Der visuelle Weltenbummler - wordcase.info

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F.C. Gundlach

F.C. Gundlach

                                                                   Foto: Esther Haase
            Der visuelle
         Weltenbummler
Von Sarah Zimmermann

Er porträtierte Romy Schneider, stellte als einer der Ersten
Sigmar Polke aus und revolutionierte die Foto-Filmentwicklung
in Deutschland. F.C. Gundlach ist Sammler, Galerist, Kurator und
Stifter. Und: einer der großen Fotografen des 20. Jahrhunderts.
Von Kassel aus startete der heute 93-Jährige Ende der 40er-
Jahre seine weltweite Karriere und fing in seinen Mode-,
Reportage- und Porträtfotografien Lebenswelten und Zeitgeist
ein: Wiederaufbau und Wirtschaftswunder, Emanzipation,
                                                                                        F.C. Gundlach, vermutlich zur Zeit
Rebellion und Rock’n’Roll.                                                              seiner Ausbildung in Kassel                      Bildnachweis

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                                       Casselmag                                                                             Casselmag
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F.C. Gundlach

F.C. Gundlach mit Carmen
New York 1959

E             in geometrisch gemusterter Badean-
              zug, eine futuristische Sonnenbrille, die
              Haare streng nach hinten gebunden, der
              Kopf leicht erhaben. Entstanden ist das
Foto der jungen Frau, die in eleganter Coolness unter
einem Sonnensegel posiert, 1966 in Griechenland.
Bilder wie dieses sind vielfach zu Ikonen der Fotogra-
fie-Geschichte geworden. Bis heute zählt F.C. Gundlach
zu den bedeutenden Vertretern der experimentellen
                                                                          VON NORDHESSEN IN DIE WELT
                                                                          Geboren wird Franz Christian Gundlach, genannt
                                                                          F.C., am 16. Juli 1926 im nordhessischen Heine-
                                                                          bach. Schon als kleiner Junge experimentiert er
                                                                          mit seiner ersten eigenen Kamera, einer Agfa-Box
                                                                          mit Selbstauslöser, und richtet sich zum Leidwesen
                                                                          der Familie kurzerhand eine Dunkelkammer im hei-
                                                                          mischen Badezimmer ein. Nach dem Krieg hält er
                                                                          an der Fotografie fest. Sein Entschluss, professio-
Fotokunst, der mit seinem Stil viele zeitgenössische                      neller Fotograf zu werden, führt ihn 1947 an die
Film- und Fotokünstler*innen beeinflusst hat. In seiner                   Private Lehranstalt für Moderne Lichtbildkunst
über 40-jährigen aktiven Schaffensperiode als Fotograf                    nach Kassel. Neben seinem Talent verhilft ihm auch
veröffentlichte er hunderte Theater-, Film- und Reise-                    ein Quäntchen Glück zur Aufnahme an der Schule:
reportagen, Porträt- und Modestrecken. An der Fülle                       „Der Schulleiter wollte mich erst rausschmeißen.
und Vielfalt der Themen und Motive zeigt sich nicht nur                   Doch dann gelang mir ein gutes Bild und ich durfte
die unbeirrbare Neugierde eines Mannes, der sein Le-                      bleiben“, verrät er einmal. Zwei Jahre geht er bei     Brigitte Bauer,
ben der Fotografie verschrieben hat. In geschlossener                     Rolf-Werner Nehrdich, dem Sohn des Kasseler Por-       Op Art-Badeanzug von Sinz
Form dokumentiert das Gesamtwerk F.C. Gundlachs                           trät- und Theaterfotografen Max Nehrdich, in die       Vouliagmeni/Griechen-
auch fast ein halbes Jahrhundert Zeitgeschichte.                          Lehre. Der stattet seinen sehr guten Schüler mit dem   land 1966 Frank Hermenau

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F.C. Gundlach                                                                F.C. Gundlach

