Des "Hofes" im Büchelquartier - Keine Nachahmung vermeintlich Aachen typischer Raumgeometrien, Kein deja vue - Buechel-Aachen.de
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Büchelquartier Die Priorisierung von stationärem Einzelhandel wird aufgegeben. Dies soll einzelne Einzelhandelsangebote nicht ausschließen. Aachen braucht etwas grundsätzlich anderes als Filialisten, Franchise Läden etc. Aachen braucht nicht mehr, sondern andere Angebote. Die bislang favorisierte Ost-West Verbindung in Höhe des Bädersteigs wird aufgegeben. Keine Nachahmung vermeintlich Aachen typischer Raumgeometrien, Kein deja vue des „Hofes“ im Büchelquartier. Eine neue Verbindung in Nord-Süd Richtung zwischen Klein-/Großkölnstraße und Büchel scheint wesentlich ertragreicher für das Stadtgewebe und hat mehr Potenzial für eine qualitätsvolle Neustrukturierung des Quartiers. Ausgangspunkt Londoner Hof Der Londoner Hof ist nicht nur aufgrund seiner bauhistorischen Bedeutung das wichtigste Gebäude. Die Auffälligkeit der heute offenen Form des ehemaligen Ehrenhofs erzeugt eine signifikante einladende Geste im Straßenbild. So wie der Ehrenhof ursprünglich Empfangsraum für den Londoner Hof war, könnte er nun neuzeitliches Entrée zum Innern des Büchelquartiers werden. Freiraum An der Gartenseite des Londoner Hofes wird der vordere Hof quasi vierfach gespiegelt. Es entsteht eine Freifläche von 22 x 88 m, die Kleinkölnstraße und Büchel über 4 Plateaus mit jeweils 1m Höhenunterschied verbindet. Dieser Freiraum wird nicht bebaut. Das geschützte Haus Antoniusstraße 18 bleibt als Relikt und Reminiszenz erhalten. Wohnen Mittendrin - Gemeinschaftlich Wohnen + Arbeiten - Ein Leuchtturm Die Fassung der Freifläche wird gebildet durch ein großes Haus für eine Gruppe, die bewusst im Herzen der Stadt und nicht an der Peripherie ein gemeinschaft- liches dezidiert urbanes Wohnprojekt umsetzen möchte. Coliving und Coworking erfreuen sich zunehmend größerer Akzeptanz. Dies wird durch die Erfahrung der Corona Krise und die zu ihrer Bekämpfung entwickelte Solidarität zusätzlich gefördert. Vorbilder sind Kraftwerk 1 in Zürich und ähnliche Projekte in der Schweiz aber auch in Berlin wie das IBeB und in München WagnisArt.
Kraftwerk 1 hat Pionierarbeit geleistet und geht zurück auf das 1983 erschienene gesellschaftskritische Manifest bolo’bolo, das Hans Widmer unter dem Pseudonym P.M. schrieb. Ein bolo bezeichnete eine autonome Gruppe von einigen hundert Menschen mit einem gemeinsamen Interesse an einer alternativen Form des Zusammenlebens und -wirtschaftens. 2017 erschien das von Widmer heraus- gegebene Buch „Die Andere Stadt“, in dem das Modell der aus Nachbarschaften aufgebauten „Anderen Stadt“ als enkeltaugliche Struktur entwickelt wird. Der u.a. von Hans Widmer gegründete Verein „Neustart Schweiz“ hat in der Schrift „Nach Hause kommen – Mit Nachbarschaften der Klimakrise begegnen“ ein Nachbarschaftsmodell entwickelt, das die Grundlage bilden kann für einen lebendigen Kern des Büchel Quartiers. Silke Helfrich schreibt im Nachwort der 1.Auflage unter der Überschrift Commons- Gedanken: Es muss das Ganze neu gedacht werden – als eine andere Wirtschaftsweise, in der sich auch Lebensräume und Beziehungen neu strukturieren. Daher ist es an der Zeit, den Gedanken des Gemeinschaftlichen und des Aufeinander-Angewiesen seins aus der nachbarschaftlichen Übersichtlichkeit heraus zu holen und auf diesen Grundideen aufbauend an freien, fairen und nachhaltigen Gesellschaften mitzugestalten. Das Nachbarschaftsmodell geht aus von einer