Diagnostische Kriterien und Diagnose der Demenz vom Alzheimer-Typ - Thieme Connect

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Neurologie up2date
                                                                        1 · 2019

                                                                                      Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
                                         Neurodegenerative Erkrankungen          12

               Diagnostische Kriterien
               und Diagnose der Demenz
               vom Alzheimer-Typ
                                                             Christiane Oedekoven
                                                                     Richard Dodel

VNR: 2760512019156642827
DOI: 10.1055/a-0803-4606
Neurologie up2date 2019; 2 (1): 91–105
ISSN 2511-3453
© 2019 Georg Thieme Verlag KG
CME-Fortbildung

  Unter dieser Rubrik sind bereits erschienen:
  Diagnostische Kriterien und Diagnose der Demenz vom
  Alzheimer-Typ C. Oedekoven, R. Dodel Heft 1/2019

                                                                                                                               Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

     A L L ES O NL INE L E SEN                                         J E T ZT F RE I S C HA LT E N
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CME-Fortbildung

        Diagnostische Kriterien und Diagnose
        der Demenz vom Alzheimer-Typ
        Christiane Oedekoven, Richard Dodel

                                                                                                                                                                     Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
        Die frühzeitige Erkennung der Alzheimer-Krankheit ist wünschenswert, kann sich
        jedoch oftmals schwierig gestalten. Die Diagnostik der Alzheimer-Krankheit hat in
        den letzten Jahren signifikante Änderungen erfahren: weg von der rein klinisch
        diagnostizierten Erkrankung hin zu einer biomarkergestützten Diagnose.

Einleitung                                                                                 A B K Ü R ZU N G E N
Die frühzeitige Erkennung der Alzheimer-Krankheit (AD)                                     AA           Alzheimerʼs Association
kann sich im frühen Krankheitsstadium schwierig gestal-                                    AD           Alzheimerʼs Disease (Alzheimer-Krankheit)
ten, während die Diagnose im späteren Krankheitsverlauf                                    ADAS         Alzheimerʼs Disease Assessment Scale
oftmals offensichtlicher ist. Die diagnostische Genau-                                     ADCs         Alzheimerʼs Disease Centers
igkeit der typischen Alzheimer-Demenz in Bezug auf die                                     ADL          Aktivitäten des täglichen Lebens
Post-mortem-Neuropathologie der Alzheimer-Krankheit                                        ADRDA        Alzheimerʼs Disease and Related Disorders Association
liegt selbst in Expertenzentren (ADCs-Zentren, USA) nur                                    cCT          kraniale Computertomografie (Schädel-CT)
bei ca. 80 % [1].                                                                          CERAD        Consortium to Establish a Registry for Alzheimerʼs
                                                                                                        Disease
Bisher gibt es keine ausreichend sensitiven und einfach                                    cMRT         kraniale Magnetresonanztomografie
einzusetzenden Biomarker, die eine definitive Diagnose                                     DSM          Diagnostic and Statistical Manual of Mental Diseases
zulassen. Derzeit stehen drei weithin verwendete krite-                                    FLAIR        Fluid attenuated Inversion Recovery
rienbasierte Ansätze zur Diagnose der AD zur Verfügung;                                    FP‑CIT-SPECT [I-123] N-ω-fluoropropyl-2β-carbomethoxy-3β-
hierzu gehören:                                                                                         (4-iodophenyl) nortropane (I-123 FP-CIT) single
▪ die NINCDS-ADRDA-Kriterien [2],                                                                       photon emission computed tomography
▪ die ICD-10 sowie                                                                         FTD          frontotemporale Demenz
▪ die DSM-5-Kriterien [3].                                                                 HIV          humanes Immundefizienzvirus
                                                                                           HMPAO-SPECT Hexamethylpropylenaminooxim
Allen ist gemeinsam, dass die Diagnose klinisch gestellt                                   ICD          International Statistical Classification of Diseases
wird, Biomarker haben noch keinen Eingang in diese Kri-                                                 and Related Health Problems
terien gefunden.                                                                           IWG-2        International Working Group
                                                                                           LKD          Demenz mit Lewy-Körpern
           Merke                                                                           MMST         Mini-Mental-Status-Test
Die Diagnose der Alzheimer-Krankheit zu Lebzeiten                                          MoCA         Montreal Cognitive Assessment Test
des Patienten ist immer eine Verdachts- und Aus-                                           NCD          Neurocognitive Disorder
schlussdiagnose.                                                                           NCS          neurokognitive Störung
                                                                                           NIA          National Institute on Ageing
Die älteren Kriterien (z. B. ICD-10) erfordern, dass Patien-                               NINCDS       National Institute of Neurological and Communica-
ten eine kognitive Beeinträchtigung haben, wobei der                                                    tive Disorders and Stroke
Gedächtnisverlust das zentrale Merkmal ist. Sie fordern                                    RCFT         Rey-Oesterrieth-Complex-Figure Test
auch, dass in mindestens einer anderen kognitiven Do-                                      ROC          Receiver Operating Chracteristics
mäne eine Beeinträchtigung nachweisbar ist. Die DSM-                                       SVE          subkortikale vaskuläre Enzephalopathie
5- und ICD-10-Kriterien setzen voraus, dass Patienten De-                                  TFDD         Test zur Früherkennung von Demenzen mit De-
fizite in den Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) oder                                               pressionsabgrenzung
der sozialen Funktion haben, weniger spezifisch äußern                                     VD           vaskuläre Demenz
sich die NINCDS-ADRA-Kriterien. Im Folgenden sollen                                        VLMT         Verbaler Lern- und Merkfähigkeitstest
die verschiedenen klinischen Kriterien kurz erläutert wer-                                 [18F]FDG‑PET [18F]-Fluordesoxyglukose-Positronenemissions-
den:                                                                                                    tomografie

Oedekoven C, Dodel R. Diagnostische Kriterien und …   Neurologie up2date 2019; 2: 91–105                                                                        91
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                                                                                     Ebenso wird nach Vorliegen oder Fehlen begleitender
                Diagnostische Kriterien                                              Verhaltensstörungen differenziert. Schließlich wird zwi-
                                                                                     schen 12 möglichen zugrunde liegenden Krankheitsursa-
                DSM-5                                                                chen unterschieden – neurokognitive Störung aufgrund:
                2013 wurden nach einem über 10-jährigen Entwicklungs-                ▪ einer Alzheimer-Erkrankung,
                prozess das US-amerikanische Klassifikationssystem                   ▪ einer frontotemporalen Lobärdegeneration,
                DSM‑IV durch das DSM-5 abgelöst [3, 4]. Der klassische               ▪ einer Demenz mit Lewy-Körpern,
                Begriff „Demenz“ wurde zugunsten der Kategorie schwe-                ▪ einer vaskulären Erkrankung,
                re „neurokognitive Störung“ aufgegeben (der Begriff                  ▪ eines Schädel-Hirn-Traumas,
                „Demenz“ kann aber in Kontexten weiter verwendet wer-                ▪ von Substanz-/Medikamentenkonsum,