      Er war schon immer hoch-                                             Modefotografie völlig neu.“ Auch Regisseur Wim Wen-
                                                                           ders bezeichnet F.C. Gundlach als einen „Visionär der
     modern und hat sich Sachen ge-                                        Fotografie“ und bewundert seine Hingabe.
traut, wie zum Beispiel in Bewegung                                        Im Erforschen von unberührtem fotografischen Terrain
                                                                           spielt F.C. Gundlach mit den Möglichkeiten seines Me-
zu fotografieren. Diese Richtung                                           diums – und findet das eigentlich Aufregende in der Re-
war in der Modefotografie damals                                           duktion. Er setzt auf wenige, aber ausgefallene Posen
                                                                           der Models, auf sparsames, aber effektvoll eingesetztes
völlig neu.                                                                Licht. Oft leuchtet er seine Kulissen mit nur einer einzi-
                                                                           gen Lampe aus. Die ästhetische Qualität seiner Bilder
nötigen Handwerkszeug aus und bescheinigt ihm                              hat weniger mit aufwendiger Technik zu tun, sondern
„eigene Ideen, großen Fleiß und Ehrgeiz“.                                  mehr mit der Kunstfertigkeit des Fotografen. Als Künst-
Nach seinem Abschluss eröffnet er mit einer Mitstu-                        ler will der sich aber nicht verstanden wissen: „Ich
dentin ein eigenes Fotostudio in Heinebach, aber F.C.                      komme aus dem Journalismus“, sagt F.C.Gundlach.
Gundlach will mehr, vor allen Dingen raus aus der                          „Das Element der Reportage ist oft auch in meinen
Provinz. Nach Stationen als Assistent in verschiedenen                     Modebildern enthalten. Manche könnten tatsächlich
Fotostudios zieht es ihn nach Paris, wo ihn die Existen-                   auch Reportagebilder sein, dabei sind die Modefotos
zialist*innen-Szene schwer beeindruckt. Er fotografiert                    natürlich immer inszeniert.“ Form und Struktur spie-
für Haute-Couture-Häuser und erste Magazine und fin-                       len bei F.C. Gundlach eine große Rolle. Seine Bilder, so
det wachsenden Gefallen an der Modefotografie. Paris                       beiläufig und aus der Hüfte geschossen sie manchmal
ist zu dieser Zeit der modische und kulturelle Knoten-                     wirken, sind streng durchkomponiert und dabei genia-
punkt der Welt. Trotzdem verlegt er seinen Lebensmit-                      lerweise nie vorhersehbar. Nur Realitäten abzubilden
telpunkt Anfang der 50er nach Hamburg. Er schätzt die                      wäre ihm zu langweilig. Er will Geschichten erzählen
Nähe zu den großen Verlagshäusern und Redaktionen,                         und Träume erzeugen. Dieses Bestreben zeigt sich auch
mit denen sich erste Kooperationen anbahnen. Als                           in der Namensgebung seiner früheren Bilder, die mit
einem von wenigen Fotografen gelingt es ihm, sich                          Titeln wie NEUE PERSPEKTIVEN (1957), WIE AUF
neben freien Arbeiten regelmäßig feste Aufträge                            EINEM ANDEREN STERN (1964) oder STRANDSEGLER
bei Magazinen zu sichern. Im Nachkriegsdeutschland                         (1971) versehen sind.
floriert die Zeitschriftenproduktion und F.C. Gundlach                     F.C. Gundlach dokumentiert gesellschaftliche Verän-
wird als Bildjournalist von Magazinen wie STERN,                           derungen, als deren Spiegel und Ausdruck er Mode
REVUE und ELEGANTE WELT gebucht. Seine Bilder                              begreift. Genau diese wechselseitige Beziehung hält
sind so gefragt, dass er sie nicht selten unter einem                      er visuell fest, zum Beispiel bei DEBORAH AUF DER
Synonym veröffentlichen lässt, um einer inflationären                      DÜSE, aufgenommen 1962 in Beirut. Da ist eine junge,
Nennung seines Namens entgegenzuwirken. Eine be-                           elegante Frau und ein stromlinienförmiges, silbern
sonders enge und langjährige Zusammenarbeit pflegt                         glänzendes Flugzeug. Es passt alles zusammen und
er mit den Zeitschriften FILM UND FRAU und BRIGITTE,                       steht alles dafür, wie man sich die frühen 60er vor-
für die er hunderte Titelcover und tausende Seiten im                      gestellt hat: die stilsichere Kleidung, den Aufbruch,
redaktionellen Modeteil fotografiert.                                      die Design- und Statussymbole, den Wohlstand, die
                                                                           Eleganz, das neue Selbstbewusstsein. Auch wenn die
MODEFOTOGRAFIE                                                             Komposition ziemlich dominant ins Bild gerückt wird,
F.C. Gundlach fotografiert nicht bloß hübsche Kleidung                     rückt die Aufmerksamkeit trotzdem nicht zwangsläufig
an schönen Menschen. Zwar arbeitet er mit Mode und                         von dem Kleid ab, es steht als Brücke zum Zeitgeist.
Models, beides setzt er allerdings sehr ungewöhnlich
in Szene. Auf der Basis früher Experimente entwickelt                      REPORTAGE- UND PORTRÄTFOTOGRAFIE
er eine unverwechselbare, innovative Bildsprache, die                      Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass F.C. Gundlachs
in der bis dato von realistisch-gegenständlicher Natur                     lebenslange unbändige Reiselust auch auf seine Erleb-
geprägten Fotografiegeschichte im wahrsten Sinne aus                       nisse in der Kriegsgefangenschaft zurückzuführen ist,
dem Rahmen fällt. Seine Bilder sind künstlerischer,                        während der er auf engstem Raum zusammengepfercht
mutiger und abstrakter. Keine öden Posen, kein stei-                       mit anderen Soldaten um sein Leben kämpfte. Damals
fes Lächeln, keine immer wieder gleich ausgeleuch-                         träumte er davon, 40 Jahre alt zu werden. Verwun-
teten, müden Kulissen. „Er ist einfach unglaublich                         dung, Rippenfellentzündung, Tuberkulose. Tatsächlich
visionär“, sagt Esther Haase, vielfach ausgezeichnete                      überlebt F.C. Gundlach all dies nur knapp. Angetrieben
Fotografin und enge Freundin F.C. Gundlachs. „Er war                       von der Sehnsucht nach Freiheit und der Suche nach
schon immer hochmodern und hat zum Beispiel in Be-                         neuen, ungewöhnlichen Schauplätzen fliegt er ab Mitte
wegung fotografiert. Diese Richtung war damals in der                      der 50er um die Welt. Ein Exklusiv-Vertrag mit der

