Deutschland und das "BEAST" - im Luftkampf gegen Eurofighter - ASMZ

Die Seite wird erstellt Luis Pfaff
 
WEITER LESEN
Deutschland und das "BEAST" - im Luftkampf gegen Eurofighter - ASMZ
Luftwaffe

Deutschland und das «BEAST» –
im Luftkampf gegen Eurofighter
Luftkampf-Training gehört für die Piloten der Schweizer Luftwaffe zur
anspruchsvollsten Disziplin im täglichen Geschäft. Höchste Konzentration,
taktische Schnelligkeit und eine psychische sowie physische Belast-
barkeit sind Voraussetzung, um den Gegner in der Luft schlagen zu können.
Im vergangenen Oktober sind es vier Eurofighter der deutschen Luftwaffe,
die gleichvielen Schweizer F/A-18 Hornet Kampfjets hoch über den
Wolken begegnen.

Christian Trottmann, Redaktor ASMZ            tailliert das bevorstehende Luftkampf-Trai-               Der US-Tanker
                                              ning. Der Auftrag: Während dreissig Mi-
   Zwei Schweizer Kampfjets starten mit       nuten müssen durch die Schweizer, im heu-        Die vier Schweizer F/A-18 Hornets be-
Nachbrenner ab dem Flugplatz Meirin-          tigen Szenario BLUE AIR, verschiedene         finden sich inzwischen bereits über deut-
gen, zwei weitere F/A-18 Hornets heben        Konferenzstandorte, zwei Flugplätze und       schem Boden. Der wenig anspruchsvolle
in Payerne ab. Nach kurzer Zeit treffen       andere relevante Objekte – kurz die «Vital    Überflug unter ziviler Radarführung ver-
sich die beiden Zweier-Patrouillen an ei-     Area» – im südlichen Einsatzraum vor geg-     lief reibungslos. Nun aber schnellt der Puls
nem vereinbarten Punkt über der Schweiz       nerischer Wirkung geschützt werden. Kein      ein erstes Mal in die Höhe – der Stresspe-
und steuern in Richtung Neuburg, zwi-         feindliches Flugzeug darf in dieser halben    gel nimmt zu. Rund fünf Minuten hat je-
schen Ulm und München. Noch aus-              Stunde die Möglichkeit haben, die schüt-      der der vier Schweizer Piloten Zeit, seinen
serhalb des eigentlichen Kampfraums           zenswerten Objekte innerhalb des defi-        Jet am amerikanischen Tanker des Typs
werden sie von einem US-Tanker, her-          nierten Sektors angreifen zu können. Die      Boeing KC-135 aufzutanken. In England
kommend aus England, erwartet und für         Dimensionen dieses Raums werden durch         gestartet, erwartet die Maschine nun die
das bevorstehende Training mit Treibstoff     die Einsatzmittel des Gegners bestimmt –      Schweizer F/A-18 Hornets. Auf der linken
versorgt. Anschliessend begeben sich die      oder einfacher; je grösser die Reichweiten    Seite des Tankers befinden sich die vier
Schweizer Jets in Stellung, beginnen ihre     der gegnerischen Lenkwaffen, desto frü-       Kampfjets in Warteposition, tanken in
Combat Air Patrol (CAP) zu fliegen. Die       her oder weiter vor den zu schützenden        ihrem zugewiesenen Zeitfenster und be-
Mission beginnt.                              Objekten muss die «Vital Area» im Dis-        geben sich danach auf die rechte Seite –
   Zum Big Picture: Im Rahmen der             positiv definiert sein. Basierend auf den     solange bis sie alle vollgetankt und bereit
nachbarschaftlichen Zusammenarbeit mit        Kenntnissen über die simulierten gegne-       für den bevorstehenden Luftkampf sind.
Deutschland bestreiten in diesem kom-         rischen Einsatzmittel beträgt die Ausdeh-
plexen Szenario insgesamt vier Schweizer      nung im heutigen Konferenzschutz-Sze-
F/A-18 Hornet-Piloten ein Luftkampf-          nario mehrere Dutzend Kilometer.              Take-off in Meiringen: mit Nachbrenner
training gegen vier Eurofighter der deut-                                                   geht’s zum Luftkampf nach Deutschland.
schen Luftwaffe. Solch länderübergreifen-
de Trainings finden in unterschiedlicher
Ausprägung regelmässig statt. Den heu-
tigen «Game Plan» geben die Schweizer
vor – sie wollen durch die deutschen Kol-
legen im Rahmen eines umfangreichen
Konferenzschutzes auf Herz und Nieren
getestet werden.