                                                                                                                                                                    Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
                den, in denen er etabliert ist, z. B. im Arzt-Patienten-Kon-         ▪ einer HIV-Infektion,
                takt). Es werden unterschieden:                                      ▪ einer Prion-Erkrankung,
                ▪ das Delir,                                                         ▪ einer Parkinson-Erkrankung,
                ▪ die leichte neurokognitive Störung,                                ▪ einer Huntington-Erkrankung,
                ▪ die schwere neurokognitive Störung.                                ▪ eines anderen medizinischen Krankheitsfaktors,
                                                                                     ▪ multipler Ätiologien,
                                                                                     ▪ nicht näher bezeichnet.
     ÜBER SIC HT
                                                                                               Merke
     Neurokognitive Störungen im DSM-5
                                                                                     Insgesamt resultieren 2 × 2 × 12 = 48 verschiedene
     Kriterien leichte und schwere neurokognitive Störungen                          Diagnoseoptionen.
     Für die Diagnose einer leichten neurokognitiven Störung (NCS)
     werden gefordert:                                                               Neu ist die differenzierte Darstellung der neurokogniti-
     ▪ Nachweis einer mäßigen Abnahme kognitiver Leistung relativ                    ven Störung (NCS) in Form von 6 Domänen (Aufmerk-
       zum vorherigen Leistungsniveau in einem oder mehreren kogni-                  samkeit, Exekutivfunktionen, Gedächtnis, Sprache, per-
       tiven Bereichen auf der Basis von                                             zeptuell-motorische Fähigkeiten, soziale Kognition). Jede
        – Besorgtheit des Patienten oder eines sachkundigen Informanten              auch nur moderate Beeinträchtigung in einer oder meh-
           oder des Klinikers,                                                       reren der 6 Domänen führt zur Diagnose einer NCS (s.
        – eine mäßige Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähig-                Übersicht). Die in früheren Kriterien bestehende Beto-
           keit, belegt durch eine standardisierte neuropsychologische               nung des Gedächtnisses für den diagnostischen Prozess
           Testung (im Bereich von 1–2 Standardabweichungen unter                    wurde aufgegeben. Die kognitiven Leistungseinbußen
           Normwerten) bzw. durch eine sonstige qualifizierte klinische              sollen dabei bevorzugt mit standardisierten neuropsy-
           Bewertung.                                                                chologischen Testverfahren dokumentiert werden.
     ▪ Die Fähigkeit zur selbstständigen Verrichtung alltäglicher Aktivi-
       täten ist erhalten.                                                           ICD-10
     ▪ Kein Delir                                                                    Derzeit werden in Deutschland die Demenzen nach ICD-
     ▪ Die kognitiven Einschränkungen können nicht besser durch eine                 10 eingeordnet (s. a. Übersicht).
       andere psychische Störung erklärt werden.
                                                                                         „Demenzerkrankungen sind definiert als erworbene
     Für die Diagnose einer schweren neurokognitiven Störung (NCS)
                                                                                         Beeinträchtigung höherer kognitiver Funktionen und
     werden gefordert:
                                                                                         Alltagskompetenzen. Bei den meist chronisch-fortschrei-
     ▪ Nachweis einer erheblichen Abnahme kognitiver Leistung relativ
                                                                                         tenden Verläufen kommt es zu Beeinträchtigungen vieler
       zum vorherigen Leistungsniveau in einem oder mehreren kogni-
                                                                                         kortikaler Funktionen einschließlich Gedächtnis, Denken,
       tiven Bereichen auf der Basis von
                                                                                         Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit,
        – Besorgtheit des Patienten oder eines sachkundigen Informanten
                                                                                         Sprache, Sprechen und Urteilsvermögen. Gewöhnlich
           oder des Klinikers,
                                                                                         begleiten Veränderungen der emotionalen Kontrolle,
        – eine erhebliche Beeinträchtigung der kognitiven Leistungs-
                                                                                         des Sozialverhaltens oder der Motivation die kognitiven
           fähigkeit, belegt durch eine standardisierte neuropsychologi-
                                                                                         Einbußen.“
           sche Testung (im Bereich von ≥ 2 Standardabweichungen unter
           Normwerten) bzw. durch eine sonstige qualifizierte klinische
           Bewertung.
     ▪ Die Fähigkeit zur selbstständigen Verrichtung alltäglicher Aktivi-
       täten ist beeinträchtigt.
     ▪ Kein Delir.
     ▪ Die kognitiven Einschränkungen können nicht besser durch eine
       andere psychische Störung erklärt werden.

92                                                                       Oedekoven C, Dodel R. Diagnostische Kriterien und …   Neurologie up2date 2019; 2: 91–105
▪ die Demenz als Folge einer Lewy-Körperchen-Erkran-
    ÜBER SIC HT                                                                        kung („dementia due to Lewy body disease“),
    Kriterien der Demenz nach ICD-10                                                 ▪ die frontotemporale Demenz,
    ▪ Kognitive Leistungseinbuße                                                     ▪ eine durch die Einnahme von psychoaktiven Substan-
       – bestehend aus Gedächtniseinbuße,                                              zen (einschließlich Medikamente) ausgelöste Demenz
       – und mindestens einer der folgenden Störungen:                                 oder
        • Aphasie,                                                                   ▪ Demenzen bei anderen bzw. nicht klassifizierten Er-
        • Apraxie,                                                                     krankungen.
        • Agnosie,
       – Störung der exekutiven Funktionen.                                          Ein Schweregrad (leicht, mittel, schwer) kann zusätzlich

                                                                                                                                                           Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
    ▪ Progressive kognitive Einbuße, die mit der norma-                              kodiert werden. Bei der Demenz aufgrund der Alzhei-
      len sozialen oder beruflichen Funktion interferiert.                           mer-Erkrankung wird des Weiteren eine Einteilung in eine
    ▪ Deutliche Veränderung zum Vorbefund.                                           früh (< 65. Lebensjahr) und spät beginnende Form vor-
    ▪ Das Bewusstsein ist nicht getrübt.                                             genommen. Inwieweit dies mit unseren derzeitigen
    ▪ Die Symptome müssen seit mindestens 6 Monaten                                  Kenntnissen der Pathogenese der Erkrankung aufrecht
      bestehen.                                                                      erhalten werden kann, sei dahingestellt [5].
    ▪ Die Störung ist erworben.
                                                                                     Im Folgenden wird der Text nach ICD-11 für die Alzhei-
                                                                                     mer-Krankheit zitiert:

                                                                                           „Die Demenz aufgrund der Alzheimer-Krankheit ist die
ICD-11                                                                                     häufigste Form der Demenz. Der Beginn ist schleichend
Der Abschluss der 11. Revision des weltweit verwendeten                                    mit Gedächtnisstörungen, die typischerweise als eine
Krankheitsmanuals ICD (ICD, International Statistical                                      anfängliche Beschwerde genannt werden. Der charakte-
Classification of Diseases and Related Health Problems)                                    ristische Verlauf ist langsam mit einem kontinuierlichen
ist für Mitte 2019 vorgesehen; eine Beta-Testversion der                                   Abbau gegenüber einer früheren Ebene kognitiver Funk-
ICD-11 ist bereits im Internet zugänglich und kann für                                     tionen mit Beeinträchtigung in zusätzlichen kognitiven
Kommentare genutzt werden (https://icd.who.int/                                            Domänen (wie Exekutivfunktionen, Aufmerksamkeit,
dev11/l–m/en) [5]. Eine detaillierte Darstellung zum der-                                  Sprache, soziale Kognition und Urteilsvermögen, psycho-
zeitigen Diskussionsstand findet sich bei Jessen und Gae-                                  motorische Geschwindigkeit, visuelle oder räumliche
bel [5, 6].                                                                                Fähigkeiten), die mit dem Fortgang der Erkrankung
                                                                                           voranschreiten.
In der derzeitigen Version der ID-11 sind die Syndrome
und die mit ihnen verbundene ätiologische Klassifikation                                   Die Demenz aufgrund der Alzheimer-Krankheit wird
in der Sektion „Neurokognitive Störungen“ des Kapitels                                     häufig von psychologischen und verhaltensbedingten
06 („Mental, Behavioural or Neurodevelopmental Dis-                                        Symptomen wie depressive Stimmung und Apathie in den
orders“) beschrieben; im Kapitel 08 („Diseases of the                                      Anfangsstadien der Erkrankung begleitet und kann von
Nervous System“) werden die neurodegenerativen Er-                                         psychotischen Symptomen, Reizbarkeit, Aggression,
krankungen klassifiziert, hier aber ohne Bezug zu einem                                    Verwirrtheit, Störungen des Ganges und der Mobilität
Krankheitsstadium.                                                                         sowie Anfällen in späteren Stadien begleitet werden.
                                                                                           Positive Gentests, eine positive Familiengeschichte und
Die neurokognitiven Störungen werden unterteilt in                                         allmählicher kognitiver Rückgang sind sehr suggestiv
1. das Delir,                                                                              für eine Demenz aufgrund der Alzheimer-Krankheit.“
2. die leichte neurokognitive Störung,
3. die amnestische Störung,                                                          Wie auch in den DSM-5-Kriterien wird der Einsatz von
4. die Demenz und                                                                    Biomarkern ausgespart, was nicht den aktuellen Stand
5. sekundäre bzw. nichtspezifizierte neurokognitive Stö-                             des Wissens und der klinischen Praxis widerspiegelt. Da-
   rungen.                                                                           ten zur Sensitivität und Spezifität der neuen Kriterien lie-
                                                                                     gen noch nicht vor.
Hier findet sich noch die Kategorie der psychischen und
Verhaltenssymptome bei Demenz.                                                                  Cave
                                                                                     Zu bedenken ist aber, dass etwa jeder fünfte
Die Demenz teilt sich auf:                                                           Patient mit einer typischen Alzheimer-Demenz
▪ in eine Demenz aufgrund einer Alzheimer-Krankheit                                  keine Alzheimer-Pathologie hat.
   („dementia due to Alzheimerʼs disease“),
▪ in die vaskuläre Demenz,

Oedekoven C, Dodel R. Diagnostische Kriterien und …   Neurologie up2date 2019; 2: 91–105                                                              93
CME-Fortbildung