                                                                26                                                                           27
                                                             Casselmag                                                                    Casselmag
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F.C. Gundlach                                                                        F.C. Gundlach

                                        Gitta Schilling,
                                        Kleid von Jean Patou
                                        Paris 1962

      „Strandsegler“                                           „Neue Perspektiven“,
St. Peter Ording 1971                                          Köstum von S & E – Uli Richter, Berlin 1957

                             28                                                                                   29
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F.C. Gundlach

            Lufthansa, durch den er in Meilen bezahlt wird, spielt                  damals erst etablierte. Seine Porträts entstehen auf
            dem umtriebigen Fotografen in die Karten und macht                      der Grundlage genauester Beobachtung, sensibler
            es möglich, hunderte Fotografien on location zu reali-                  Kommunikation und einem geradezu psychologischen
            sieren. Nach ersten Werbeaufnahmen für die Lufthan-                     Gespür für die Eigenschaften, Liebenswürdigkeiten
            sa begleitet und dokumentiert er die Eröffnungsflüge.                   und Schrullen der Person. F.C. Gundlach selbst ist
            Während dieser Aufträge erkundet er auch auf eigene                     überzeugt: „Nicht die Kamera ist wichtig, sondern der
            Faust Land und Leute und kehrt oft Jahre später mit                                                  Mensch dahinter.“ Ihm
            Models und zu fotografierender Mode zurück. Die Rou-                                                 geht es um echte Begeg-
            tenauswahl ist eng durchgetaktet, in welchen Flieger er              Nicht die Kamera                nungen und kein Chichi.
            ein- und in welchem Land er aussteigen wird, erfährt                                                 „Er ist ein richtiger Gentle-
            er manchmal quasi erst auf dem Rollfeld: Paris, Berlin,            ist wichtig, sondern man“, sagt Esther Haase.
            die USA, Ägypten, Vorderer Orient, Persien, Thailand,
            Kambodscha, Hongkong, Mittel- und Südamerika.
                                                                         der   Mensch dahinter.                  „Sein guter Style zeigt
                                                                                                                 sich in seiner ganzen Art,
            F.C. Gundlach rückt weniger politische oder kritische                                                wie er mit Menschen um-
            Themen in den Fokus. Er setzt Menschen in Beziehung                     geht. Er ist gerade und aufrichtig, unheimlich höflich,
            zu ihrer Umgebung, im Kontext von Design, Kunst, Kul-                   niemals banal oder ausfallend. Er hat einfach wahre
            tur und Natur. Mal sind es spektakuläre Motive, mal                     Größe!“
            mehr oder minder triviale Szenen des Alltags, die er                    Kollege*innen, Freund*innen und Prominenz aus
            mit der Kamera festhält: Hafen- und Markttreiben,                       Mode, Film, Kunst und Musik: Sängerin Zarah Lean-
            Möbelpacker und Passanten, ein verliebtes Pärchen                       der, Fotograf Martin Kippenberger, Schauspielerin
            in einer innigen Umarmung, Winter- und Waldland-                        Hildegard Knef, Filmregisseur Jean-Luc Godard – F.C.
            schaften, leergefegte Straßen bei Nacht. Reisen sind                    Gundlach bekommt nahezu die komplette intellektuelle
            für ihn eine nie versiegende Quelle der Inspiration und                 Elite vor die Linse. „Fortune“ und Timing fallen dabei
            der Fotograf, der sich einmal freimütig als „Sammler-                   glücklicherweise recht oft zusammen: Für das Porträt