          Die «Vital Area»
   Es ist kurz vor halb acht Uhr morgens.
Im Briefingraum in Meiringen bespricht
Mission Leader und Kommandant der
Fliegerstaffel 11 Major Marc Studer alias
«Studi» zusammen mit dem amerika-
nischen Austauschpiloten und heutigem
Flügelmann «Amtrak» sowie den beiden
per Videokonferenz zugeschalteten Pilo-
ten aus Payerne, «Woody» und «Mösi», de-

34    Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 01/02/2018
Deutschland und das "BEAST" - im Luftkampf gegen Eurofighter - ASMZ
Luftwaffe

                                                                                           kundenschnell in Raum, Kraft und Zeit
                                                                                           von diesem einen Punkt gerechnet wer-
                                                                                           den. Rasch muss die Lage erfasst, verhält-
                                                                                           nismässig eingeschätzt, kommuniziert und
                                                                                           die Verteidigungstaktik in der Luft lau-
                                                                                           fend angepasst werden. Die Komplexität
                                                                                           eines solchen Szenarios steigt mit der An-
                                                                                           zahl der gegnerischen, aber auch der eige-
                                                                                           nen Mittel.

                                                                                                     Führen im Gefecht
                                                                                              Inzwischen hat sich die gegnerische Vie-
                                                                                           rer-Formation aufgesplittet und fliegt dem
                                                                                           Schweizer CAP nicht mehr geschlossen
                                                                                           entgegen. Vielmehr kommen nun je zwei
                                                                                           Flugzeuge aus Westen und aus östlicher
                                                                                           Richtung. «Studi» ist es, der abhängig von
                                                                                           der Angriffsformation der deutschen Geg-
                                                                                           ner seine Kameraden sofort befiehlt. Sei-
Sekundenschnelle Richtungswechsel:                                                         nen Flügelmann «Amtrak» mit dem tak-
laufend wird die Taktik dem Gegner            CAP abgewandt vom Gegner) überlebens-        tischen Rufnamen BEAST 12 schickt er,
angepasst.                      Bilder: VBS   wichtig, sofern keine externen Radardaten    die Gruppe im Westen zu bekämpfen.
                                              via Data-Link übermittelt werden können.     Major Marc Studer persönlich nimmt
                                              Dann nämlich wird den Piloten während        sich der anderen Gruppe an. «Woody»
Eine solche Luft-Luft-Betankung wird          dieser Phase der Feind nicht auf ihrem Ra-   und «Mösi» mit BEAST 13 und 14 zie-
von Schweizer Piloten nicht im Rahmen         dar angezeigt.                               hen sich zurück und sichern die Tiefe des
der täglichen Operationen trainiert, soll                                                  zu verteidigenden Raumes. Was sich in
aber neben all den anderen Fähigkeiten                   Das «Bullseye»                    den nächsten 30 Minuten entwickelt, ist
