Der Raum als "dritter Pädagoge". Schularchitektur und Lernkultur - PH-FR 13.06.2012
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Der Raum als „dritter Pädagoge“. Schularchitektur und Lernkultur Prof. Dr. Alfred Holzbrecher PH-FR 13.06.2012
Lernumgebung 1. Gleichaltrige / soziale Beziehungen 2. Lehrperson / Gestaltung der Lernaufgaben, der Zeitstruktur/Rhythmisierung, der Beziehungskultur („soziale Skulptur“)… 3. Raum (Klassenraum, Schulgebäude im Stadtviertel)
Architektur = materialisierter Ausdruck zeitspezifischer sozialer Beziehungen / Körpererfahrungen im sozialen Raum / Herrschaftsstrukturen / gesellschaftliche Konzepte des menschlichen Zusammenlebens
„Pädagogische Architektur“ Unter Pädagogischer Architektur verstehen wir • eine bauliche Form, die ihre Organisation und gestalterische Kraft aus einer pädagogischen Konzeption heraus entwickelt • eine Pädagogik, die sich die Räume, in und mit denen sie arbeitet, zu eigen macht und sie einbezieht • ein Prozess, der die am Lernen und Lehren Beteiligten befähigt, die Formen des Lernen und Lehrens mit zu gestalten. In Schulen, in denen Pädagogische Architektur realisiert wird, kommt es zu einer engen Zusammenarbeit von Pädagogik und Architektur. Mit anderen Worten: die Architektur ist ebenso ein Teil der pädagogischen Konzeption wie pädagogische Zielsetzungen Teil der architektonischen Überlegungen sind. Die architektonische Gestalt sollte die bestmögliche Unterstützung von pädagogischen Leitlinien sein. (montag-stiftungen.de)
Die einzelnen Räume und deren Gestaltung sowie das Raumensemble spiegeln das pädagogische Profil der Institution.
Die Räume unterstützen ein dynamisches pädagogisches Konzept. Sie sind in einem hohen Maße inszenierbar und können entsprechend den jeweiligen pädagogischen Notwendigkeiten bespielt werden.
Die Architektur sichert Räume für überschaubare Lerngemeinschaften. Einzel-, Gruppen- und Gemeinschaftsaktivitäten finden die notwendigen Räume.
Die einzelnen Räume stehen miteinander in Kommunikation und ergeben als Ganzes ein in sich logisches Gefüge. Die Bedeutung der Kommunikation zwischen den einzelnen Teilen spiegelt sich in der Gestaltung der Verbindungen.
Die Art der Gestaltung und die verwendeten Materialien „wertschätzen“ den Menschen. Licht und Farbe sind als wichtige Gestaltungselemente eingesetzt. Akustik, Luft und Raumklima sind berücksichtigt.
Die Räume besitzen eine eigene Identität und Individualität. Sie haben ein Ambiente das umhüllt und gleichzeitig frei lässt.
Welche Schule / welches Lehren und Lernen wollen wir? Welche Lernumgebung / Architektur unterstützt dies?
„Fraktale Schule“
„Fraktale Schule“
„Fraktale Schule“
„Fraktale Schule“
Qualitätskriterien („fraktale Schule“/Herford) • Wir wollen in Herford bis zum Sommer 2007 sämtliche Grundschulen zu ganztägig genutzten Lern- und Lebensräumen umgestalten, in denen Kinder mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und verschiedener Herkunft unter multiprofessioneller Anleitung ihren Entdeckungsdrang ausleben und ihre Wissbegierde befriedigen können. • Durch zunehmend selbstgesteuertes Lernen und Spielen sollen die Kinder zu selbstbewussten kooperationswilligen und verantwortungsbereiten Persönlichkeiten heranreifen, die den Anforderungen unserer Gesellschaft gewachsen sind.