            typ“ bezeichnete, sammelt: besondere Perspektiven,                      des Schauspielers Cary Grant hatte sich der Foto-
            sinnliche Eindrücke, Fotografien von zeitloser Ästhetik.                graf ursprünglich ein ganz anderes Setting überlegt.
            Seine Faszination für Architektur zeigt sich in Aufnah-                 Aus Zeitnot disponiert er spontan um und knipst den
            men von Häuserzeilen, Treppenhäusern, Interieurs                        Schauspieler in höchst lässiger Pose nach einem
            und moderner Gartengestaltung. Mit dem befreunde-                       gemeinsamen Einkauf auf dem Parkplatz des Kem-
            ten Architekten Oscar Niemeyer bereist er Brasilien,                    pinski-Hotels in Berlin. Weltberühmt ist auch eine
            fotografiert dessen Wohnhaus in einem Vorort Rio de                     Aufnahme von Romy Schneider von 1961, auf der sich
            Janeiros und die von Niemeyer entworfene Planstadt                      die unter der Bürde ihrer „Sissi“-Rolle leidende Schau-
            Brasília. In Hongkong entsteht eine Reportage über                      spielerin in ästhetischer Verletzbarkeit zeigt. Für das
            eine britische Kolonialstadt an der chinesischen Küste.                 Shooting ziehen sich die Schauspielerin, ein Assistent
            Im Herzen von Kambodscha lichtet er die historische                     und F.C. Gundlach selbst in dessen Atelier zurück.
            Tempelanlage Angkor Wat ab.                                             In diesem geschützten Rahmen lässt sich die scheue
            Atemberaubende Kulissen findet er immer wieder auch                     Schauspielerin sehr nah und ganz ohne Make-Up
            für seine Modestrecken: über den Dächern von Man-
            hatten, auf einem Gleisbett in Hamburg, in der keni-
            anischen Wüste. Er habe in seiner Arbeit immer groß                             Sie hat gleich dutzend-
            und „in Doppelseiten“ gedacht, so F.C. Gundlach. Was
            er mit dieser visionären Haltung anstellen konnte, zeigt                       weise Abzüge bestellt. Und
            das Beispiel seines wohl berühmtesten Bildes VOR                           irgendwann habe ich gedacht:
            DEN CHEOPSPYRAMIDEN (1966): Im Profil zu sehen
            sind zwei Frauen mit Badekappen, die etwas oder je-                        Jetzt müssen wir aber auch mal
            manden in der Ferne fixieren. Im Hintergrund erheben                       eine Rechnung schreiben!
            sich die Pyramiden von Gizeh. Einmal mehr zeigt das
            Bild die große Sachkenntnis des Fotografen und seinen
            präzisen Blick für ausgefallene Motive, irre Perspekti-                    ablichten – eine Seltenheit. „Die ganze Tragik dieses
            ven und geometrische Formen.                                               Menschen ist da schon drin“, kommentierte er selbst
            Dieselbe Intensität findet sich auch in seinen zahl-                       das berühmte Foto einmal. Romy Schneider selbst habe
            reichen Portraits. F.C. Gundlach gilt als begnadeter                       die Aufnahmen sehr gemocht. „Sie hat gleich dutzend-
            Porträtist und schafft eine bemerkenswerte Nähe und                        weise Abzüge bestellt. Und irgendwann habe ich ge-
            Intimität zu den abgelichteten Personen, eine Ästhe-                       dacht: Jetzt müssen wir aber auch mal eine Rechnung
            tik, die sich ebenso wie die dazugehörigen Magazine                        schreiben!“

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Casselmag                                                                Casselmag
Der visuelle Weltenbummler - wordcase.info
F.C. Gundlach                                                                       F.C. Gundlach

                                                              „Cary Grant.
                                                              Ein Star geht zum Ball“
                                                              Berlin 1960
                    Jean-Luc Godard stellt „Außer Atem“ vor
                    XI. Berlinale 1961