               Forschungskriterien                                                      ÜBER SIC HT
               Neben den klinisch orientierten Kriterien sind in den letz-              IWG‑2-Kriterien der Alzheimer-Krankheit
               ten Jahren Forschungskriterien erarbeitet worden, die
               insbesondere Biomarker als Kernkriterium in ihren Krite-                 Spezifischer klinischer Phänotyp
               rienkatalog aufgenommen haben [7]. Hierzu gehören                        ▪ Berichtete oder beobachtete kognitive Ver-
               die Arbeiten der International Working Group (IWG), die                    schlechterung über mindestens 6 Monate
               2007, 2014 und 2016 publiziert wurden [8 – 10], sowie                    ▪ objektivierbares Gedächtnisdefizit vom „hippo-
               die Arbeiten des National Institute on Ageing (NIA) und                    kampalen Typ“, nachgewiesen durch einen für
               der Alzheimerʼs Association (AA), die initial 2011 und                     Morbus Alzheimer spezifischen Test, z. B. „cued

                                                                                                                                                                   Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
               dann in vollständig überarbeiteter Form im Jahr 2018                       recall“ (= Erinnern mit Abrufhilfe) mit kontrollier-
               publiziert wurden [11, 12] (s. Übersicht).                                 ter Lernphase
                                                                                        ▪ keine Demenz erforderlich
                          Merke                                                         ▪ atypische Präsentationen möglich
               Kritisch anzumerken ist, dass bei allen biomarker-
                                                                                        plus
               basierten Kriterien die Diagnosetests weitgehend
               nicht verfügbar und nicht vollständig validiert sind.
                                                                                        In-vivo-Nachweis der Alzheimer-Pathologie
                                                                                        ▪ reduziertes Beta-Amyloid 1–42 und erhöhtes Tau
                                                                                          oder pTau im Liquor
                  ÜBER SIC HT                                                           oder
                  Konzeption der Alzheimer-Krankheit anhand der                         ▪ Amyloidnachweis mittels PET
                  publizierten Forschungskriterien                                      oder
                  ▪ 1984: National Institute of Neurological and Com-                   ▪ nachgewiesene dominante, kausale Mutation
                    municative Disorders and Stroke-Alzheimerʼs dis-                      (PS1, PS2, APP)
                    ease and related disorders association (NINCDS-
                    ADRDA) [2]
                  ▪ 2007: International Working Group (IWG) [8]
                  ▪ 2011: NIA‑AA [11]                                               NIA‑AA
                  ▪ 2014: IWG-2 [9]                                                 Das National Institute on Ageing und die Alzheimerʼs As-
                  ▪ 2018: NIA‑AA [12]                                               sociation (NIA‑AA) haben unter der Leitung von Clifford
                                                                                    Jack 2011 Forschungskriterien für die Alzheimer-Krank-
                                                                                    heit in den Stadien der Demenz, der leichten kognitiven
                                                                                    Störung und der präklinischen Phase vorgelegt [11, 12].
               IWG-2 (International Working Group-2)                                Basierend auf dem chronologischen Modell der Biomar-
               Unter der Leitung von Professor Bruno Dubois (Paris) ist             ker und der Symptommanifestation der Alzheimer-Krank-
               die internationale Arbeitsgruppe entstanden, die sich                heit werden verschiedene Konstellationen beschrieben.
               mit der Konzeption der Alzheimer-Erkrankung befasst
               (International Working Group, IWG). In der aktuellen Ver-            Biomarker werden gruppiert in diejenigen als Ausdruck
               sion wird die Alzheimer-Erkrankung molekular definiert               einer Beta-Amyloid-Ablagerung („A“), pathologisches
               und liegt vor, wenn bestimmte Biomarker auf Beta-Amy-                Tau („T“) und Neurodegeneration (N) (▶ Tab. 1). Dieses
               loid- und Tau-Pathologie hinweisen (Übersicht s. o.). Falls          AT(N)(C)-Klassifizierungssystem gruppiert verschiedene
               nur Beta-Amyloid oder Tau-Protein pathologisch verän-                Arten von Biomarkern (Bildgebung und Biofluide) durch
               dert ist, wird von einem Risikostadium gesprochen („at               den pathologischen Prozess, der gemessen wird. Erwei-
               risk for Alzheimerʼs disease“).                                      tert wird das AT(N) durch die Erhebung der kognitiven
                                                                                    Störungen, die mit dem (C) die Schwere des Stadiums be-
               Der Verlauf wird in eine präklinische und in eine klinische          schreiben. A und T zeigen spezifische neuropathologi-
               Phase eingeteilt, wobei die klinische Phase in der typi-             sche Veränderungen an, die die Alzheimer-Krankheit
               schen Form ab dem Nachweis eines hippokampalen Ge-                   definieren; die Buchstaben N und C werden als nicht spe-
               dächtnisdefizits (episodisches Gedächtnis und räumliche              zifisch für die Alzheimer-Krankheit kategorisiert und da-
               Vorstellung) besteht, aber auch atypische Ausprägungen               her in Klammern gesetzt.
               sind möglich. In diesem Konzept werden 4 Typen unter-
               schieden:                                                            Die Erkrankung wird in diesem Konzept als Kontinuum
               ▪ die typische Alzheimer-Krankheit,                                  verstanden, das durch die Biomarkerveränderungen ka-
               ▪ die atypische Alzheimer-Krankheit,                                 tegorisiert wird. Personen mit der Konstellation A+ wer-
               ▪ der Mischtyp sowie                                                 den als Teil des Alzheimer-Kontinuums verstanden, Per-
               ▪ präklinische Stadien.                                              sonen mit A+T+ sind als Personen mit Alzheimer-Krank-

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▶ Tab. 1 Erweiterte Einteilung der Alzheimer-Biomarker: Amyloid-Tau-Neurodegeneration [7].

                             Amyloid                                    Tau                          Neurodegeneration
    Liquor                   Aβ42, Aβ42/Aβ40                            pTau                         Tau
    PET                      Amyloid-PET                                Tau-PET                      FDG‑PET
    MRT                                                                                              Hippocampusatrophie
                                                                                                     AD-typische Reduktion der kortikalen Dicke

                                                                                                                                                         Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
heit zu gruppieren. Diese können dann in 6 verschiedene                              ▪ der Mini-Mental-Status-Test (MMST),
Stadien entsprechend der klinischen Symptome einge-                                  ▪ der DemTect,
teilt werden.                                                                        ▪ der Test zur Früherkennung von Demenzen
                                                                                       mit Depressionsabgrenzung (TFDD) und
                                                                                     ▪ der Montreal Cognitive Assessment Test (MoCA).
Diagnostik
Zur diagnostischen Zuordnung wird das Vorgehen nach                                  Der Uhrentest kann in Kombination mit den anderen ge-
der S3-Leitlinie Demenzen empfohlen, die zunächst eine                               nannten Kurztestverfahren die diagnostische Aus-
Syndromdiagnose und dann eine anschließende ätiologi-                                sagekraft erhöhen, ist jedoch als alleiniger kognitiver Test
sche Zuordnung vorschlägt (▶ Abb. 1) [13].                                           nicht geeignet. Es ist zu beachten, dass die Sensitivität
                                                                                     dieser Verfahren bei leichtgradiger und fraglicher De-
Zur Syndromdiagnose wird die Anwendung von Kurztests                                 menz jedoch begrenzt ist und die genannten Testverfah-
empfohlen. Als Instrumente zur orientierenden Einschät-                              ren sich nicht zur Differenzialdiagnostik verschiedener
zung von kognitiven Störungen werden in der S3-Leitlinie                             Demenzen eignen. Eine vertiefte neuropsychologische
genannt:                                                                             Untersuchung (mit etablierten Testbatterien, wie z. B.
                                                                                     der CERAD-NP) sollte zur Feststellung des individuellen
                                                                                     kognitiven Profils und des Ausmaßes der Beeinträchti-
                                                                                     gung sowie zur Differenzialdiagnostik erfolgen. Diese
                                                                                     Verfahren sind aufwendig und umfangreich und sollten
    FAL L B E I S P I E L                                                            von speziell geschultem Personal (z. B. Neuropsycholo-
    Fall 1                                                                           gen) durchgeführt werden.
   Eine 76-jährige Patientin erreicht im MMST (Mini-
   Mental-Status-Test) 22 Punkte. Es zeigt sich, dass sie                            Neuropsychometrische Testung
   zeitlich nur unscharf orientiert ist. So gelingt es ihr                           Die neuropsychometrische Testung ist ein wichtiger Bau-
   zwar, das korrekte Jahr und die Jahreszeit zu benen-                              stein in der Diagnostik der Demenz vom Alzheimer-Typ.
   nen, aber das genaue Datum und der Wochentag                                      In der Zusammenschau mit Anamnese, klinischer Beob-
   fallen ihr nicht ein. Beim Rückwärtsrechnen unter-                                achtung und unterstützender Bildgebung gibt sie Hin-
   laufen ihr 2 Rechenfehler. Außerdem gelingt es ihr                                weise auf Stärken und Schwächen in der Leistung des Pa-
   nicht, die 3 Wörter nach einer kurzen Verzögerung                                 tienten. Es werden 5 kognitive Domänen unterschieden
   wieder abzurufen.                                                                 (▶ Abb. 2). Diese wiederum lassen sich in Unterkatego-
   Im CERAD‑NP fällt es ihr schwer, sich die Wortliste                               rien einteilen, die mithilfe spezifischer Tests untersucht
   mit 10 Wörtern einzuprägen, insbesondere im ver-                                  werden können. Auffälligkeiten, die auf eine Demenz
   zögerten Abruf kann sie nur zwei Wörter erinnern.                                 vom Alzheimer-Typ hinweisen, werden in Abschn.
   Auch das figurale Gedächtnis ist beeinträchtigt. Die                              „CERAD-Neuropsychologische Testbatterie (CERAD‑NP)“
   Patientin vergisst 2 von 5 Figuren, dabei hatte das                               beschrieben. Entsprechend der Leitlinie „Demenzen“ sind
   initiale Abzeichnen keine Probleme bereitet. Die an-                              weiterführende Testverfahren meist nur im leichten Sta-
   deren Untertests liegen weitestgehend im Norm-                                    dium der Demenz indiziert.
   bereich. Einzig die semantische Wortflüssigkeit, bei
                                                                                     Kurztests
   der die Patientin so viele Tiere wie möglich nennen
   soll, ist eingeschränkt.                                                          Die Kurztests lassen sich schnell und unkompliziert in der
                                                                                     Praxis anwenden und können von geschultem Hilfsper-
   Die weitere Diagnostik bestätigt eine beginnende
                                                                                     sonal durchgeführt werden. Alle genannten Verfahren
   Demenz vom Alzheimer-Typ.
                                                                                     werden in der Demenzdiagnostik eingesetzt. Ein Wert
                                                                                     unterhalb des Cut-offs gibt Hinweise auf eine Demenz
                                                                                     (▶ Tab. 2). Allerdings ist dies kein spezifisches Anzeichen
                                                                                     einer Demenz vom Alzheimer-Typ. Beeinträchtigte Leis-