Qualitätskriterien („fraktale Schule“/Herford) • I. In der Schule findet jedes einzelne Kind einen Lern-, Lebens-, Bewegungs- und Entfaltungsraum vor, der seine Persönlichkeitsentwicklung fördert. Das pädagogische Personal und die weiteren Arbeitskräfte finden Arbeitsplätze vor, die ihre verantwortungsvolle Arbeit erleichtern. • II. Arbeitsplätze, Lernräume, Bewegungsräume und Spielflächen sind in funktionaler Hinsicht so gestaltet sowie von den Nutzern selbst so gestaltbar, dass sie die soziale Begegnung und Verständigung in Klein- und Großgruppen unterstützten und die Gesundheit der Kinder und des Schulpersonals fördern. • III. Die Räume sind so angeordnet und ausgestattet, dass sich dezentrale Reviere und Zonen bilden lassen, die von Lehrerteams bzw. Schülergruppen in Eigenverantwortung ausgestaltet und gepflegt werden können.
Qualitätskriterien („fraktale Schule“/Herford) • IV. Die ästhetische Gestaltung der Räume berücksichtigt die Bedürfnisse der Kinder und des Schulpersonals, lässt eine klare Gestaltungslinie erkennen, fördert das Gefühl und das Urteilsvermögen für Formen und Farben und schafft eine Wohlfühlatmosphäre. • V. Die Umgestaltung von Schulräumen bietet vielfältige Möglichkeiten der Partizipation und der curricularen Anknüpfung in einem lebensweltbezogenen Unterricht. Die Teilhabe der Lernenden, Lehrenden und Erziehenden am Umgestaltungsprozess erhöht nicht nur die Akzeptanz für die Umgestaltungsmaßnahme, sondern stärkt zugleich die soziale Verantwortung.
Metamorphose einer Schule Grundschule Welsberg ein Projekt des Schulverbundes Pustertal mit Unterstützung des Pädagogischen Instituts und in Zusammenarbeit mit den Institut für Architektur der UNI Innsbruck Josef Watschinger
Freiluftatelier Multifunktionales Atelier Medien-, Garderobe Musik- u. Sitzungsraum Garderobe
Lernwerkstatt „Herzstück der Schule“
Asymmetrisch gestaltete Räume, die in der Fläche nicht rasterfähig sind, versetzen den Menschen in ein besonderes Spannungsverhältnis. Sie regen Phantasie und Aktivität an, beleben den Organismus und erzeugen innere Wachheit. Ein Raum, der sich zum Fenster hin öffnet oder verengt, schafft eine aktive Wohlbefindlichkeit und eine besondere Erlebnisqualität. Im ersten Fall entsteht Weite, im zweiten eine nach außen hin sich abschließende Geborgenheit.
Merkmale der Lernlandschaften Offenheit: - Jede Klasse lässt sich zur Lernwerkstatt hin öffnen (2 Türen pro Klassenraum). - Von jeder Klasse gibt es eine Sichtverbindung zur Lernwerkstatt und umgekehrt. Flexibilität - Die Lernwerkstatt lässt sich gliedern (durch flexibles Mobiliar). - In den Klassenräumen und Lernwerkstätten gibt es Medieninseln mit einer zeitgemäßen technologischen Ausstattung - Jede Lernwerkstatt verfügt über eine interaktive (mobile)Tafel. - Die Klassenräume u. die Lernwerkstätten sind mit flexiblem Mobiliar und mit einem flexiblen Tafelsystem ausgestattet. - Die Bibliothek ist in die Lernwerkstätten integriert. - Es gibt Lesenischen mit Büchern zum Schmökern.
Die innere Architektur entwickelt sich an der äußeren und zugleich wird die äußere durch die innere beeinflusst. (J. Moroder/H. Hambrusch)
Eine Schule begibt sich auf den Weg: Neuordnung des Schulzentrums Wesseling Pädagogische Potenzialanalyse
Bestandsaufnahme Leitfragen • Wie werden die vorhandenen Räume pädagogisch „angeeignet“? Welche vorhandenen Raumreserven bleiben ungenutzt? • Wo werden durch vorgegebene räumliche Rahmenbedingungen pädagogische Prozesse befördert / behindert / verhindert? • Welche Rahmenbedingungen sind bauseitig, welche ausstattungsseitig aktuell fixiert? • Welche Veränderungen sind mit „Bordmitteln“ zu bewerkstelligen, welche bedürfen einer umfangreichen Investitionsplanung? • Welche pädagogischen „Weichen“ sind im Blick auf die mittelfristige Raumbedarfsplanung zu stellen?