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F.C. Gundlach                                                                     F.C. Gundlach

                          DER UNTERNEHMER                                                             Unterstützt wird er durch die von ihm gegründete
                          F.C. Gundlach ist nicht nur Fotograf, sondern auch                          STIFTUNG F.C. GUNDLACH, die neben seinem eigenen
                          ein erfolgreicher Geschäftsmann. 1967 gründet er die                        Werk und seiner Sammlung weitere Archivalien, wie
                          CREATIVE COLOR GMBH, vier Jahre später den PRO-                             Nachlässe anderer Fotograf*innen und größere Konvo-
                          FESSIONAL PHOTO SERVICE. Inspiriert von seinen                              lute, betreut. „Nicht immer geht es dabei um monetä-
                          zahlreichen USA-Aufenthalten, macht er in Deutsch-                          re, sondern in hohem Maße um kulturelle Werte“, sagt
                          land das scheinbar Unmögliche möglich: blitzschnelle                        Sebastian Lux, seit 2010 Geschäftsführer der Stiftung.
                          Print-Verfahren, bei denen die Abzüge innerhalb weniger                     „In unserer Stiftungsarbeit wertschätzen und fördern
                          Tage auf dem Tisch liegen. Die Medienstadt Hamburg                          wir die Fotografie als Medium.“ Noch heute ist die Stif-
                          brummt, Fotograf*innen aus der ganzen Welt stehen bei                       tung in der alten Hamburger Stadtvilla zu Hause, in
                          F.C. Gundlach und seiner innovativen Farb- und Studio-                      der F.C. Gundlach selbst lange lebte. „Es waren kurze
                          technologie Schlange. Sogar Irving Penn ist Kunde. Viele                    Wege von den Räumen der Stiftung im Souterrain bis
                          Jahre ist das Studio im Medienbunker an der Feldstra-                       in den ersten Stock zu seiner Wohnung“, erzählt Lux.
                          ße das Mekka der Szene. „F.C. als Fotopersönlichkeit                        „Ein bisschen waren wir für ihn wie eine erweiterte Fa-
                          war und ist einfach wichtig, weil er einen bedeutenden                      milie. Das war nicht immer einfach, zumeist aber war
                          Grundstein für die Akzeptanz und Wahrnehmung der                            diese räumliche Nähe praktisch, weil wir viele Dinge
                          Fotografie in Hamburg und auch über Hamburg hin-                            unkompliziert abstimmen konnten.“ Der Kunsthistori-
                          aus gelegt hat“, erzählt Siegfried Sander. Der Galerist                     ker und Ausstellungsmacher erinnert sich noch gut an
                          und Kunsthändler, der in Kassel fünf Jahre mit Joseph                       seine erste Begegnung mit F.C. Gundlach vor über 20
                          Beuys am Documenta-Projekt 7000 EICHEN arbeitete                            Jahren: „Damals machte ich als Student ein Praktikum
                          und mittlerweile eine Galerie in Hamburg betreibt,                          und hatte eigentlich noch gar nichts zu sagen!“, erzählt
                          lernte F.C. Gundlach vor vielen Jahren kennen und                           er und lacht. „Die Begegnung war sehr beeindruckend
                          schätzen. „Er ist schon eine Erscheinung und Eminenz,                       für mich. Er hatte gar keinen Dünkel, hat mir ganz auf-
                          wahnsinnig informiert und gebildet.“ In den 70ern kehrt                     merksam zugehört und viele meiner Ideen umgesetzt.
                          F.C. Gundlach nach Kassel zurück, um an der HbK, der                        Wie man Rahmen wählt und Bilder hängt, wie man Be-
                          heutigen Kunsthochschule, als freier Dozent in der von                      ziehungen zwischen Bildern herstellt, wie man Fotobü-
                          Floris M. Neusüss begründeten HOCHSCHULGALERIE                              cher konzipiert – das habe ich alles von F.C. Gundlach
                          FOTOFORUM KASSEL zu lehren.                                                 gelernt.“
                          Mit der Gründung der PPS GALERIE F.C. GUNDLACH,
                          einer der ersten Fotogalerien in Deutschland, belebt                        EIN LEBEN FÜR DIE FOTOGRAFIE
                          er 1976 die fotografische Szene auf ein Neues. In mehr                      Im Juli 2019 ist F.C. Gundlach 93 Jahre alt geworden.
                          als 100 Einzelausstellungen zeigt er die Werke inter-                       Dem Umgang mit der eigenen Vergänglichkeit kann
                          nationaler Fotografinnen und Fotografen wie Richard                         man sich auf vielfältige Weise nähern, F.C. Gundlach
                          Avedon, Robert Mapplethorpe, Martin Kippenberger und                        tut es auf eine pragmatische Art, ohne falschen Kitsch
                          Nan Goldin. Längst ist er auch für seine kuratorische                       oder Sentimentalität: „Wir verdrängen ja gern den
                          Handschrift berühmt. „Er ist sehr genau in dem, was er                      Tod. Aber er gehört nun einmal dazu. Ich habe mich