Oedekoven C, Dodel R. Diagnostische Kriterien und …   Neurologie up2date 2019; 2: 91–105                                                            95
CME-Fortbildung

      1) Syndrom – Diagnose

                                                          Hinweise für:
                                               kognitive Leistungsbeeinträchtigung
                                                und/oder Alltagsbeeinträchtigung
                                              und/oder Persönlichkeitsveränderungen

                                                           Eigenanamnese
                                                           Fremdanamnese                                                                    spezifische
                                                                                                            Depression,

                                                                                                                                                                          Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
                                                    psychopathologischer Befund                                                             Diagnostik
                                                                                                             Delir etc.
                                                      körperliche Untersuchung                                                             und Therapie
                                                   kognitiver Kurztest (z. B. MMST)

      2) Ausschluss sekundärer Demenzen

                                                Demenzdiagnose, inkl. Schweregrad

                                                     Blutlabordiagnostik Standard                     spezifische Befunde                   spezifische
                                                  + ggf. spez. Zusatzuntersuchungen                   (z. B. Hypothyreose,                  Diagnostik
                                                          zerebrale Bildgebung                       subdurales Hämatom)                   und Therapie

      3) ätiologische Zuordnung

                                                    ätiologische Differenzierung
                                                  (AD, VD, FTD, PDD, LBD, andere)

            erweiterte Diagnostik
                erforderlich

                              erweiterte Neuropsychologie

                                     Liquordiagnostik

                                        PET/SPECT

                                            EEG

                                     Doppler-/Duplex
                                                                                                       Verdacht auf auto-
                                                                                                                                              Human-
                                               syndromale und ätiologische Diagnose                    somal-dominante
                                                                                                                                              genetik
                                                                                                          Erkrankung
                                              Aufklärung und Beratung des Erkrankten
                                                       und der Angehörigen

     ▶ Abb. 1 Diagnostik nach der S3-Leitlinie Demenzen (Quelle: Deuschl G, Maier W et al. S3-Leitlinie Demenzen. 2016. Deutsche Gesellschaft für
     Neurologie, Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Im Internet: www.dgn.org/leitlinien; Stand 13.02.2019; Einteilung in
     Syndrom-Diagnose, Ausschluss sekundäre Demenzen und ätiologische Zuordnung von R. Dodel und C. Oedekoven).

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kognitive Domänen

                                                                                   exekutive                   Visuo-
           Gedächtnis                            Sprache                                                                              Aufmerksamkeit
                                                                                  Funktionen                konstruktion

               Lernen                              Sprach-                                                                                  Dauer-
                                                                                      Planung                Wahrnehmung
            neuer Inhalte                        produktion                                                                             aufmerksamkeit

                                                   Sprach-                                                   visuomotorische              Verarbeitungs-

                                                                                                                                                                Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
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                                                 verständnis                                                   Koordination              geschwindigkeit

             verzögerter                                                                                                                   geteilte
                                                                                     Inhibition
                Abruf                                                                                                                   Aufmerksamkeit

          Wiedererkennen

    ▶ Abb. 2 Kognitive Domänen.

    ▶ Tab. 2 Kurztests im Überblick.

    Kurztest                                                         Durchführungsdauer                       Cut-off
    MMST (Mini-Mental-Status-Test)                                   < 10 Minuten                             ≤ 26 (leicht)
                                                                                                              < 20 (mittel)
                                                                                                              < 10 (schwer)
    Uhrentest                                                        < 5 Minuten                              ≥3
    MoCA (Montreal Cognitive Assessment Test)                        10 Minuten                               ≤ 26
    DemTect                                                          10 Minuten                               ≤ 12 (leicht)
                                                                                                              ≤ 8 (Demenzverdacht)

tungen in einzelnen Aufgaben der Kurztests, die auf eine                                        Merke
Demenz vom Alzheimer-Typ hinweisen, werden jeweils                                   Der MMST ist nicht empfindlich genug, um die Vor-
erwähnt.                                                                             stufen einer Demenz zu erkennen (Mild Cognitive
                                                                                     Impairment), kann aber gut zur Schweregradeintei-
Mini-Mental-Status-Test (MMST)                                                       lung einer Demenz eingesetzt werden. Patienten
Das weltweit mit Abstand am häufigsten verwendete                                    mit einer Demenz vom Alzheimer-Typ zeigen häufig
Screening-Verfahren für Demenz ist der Mini-Mental-Sta-                              Beeinträchtigungen bei der (zeitlichen) Orientierung
tus-Test (MMST). Die Anwendungszeit beträgt unter 10                                 und beim verzögerten Abruf der 3 Wörter aus dem
Minuten und die maximale Punktzahl ist 30. Die S3-Leit-                              Gedächtnis.
linie Demenz geht bei einer Punktzahl von 26 und nied-
riger von Hinweisen für eine leichte Demenz aus, ein                                 Uhrentest
Wert zwischen 19 und 10 weist auf eine mittelschwere                                 Im Uhrentest wird der Patient gebeten, eine Uhr mitsamt
Demenz und ein Wert unter 10 auf eine schwere De-                                    allen Ziffern sowie eine spezifische Uhrzeit (z. B. „10 nach
menz. Hier ist zu beachten, dass das Ergebnis sowohl                                 11“) einzuzeichnen. Erfasst werden die visuokonstrukti-
vom Alter als auch vom Bildungsgrad des Patienten be-                                ven Fähigkeiten sowie die exekutiven Funktionen. Die
einflusst werden kann.                                                               Durchführungszeit liegt bei unter 5 Minuten. Es gibt ver-
                                                                                     schiedene Auswertungsschemata. Das am häufigsten
                                                                                     verwendete ist die Auswertung nach Shulman. Hier ist
                                                                                     der beste Wert eine 1 und der schlechteste eine 6.