eines Kampfjetpiloten der Schweizer Luft-                                                  weder planbar, noch voraussehbar – dies
waffe gleichwohl beherrscht werden.              Während des Luftkampfs werden den         ist Luftkampf. Die Lage ändert sich im
                                              Piloten einerseits mittels Data-Link auf     Sekundentakt – höchst anspruchsvoll und
              Der Gegner                      deren Lageübersichtsbild im Cockpit, an-     dynamisch. «Studi» vergleicht die einwir-
                                              dererseits durch den TFC über Funk die       kenden Belastungen mit einem 400-Me-
   RED AIR, der Gegner also, wird sich        relevanten Angaben zur Position der feind-   ter-Lauf unter Wettkampfbedingungen,
aus nördlicher Richtung mit modernster        lichen Flugzeuge übermittelt. Im Falle       bei dem der Athlet gleichzeitig eine hoch-
Taktik, äusserst aggressiv und mit Über-      eines Trainings innerhalb der Schweiz be-    komplexe Rechenaufgabe lösen und das
schallgeschwindigkeit «präsentieren»,         findet sich der TFC in der Einsatzzentra-    Rennen dennoch gewinnen muss. Eine
sprich angreifen und dann im Kampf            le Luftverteidigung in Dübendorf, im ak-     Niederlage in der Luft wäre mit grosser
agieren. So viel ist bekannt. Ebenfalls be-   tuellen Luftkampf über Deutschland ver-      Wahrscheinlichkeit tödlich.
kannt, ist der CAP-Punkt, der Standort,       sorgt ein TFC der deutschen Luftwaffe
wo die Schweizer Kampfjets auf FL 280         die Piloten mit den nötigen Informatio-              «Timeout» und «Kill»
(ca. neun Kilometer Höhe) patrouillieren      nen zum Kampf.
und auf den Gegner warten. Der CAP liegt         Als Referenzpunkt der jeweiligen Po-         Kommt es zur Zielbekämpfung, wer-
aufgrund der angewendeten Taktik, un-         sitionsangaben dienen festgelegte Koor-      den Lenkwaffen innerhalb Sichtdistanz
ter der Annahme, dass man während des         dinaten – dieser Punkt heisst «Bullseye».    («Dogfight») oder ausserhalb Sichtdistanz
Kampfes nach und nach durch den Geg-          Eines der vier gegnerischen Flugzeuge        zum gegnerischen Flugzeug, sogenannt
ner leicht zurückgedrängt wird, einige        greift so beispielsweise aus nördlicher      «Beyond Visual Range», geschossen. Bleibt
dutzend Kilometer vor der zu schützen-        Richtung an – der deutsche TFC meldet        hier der Gegner unbeirrt auf Kurs, wird
den «Vital Area». Die Schweizer werden        dem Schweizer Commander: «North              er aus Sicht des Schützen bestenfalls ge-
zu Beginn des Trainings mit einer «Wall       Group – Bullseye 270 – 15 – 25000».          troffen und vernichtet. Gleichzeitig reisst
West» zu viert nebeneinander aufgereiht       Übersetzt: Der Angreifer befindet sich       der Schütze seinen Jet mit bis zu7g (sieben-
ihre Patrouille fliegen. Lange bevor die      aktuell ausgehend vom definierten «Bull-     faches Lastvielfaches) kurz nach Schuss-
Eurofighter die FLOT (Forward Line of         seye» 15 NM westlich, in einer Flughöhe      abgabe aus seiner aktuellen Fluglinie und
Own Troops) überschreiten, erscheint der      von 25000 Fuss. Dies war lediglich die       verhindert so für einen Moment, selber
Gegner auf dem Cockpit-Radar während          Angabe für eines der insgesamt acht sich     vom Feind getroffen zu werden. Nun hat
des «Hot Leg» im CAP (Flugzeugnase in         im Einsatzraum befindenden Flugzeu-          «Studi» einen der vier Eurofighter auf
Richtung Gegner zeigend) oder die Anga-       gen – als Mission Leader muss «Studi»        seinem Radar aufgeschaltet – rasch greift
be erfolgt durch den Tactical Fighter Con-    sie alle möglichst gleichzeitig sehen und    er zum Abzug. Dann der Schuss. Jetzt
troller (TFC). Dies ist insbesondere auf      koordinieren, Potenziale für Freund und      bleibt dem Gegner weniger als eine Mi-
dem «Cold Leg» (Flugzeugnase während          Feind richtig beurteilen. Alles muss se-     nute bis zum Einschlag, dem so genann-