Modellnachbarschaft von 500 Personen bei einem Blockrandbau von 90 x 90 m mit einer Gebäudetiefe von 14 m. Der Block hat eine Höhe von 8 Geschossen. Im Erdgeschoss sind gemeinschaft- liche Sondernutzungen angeordnet. Nach den Kennziffern für die Modellnachbarschaft ergeben sich für das Büchelprojekt die folgenden Werte: Die Randbebauung hat bei einer Gebäudetiefe von 14 m pro Geschoss eine Bruttogeschossfläche von rund 2.900 qm. Nach einem pauschalen Abzug für Wände, Verkehrsflächen, Loggien etc. verbleibt eine vermietbare Fläche von ca. 63%. Das entspricht 1.816 qm. Bei 4 Geschossen liegt die Summe der insgesamt vermietbaren Fläche bei 7.264 qm. Vermietbare Wohnfläche 7.264 qm Personenzahl 207 bei 35 qm / Person Reserve 720 qm Infrastruktur 509 qm Bedarf übrige Arbeitsflächen EG Werkstätten Gewerbe etc. 580 qm Vorhandene Nutzfläche EG 63% von 1.314 = 828 qm Die Größenordnung und der Nutzungsmix sind vergleichbar Kaftwerk1. Es dürfte zielführend sein, in der Programmphase Philipp Klaus, Finanzvorstand von Kraftwerk1 und seit der Anfangszeit dabei und Andreas Hofer von der Genossenschaft „Mehr als Wohnen“, heute Intendant der IBA Stuttgart 2027 als Berater dabei zu haben. Das konzeptionell an Commons angelehnte Projekt soll Menschen aus möglichst unterschiedlichen sozialen Milieus ansprechen. Es soll als Leuchtturmprojekt Kern des Büchelquartiers werden und vielfältig verwoben werden mit futurelab Forum Wissen.
Allmende und Hortus conclusus Die Umbauung des Freiraums lässt einen Raum entstehen, der durch die Nutzung unterschiedlich aufgeladen werden kann. Er ist Gemeingut und wird Allmende. Als Binnengarten ist er ein hortus conclusus, ein Ort der von der übrigen Welt abgeschlossen ist. In einem mit „Rückzug nach innen“ überschriebenen Interview für die Zeitschrift archithese sagt Tom Avermaete zu den Rückzugsmöglichkeiten und der Entschleunigung in der Stadt: Eine Kategorie, die ich in diesem Zusammenhang wiederentdeckt habe, ist der hortus conclusus. Er ist in der Geschichte der Stadt eine sehr alte Figur, doch bis heute aktuell und hat über die Jahrhunderte verschiedene Rollen erfüllt. Er macht uns klar, dass die Stadt schon immer aus einer Parallelität verschiedener Geschwindigkeiten und Rhythmen bestand. Der hortus Conclusus ist in der Lage dies anzubieten oder aufzunehmen. Er entstand bereits im Mittelalter in den europäischen Städten, die zu dieser Zeit einen vom Handel bestimmten Rhythmus annahmen…. Die anhaltende Notwendigkeit über Räume der Kontemplation nachzudenken erinnert mich an einen sehr schönen Essay des Austro-amerikanischen Philosophen und Theologen Ivan Illich mit dem Titel „Silence is a Commons“. Er plädiert dafür, auch in der Stadt Räume der Stille als Ressourcen zu erhalten oder neue zu schaffen. Orte für einen Rückzug nach Innen sind in Zeiten der Verdichtung wichtiger denn je. Gerade auch nach den Erfahrungen von Corona und einer Wertschätzung der mit dem Lockdown einhergehenden Entschleunigung steigt der Wert möglicher Rückzugsmöglichkeit in der Abgeschiedenheit. Der hortus conclusus ist keine Erfindung des christlichen Abendlandes. Als realer Garten ist er eher als Ausnahme in der Abgeschiedenheit der Klöster zu finden. In der christlichen Welt repräsentierte hortus conclusus das irdische Paradies, außerhalb dessen Einfriedung die heillose Welt ist. Der Landschaftsarchitekt Jochen Wiede beschreibt die Unterschiede: Die ca. 2000 Jahre alte abendländische Gartenkultur nährt sich aus einem intensiven Dialog mit der Außennatur. Das Wasser hat eine ästhetische Funktion.