Oedekoven C, Dodel R. Diagnostische Kriterien und …   Neurologie up2date 2019; 2: 91–105                                                                   97
CME-Fortbildung

               Der Uhrentest hat in der Verbindung mit einem weiteren            CERAD-Neuropsychologische Testbatterie
               Kurztest (z. B. MMST) eine hohe Sensitivität, sollte aber         (CERAD‑NP)
               nicht isoliert zur Diagnosestellung eingesetzt werden.            Die CERAD-Neuropsychologische Testbatterie (CERAD-
                                                                                 NP) ist ein vom „Consortium to Establish a Registry for
               Montreal Cognitive Assessment (MoCA)                              Alzheimerʼs Disease“ herausgegebenes Verfahren. Die
               Das Montreal Cognitive Assessment (MoCA) ist ein Kurz-            deutschsprachige Übersetzung ist durch die Memory Cli-
               test mit 14 Aufgaben, der auch im ambulanten Bereich              nic Basel für Fachpersonal kostenlos erhältlich. Die CE-
               als Screening-Instrument eingesetzt werden kann. Die              RAD‑NP stellt den empfohlenen Standard zur neuropsy-
               Anwendungszeit liegt bei 10 Minuten, die maximale                 chologischen Demenzdiagnostik in deutschen Memory-
               Punktzahl ist 30. Für den Bildungsgrad des Patienten              Kliniken dar. Mithilfe von 10 Untertests werden alle 5 Do-

                                                                                                                                                                Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
               kann korrigiert werden. Der Cut-off-Wert für eine De-             mänen Sprache, Gedächtnis, exekutive Funktionen, Auf-
               menz liegt bei 26 Punkten. In der Erkennung beginnen-             merksamkeit und Visuokonstruktion evaluiert. Alle Nor-
               der Demenzen scheint der MoCA dem MMST überlegen                  men sind alters-, geschlechts- und bildungskorrigiert
               zu sein. Auch hier sind die (zeitliche) Orientierung und          und erlauben so den Vergleich mit einer gesunden Stich-
               der verzögerte Wortabruf ein Hinweis auf eine Demenz              probe. Die Durchführungsdauer liegt bei etwa 45 Minu-
               vom Alzheimer-Typ sowie auch die Wortflüssigkeitsauf-             ten. Der Test ist für Patienten über 50 Jahre anwendbar.
               gabe.                                                             Aufgrund der Komplexität sollte er bei schwer einge-
                                                                                 schränkten Patienten nicht durchgeführt werden.
               DemTect
               Der DemTect umfasst 5 Aufgaben, die Durchführungszeit             Der MMST ist in die CERAD‑NP integriert. Die Auswer-
               liegt bei ca. 10 Minuten. Er beinhaltet eine längere Wor-         tung kann online oder mithilfe einer zur Verfügung ge-
               terinnerungsliste als der MMST (10 Wörter). Die maxima-           stellten Excel-Tabelle erfolgen. Es wird ein grafisches Leis-
               le Punktzahl ist 18. Ein Wert zwischen 13 und 18 Punkten          tungsprofil erstellt, das einen Überblick über die Leistung
               ergibt Hinweise auf eine altersgemäße kognitive Leis-             in den einzelnen Untertests gibt.
               tung, ein Wert zwischen 9 und 12 Punkten legt eine leich-
               te kognitive Beeinträchtigung nahe, und bei einem Wert            Sensitive Indikatoren für eine Alzheimer-Demenz sind
               unter 9 besteht Demenzverdacht. Im Vergleich zum                  auch hier
               MMST ist der DemTect sensitiver bei leichten kognitiven           ▪ der verzögerte Wortabruf,
               Störungen.                                                        ▪ die semantische Wortflüssigkeit und
                                                                                 ▪ der unmittelbare Wortabruf.
               Auch hier sind die verzögerte Wiedergabe der Wortliste
               und die Wortflüssigkeit Indikatoren für eine Alzheimer-
               Demenz.                                                               FAL L B E I S P I E L
                                                                                     Fall 2
               Neuropsychologische Testung
                                                                                     Anamnese und neuropsychometrische
               Während ein Screening-Verfahren für die Feststellung
                                                                                     Untersuchung
               einer Demenz wichtig ist, dient die neuropsychologische
                                                                                     Eine 72-jährige Patientin berichtet über seit ca.
               Testung der Bestimmung der Ätiologie und unterstützt
                                                                                     2 Jahren bestehende Gedächtnisstörungen, wobei
               die Differenzialdiagnostik. Hierbei handelt es sich um
                                                                                     vor allem das Kurzzeitgedächtnis betroffen wäre.
               Testverfahren, die nur von geschultem Fachpersonal
                                                                                     In den letzten 6 Monate sei es zu einer deutlichen
               (z. B. Psychologen) durchgeführt und interpretiert wer-
                                                                                     Verschlechterung der Gedächtnisstörungen gekom-
               den sollten. Um die o. g. Domänen abzuprüfen, werden
                                                                                     men. Wortfindungsstörungen seien ihr wiederholt
               Testbatterien mit Untertests aus verschiedenen Berei-
                                                                                     aufgefallen. Die Orientierung sei in fremder Um-
               chen benutzt.
                                                                                     gebung eingeschränkt.
                                                                                     Der Ehemann berichtet, dass sie sich immer mehr
                          Merke
                                                                                     zurückziehen würde. Sie sei früher immer der Mittel-
               Eine Diagnose sollte nie allein aufgrund der Ergebnis-
                                                                                     punkt der Gesellschaft gewesen, jetzt sitze sie oft
               se eines neuropsychologischen Tests getroffen wer-
                                                                                     sehr still und teilnahmslos bei Treffen der Familie. Die
               den. Sie ergibt sich aus der Zusammenschau aller be-
                                                                                     Alltagsaktivitäten werden allesamt noch selbststän-
               kannten Fakten und schließt neben Punktwerten
                                                                                     dig ausgeführt, jedoch sei die Essenszubereitung
               auch qualitative Beobachtungen aus dem Test mit
                                                                                     „einfacher“ geworden. Der Schlaf wird als erholsam,
               ein.
                                                                                     die Stimmung als ausgeglichen beschrieben.
                                                                                     In der neuropsychometrischen Testung finden sich in
                                                                                     der CERAD-Testbatterie unterdurchschnittliche Wer-
                                                                                     te in 3 Domänen.

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Alzheimerʼs Disease Assessment Scale (ADAS)                                          in der Aufnahme in alle gängigen Leitlinien wider. In der
Mithilfe der Alzheimerʼs Disease Assessment Scale                                    Leitlinie wird hierzu ausgeführt:
(ADAS) lassen sich kognitive Defizite sowie im Rahmen
einer Demenz auftretende Verhaltensauffälligkeiten be-                                     „Bei bestehendem Demenzsyndrom soll eine konven-
schreiben. Im kognitiven Teil (ADAS‑Kog) werden mithilfe                                   tionelle cCT oder cMRT zur Differenzialdiagnostik
von 11 Untertests Gedächtnis, Sprache, exekutive Funk-                                     durchgeführt werden“ (Empfehlungsgrad A,
tionen und Visuokonstruktion geprüft. Aufmerksamkeit                                       Leitlinienadaptation NICE-SCIE 2007).
und Sprache werden auch mittels der Verhaltensbeob-
achtung während der Testung bewertet. Der maximale                                   Wenn immer möglich, sollte eine cMRT, bei fehlender
Wert in der kognitiven Skala ist 70 und der Cut-off-Wert                             Verfügbarkeit oder bei patientenbedingten Kontraindika-

                                                                                                                                                        Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
für das Vorliegen einer kognitiven Beeinträchtigung liegt                            tionen (Herzschrittmacher, etc.) aber eine cCT durch-
bei > 10.                                                                            geführt werden. Leider stehen derzeit keine sicheren au-
                                                                                     tomatisierten Auswertungsroutinen, die im klinischen
In einem Interviewteil (ADAS-NK) werden Verhaltensauf-                               Alltag anzuwenden wären, zur Verfügung. Zur systemati-
fälligkeiten abgefragt, hierbei werden sowohl Patient als                            schen Evaluation der Bilder verwenden wir im klinischen
auch Angehöriger befragt. Das Verfahren ist in 5 Parallel-                           Alltag eine visuelle Bewertungsskala. Es liegen verschie-
versionen erhältlich, was eine Verlaufsuntersuchung er-                              dene mehr oder weniger validierte visuelle Skalen vor,
leichtert. Dieses Instrument wird bevorzugt in klinischen                            die kürzlich evaluiert wurden [14]. Wir verwenden in un-
Studien verwendet.                                                                   serer Memory-Clinic die „Scheltens-Skala“ [15] in Zusam-
                                                                                     menhang mit einem systematischen Vorgehen in Anleh-
Für jüngere Patienten                                                                nung an einen publizierten Algorithmus [16] (es muss er-
Die meisten Patienten, bei denen der Verdacht auf eine                               wähnt werden, dass dieser nicht für cCT validiert ist.).
Alzheimer-Demenz besteht, sind über 65 Jahre alt. Bei                                Man erreicht eine Interraterreliabilität von 0,72–0,84
deutlich jüngeren Patienten (< 50 Jahren) bietet sich die                            und eine Intraraterreliabilität von 0,83–0,94 [14].
Durchführung einer Kombination verschiedener Tests
an. So sollten die verschiedenen Domänen einzeln abge-                               Die Bewertung von Signaländerungen mittels T2-gewich-
prüft werden. Hier bietet sich der Verbale Lern- und                                 teter Bildgebung oder FLAIR kann verwendet werden, um
Merkfähigkeitstest (VLMT) für die verbale Gedächtnisleis-                            Gefäßschäden zu identifizieren, diese können aber auch
tung an. Mittels einer Wortliste wird sowohl das unmittel-                           auf entzündliche, metabolische, toxische oder infektiöse
bare, das verzögerte Gedächtnis als auch das Wieder-                                 Prozesse hinweisen, die zu kognitiven Defiziten beitragen
erkennen erfasst.                                                                    können. T2*- oder suszeptibilitätsgewichtete Sequenzen
                                                                                     können Mikroblutungen („microbleeds“) identifizieren,
Zur Erfassung der Visuokonstruktion und des figuralen                                die auf eine Amyloidangiopathie oder arteriosklerotische
Gedächtnisses ist der Rey-Oesterrieth-Complex-Figure                                 Gefäßerkrankung (SVE) hinweisen. Die diffusionsgewich-
Test (RCFT) zu empfehlen. Exekutive Funktionen können                                tete Bildgebung kann die Diagnostik unterstützen in Fäl-
mit dem Trail Making Test erfasst werden, der auch für                               len, bei denen ein schneller kognitiver Verfall aufgetreten
jüngere Menschen normiert ist.                                                       ist, der auf eine Prionenkrankheit hindeuten kann.