                          macht“, sagt Esther Haase. „Ich war später mit ihm bei                      etwas intensiver mit Sepulkralkultur beschäftigt und
                          einer meiner Hängungen und habe mitgekriegt, wie oft                        entschieden: Ich will bestimmen, was passiert. Das
                          was von rechts nach links geschoben wird. Alles muss                        Ende des Lebens, das wollte ich gerne mitgestalten.“
                          seinen Platz haben. Alles unterliegt seiner Ästhetik.“                      Schon vor Jahren ließ er sich auf dem Ohlsdorfer
                          Ende der 80er legt F.C. Gundlach die Kamera aus der                         Friedhof in Hamburg ein oberirdisches Grab, einen
                          Hand, kommt aber nicht los von seiner Muse, der Fo-                         Kubus aus Beton, errichten. Eine Ruhestätte „mit
                          tografie. Er organisiert Ausstellungen und Symposien,                       einer schönen Aussicht“ wünschte sich F.C. Gundlach,
                          unterrichtet an der Hochschule der Bildenden Künste                         gebaut aus einem Werkstoff von heute. Statt seines
                          Berlin und initiiert 1999 die erste TRIENNALE DER                           Namens ziert sein berühmtes Badekappen-Motiv das
                          PHOTOGRAPHIE in Hamburg, ein seither bestehendes                            Mausoleum – als Fotogravur, die in einem speziellen
                          Fotofestival von internationalem Renommee. 2003 wird                        Verfahren in Beton gegossen wurde. Interviews möch-
                          er Gründungsdirektor des Hauses der Photographie in                         te der Vielgereiste, der mittlerweile wieder in Ham-
                          den Hamburger Deichtorhallen. Als leidenschaftlicher                        burg lebt, keine mehr geben. Mitreden, wenn es um
                          Sammler hegt und pflegt er außerdem mit nimmermü-                           seine Passion, die Fotografie, geht, schon. Im Sommer
STIFTUNG F. C. GUNDLACH
                          dem Enthusiasmus seine beachtliche Sammlung fotogra-                        erst war er Teil des Kuratorenteams der Ausstellung
      Parkallee 33
                          fischer Arbeiten, die er über Jahrzehnte aufgebaut hat.                     GENERATION GUNDLACH, die noch bis Mitte Novem-
    20144 Hamburg
                          Eine Mammutaufgabe, die viel Zeit und Energie erfor-                        ber zu sehen ist. Die Retrospektive zeigt einen span-
   www.fcgundlach.de
                          dert, denn, so stellt F.C. Gundlach einmal treffend fest:                   nenden Querschnitt seines Gesamtwerkes aus mehr
                          „Eine Sammlung ohne Konzept ist eine Ansammlung.“                           als vier Dekaden.

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       Casselmag                                                                        Casselmag
F.C. Gundlach

                                                                                                         Abendklein von Manguin
                                                                                                         Paris 1952

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                                                                                                                           GENERATION GUNDLACH – Prägende Werke des
                                                                                                                             Meisters der Modefotografie F. C. Gundlach
                                                                                                                                    Noch bis 16. November 2019
                                                                                                                                   Elbschloss Residenz Hamburg

                                                                                                                             FOTOGRAFIE IN DER WEIMARER REPUBLIK
                                                                                                                                     Noch bis 19. Januar 2020
                                                                                                                                    LVR-Landes-Museum Bonn

                                                                                                                          DAS BILD DES MENSCHEN IN DER PHOTOGRAPHIE
                                                                                                                              Dauerleihgabe im Haus der Photographie
                                                                                                                                   der Hamburger Deichtorhallen
                                                                                                                                      www.deichtorhallen.de

                                                                                                                                                37
           WETZEL OPTIK • Obere Königsstraße 28 • 34117 Kassel • Tel. 0561 21859 • www.optik-wetzel.de                                      Casselmag
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