungsverhältnisse ohne Bezieher von Karenz- und Kindergeld.
3
  Vergleich Q1 10 mit Q1 08.

noch um 2,1 % geringer sind als vor der                                      Beschäftigungssteigerungen gegen-
Krise.                                                                   über Juni 2009 gab es im Handel und
                                                                         insbesondere in der Arbeitskräfte-
4.2 Keine Erholung im Sachgüter-                                         überlassung; Letzteres lässt auf die
    sektor, dafür steigende Beschäf-                                     Unsicherheit über die Nachhaltigkeit
    tigung im öffentlichen Sektor, im                                    des Aufschwungs schließen. Die Unter-
    Unterrichts-, Gesundheits- und
                                                                         nehmen sind zögerlich, Arbeitskräfte
    Sozialbereich
                                                                         auf Basis regulärer Kontrakte einzu-
Betrachtet man einzelne Branchen, so                                     stellen. Es könnte sich dabei jedoch
stellt sich heraus, dass im Sachgüter-                                   auch um einen dauerhaften Effekt
sektor von einer Erholung nicht die                                      handeln, indem Unternehmen im Sach-
Rede sein kann. Die Beschäftigungs-                                      gütersektor einen Teil ihrer Stamm-
zahl liegt um 45.000 unter dem                                           belegschaft permanent durch Leih-
Niveau vom Juni 2008. Vergleicht man                                     arbeitskräfte ersetzen.
mit Tabelle 1, so hat sich die Situation                                     Sowohl gegenüber dem Jahr 2008
seit Mitte 2009 sogar noch leicht ver-                                   als auch gegenüber 2009 ist die Be-
schlechtert. Auch im Bauwesen hat es                                     schäftigung im öffentlichen Dienst so-
gegenüber 2009 keine Verbesserung                                        wie im Unterrichts-, Gesundheits- und
gegeben.                                                                 Sozialwesen gewachsen. Dies hat einer-

GELDPOLITIK & WIRTSCHAFT Q3/10                                                                                                                           43
Der österreichische Arbeitsmarkt in der großen Rezession:
Entwicklungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen

                          seits mit einer erhöhten Nachfrage im      troffen waren der Sachgütersektor, das
                          Bereich der Kinderbetreuung zu tun         Bau- und Gastgewerbe und die Arbeits-
                          (Einführung von Gratiskindergärten in      kräfteüberlassung.
                          einigen Bundesländern, verpflichtendes         Bezüglich ihrer Dauer und der
                          Vorschulkindergartenjahr), andererseits    quantitativen Auswirkungen auf Be-
                          dürften sich hier aber einige der in       schäftigung und Arbeitslosigkeit zählt
                          Kapitel 2 genannten Beschäftigungs-        diese Phase zu den stärksten krisenhaf-
                          programme des AMS niederschlagen.          ten Episoden in der Zweiten Republik;
                                                                     in Bezug auf die Stärke des Rückgangs
                          4.3 Starker Rückgang der                   der realen Wirtschaftsleistung waren
                              Eurostat-Arbeitslosenquote             die Auswirkungen jedoch überraschend
                              für Österreich                         gering. Der Grund lag im starken
                          Grafik 8 und Tabelle 4 zeigen, dass        Rückgang der gesamten Arbeitsstun-
                          die Eurostat-Arbeitslosenquote beinahe     den, der stärker ausfiel als die Reduk-
                          wieder das Vorkrisenniveau erreicht        tion der Beschäftigung in Personen.
                          hat. Ende Juni 2010 lag sie mit 3,9 %          Die Stabilisierung der Arbeits-
                          lediglich um 0,4 Prozentpunkte über        marktlage ist unter anderem das Resul-
                          dem Wert vom Juni 2008. Gegeben die        tat des massiven Einsatzes von Instru-
                          geschilderte Arbeitsmarktlage erscheint    menten der aktiven Arbeitsmarkt-
                          dies überraschend. Man muss jedoch         politik, wovon die Ausweitung der
                          beachten, dass die Werte der zuletzt       Kurzarbeit die meiste Beachtung fand.
                          verfügbaren Monate April, Mai und          Der Rückgang der Arbeitszeit war je-
                          Juni 2010 nur vorläufig sind. Sobald die   doch viel stärker, als sich nur durch die
                          Ergebnisse aus der Arbeitskräfteerhe-      Kurzarbeit erklären lässt.
                          bung für das zweite Quartal 2010 vor-          Im internationalen Vergleich gibt es
                          liegen, werden diese revidiert. Danach     beträchtliche Heterogenität hinsicht-
                          wird eine neue Saisonbereinigung der       lich der Verschlechterung der Arbeits-
                          Eurostat-Quote durchgeführt. Es wäre       marktlage. Dies hat einerseits damit zu
                          möglich, dass mit der nächsten Revi-       tun, dass es Unterschiede im Ausmaß
                          sion der Eurostat-Quote das Niveau für     des makroökonomischen Schocks gibt.
                          Österreich etwas ansteigt. Am Um-          Andererseits gab es aber auch Unter-
                          stand, dass Österreich derzeit die nied-   schiede, inwieweit in einzelnen Län-
                          rigste Arbeitslosenquote in der gesam-     dern die Beschäftigung in Personen
                          ten EU hat, dürfte dies aber nichts än-    bzw. die Arbeitsstunden je Beschäftig-
                          dern.                                      ten reduziert wurden. Österreich ge-
                                                                     hört mit Deutschland zu jenen Län-
                          5 Zusammenfassung und                      dern, in denen die Arbeitszeit je Be-
                            Schlussfolgerungen                       schäftigten am stärksten zurückging.
                          Ab Mitte 2008 begann sich die Arbeits-     Dies ermöglichte, dass mehr Personen
                          marktlage in Österreich im Zuge            in Beschäftigung verblieben. Die
                          der internationalen Finanz- und Wirt-      Unterschiede liegen aber wohl auch in
                          schaftskrise zu verschlechtern. Bis        der Einschätzung der Unternehmen,
                          Mitte des Jahres 2009 kam es zu Rück-      inwieweit die Krise in den betroffenen
                          gängen der Beschäftigung im Ausmaß         Ländern strukturelle Implikationen ha-
                          von etwa 60.000 Personen und               ben würde.
                          Zuwächsen der Arbeitslosigkeit im              Seit einigen Monaten verbessert
                          Ausmaß von über 50.000 Personen im         sich die Arbeitsmarktsituation in Öster-
                          Jahresabstand. Davon besonders be-         reich wieder. Die Arbeitslosenzahlen

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