                                                                                     Funktionelle Bildgebung
Bildgebung                                                                           Funktionelle Messungen des Glukosemetabolismus ([18F]
Bei der Alzheimer-Krankheit findet sich eine progrediente                            FDG‑PET) und der zerebralen Perfusion (HMPAO-SPECT)
Gehirnatrophie mit besonderer Beteiligung der Struktu-                               mit nuklearmedizinischen Verfahren können für die Diag-
ren des medialen Temporallappens. Diese Veränderun-                                  nose von demenziellen Erkrankungen eingesetzt werden.
gen können bereits früh im Verlauf der Erkrankung mit-                               In einer bemerkenswert umfangreichen Metaanalyse zu
tels struktureller Bildgebung nachgewiesen werden.                                   verschiedenen Biomarkern wurden folgende Kenngrößen
                                                                                     zur Sensitivität und Spezifität gefunden:
Die Frage, ob grundsätzlich eine bildgebende Unter-                                  ▪ [18F]FDG‑PET (n = 20 Studien):
suchung des Gehirns im Rahmen der ätiologischen De-                                     – Sensitivität: 90 %,
menzdiagnostik durchgeführt werden soll, wird immer                                     – Spezifität 89 %,
noch kontrovers diskutiert. Insbesondere bei hochalt-                                   – ROC Area: 0,96;
rigen multimorbiden Betroffenen sind vielfältige Argu-                               ▪ [99mTc]HMPAO-SPECT (n = 11 Studien):
mente gegen die Durchführung einer solchen Unter-                                       – Sensitivität: 80 %,
suchung vorgebracht worden. Nach der derzeitig gülti-                                   – Spezifität 85 %,
gen S3-Leitlinie ist die Bildgebung – ohne Berücksichti-                                – ROC Area: 0,90.
gung des Alters – allerdings ein wesentlicher Bestandteil
der ätiologischen Zuordnung der Demenz. Der diagnosti-
sche Wert der strukturellen Bildgebung spiegelt sich auch

Oedekoven C, Dodel R. Diagnostische Kriterien und …   Neurologie up2date 2019; 2: 91–105                                                           99
CME-Fortbildung

               ▶ Tab. 3 Scheltens-Skala zur visuellen Beurteilung des medialen Temporallappens.

               Einteilung        Weite der Fissura choroidea         Weite des Temporallappens                        Höhe des Hippocampus
               0                 N                                   N                                                N
               1                 ↑                                   N                                                N
               2                 ↑↑                                  ↑                                                ↓
               3                 ↑↑↑                                 ↑↑                                               ↓↓
               4                 ↑↑↑                                 ↑↑↑                                              ↓↓↓

                                                                                                                                                                    Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
            In der Abgrenzung zu anderen Demenzen können nukle-                      In den letzten Jahren sind verschiedene Tracer zur Dar-
            armedizinische Verfahren eine Hilfe darstellen: Folgende                 stellung des zerebralen Amyloids entwickelt worden. In
            Werte zeigten sich in der Differenzialdiagnose der Alzhei-               Deutschland sind Florbetaben, Flutemetamol und Florbe-
            mer-Demenz (AD) von der vaskulären Demenz (VD) und                       tapir zugelassen. Zurzeit wird eine Anwendung außerhalb
            der frontotemporalen Demenz (FTD):                                       von klinischen Studien oder sehr speziellen Fragestellun-
            ▪ [18F]FDG‑PET:                                                          gen nicht empfohlen. Die Kosten für die Untersuchung
               – Sensitivität                                                        sind hoch, sie belaufen sich derzeit an unserem Standort
                   • AD versus FTD 73 %,                                             auf ca. 2500 Euro und werden von den gesetzlichen Kran-
                   • AD versus VD 71 %,                                              kenkassen derzeit nicht übernommen.
               – Spezifität
                   • AD versus FTD 98 %,
                   • AD versus VD 76 %
                                                                                     Laboruntersuchungen
            ▪ [99 mTc]HMPAO-SPECT:                                                   Die S3-Leitlinie empfiehlt zur Basisuntersuchung die Be-
               – Sensitivität                                                        stimmung der in der Übersicht genannten Laborwerte.
                   • AD versus FTD 72 %,
                   • AD versus VD 71 %,
               – Spezifität
                                                                                         ÜBER SIC HT
                   • AD versus FTD 78 %,
                   • AD versus VD 76 %.                                                  Empfohlene Basisdiagnostik der Laborwerte
                                                                                         lt. S3-Leitlinie
            Die S3-Leitlinie empfiehlt:                                                  ▪ Blutbild
                                                                                         ▪ Elektrolyte (Na, K, Ca)
               „FDG‑PET und HMPAO-SPECT können bei Unsicherheit in                       ▪ Nüchternblutzucker
               der Differenzialdiagnostik von Demenzen (AD, FTD, VD)                     ▪ Thyreoidea stimulierendes Hormon (TSH)
               zur Klärung beitragen. Ein regelhafter Einsatz in der                     ▪ Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) oder
               Diagnostik wird nicht empfohlen.“                                           C-reaktives Protein (CRP)
                                                                                         ▪ Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT),
            Die Lewy-Körperchen-Demenz (LKD) ist durch eine Re-                            Gamma-Glutamyl-Transferase (Gamma-GT)
            duktion des Dopamintransporterproteins im Striatum                           ▪ Kreatinin
            charakterisiert. Der Dopamintransporter kann mittels                         ▪ Harnstoff
            [123I]FP‑CIT-SPECT dargestellt werden. In einer Multicen-                    ▪ Vitamin B12
            terstudie bei 326 Demenzkranken wurde eine Sensitivität
            von 77,7 % und eine Spezifität von 90,4 % in der Differen-
            zierung von Patienten mit Demenz mit Lewy-Körpern von
            Patienten mit Nicht-Lewy-Körper-Demenz erreicht.                         In der Leitlinie wird ein ergänzendes Programm bei kli-
                                                                                     nisch unklaren Situationen oder bei entsprechenden Ver-
                                                                                     dachtsmomenten empfohlen (s. Übersicht).
               T I PP
               Der Einsatz von nuklearmedizinischen Verfahren                        In besonderen Fällen können ebenfalls die antineuronalen
               (z. B [123I]FP‑CIT-SPECT) ist insbesondere dann zu                    Antikörper bzw. Antikörper gegen Rezeptoren und Ober-
               empfehlen, wenn die Diagnosestellung einer Lewy-                      flächenantigene bestimmt werden. Hierzu sei auf die
               Körperchen-Demenz (LKD) anhand der klinischen                         Spezialliteratur verwiesen [16].
               Kriterien nicht gelingt.