Bestandsaufnahme Schritte 1. Begehung der Schule 2. Unterrichtsbesuche 3. Dokumentenstudium 4. Interviews 5. Rückmeldung
Pädagogische „Weichen“ 1. In welchen Sozialformen soll das Lernen der Schülerinnen und Schüler organisiert werden? 2. Welches Verständnis von Lernen soll zu Grunde gelegt werden? 3. Wie soll die Zusammenarbeit der Lehrer organisiert werden? 4. Wie soll die Einheit der Schule definiert werden? 5. Welche Beziehung soll die Schule zu ihrem kommunalen Umfeld entwickeln?
Pädagogische „Weichen“ I Sozialformen des Lernens? A Klassenverband Alle sollen gleichzeitig das Gleiche lernen. Räumliche Konsequenz „Schuhkartonarchitektur“ B Wechselnde soziale Lernformationen Allein – zu zweit – in der kleinen Gruppe – in der großen Gruppe – mit der ganzen Schule Räumliche Konsequenz Teiloffene Räume, Nischen, Bibliothek u.a.
Pädagogische „Weichen“ II Verständnis von Lernen? A Lernen wird verstanden als kognitive Wissensvermittlung durch den Lehrer. Räumliche Konsequenz Optimierung der Instruktionsräume B Lernen wird verstanden als die aktive selbstständige Aneignung mit allen Sinnen durch den Schüler. Bewegen – Spielen – Verweilen sind genauso wichtig wie „Lernen“ . Räumliche Konsequenz Werkstätten, Hochwertige Aufenthaltsbereiche, Sport- und Spielflächen, Nischen zum Nichtstun, Cafeteria, Theaterbühne,
Pädagogische „Weichen“ III Zusammenarbeit der Lehrer? A „Einzelkämpfer“. Räumliche Konsequenz Zentrales Lehrerzimmer B Teamorganisation Klassenlehrertandem – Jahrgangsteam - Fachteam Räumliche Konsequenz Dezentrale Lehrerstützpunkte ergänzt durch individuelle Arbeitsplätze + großer multifunktionaler Konferenzraum
Pädagogische „Weichen“ IV Einheit der Schule? A Zentral Räumliche Konsequenz: Betonung der gemeinsamen Mitte, Kurze Wege, (Modell „Kloster“) B Dezentral Altersstufengliederung, Jahrgangsgliederung, „Schule in der Schule“ Räumliche Konsequenz: Betonung der teilautonomen Subzentren, deutliche „Revier“-grenzen, Modell „Dorf“ Problem: Aufteilung von dezentralen und zentralen Funktionen (Fachräume, Verwaltung, Mensa, Cafeteria, Schulhof, ….)?
Pädagogische „Weichen“ V Beziehung zur Umgebung? A Eigenwelt Räumliche Konsequenz Betonung der Außengrenze, Orientierung nach Innen B Öffnung Räumliche Konsequenz: Verlagerung zentraler Funktionen, die eine gemeinsame Nutzung erlauben , in den Randbereich (Aula, Bibliothek, Werkstätten, Spielplatz, Sportanlagen, Mensa etc.)
Literatur & WebTipps • Josef Watschinger, Josef Kühebacher (Hg.), Schularchitektur und neue Lernkultur, Bern 2007 • Jeanette Böhme (Hg.) Schularchitektur im interdisziplinären Diskurs, Wiesbaden 2009 • Rotraut Walden, Simone Borrelbach, Schulen der Zukunft. Gestaltungsvorschläge der Architekturpsychologie, Heidelberg 2006 • Peter Hübner, Kinder bauen ihre Schule: Evangelische Gesamtschule Gelsenkirchen, (Ed. Axel Menges) 2005 • www.fraktale-schule.de • www.adz-netzwerk.de/Peter-Huebner-Materialien-zur- Schularchitektur.php
Sie können auch lesen