Der ca. 3500 Jahre alte persisch-orientalische Garten, aus dem Elemente in die abendländische Gartenkultur übernommen wurden, ist die Urform des hortus conclusus; die Gartengrenze ist bestimmend als Abschottung gegen die Unbill der Außennatur, gleichzeitig als Schutzwall vor Hitze und gegen ständige politische Unsicherheiten. Hier ist der Garten Rückzugsort für die Familie des Herrschers, Ort ungestörter Glaubensverrichtungen, der im alten Ägypten der Totenverehrung diente. Wasser hat hier praktische und symbolische Aufgaben und wird religiös und spirituell überhöht. Ohne Wasser ist der persisch–iranische Garten nicht vorstellbar. Umschlossener Ägyptischer Lustgarten l Wandfresko in einer Totengruft V&A Museum London Der Begriff Paradies selbst bezieht sich auf die archaische Abgrenzung einer lebenswerten von einer feindlichen Welt. Der griechische Schriftsteller Xenophon münzte den Begriff paradeisos für alles, was für eine Art abgegrenzter Grünraum, öffentlicher Park oder Obstgarten steht, denn er bezog sich dabei auf den altpersischen Ausdruck pairi-daēza, was nichts anderes bedeutet als umgrenzter und beschützter Bereich. An mittelalterlichen Kirchen gab es eingehegte Bereiche, Vorhöfe, Atrien, etc. die Paradies genannt wurden. Das „Paradies“ an der Kathedrale St. Eulalia in Barcelona ist heute noch erhalten mit einer üppigen Vegetation und freilaufenden Tieren.
Paradies Kathedrale St. Eulalia l Barcelona Das Perimeter – Rand der Freifläche Die Umgrenzung sollte nach einem rationalen Prinzip der gleichförmigen Wiederholung gestaltet sein. Das Prinzip der egalitären Genossenschaft wird baulich gespiegelt in gleichen, sich wiederholenden rapportartigen Fassadensequenzen. Vorbild ist die 1848 realisierte Rue de Rivoli, erste der von Haussmann geplanten Boulevards. Vorbild hierfür war der Anfang des 17. Jahrhunderts gebaute Place des Vosges mit seinen immer wieder gleichen Fassaden. Place des Vosges
Rue de Rivoli Die Rue de Rivoli hat eine Breite von 22 m. Der Freiraum hat die gleiche Breite. Fassaden östliche Randbebauung Östliche und westliche Randbebauung 32 Achsen der Rue de Rivoli = 88m Südliche und nördliche Randbebauung 8 Achsen = 22m Modularer Aufbau 2,75 l 5,50 l 11,00 l 22,00 l 44,00 l 88,00 Achsmaß Mosteiro de Santo Estevo de Ribas de Sil Mosteiro de Santo Estevo Die Breite der Schmalseite des hortus conclusus beim Mosteiro de Santo Estevo beträgt gleichfalls 22 m.