100                                                                      Oedekoven C, Dodel R. Diagnostische Kriterien und …   Neurologie up2date 2019; 2: 91–105
Liquor
    ÜBER SIC HT                                                                      Die neuen (Forschungs-)Diagnosekriterien postulieren
    Empfohlene Zusatzdiagnostik der Laborwerte                                       ein Krankheitsmodell, das auf der molekularen Grundlage
    lt. S3-Leitlinie                                                                 der Alzheimer-Krankheit ein Kontinuum von der präkli-
    ▪ Differenzialblutbild                                                           nischen zur klinisch-manifesten Alzheimer-Demenz an-
    ▪ Blutgasanalyse (BGA)                                                           nimmt. Eine chronologische Abfolge der Biomarker ent-
    ▪ Phosphat                                                                       lang des Krankheitsverlaufs ist die Basis dieses Modells
    ▪ Hämoglobin A1c (HBA1c)                                                         [19]. Dem Liquor kommt hier eine zentrale Bedeutung
    ▪ Homocystein                                                                    zu.
    ▪ freies Trijodthyronin (fT3), freies Thyroxin (fT4),

                                                                                                                                                      Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
      Schilddrüsenantikörper                                                                     Merke
    ▪ Cortisol                                                                       Die 3 klinisch auf S3-Niveau validierten Liquor-
    ▪ Parathormon                                                                    biomarker der AD sind
    ▪ Coeruloplasmin                                                                 ▪ Abeta 1–42,
    ▪ Vitamin B6, Folsäure                                                           ▪ Gesamt-Tau und
    ▪ Lues                                                                           ▪ Phospho-Tau 181.
    ▪ Borrelien                                                                      Dabei ist die kombinierte Messung der 3 Biomarker
    ▪ Pb, Hg, Cu                                                                     im Sinne einer diagnostischen Signatur (Abeta 1–42
    ▪ Lues                                                                           erniedrigt, Gesamt-Tau und Phospho-Tau erhöht) der
    ▪ HIV                                                                            alleinigen Bestimmung eines Biomarkers eindeutig
    ▪ Drogenscreening                                                                überlegen.
    ▪ Urinteststreifen
                                                                                     In den letzten Jahren ist noch die Bestimmung der Beta-
                                                                                     Amyloid-Ratio als früher Marker der Amyloidablagerung
                                                                                     identifiziert worden.

Die Laboruntersuchungen dienen der Suche nach sekun-                                 Folgende Werte für Sensitivität und Spezifität werden in
dären Ursachen für eine Demenz. Leider gibt es nur ver-                              der Literatur angegeben:
einzelt Arbeiten zu den sekundären Ursachen von kogni-                               ▪ Ab1–42: AD versus gesund:
tiven Leistungsstörungen. In einer Metaanalyse wurden                                   – Sensitivität: 84,3 %,
ca. 9 % der Demenzen als durch andere Erkrankungen be-                                  – Spezifität: 79,4 %
dingt identifiziert; allerdings sind nur 0,6 % der Erkran-                           ▪ Ab1–42 p/pTau: AD versus gesund:
kungen vollständig reversibel [18].                                                     – Sensitivität: 92 %,
                                                                                        – Spezifität: 86 %.

                                                                                                Merke
    FAL L B E I S P I E L                                                            Die liquorbasierte neurochemische Demenzdiag-
    Fall 2                                                                           nostik wird zwischenzeitlich international von
                                                                                     Demenzleitlinien (http://www.DGPPN.de) für die
   Laboruntersuchung, Liquordiagnostik
                                                                                     verbesserte Früh- und Differenzialdiagnostik der
   In der Laboruntersuchung findet sich ein reduzierter
                                                                                     multigenetischen (sporadischen) Alzheimer-Demenz
   Vitamin-B12-Spiegel mit 172 pg/ml, das Cholesterin
                                                                                     empfohlen.
   ist mit 270 mg/dl leicht erhöht; alle anderen Labor-
   werte befinden sich im Normbereich.
                                                                                     Für die Qualität der Laboranalyse dieser Biomarker sind
   Der Liquorbefund zeigt folgende Konstellation:
                                                                                     einige Besonderheiten zu fordern, die unbedingt befolgt
   ▪ Amyloid: Abeta 1–42 672 pg/ml (Normwert:                                        werden müssen, da sonst falsch positive Ergebnisse fol-
     > 450),                                                                         gen können [20]: Die präklinische Verarbeitung kann zu
   ▪ Gesamt-Tau: 379 pg/ml (Normwert: < 450),                                        einer Streuung von 30–60 % der Laborwerte führen (die
   ▪ pTau 52 pg/ml (Normwert: < 61).                                                 Interlabor-Streuung beträgt 15–20 %). Deshalb sollten
   Welche Diagnose würden Sie stellen?                                               die in der Übersicht genannten Regularien eingehalten
   Welche Diagnosen würden Sie stellen, wenn Sie die                                 werden; dies gewährleistet eine sinnvolle Analyse der
   ICD-10, IWG-2- oder die NIA‑AA-Kriterien zugrunde                                 entsprechenden Proben.
   legen würden?

Oedekoven C, Dodel R. Diagnostische Kriterien und …   Neurologie up2date 2019; 2: 91–105                                                        101
CME-Fortbildung

                                                                                      Autorinnen/Autoren
               PR AXIS
               Liquordiagnostik                                                                             Christiane Oedekoven

               ▪ Abnahmen zu festen Zeiten am Vormittag                                                   Dr. rer. nat. Dipl.-Psych., aktuell Neuropsycho-
                                                                                                          login am Geriatrie-Zentrum Haus Berge. 2014–
               ▪ Verwendung nur spezieller Polypropylen-
                                                                                                          2018 an der University of Sussex in Brighton als
                 Röhrchen                                                                                 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich
               ▪ standardisierte rasche Verarbeitung                                                      Psychologie mit den Schwerpunkten Neuro-
                                                                                                          psychologie und Bildgebung bei älteren Men-
                                                                                            schen. Zuvor tätig in der Gerontopsychiatrie am Universitäts-
                                                                                            klinikum Tübingen und in der Klinik für Psychiatrie und Psy-

                                                                                                                                                                     Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
                                                                                            chotherapie am Universitätsklinikum Marburg und Gießen.
            Schlussfolgerungen
            Die Diagnostik der Alzheimer-Krankheit hat in den letzten                                       Richard Dodel
            Jahren signifikante Änderungen erfahren: weg von der                                           Prof. Dr. med. Lehrstuhlinhaber für Geriatrie an
            rein klinisch diagnostizierten Erkrankung hin zu einer bio-                                    der Universität Duisburg-Essen und Chefarzt
                                                                                                           am Geriatriezentrum Haus Berge, Contillia
            markergestützten Diagnose, wie sie in den neuen For-
                                                                                                           Group seit 2016. 2006–2016 W3-Professor
            schungskriterien festgelegt worden ist. Die Ergebnisse                                         für Neurologie an der Klinik für Neurologie,
            der klinischen Studien werden in Zukunft den Weg auf-                                          Philipps-Universität Marburg. Klinische und
            zeichnen, welche diagnostischen Verfahren und welche                            wissenschaftliche Tätigkeiten an den Neurologischen Kliniken
            diagnostischen Kriterien für eine adäquate Diagnostik in                        der Universität Bonn, der Ludwig-Maximilians-Universität
                                                                                            München und der Universitätsklinik Würzburg. Forschungs-
            welchem Stadium der Erkrankung benötigt werden.
                                                                                            aufenthalte in Indianapolis und Boston.

            Derzeit empfehlen wir die Diagnostik entsprechend dem
                                                                                      Korrespondenzadresse
            Algorithmus der S3-Leitlinie „Demenzen“. Eine sinnvolle
            und rationale Auswahl der zur Verfügung stehenden Un-
            tersuchungsoptionen ist aber angezeigt, um eine ätiolo-                         Prof. Dr. med. Richard Dodel
                                                                                            Lehrstuhl für Geriatrie
            gische Zuordnung zu erreichen („nicht jeder Patient be-
                                                                                            Universität Duisburg Essen
            nötigt jede Untersuchung“). Hier ist ein Shared-Deci-                           Geriatriezentrum Haus Berge
            sion-Ansatz zwischen dem Patienten, den Angehörigen                             Germaniastr. 1–3
            und dem behandelnden Arzt notwendig.                                            45356 Essen
                                                                                            richard.dodel@uk-essen.de

                                                                                      Wissenschaftlich verantwortlich
               KER N AU SSAG EN
                                                                                      gemäß Zertifizierungsbestimmungen
               ▪ Die neuropsychometrische Testung ist ein wich-
                                                                                            Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungs-
                 tiger Bestandteil der ätiologischen Zuordnung.
                                                                                            bestimmungen für diesen Beitrag ist Prof. Dr. Richard Dodel,
               ▪ Eine Bildgebung des Kopfes sollte einmal im                                Essen.
                 Diagnosealgorithmus durchgeführt werden.
               ▪ Biomarker werden in der Diagnostik der Demenz                        Literatur
                 eine immer wichtigere Rolle einnehmen.
               ▪ Die Liquordiagnostik für Demenzmarker ist sehr                       [1]   Beach TG, Monsell SE, Phillips LE et al. Accuracy of the clinical
                 anfällig auf Störfaktoren. Eine detaillierte SOP                           diagnosis of Alzheimer disease at National Institute on Aging
                 sollte hierfür in jedem Haus zur Verfügung stehen.                         Alzheimer Disease Centers, 2005–2010. J Neuropathol Exp
                                                                                            Neurol 2012; 71: 266–273
               ▪ Kurztests zur kognitiven Leistungsfähigkeit sind
                 nicht geeignet für eine ätiologische Zuordnung.                      [2]   McKhann G, Drachman D, Folstein M et al. Clinical diagnosis of
                                                                                            Alzheimerʼs disease: report of the NINCDS-ADRDA Work
                                                                                            Group under the auspices of Department of Health and Hu-
                                                                                            man Services Task Force on Alzheimerʼs Disease. Neurology
                                                                                            1984; 34: 939–944
                                                                                      [3]   Falkai P, Wittchen HU, Hrsg. Diagnostisches und Statistisches
            Interessenkonflikt                                                              Manual psychischer Störungen DSM‑5®. Göttingen: Hogrefe;
                                                                                            2015
                C. Oedekoven gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.           [4]   Maier W, Barnikol UB. Neurokognitive Störungen im DSM‑5.
                R. Dodel ist Berater für verschiedene Pharmaunternehmen,                    Nervenarzt 2014; 85: 564–570
                für das DZNE und Gutachter für öffentliche und nicht öffent-          [5]   Jessen F, Frolich L. ICD‑11: Neurokognitive Störungen. Fortschr
                liche Institutionen. Er hat Honorare für Vortragstätigkeiten                Neurol Psychiatr 2018; 86: 172–177
                von verschiedenen Institutionen erhalten.