                                                                         Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 01/02/2018   35
Deutschland und das "BEAST" - im Luftkampf gegen Eurofighter - ASMZ
ten «Timeout». Der Schweizer Pilot mel-       onsflut im Luftkampf ist enorm. Der Pi-
det am Funk den vermuteten Treffer mit-       lot muss während des Kampfs unter mas-
tels Bullseye-Position des Gegners zum        siver psychischer und physischer Belas-
Zeitpunkt des «Timeout». Unmittelbar          tung innert kürzester Zeit und mit hoher
darauf gibt der angesprochene Eurofigh-       Frequenz eine grosse Menge an verschie-
ter-Pilot seine Flugrichtung (Heading)        densten Daten aus seinem eigenen Flug-
durch. Rasch wird Studer klar, dass der       zeug, aber auch via Data-Link übermittel-
deutsche Jet nicht mehr rechtzeitig ab-       te Informationen interpretieren. Gleich-
drehen und somit von ihm erfolgreich          zeitig müssen Zustand und Leistung der
bekämpft werden konnte. Vielmehr blieb        eigenen Maschine in das aktuelle Lagebild
er «hot» und flog direkt in Richtung          integriert werden. Erst dann kann über
entgegenkommender Lenkwaffe. Über             einen allfälligen Waffeneinsatz entschie-
Funk meldet der Schweizer Pilot darauf-       den werden.
hin «Killed».
   Acht Flugzeuge trainieren so an diesem                   Das Design
20. Oktober 2017 während äusserst in-
tensiven dreissig Minuten den Luftkampf          Welche Luftkampf-Szenarien für die
und werden am Ende des Tages weitere          Schweizer Luftwaffe aufgrund der aktuel-
wichtige Schlussfolgerungen für einen         len Bedrohungslage relevant und damit
allfälligen Echteinsatz im Schweizer Luft-    zu trainieren sind, gibt der Chef Spar-
raum ziehen können.                           te Luftverteidigung des Luftwaffenstabes
                                              vor. Unter anderem werden entsprechen-
            Klassifizierte                    de Szenarien aufgrund strategischer und
          Lenkwaffen-Daten                    nachrichtendienstlicher Einschätzungen
                                              ausgearbeitet. Der Kommandant des Ge-
   Um die Herstellerangaben der jewei-        schwaders gibt die Rahmenbedingun-
ligen Lenkwaffen auf ihre Genauigkeit         gen des jeweiligen Trainings vor, der Mis-
im realen Kampf zu überprüfen und zu          sion Commander von BLUE AIR wiede-
vergleichen, trainieren die Jetpiloten der    rum die konkrete Angriffs- oder Vertei-
Schweizer Luftwaffe regelmässig mit aus-      digungstaktik seines Verbandes. Die ge-
ländischen Partnern, welche über die glei-    plante Kampftaktik muss dem Ausbil-
chen Waffen und teilweise über echt er-       dungs- und Trainingsstand der involvier-
probte Kampferfahrung verfügen. Damit         ten Piloten entsprechen und diese im Be-
lassen sich Herstellerangaben zu Lenkwaf-     reich des Luftkampfs weiterbilden. Abge-
fen präzisieren und exakt auf die eigene      stimmt darauf, ergibt sich dann die Kraft
jeweilige Kampftaktik adaptieren. Die ge-     des Gegners. Ganz bewusst kann der Mis-
wonnenen Daten im Luftkampf werden            sion Commander von BLUE AIR so aber
minutiös ausgewertet und fliessen schliess-   auch unterschiedliche Stärken des Gegners
lich in eine geheim klassifizierte Daten-     simulieren lassen. Dieser kann beispiels-
bank, zu der lediglich ein kleinster Kreis    weise weniger leistungsfähigere Lenkwaf-
an Involvierten Zugang hat. Hier nämlich      fen besitzen oder schlicht weniger gut aus-
lagern sämtliche relevanten Informatio-       gebildet sein als BLUE AIR. Und dann,
nen zum operationellen Einsatzspektrum        irgendwann, gibt es keine Regeln mehr.
der Lenkwaffen der Schweizer Luftwaffe.       Der Gegner RED AIR kann kommen, wie
   Der Luftkampf ist das anspruchsvollste     er will – alles ist möglich. Dies bedeutet
und wichtigste Ausbildungselement für         dann ein realistisch trainiertes Verteidi-
Schweizer Jetpiloten und erfordert von        gungsszenario.
allen Beteiligten höchste Konzentration.
Täglich werden solche und ähnliche Sze-                    Die Rückkehr
narien mit F/A-18 Hornets und F5 Tiger
am Schweizer Himmel zwischen Luzern              Es sind die wechselnden Belastungen
und Martigny sowie vom Walensee bis zur       und die unterschiedlichen Konzentrati-
südöstlichen Landesgrenze trainiert. Be-      onsphasen, welche für den Mission Com-
ansprucht wird eine räumliche Ausdeh-         mander Major Marc «Studi» Studer den
nung von jeweils rund 110 auf 70 Kilo-        heute durchgeführten Luftkampf über
metern auf einer Höhe zwischen 13000          Deutschland zu einem der komplexeren
Fuss (zirka vier Kilometer) bis theoretisch   Trainings gemacht haben. Mehrere Tage
FL 490 (knapp 15 Kilometer). Jeder der        Planungszeit waren nötig, dass dieses län-
aktiven Frontstaffel-Piloten der Schwei-      derübergreifende und partnerschaftliche
zer Luftwaffe muss ein derartiges Training    Luftkampftraining so erfolgreich absol-
regelmässig absolvieren. Die Informati-       viert werden konnte.                    ■
Deutschland und das "BEAST" - im Luftkampf gegen Eurofighter - ASMZ Deutschland und das "BEAST" - im Luftkampf gegen Eurofighter - ASMZ
Sie können auch lesen