Rue de Rivoli Rue de Rivoli Es ist nicht daran gedacht, eine Replika der Fassade der Rue de Rivoli zu realisieren. Es soll das darin enthaltene Essentielle der Zonierung und Modularität transformiert werden in die heutige Zeit. Die umlaufend gleiche Fassade mit dem Kolonnadengeschoss wird einen Außenraum entstehen lassen, der einzigartig für Aachen wäre und ein Stück weit die Haussmannsche Grandezza nach Aachen bringt. Nachfolgend eine Reihe von Beispielen, auf die Bezug genommen werden könnte. Giovanni Muzio
Giorgio Grassi Giorgio Grassi Studentenwohnheim Giorgio Grassi Studentenwohnheim Hans Kollhoff Hans Kollhoff Leibniz Kolonnaden
Hans Kollhoff Leibniz Kolonnaden Hans Kollhoff Leibniz Kolonnaden Arno Lederer
Wiese + Wasser Massimo Vitali Picnic Allee Paris Die Dimension und die Topografie des hortus clonclusus haben ein Potenzial für sehr unterschiedliche Settings, für die nachfolgend einige Beispiele gezeigt werden. Im persisch orientalischen Garten wird das Gestaltungsrepertoire erweitert durch das Wasser, das eine bestimmende Rolle einnimmt. Der Umstand, dass in der langgestrecken Geometrie des hortus conclusus das Gelände in Plateaus gestaffelt ist, hat viele Potenziale. Im Bereich der untersten Ebene entsteht durch die seitlichen Treppen ein bespielbarer Raum wie ein Theater. Beim Square de Bouleaux gibt es auch eine Höhendifferenz, die bewusst durch Addition des baulichen Elements Rampe überwunden wird. Die Terrassierung lässt Assoziationen entstehen zu dem persischen Garten Shahzadeh. Es bietet sich die Möglichkeit, das für Aachen an dieser Stelle wichtige Thema des Wassers konzeptionell aufzunehmen. Insofern wurde das Stichwort Wiese erweitert um Wasser.
Michel Desvigne Square de Bouleaux Architektur Renzo Piano Michel Desvigne Square de Bouleaux Architektur Renzo Piano Gilles Clément Parc André Citroën
Garten Shahzadeh l Mahan ein Gartenjuwel in der Wüste Garten Shahzadeh l Mahan
Garten Shahzadeh l Mahan Gilles Clément St. Nazaire Garten auf dem ehem. U Boot Bunker
Wissen Bereits vor einigen Monaten habe ich zusammen mit Hans-Dieter Collinet vorgeschlagen im Bereich des Büchel Areals eine Repräsentanz der Wissenschaft und Hochschulen als futurelab Forum Wissen zu etablieren. Es wurde mittlerweile umfangreiches Material gesammelt, was für das weitere Procedere hilfreich sein sollte. Es scheint notwendig, ein Leitbild für die Institution im Rahmen der third mission der Hochschulen zu entwickeln aber auch für die bauliche Umsetzung. Es schwebt mir ein möglichst offenes und kommunikatives Gebäude vor mit coworking Bereichen, Living Labs und modernen Lern Environments wie das Learning Center der HSG. Anbei eine Liste mit Persönlichkeiten, aus der eine Leitbildkommission zusammengesetzt werden sollte. FutureLab Forum Wissen ist westlich des Wohnprojektes vorgesehen, es soll an der westlichen Längsseite andocken. Die verfügbare Fläche von 2.448 qm setzt sich aus 2 Teilflächen von 1.132 qm und 1.316 qm zusammen, die in den Obergeschossen verbunden sein können. In Plan C ist das Erdgeschoss des Innovations- zentrums UC - Anacleto Angelini in Santiago de Chile hineinmontiert, um einen Anhaltspunkt für die Flächenorganisation zu haben. Die Flächen von Futurelab Forum Wissen sollen sich mit denen des Coliving und Coworking im Wohnprojekt verzahnen und sichtbar werden im Arkadengeschoss. 30.Juni 2020 Prof.
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