102                                                                       Oedekoven C, Dodel R. Diagnostische Kriterien und …   Neurologie up2date 2019; 2: 91–105
[6]   Gaebel W, Jessen F, Kanba S. Neurocognitive disorders in                       [16] Wandinger KP, Leypoldt F, Junker R. Autoantibody-mediated
      ICD‑11: the debate and its outcome. World Psychiatry 2018;                          encephalitis. Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 666–673
      17: 229–230. doi:10.1002/wps.20534                                             [17] Harper L, Barkhof F, Scheltens P et al. An algorithmic approach
[7]   Jack CR Jr, Bennett DA, Blennow K et al. A/T/N: An unbiased                         to structural imaging in dementia. J Neurol Neurosurg Psychiat
      descriptive classification scheme for Alzheimer disease bio-                        2014; 85: 692–698
      markers. Neurology 2016; 87: 539–547                                           [18] Clarfield AM. The decreasing prevalence of reversible demen-
[8]   Dubois B, Feldman HH, Jacova C et al. Research criteria for the                     tias: an updated meta-analysis. Arch Intern Med 2003; 163:
      diagnosis of Alzheimerʼs disease: revising the NINCDS-ADRDA                         2219–2229
      criteria. Lancet Neurol 2007; 6: 734–746                                       [19] Jack CR jr., Knopman DS, Jagust WJ et al. Tracking pathophysi-
[9]   Dubois B, Feldman HH, Jacova C et al. Advancing research di-                        ological processes in Alzheimerʼs disease: an updated hypo-
      agnostic criteria for Alzheimerʼs disease: the IWG‑2 criteria.                      thetical model of dynamic biomarkers. Lancet Neurol 2013;
      Lancet Neurol 2014; 13: 614–629                                                     12: 207–216

                                                                                                                                                                  Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
[10] Dubois B, Hampel H, Feldman HH et al. Preclinical Alzheimerʼs                   [20] Lewczuk P, Riederer P, OʼBryant SE et al. Cerebrospinal fluid
     disease: Definition, natural history, and diagnostic criteria. Alz-                  and blood biomarkers for neurodegenerative dementias: An
     heimers Dement 2016; 12: 292–323                                                     update of the Consensus of the Task Force on Biological
[11] Jack CR jr., Albert MS, Knopman DS et al. Introduction to the                        Markers in Psychiatry of the World Federation of Societies of
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     heimerʼs Association workgroups on diagnostic guidelines for
     Alzheimerʼs disease. Alzheimers Dement 2011; 7: 257–262                         Bibliografie
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     Framework: Toward a biological definition of Alzheimerʼs dis-
                                                                                           DOI https://doi.org/10.1055/a-0803-4606
     ease. Alzheimers Dement 2018; 14: 535–562
                                                                                           Neurologie up2date 2019; 2: 91–105
[13] Maier W, Deuschl G. S3-Leitlinie Demenzen (2016). Im In-                              © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
     ternet: www.dgn.org/leitlinien/3176-leitlinie-diagnose-und-                           ISSN 2511-3453
     therapie-von-demenzen-2016; Stand: 04.03.2019
[14] Harper L, Barkhof F, Fox NC et al. Using visual rating to diag-
     nose dementia: a critical evaluation of MRI atrophy scales.
     J Neurol Neurosurg Psychiat 2015; 86: 1225–1233
[15] Scheltens P, Pasquier F, Weerts JG et al. Qualitative assessment
     of cerebral atrophy on MRI: inter- and intra-observer reprodu-
     cibility in dementia and normal aging. Eur Neurol 1997; 37:
     95–99

Oedekoven C, Dodel R. Diagnostische Kriterien und …   Neurologie up2date 2019; 2: 91–105                                                                    103
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      VNR 2760512019156642827

Frage 1                                                              Frage 4
Der Uhrentest ist ein …                                              Wodurch sind die diagnostischen Kriterien der Alzheimer-De-
A Test zur Erfassung des Zeitverständnisses.                         menz gekennzeichnet?
B Kurztest.                                                          A Nach DSM-5-Kriterien wird der Begriff der „Demenz“ zuguns-
C Test, der für sich alleine zur Diagnosestellung der Alzheimer-       ten des Begriffs „neurokognitive Störung“ aufgegeben.
  Demenz eingesetzt werden kann.                                     B Nach DSM-5 werden das Delir, die leichte kognitive Störung
D Test, der ca. 20 Minuten in Anspruch nimmt.                          und die Demenz unterschieden.
E Test, der das episodische Gedächtnis evaluiert.                    C Biomarker sind essenzieller Bestandteil der Diagnostik nach
                                                                       DSM-5.
Frage 2                                                              D Bei einer leichten neurokognitiven Störung ist die Fähigkeit
Die Bildgebung ist nach der S3-Leitlinie ein wichtiges Verfahren       zur selbstständigen Verrichtung alltäglicher Arbeiten nicht
in der Diagnosestellung von Demenzerkrankungen. Welche Aus-            erhalten.
sage in diesem Zusammenhang ist korrekt?                             E Bei einer schweren neurokognitiven Störung finden sich in
A Die Leitlinie empfiehlt die wiederholte Durchführung einer           der standardisierten neuropsychologischen Testung Werte
    Bildgebung bei Patienten mit einer Demenzerkrankung.               im Bereich von 1–2 Standardabweichungen unter Normwer-
B Die Sensitivität des cCT zur Detektion von vaskulären Verän-         ten.
    derungen ist höher als bei der cMRT.
C Visuelle Bewertungsskalen sind insbesondere für die cCT aus-       Frage 5
    reichend validiert.                                              Wodurch sind die Forschungskriterien zur Diagnostik einer De-
D Bei der Demenz vom Alzheimer-Typ findet sich eine Betei-           menz gekennzeichnet?
    ligung der Strukturen des medialen Temporallappens.              A Der Biomarker NSE spielt in den NIA‑AA-Kriterien eine wichti-
E Die funktionelle Bildgebung ist immer der strukturellen Bild-        ge Rolle.
    gebung vorzuziehen.                                              B Der Nachweis von Beta-Amyloid spielt in den NIA‑AA-Krite-
                                                                       rien eine wichtige Rolle zur Bestimmung einer Alzheimer-
Frage 3                                                                Krankheit.
Die neuropsychometrische Testung spielt in der ätiologischen         C Die Veränderungen von Tau und der Nachweis von neuro-
Zuordnung bei Demenzerkrankungen eine wichtige Rolle. Wel-             degenerativen Veränderungen sind kein Bestandteil der
che Aussage in diesem Zusammenhang ist korrekt?                        NIA‑AA-Kriterien.
A Screening-Verfahren sind ausreichend zur ätiologischen             D Beta-Amyloid kann im Liquor und im Urin klinisch aus-
   Diagnosestellung einer Demenz.                                      sagekräftig nachgewiesen werden.
B Folgende Domänen werden in der CERAD-Testbatterie unter-           E Die NIAA-Kriterien sollten für die Routinediagnostik einge-
   sucht: Gedächtnis, Sprache, exekutive Funktionen, Motorik,          setzt werden.
   Aufmerksamkeit.
C Der Montreal Cognitive Assessment (MoCA) ist auch im am-
   bulanten Bereich einsetzbar als Screening-Instrument.             ▶   Weitere Fragen auf der folgenden Seite …
D Die Alzheimerʼs Disease Assessment Scale (ADAS) ist ein
   Screening-Instrument.
E Der Mini-Mental-Status-Test eignet sich gut für die Detektion
   eines Mild Cognitive Impairment.

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